Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung liegt bei einem Vermögensschaden an dem Ort, von dem der Gläubiger angelegtes Kapital infolge einer Täuschung auf ein anderes Konto überwiesen hat.
Die Vorschriften der § 513 II ZPO und § 545 II ZPO finden Anwendung, wenn die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichts nicht von denselben Voraussetzungen abhängt, die für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte maßgebend sind. [LS der Redaktion]
Die Kl. begehrt aus abgetretenem Recht ihres Bruders von den Bekl. Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der nicht börsennotierten Schweizer ES AG. Geschäftsgegenstand der ES AG, die 22 Millionen Namensakten zu einem Nennwert von 0,01 Schweizer Franken herausgegeben hatte, war das Factoring. Der Bekl. zu 1) war von 2004 bis 2010 Mitglied des Verwaltungsrats und Geschäftsführer der ES AG. Der Bekl. zu 2) war von 2004 bis 2008 bzw. nach dem Vortrag der Kl. bis 2009, Präsident des Verwaltungsrats der ES AG. Der Zedent erwarb zwischen dem 28.11.2006 und dem 5.8.2009 insgesamt 20 000 Namensaktien für zusammen 61 000 €. Die Aktienkäufe erfolgten jeweils nach Telefonaten zw. dem Zedenten und einem Mitarbeiter der Zweigniederlassung der ES AG in Düsseldorf. Die Zahlungen leistete der Zedent von seinem in Deutschland geführten Konto auf ein ebenfalls in Deutschland geführtes Konto der ES AG. Am 18.6.2010 wurde über das Vermögen der ES AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Die von dem Zedenten gezeichneten Aktien sind wertlos.
Das LG hat den Bekl. zu 1) antragsgemäß u.a. zum Ersatz des Anlagebetrags verurteilt und die Klage gegen den Bekl. zu 2) abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Bekl. zu 1) hat das OLG auch die gegen ihn gerichtete Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kl. ihr Zahlungsbegehren weiter.
[13] II. Die Revision hat Erfolg.
[14] 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, die auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 2.3.2010 – VI ZR 23/09 (IPRspr 2010-213), BGHZ 184, 313 Rz. 7; vom 5.10.2010 – VI ZR 159/09 (IPRspr 2010-184b), BGHZ 187, 156 Rz. 8; vom 31.5.2011 – VI ZR 154/10 (IPRspr. 2011 Nr. 183), BGHZ 190, 28 Rz. 16, jew. m.w.N. und vom 24.6.2014 – VI ZR 315/13 (IPRspr 2014-211), WM 2014, 1614 Rz. 12). Diese Zuständigkeit besteht nach Art. 5 Nr. 3 LuGÜ II. Nach st. Rspr. des EuGH ist die Wendung ‚Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist’ in Art. 5 Nr. 3 EuGVO a.F. so zu verstehen, dass sie sowohl den Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) meint (EuGH, Urt. vom 16.5.2013 – Melzer ./. MF Global UK Ltd., Rs C-228, NJW 2013, 2099 Rz. 25 m.w.N.; Urt. vom 18.7.2013 – Östergötlands Fastigheter AB ./. Frank Koot und Evergreen Investments BV, Rs C-147/12, NZG 2013, 1073 Rz. 51; Urt. vom 3.10.2013 – Peter Pinckney ./. KDG Mediatech AG, Rs C-170/12, NJW 2013, 3627 Rz. 26; Urt. vom 3.4.2014 – Hi Hotel HCF SARL ./. Uwe Spoering, Rs C-387/12, NJW 2014, 1793 Rz. 27; Urt. vom 5.6.2014 – Coty Germany GmbH ./. First Note Perfumes N.V., Rs C-360/12, GRUR 2014, 806 Rz. 46; zu Art. 5 Nr. 3 LugÜ I und II bereits Senatsurteil vom 24.6.2014 aaO Rz. 29 m.w.N.).
[15] Für die internationale Zuständigkeit kann offen bleiben, ob der Handlungsort in Deutschland liegt, da nach dem schlüssigen Vortrag der Kl. jedenfalls der Erfolgsort in Deutschland liegt. Denn danach ist der Vermögensschaden des Zedenten, den sie mit der Klage ersetzt verlangt, an dem Guthaben auf dessen Girokonto bei einem Kreditinstitut in Deutschland eingetreten, von dem er infolge der von den Bekl. zu verantwortenden Täuschung das angelegte Kapital auf ein Konto der ES AG bei einem Kreditinstitut in Deutschland überwiesen hat (vgl. BGH, Urt. vom 12.10.2010 – XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rz. 30).
[16] 2. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ihm die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 513 II ZPO verwehrt sei ...
[20] c) ... aa) Zwar begegnet die Auffassung des LG Bedenken, es sei, obwohl die Bekl. die örtliche Zuständigkeit in der Klageerwiderung gerügt haben, infolge rügeloser Verhandlung örtlich zuständig geworden, zumal es unzutreffend auf § 39 ZPO statt auf Art. 24 LugÜ II (zur Geltung für die örtliche Zuständigkeit Stein-Jonas-Wagner, ZPO, 22. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 1; Zöller-Geimer, ZPO, 30. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 1; Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 32) abgestellt hat. Da die Bekl. ausweislich des erstinstanzlichen Protokolls zur Sache verhandelt haben, ohne dort die Zuständigkeitsrüge zu wiederholen, ist die Beurteilung des LG indessen noch nicht willkürlich. Objektiv willkürlich ist ein Richterspruch nach st. Rspr. des BVerfG dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird, so dass die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungsfehlern beruht (BVerfG, FamRZ 2010, 25; NJW 2014, 3147 Rz. 13; jew. m.w.N.).
[21] bb) Hier ist das LG, das die schriftsätzliche Zuständigkeitsrüge ausweislich seines Urteilstatbestands gesehen hat, offenbar davon ausgegangen, die Bekl. hätten die Rüge stillschweigend fallengelassen, nachdem das Gericht, wie sich aus seinem Beschluss vom 15.12.2011 über den Tatbestandsberichtigungsantrag des Bekl. zu 1) ergibt, in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt hatte, warum es seine örtliche Zuständigkeit für gegeben erachte und die Bekl. dazu keine weiteren Erklärungen abgegeben hatten. Zwar muss die bereits schriftsätzlich vorgetragene Zuständigkeitsrüge sowohl im Anwendungsbereich des § 39 ZPO als auch des Art. 24 LugÜ II in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt werden, sofern auf sie stillschweigend Bezug genommen wird (vgl. BGH, Urt. vom 2.3.2006 – IX ZR 15/05 (IPRspr 2006-109), NJW 2006, 1806 Rz. 9). Möglich ist aber ein nachträglicher – auch stillschweigender – Rügeverzicht (vgl. zu § 39 ZPO BGH, Urt. vom 2.3.2006 aaO; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 429, 430) oder eine Rücknahme der Zuständigkeitsrüge (zu § 39 ZPO Künzl, BB 1991, 757; Zöller-Vollkommer aaO § 39 Rz. 5; Prütting-Gehrlein-Wern, ZPO, 6. Aufl., § 12 Rz. 9; zu Art. 24 EuGVVO a.F. HK-ZPO-Dörner, 5. Aufl., Art. 24 EuGVVO Rz. 8; Geimer-Schütze aaO Rz. 52). Ob die Bekl. hier nachträglich auf die Zuständigkeitsrüge verzichtet oder sie zurückgenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, läge hier ein bloßer Rechtsanwendungsfehler vor, der nicht den Schluss darauf zuließe, die Bejahung der örtlichen Zuständigkeit beruhe auf sachfremden Erwägungen und sei willkürlich.
[22] 3. Die angefochtene Entscheidung hält jedoch in der Sache revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
[23] a) Zu Recht – und von den Parteien auch nicht angegriffen – hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt. Dies folgt, soweit die Kl. ihre Klage auf Aktienerwerbe vor dem 11.1.2009 stützt, aus Art. 40 I 2 EGBGB und für Aktienerwerbe ab dem 11.1.2009 auf Art. 4 I Rom-II-VO.