Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO folgen die Regelungen über das Erlöschen von Verpflichtungen aus einem Vertrag und somit auch das Recht seiner Kündigung einschließlich des allgemeinen Kündigungsschutzes grundsätzlich dem Recht des Staates, das auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet.
Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO gestattet es den Parteien, eine einmal getroffene Rechtswahl jederzeit wieder abzuändern. [LS der Redaktion]
[Siehe auch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Parallelentscheidung des LAG Düsseldorf gleichen Datums –
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz zuletzt noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten zu 1), einer betriebsbedingten Kündigung der Beklagten zu 2), die Frage eines Betriebsübergangs von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) sowie über die Zahlung einer sog. Sektorzulage (Sektor Pay). Die Beklagte zu 1) war ein Flugdienstleistungsunternehmen im S.-Konzern mit Sitz in T. (x.). Zwischen ihr und Kläger bestand seit 2019 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Grundlage war zuletzt der Arbeitsvertrag vom 05.08.2019. Der Kläger war danach als Kapitän (Commander) an der Heimatbasis B. beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag hieß es u.a.: „Im ausdrücklichen Einvernehmen wird vereinbart, dass auf dieses Vertragsverhältnis ausschließlich österreichisches Recht, unter Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Privatrechts, zur Anwendung kommt. Als Gerichtsstand wird der Sitz des Dienstgebers vereinbart." Infolge der Ausbreitung der Covid19-Pandemie setzte die Beklagte zu 1) den Flugverkehr an den deutschen Standorten von Mitte März 2020 bis Ende Juni 2020 vollständig aus. Mit E-Mail vom Morgen des 03.07.2020 informierten die Geschäftsführer der Beklagten zu 1) alle in B. stationierten Piloten über die Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft v....di über ein "Eckpunktepapier für in Deutschland stationierte Piloten" (im Folgenden Eckpunktepapier). Der Kläger erklärte per Antwort-E-Mail fristgerecht seine Zustimmung zu dem Eckpunktepapier. In diesem hieß es u.a.: „Ab dem 1. Juli 2020 wird M. das deutsche Arbeitsrecht auf alle in Deutschland direktangestellten Piloten von M. anwenden. Dies gilt nicht für bereits anhängige Gerichtsverfahren oder vor dem 01.07.2020 eingetretene Anlässe von Rechtsstreitigkeiten, welche weiterhin österreichischen Recht unterliegen. M. hat den Betrieb im März 2018 aufgenommen, was den frühesten Arbeitsbeginn/Beginn der Betriebszugehörigkeit für alle Piloten für M. darstellt. Alle früheren Dienste, Betriebszugehörigkeiten oder Ansprüche (vor März 2018) sind für die aktuellen Arbeitsverhältnisse der Piloten mit M. rechtlich irrelevant.“ Die Tarifverhandlungen über den Abschluss des Eckpunktepapiers scheiterten. Die Beklagte zu 1) informierte die in Wien stationierten Piloten und das Kabinenpersonal mit Base-Update vom 17.07.2020 darüber, dass die B.er Piloten und das dortige Kabinenpersonal das Eckpunktepapier mit überwältigender Mehrheit angenommen hätten, was das Unternehmen in die Lage versetze, die B.er Base über den Winter weiter zu betreiben, obwohl man sich eines intensiven Wettbewerbs durch die M. und deren Töchtern ausgesetzt sehe. Leider hätten der Großteil der Piloten und das Kabinenpersonal in Stuttgart dem Eckpunktepapier nicht zugestimmt, so dass Stuttgart Ende Oktober 2020 geschlossen werde, woraus der Verlust aller Jobs für Piloten und des Kabinenpersonals in Stuttgart resultiere. Am 28.07.2020 gab die Beklagte zu 2) bekannt, dass sie im Spätherbst 2020 eine Basis in B. eröffnen werde. Bei der Beklagten zu 2) handelte es sich um eine neu gegründete, auf N. registrierte Fluggesellschaft, deren alleinige Gesellschafterin die H. Holding Limited war, deren Alleingesellschafterin wiederum die S. Holdings PLC war. Am 20.08.2020 erhielt der Kläger eine E-Mail der Beklagten zu 2), die gemäß Übersetzung des Klägers u.a. folgenden Inhalt hatte: "... Wir freuen uns, Dir die Stelle als Kapitän bei der M. Europe Ltd. mit beginn ab 15. September 2020 anzubieten… Der Kläger antwortete auf diese E-Mail, wie ein Großteil der Beschäftigten der Station B., fristgerecht mit "ich akzeptiere". Aus den Reihen der Beschäftigten der Beklagten zu 1) der Station Stuttgart begründete niemand ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2). Am 09.09.2020 zeigte die Beklagte zu 1) u.a. bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine beabsichtigte Massenentlassung an. Am 10.09.2020 zeigte die Beklagte zu 2) u.a. bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine beabsichtigte Massenentlassung an. Mit Schreiben vom 10.09.2020 kündigte die Beklagte zu 1) die Arbeitsverhältnisse der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter. Ebenfalls mit Schreiben vom 10.09.2020 kündigte die Beklagte zu 2) etwaige Arbeitsverhältnisse sämtlicher Beschäftigter der Station B., die auf die E-Mail vom 20.08.2020 zustimmend geantwortet hatten.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 10.09.2020 der Beklagten zu 1) gewandt. Mit der am 01.10.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten zu 2) am 14.10.2020 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen deren Kündigung vom 10.09.2020 gewandt. Mit Beschluss vom 05.10.2021 hat die Kammer nach Anhörung der Parteien des hiesigen Rechtsstreits sowie der Verfahren
[1]A. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die im Jahre 2020 eingegangenen Klagen gegen beide Beklagte folgt aus Art. 66 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EUGVVO). Es handelt sich bei den arbeitsgerichtlichen Klagen um zivilrechtliche Streitigkeiten i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EUGVVO (BAG 07.05.2020 -
[2]B. Die Berufungen des Klägers sind insgesamt zulässig und insbesondere ausreichen begründet. Dies gilt auch für die Berufungsanträge zu II.5. und II.8.
[3]I. ... II. ... C. Die Berufungen des Klägers sind weitgehend unbegründet. Sie haben lediglich betreffend die gegen die Beklagte zu 1) gerichteten und zuletzt unbedingt gestellten Zahlungsanträge zu II.4. und II.7. Erfolg. Im Übrigen haben die Berufungen des Klägers keinen Erfolg.
[4]I. Der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Kündigungsschutzantrag (Antrag zu I.) ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2021 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2020 rechtswirksam beendet hat.
[5]1. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten zu 1) findet aufgrund der im Eckpunktepapier getroffenen Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) deutsches Recht Anwendung. Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO folgen die Regelungen über das Erlöschen von Verpflichtungen aus einem Vertrag und somit auch das Recht seiner Kündigung einschließlich des allgemeinen Kündigungsschutzes grundsätzlich dem Recht des Staates, das auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet (BAG 24.08.1989 -
[6]Im Eckpunktepapier haben der Kläger und die Beklagte zu 1) Anfang Juli 2020 die in ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag vereinbarte Anwendung österreichischen Rechts zugunsten des deutschen Rechts derogiert. Im Eckpunktepapier ist u. a. vereinbart, dass die Beklagte zu 1) ab dem 01.07.2020 das deutsche Arbeitsrecht auf alle ihre in Deutschland direkt angestellten Piloten anwendet. Zudem wurde in den Anfang Juli 2020 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) gewechselten E-Mails vereinbart, dass das Eckpunktepapier ab dem 01.07.2020 die bisherigen Bedingungen und Konditionen ersetzt bzw. an deren Stelle tritt. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO gestattet es den Parteien, eine einmal getroffene Rechtswahl jederzeit wieder abzuändern (MüKoBGB/Martiny, 8. Aufl. 2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 77; BeckOGK/Wendland, Stand 01.09.2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 202; OGH 25.11.2014 -
[7]Unabhängig von Vorstehendem gehen die Parteien in beiden Tatsacheninstanzen übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus (vgl. zu einer - gemäß Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO auch nachträglich möglichen - Rechtswahl BGH 19.01.2000 -
[8]2. ...