Eine nachträgliche Änderung der in einem Arbeitsvertrag getroffenen Rechtswahl zugunsten des Rechts des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Dienste verrichtet, ist möglich.
Eine gesonderte Klauselkontrolle für vorformulierte Rechtswahlklauseln in einem Arbeitsvertrag kommt nicht in Betracht. Insoweit wird über Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ein spezifisch kollisionsrechtlicher Schutz vor den Folgen einer Rechtswahl verwirklicht. [LS der Redaktion]
[Siehe auch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Parallelentscheidung des LAG Düsseldorf vom 15.12.2021 – 12 Sa 347/21 (IPRspr 2021-358).]
Die Beklagte zu 1) war ein Flugdienstleistungsunternehmen im S.-Konzern mit Sitz in T. (x.). Zwischen ihr und dem 1985 geborenen, verheirateten Kläger, der zuvor seit 2011 über die Labour Pool Personalleasinggesellschaft m.b.H. für die O. Luftfahrt GmbH tätig war, bestand seit 2018 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger war danach als Pilot (Kapitän) an der Heimatbasis B. beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag hieß es u.a.: "Als Stationierungsort des Dienstnehmers ist Wien, als Einsatzort B. vereinbart. [...] Auf dieses Vertragsverhältnis kommt ausschließlich österreichisches Recht, unter Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Privatrechts, zur Anwendung." Die Geschäftsführer der Beklagten zu 1) informierten die in B. stationierten Piloten über ein „Eckpunktepapier für in Deutschland stationierten Piloten“ (im Folgenden Eckpunktepapier). Der Kläger erklärte per Antwort-E-Mail fristgerecht seine Zustimmung zu dem Eckpunktepapier. In diesem hieß es u.a.: „Ab dem 1. Juli 2020 wird M. das deutsche Arbeitsrecht auf das gesamte in Deutschland direktangestellten Piloten von M. anwenden." 2020 erhielt der Kläger eine E-Mail der Beklagten zu 2), die u.a. folgenden Inhalt hatte: „Wir freuen uns Dir die Stelle als Kapitän bei der M. Europe Ltd. mit beginn ab 15. September 2020 anzubieten. [...] M. Europe Ltd bietet dieselben Vertragsbedingungen an wie die in Ihrem bestehenden Vertrag bei M. GmbH [...]" Der Kläger antwortete auf diese E-Mail, wie ein Großteil der Beschäftigten der Station B., fristgerecht mit „ich akzeptiere“. Im September 2020 zeigten die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) u.a. bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine beabsichtigte Massenentlassung von xxx Beschäftigten an. Mit Schreiben vom xx.xx.2020 bzw. nach Vorliegen notwendiger behördlicher Zustimmungen kündigte die Beklagte zu 1) die Arbeitsverhältnisse der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter. Ebenfalls mit Schreiben vom xx.xx.2020 kündigte die Beklagte zu 2) etwaige Arbeitsverhältnisse sämtlicher Beschäftigter der Station B., die auf die E-Mail zustimmend geantwortet hatten.
Mit der am xx.xx..2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten zu 1) am xx.xx.2020 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen deren Kündigung vom xx.xx.2020 gewandt. Mit der am xx.xx.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beklagten zu 2) am xx.xx.2020 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen deren Kündigung vom xx.xx.2020 gewandt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sämtliche Klageanträge - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter.
[1]A. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die im Jahre 2020 eingegangenen Klagen gegen beide Beklagte folgt aus Art. 66 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EUGVVO). Es handelt sich bei den arbeitsgerichtlichen Klagen um zivilrechtliche Streitigkeiten i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EUGVVO (BAG 07.05.2020 -
[2]B. Die zulässigen Berufungen des Klägers sind weitgehend unbegründet. Sie haben lediglich betreffend die gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Zahlungsanträge zu II.4. in Höhe von ... Euro brutto und zu II.7. in Höhe von ... Euro brutto Erfolg. Im Übrigen haben die Berufungen des Klägers keinen Erfolg.
[3]I. Der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Kündigungsschutzantrag (Antrag zu I.) ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2021 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2020 rechtswirksam beendet hat.
[4]1. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten zu 1) findet aufgrund der im Eckpunktepapier getroffenen Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) deutsches Recht Anwendung. Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO folgen die Regelungen über das Erlöschen von Verpflichtungen aus einem Vertrag und somit auch das Recht seiner Kündigung einschließlich des allgemeinen Kündigungsschutzes grundsätzlich dem Recht des Staates, das auf den Arbeitsvertrag Anwendung findet (BAG 24.08.1989 -
[5]Im Eckpunktepapier haben der Kläger und die Beklagte zu 1) Anfang Juli 2020 die in ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag vereinbarte Anwendung österreichischen Rechts zugunsten des deutschen Rechts derogiert. Im Eckpunktepapier ist u. a. vereinbart, dass die Beklagte zu 1) ab dem 01.07.2020 das deutsche Arbeitsrecht auf alle ihre in Deutschland direkt angestellten Piloten anwendet. Zudem wurde in den Anfang Juli 2020 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) gewechselten E-Mails vereinbart, dass das Eckpunktepapier ab dem 01.07.2020 die bisherigen Bedingungen und Konditionen ersetzt bzw. an deren Stelle tritt. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO gestattet es den Parteien, eine einmal getroffene Rechtswahl jederzeit wieder abzuändern (MüKoBGB/Martiny, 8. Aufl. 2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 77; BeckOGK/Wendland, Stand 01.09.2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 202; OGH 25.11.2014 -
[6]Unabhängig von Vorstehendem gehen die Parteien in beiden Tatsacheninstanzen übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus (vgl. zu einer - gemäß Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO auch nachträglich möglichen - Rechtswahl BGH 19.01.2000 -
[7]2. ... 3. ... 4. ... 5. ... 6. ... 7. ... 8. ... II. Der gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Kündigungsschutzantrag (Antrag zu III.2) ist zulässig aber unbegründet.
[8]1. ... 2. Der Kündigungsschutzantrag zu III.2 ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 10.09.2020 rechtswirksam ist und das vertraglich mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2020 aufgelöst hat.
[9]a. Die Wirksamkeit der Kündigung beurteilt sich nach deutschem Recht. Insoweit gilt im Ergebnis aufgrund der von den Parteien getroffenen Rechtswahl im Eckpunktepapier nichts anderes als für die Kündigung der Beklagten zu 1). Der Kläger und die Beklagte zu 2) wiederum haben auf der Grundlage des Schreibens vom 20.08.2020 - unabhängig von der zu Grunde gelegten Übersetzung - ein Arbeitsverhältnis zu denselben Bedingungen und Konditionen vereinbart, wie sie in dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) bestand. Demgemäß gilt deutsches Recht auch im Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2). Davon gehen die Parteien im Übrigen im Verfahren übereinstimmend aus.
[10]b. ...