Eine nachträgliche Änderung der in einem Arbeitsvertrag getroffenen Rechtswahl zugunsten des Rechts des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Dienste verrichtet, ist möglich.
Eine gesonderte Klauselkontrolle für vorformulierte Rechtswahlklauseln in einem Arbeitsvertrag kommt nicht in Betracht. Insoweit wird über Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO ein spezifisch kollisionsrechtlicher Schutz vor den Folgen einer Rechtswahl verwirklicht. [LS der Redaktion]
Die Beklagte zu 1) war ein Flugdienstleistungsunternehmen im S.-Konzern mit Sitz in Schwechat (Österreich). Zwischen ihr und der 1964 geborenen Klägerin bestand seit 2019 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin verdiente zuletzt monatlich durchschnittlich ... Euro brutto und war als Senior-Flugbegleiterin tätig. Die Klägerin und die Beklagte zu 1) schlossen einen „Dienstvertrag“ (iF.: Dienstvertrag), der ua. österreichisches Recht für anwendbar erklärte. Zur örtlichen Tätigkeit der Klägerin enthielt der Vertrag folgende Regelung: „Als Stationierungsort des Dienstnehmers ist Wien, als Einsatzort Düsseldorf vereinbart." Die Geschäftsführer der Beklagten zu 1) informierten das in Düsseldorf stationierte Kabinenpersonal über ein „Eckpunktepapier für das in Deutschland stationierte Kabinenpersonal“ (im Folgenden Eckpunktepapier). Die Klägerin erklärte per Antwort-E-Mail fristgerecht ihre Zustimmung zu dem Eckpunktepapier. In diesem hieß es u.a.: „Ab dem 1. Juli 2020 wird M. das deutsche Arbeitsrecht auf das gesamte in Deutschland direktangestellte M.-Kabinenpersonal anwenden." 2020 erhielt die Klägerin eine E-Mail der Beklagten zu 2), die u.a. folgenden Inhalt hatte: „wir freuen uns, Ihnen mit Wirkung ab September 2020 die Position [...] bei M. Europe Ltd anbieten zu können. [...] M. Europe Ltd bietet Ihnen die gleichen wie die in Ihrem bestehenden Vertrag mit M. GmbH genannten Konditionen [...]" Die Klägerin antwortete auf diese E-Mail, wie ein Großteil der Beschäftigten der Station Düsseldorf, fristgerecht mit „ich akzeptiere“. Im September 2020 zeigten die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) u.a. bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine beabsichtigte Massenentlassung von xxx Beschäftigten an. Mit Schreiben vom xx.xx.2020 bzw. nach Vorliegen notwendiger behördlicher Zustimmungen kündigte die Beklagte zu 1) die Arbeitsverhältnisse der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter. Ebenfalls mit Schreiben vom xx.xx.2020 kündigte die Beklagte zu 2) etwaige Arbeitsverhältnisse sämtlicher Beschäftigter der Station Düsseldorf, die auf die E-Mail zustimmend geantwortet hatten. Mit Schreiben vom xx.xx.2020 kündigten beide Beklagten das Arbeitsverhältnis zu der Klägerin erneut, nunmehr fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Mit der am xx.xx.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen deren Kündigung gewandt. Mit Klageerweiterung vom xx.xx.2021 hat die Klägerin u.a. zudem einen allgemeinen Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 2) sowie einen Anspruch auf Zeugniserteilung gegen die Beklagte zu 2), hilfsweise gegen die Beklagte zu 1) geltend gemacht. Mit der am xx.xx.2020 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen deren Kündigung gewandt. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sämtliche Klageanträge - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag betreffend die Kündigung vom xx.xx.2020 gegen die Beklagte zu 1) unter dem Aktenzeichen
[1]I.
[2]Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die im Jahre 2020 eingegangenen Klagen gegen beide Beklagte folgt aus Art. 66 Abs. 1, 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EUGVVO). Es handelt sich um zivilrechtliche Streitigkeiten iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EUGVVO (BAG 07.05.2020 -
[3]II.
[4]Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.03.2021 ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zutreffender Begründung zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen in der Berufungsinstanz ändert daran nichts. Der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Kündigungsschutzantrag (Antrag zu I.) ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2021 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.10.2020 rechtswirksam beendet hat.
[5]1. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu der Beklagten zu 1) findet aufgrund getroffener Rechtswahl gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) deutsches Recht Anwendung. Für das Recht zur Kündigung des Vertrags gilt daher gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO ebenfalls deutsches Recht (vgl. auch BAG 24.08.1989 -
[6]a. Die Beklagte zu 1) und die Klägerin haben durch das Angebot vom 03.07.2020 und dessen Annahme durch die Klägerin die Bedingungen des Eckpunktepapiers zur Grundlage ihrer arbeitsvertraglichen Beziehung gemacht. Aufgrund der Regelung des Eckpunktepapiers (dort Seite 1 f.) wurde die aufgrund des zuvor geltenden Dienstvertrags vereinbarte Anwendung österreichischen Rechts zugunsten des deutschen Rechts derogiert.
[7]aa. Im Eckpunktepapier haben die Klägerin und die Beklagte zu 1) Anfang Juli 2020 die in ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag vereinbarte Anwendung österreichischen Rechts zugunsten des deutschen Rechts derogiert. Im Eckpunktepapier ist u.a. vereinbart, dass die Beklagte zu 1) ab dem 01.07.2020 das deutsche Arbeitsrecht auf alle ihre in Deutschland direkt angestellten Piloten anwendet. Zudem wurde in den Anfang Juli 2020 zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) gewechselten E-Mails vereinbart, dass das Eckpunktepapier ab dem 01.07.2020 die bisherigen Bedingungen und Konditionen ersetzt bzw. an deren Stelle tritt. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO gestattet es den Parteien, eine einmal getroffene Rechtswahl jederzeit wieder abzuändern (MüKoBGB/Martiny, 8. Aufl. 2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 77; BeckOGK/Wendland, Stand 01.09.2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 202; OGH 25.11.2014 -
[8]bb. Im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Klägerin in Deutschland ist davon gemäß Art. 10 Abs. 2 Rom I-VO keine Abweichung veranlasst. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Rechtswahl im Hinblick auf den Einsatzort des Flugpersonals in Düsseldorf der objektiven Anknüpfung gemäß Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO entspricht (in diesem Sinne wohl BAG 20.12.2012 -
[9]cc. Auch die vertragliche Schriftformklausel im Dienstvertrag und der Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Privatrechts stehen der Rechtswahl nicht entgegen. Soweit im Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO überhaupt erforderlich, haben die Parteien diese Regelungen stillschweigend abbedungen (vgl. dazu BeckOGK/Wendland Stand 01.09.2021, Rom I-VI Art. 3 Rn. 210; sogar für eine mögliche Heilung ursprünglicher Formnichtigkeit durch Statutenwechsel Ferrari, Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl. 2018, VO (EG) 593/2008 Art. 3 Rn. 46; MüKoBGB/Martiny, 8. Aufl. 2021, Rom I-VO Art. 3 Rn. 81; zur Zulässigkeit nach deutschem Recht siehe BAG 20.05.2008 -
[10]b. Unabhängig von Vorstehendem gehen die Parteien in beiden Tatsacheninstanzen jedenfalls übereinstimmend von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus (vgl. zu einer - gemäß Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO auch nachträglich möglichen - Rechtswahl: BGH 09.06.2004 -
[11]2. ... 3. ... 4. ... 5. ... 6. ... 7. ... III.
[12]Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 19.04.2021 ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen in der Berufungsinstanz ändert daran nichts.
[13]1. ... 2. Der Kündigungsschutzantrag zu III. 2 ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten zu 2) vom 10.09.2020 rechtswirksam ist und das vertraglich mit der Klägerin begründete Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.10.2020 aufgelöst hat.
[14]a. Die Wirksamkeit der Kündigung beurteilt sich nach deutschem Recht. Die Klägerin und die Beklagte zu 2) haben auf der Grundlage des Schreibens vom 20.08.2020 - unabhängig von der zu Grunde gelegten Übersetzung - ein Arbeitsverhältnis zu denselben Bedingungen und Konditionen vereinbart, wie sie in dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) bestand. Insoweit gilt im Ergebnis aufgrund der getroffenen Rechtswahl im Eckpunktepapier nichts anderes als für die Kündigung der Beklagten zu 1) (vgl. hierzu unter II. 5. der Gründe). Demgemäß gilt deutsches Recht auch im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 2). Davon gehen die Parteien im Übrigen im Verfahren übereinstimmend aus.
[15]b. ...