Eine Verpflichtung (hier: nach der ungarischen MautVO), die dadurch freiwillig eingegangen wird, dass der Fahrzeugführer das als Realofferte in der Bereitstellung des mautpflichtigen Straßenabschnitts liegende Angebot durch schlichtes Befahren annimmt, ist ein vertragliches Schuldverhältnis i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO.
Die Haftung des Halters für die durch das Befahren einer Straße mit dem von ihm gehaltenen Kfz begründete Mautforderung (hier: nach Art. 15 Abs. 2 ungarisches StVG) verstößt nicht gegen den deutschen ordre public. [LS der Redaktion]
Die Parteien streiten über die Zahlung von Maut für die Benutzung von ungarischen Autobahnen. Die Klägerin ist eine ungarische Gesellschaft, deren Geschäftszweck die Eintreibung der ungarischen Autobahnmaut ist. Die Beklagte ist ein Autovermietungsunternehmen. Das ungarische Straßenverkehrsgesetz enthält in § 15 Abs. 1 eine Ermächtigung für den Minister für Wirtschaft und Verkehr zum Erlass einer Verordnung einer Verkehrsmaut, auf deren Grundlage die ungarische Maut für Autobahnen, Autostraßen und Hauptstraßen (im Folgenden: MautVO) erlassen worden ist. Ausweislich § 15 Abs. 2 des ungarischen StVG haftet der Halter des Fahrzeugs für die Zahlung der Maut. Gemäß § 33/A des ungarischen StVG ist bei Nichtentrichtung der Maut eine Zusatzgebühr zu zahlen. § 1 der MautVO gestaltet das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Halter der Fahrzeuge zivilrechtlich aus. Die Maut für eine Woche beträgt 2.975,00 HUF (rund 10,00 EUR). Verfügt ein Fahrzeug bei einer Kontrolle nicht über eine gültige Mautvignette, ist bei einer Zahlung innerhalb von 60 Tagen nach Zahlungsaufforderung eine Nachgebühr in Höhe von 14.875,00 HUF (rund 50,00 EUR) und bei einer Zahlung nach mehr als 60 Tagen eine Nachgebühr von 59.500,00 HUF (rund 190,00 EUR) zu zahlen. Mit vier Mietfahrzeugen der Beklagten wurde am 17.11.2017 und am 18.11.2017 insgesamt fünfmal ein gebührenpflichtiger Abschnitt der ungarischen Autobahn befahren. Die Eintreibung von nicht bezahlten Mautforderungen übernimmt für die Klägerin in Deutschland die A GmbH (im Folgenden: „A GmbH“), welche gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG als Inkassounternehmen registriert ist.
Die Klägerin hat behauptet, die Fahrzeuge hätten zu den festgestellten Zeitpunkten nicht über die erforderliche Vignette zum Nachweis der Zahlung der Maut verfügt. Sie hat behauptet, die A GmbH habe die Beklagte vorgerichtlich hinsichtlich der fünf behaupteten Mautverstöße jeweils mit Einwurfeinschreiben zur Zahlung der Nachgebühr aufgefordert. Nachdem jeweils keine Reaktion der Beklagten erfolgt sei, habe die A GmbH die Beklagte jeweils mit Einwurfeinschreiben zur Zahlung der erhöhten Nachgebühr aufgefordert. Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.3.2021 abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24.3.2021, Az.
[1]II.
[2]A. ... B. Die Berufung ist auch überwiegend begründet. Denn die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht vollständig abgewiesen.
[3]1. ... 2. Die Klage ist auch überwiegend begründet. Sie unterliegt nur hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen teilweise der Abweisung.
[4]Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen ... € aus §§ 15 Abs. 1, 33 Abs. 1 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes i. V. m. § 7/A (1), (6), (7), (10) i. V. m. der Anlage 1, Ziff. 1 MautVO.
[5]a. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist gemäß Art. 4 Abs. 2, 19 Abs. 1 und 3 Rom-I-VO ungarisches Recht anzuwenden. Die Frage des anzuwendenden Rechts bestimmt sich nach der Rom-I-VO, da es sich bei dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis um ein vertragliches Schuldverhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO handelt. Dabei grenzen sich nach der Judikatur des EuGH zu Art. 7 Nr. 1 und 2 Brüssel Ia-VO, die auch auf die Rom-I-VO angewendet werden kann, vertragliche von außervertraglichen Ansprüchen dadurch ab, dass nur bei ersteren eine Partei gegenüber einer anderen Partei eine freiwillig übernommene Verpflichtung eingeht (EuGH [C-359/14 u. C-475/14, C-359/14, C-475/14], NJW 2016, 1005, Rn. 44, beck-online), wobei der Vertragsbegriff grundsätzlich weit auszulegen ist (EuGH [C-27/02], EuZW 2005, 177, Rn. 48, beck-online). Nach diesen Vorgaben ist hier von einem vertraglichen Schuldverhältnis auszugehen. Denn die hier streitgegenständlichen Forderungen beruhen auf dem freiwilligen Verhalten des jeweiligen Fahrers, der durch das Befahren der Autobahn jeweils das von der Klägerin unterbreitete Angebot auf Nutzung der Straße konkludent annimmt (Staudinger, DAR 2021, 191). Dass hier kein Anspruch gegen den Fahrer geltend gemacht wird, ändert an der Einordnung als vertragliches Schuldverhältnis nichts, da ein Vertragsschluss jedenfalls vorliegt und sich hinsichtlich der Beklagten die Frage stellt, ob sie für die in diesem Vertrag von dem Fahrer freiwillig übernommenen Pflichten mithaftet.
[6]b. Die erhöhte Zusatzgebühr kann die Klägerin gemäß § 7/A Abs. 10 i.V.m. Anl. 1 der ungarischen MautVO verlangen, da ihre Fahrzeuge ohne Zahlung der Maut auf mautpflichtigen Straßen bewegt wurden. Dass die Fahrzeuge der Beklagten auf mautpflichtigen Straßen in Ungarn gefahren worden sind, ist zwischen den Parteien unstreitig. Damit ist auch unstreitig, dass die Pflicht zur Zahlung der Maut entstanden ist. Wenn die Beklagte nunmehr einwenden möchte, dass die Maut bezahlt worden sei, trägt sie für diese rechtsvernichtende Einwendung die Beweislast (vgl. BeckOK BGB/Dennhardt BGB § 363 Rn. 1). Die bloßen allgemeinen Angaben, dass das ungarische Mautsystem angeblich unzuverlässig sei, sind dafür nicht ausreichend. Vielmehr wäre konkret darzulegen gewesen, ob und wann die Maut bezahlt worden ist. Aus der Formulierung der Beklagten, dass „nicht auszuschließen“ sei, dass die Maut bezahlt wurde, ergibt sich nicht einmal die konkrete Behauptung, dass die Maut bezahlt worden ist.
[7]c. Der Anwendung der genannten Normen des ungarischen Rechts steht Art. 21 Rom-I-VO nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt ein Verstoß gegen den ordre public, der zur Nichtanwendung der Vorschriften der MautVO führen könnte, nicht vor.
[8]Maßgeblich ist auch im Geltungsbereich der Rom-I-VO der ordre public des Staates des angerufenen Gerichtes (BeckOGK/Hemler Rom I-VO Art. 21 Rn. 20). Entscheidend für die Frage, ob ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vorliegt ist, ob die Anwendung der Rechtsnorm eines anderen Staates zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist nur dann der Fall, wenn das ausländische Recht den Kernbestand der inländischen Rechtsordnung antasten würde, seine Anwendung also den der deutschen Regelung zugrundeliegenden Gerechtigkeitsvorstellungen so stark widerspricht, dass es nach deutschem Rechtsempfinden untragbar erscheint (BGH, Urteil vom 08. Mai 2000
[9]Maßstab für die ordre public-Kontrolle ist nicht das deutsche materielle Recht in seiner Gesamtheit, Prüfungsmaßstäbe für das Ergebnis der Anwendung des vom deutschen Internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts sind die Grundrechte als besonders hervorgehobene Wertentscheidungen der Verfassung, sowie die weiteren wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts (OLG Schleswig Beschl. v. 13.9.2007 –
[10]Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorbehaltsklausel und die gebotene Toleranz gegenüber anderen Rechtsordnungen kann mit Hilfe von Art. 21 Rom I-VO nicht das ausländische materielle Vertragsrecht als solches einer Kontrolle unterworfen werden, sondern es kommt allein auf das Ergebnis der Anwendung im konkreten Einzelfall an (Staudinger/Hausmann (2021) ROM I Art 21, Rn. 15). Bei der durchzuführenden Einzelfallprüfung ist außerdem zu berücksichtigen, dass nicht jeder Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung ausreichend ist, um die ausländische Norm nicht anzuwenden. Vielmehr muss das Ergebnis der Anwendung zu einer offensichtlichen Unvereinbarkeit mit dem deutschen ordre public führen. Um den Kollisionsnormen der Verordnung möglichst weit zur Anwendung zu verhelfen, ist der ordre-public-Vorbehalt gegenüber dem Recht eines anderen Mitgliedstaats restriktiv zu handhaben (Staudinger/Hausmann a.a.O., Rn. 17 m. w. N.).
[11]Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann die Halterhaftung in der ungarischen MautVO nicht als Verstoß gegen den deutschen ordre public angesehen werden. Bereits der Umstand, dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesfernstraßenmautgesetzes (BFStrMG) unter anderem den Halter des Fahrzeugs als Mautschuldner festlegt, zeigt, dass die Haftung des Halters für die Autobahnmaut dem deutschen Recht keineswegs fremd ist. Insoweit macht es für die Frage, ob ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, keinen entscheidenden Unterschied, ob die Ausgestaltung öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ist. Denn für die Frage des ordre public-Verstoßes ist, wie dargelegt, das Ergebnis der Anwendung der ausländischen Rechtsnorm zu betrachten. Im Ergebnis steht sowohl bei der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung nach dem BFStrMG als auch nach der ungarischen Mautverordnung eine Haftung des Halters für die Autobahnmaut.
[12]Der Einwand der Beklagten, bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung stehe dem Halter ein Rechtsweg zur Verfügung, während er im Falle der zivilrechtlichen Ausgestaltung einer „Drohgebärde“ eines Inkassounternehmens ausgesetzt sei, vermag nicht zu überzeugen. Denn bei zivilrechtlicher Ausgestaltung muss der Gläubiger den Rechtsweg beschreiten, um überhaupt vollstrecken zu können, während bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung der Gläubiger durch den Verwaltungsakt in der Lage ist, selbst einen Titel zu schaffen. Es obliegt dann dem Schuldner, den Rechtsweg zu beschreiten. Weshalb darin ein Vorteil für den Schuldner liegen soll, ist nicht nachzuvollziehen.
[13]Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Amtsgerichts liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen § 2 Abs. 1 Nr. 1 BFStrMG und der MautVO auch nicht darin, dass in der MautVO eine Exkulpationsmöglichkeit des Halters nicht gegeben sei. Denn eine solche findet sich in § [7/B] Abs. 1 MautVO. Dem Halter ist es demnach möglich, seiner Zahlungspflicht dadurch zu entgehen, dass er nachweist, dass das Fahrzeug oder das Kennzeichen rechtswidrig aus seinem Besitz gelangt ist. Dem Halter steht damit eine hinreichende Möglichkeit zur Exkulpation für den Fall der missbräuchlichen Nutzung seines Fahrzeugs bzw. des Kennzeichens zur Verfügung. Damit liegt es in der Hand des Halters, eine Nutzung der ungarischen Autobahn in den Fällen, in denen er sich nicht exkulpieren kann – nämlich bei rechtmäßiger Nutzung des Fahrzeugs – durch entsprechende Vereinbarungen mit dem Fahrer zu verhindern bzw. sich bei Verletzung einer solchen Vereinbarung beim Fahrer schadlos zu halten.
[14]Ein Verstoß gegen den ordre public kann auch nicht damit begründet werden, dass es sich bei der Halterhaftung um einen Vertrag zulasten Dritter handle, der dem deutschen Recht fremd sei. Zwar ist davon auszugehen, dass durch die Nutzung der ungarischen Autobahn ein Vertrag zulasten des Halters abgeschlossen wird. Darin ist jedoch in der konkreten Ausgestaltung kein derart schwerwiegender Verstoß gegen deutsche Rechtsgrundsätze, insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG, zu sehen, dass die ausländische Norm nicht anzuwenden wäre. Denn das Zustandekommen des Vertrages zwischen dem Fahrer und der Klägerin ist dem Einfluss der Beklagten nicht völlig entzogen. Sie hat die Fahrzeuge den jeweiligen Fahrern freiwillig zur Nutzung überlassen. Die Beklagte hat selbst wirtschaftlich von der Nutzung des Fahrzeugs durch die Vermietung profitiert und hat sich den Schuldner selbst ausgesucht. Bei der Frage, ob das ungarische Recht Anwendung finden kann, ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Fahrern freiwillig die Erlaubnis erteilt hat, ihre Fahrzeuge in Ungarn zu nutzen. Dadurch hat sie selbst die Voraussetzungen für die Anwendungen ungarischen Rechts erst geschaffen. Es sind deshalb bei der Prüfung, ob ein nicht zu tolerierender Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit vorliegt, andere Maßstäbe anzulegen als bei einem Vertrag zulasten Dritter, auf dessen Abschluss der Dritte keinen Einfluss hat. Alleine die Erlaubnis der Beklagten gegenüber ihren Mietern, ihre Fahrzeuge auf ungarischen Straßen zu benutzen, birgt bereits die Gefahr, dass der Mieter - gegebenenfalls aus Unkenntnis über die Mautpflicht - das Fahrzeug auch auf mautpflichtigen Straßen verwendet und dadurch eine Haftung der Beklagten als Halterin begründet. Die Beklagte schaffte damit freiwillig die Gefahr, nach ungarischem Recht als Halterin in Anspruch genommen zu werden (vgl. Staudinger in DAR 2021, 191). Ihre Behauptung, sie verbiete in ihren allgemeinen Mietbedingungen ihren Mietern, Mautstraßen zu nutzen, ohne die Maut zu entrichten, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Darüber hinaus ist bei der einzelfallbezogenen Betrachtung zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, ihre Allgemeinen Mietbedingungen so auszugestalten, dass der Fahrer, der eine mautpflichtige Straße ohne Entrichtung der Maut nutzt, zum Ersatz des der Beklagten dadurch entstehenden Schadens verpflichtet ist. Regelmäßig verlangen Autovermietungen von ihren Mietern zudem eine Sicherheit, an der sie sich im Falle von Schäden schadlos halten können. Die Beklagte hat damit die Möglichkeit, die Belastungen, die aus dem zu ihren Lasten geschlossenen Vertag resultieren, vollständig an den Fahrer weiterzugeben.
[15]d. Auch die gemäß § 7/A Abs. 10 S. 2 MautVO zu erhebende erste Zusatzgebühr verstößt nicht offensichtlich gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Denn bei der ersten Erhöhung handelt es sich um eine mit den Kosten, des mit der nachträglichen Mauterhebung einhergehenden Verwaltungsaufwands zu rechtfertigenden pauschalen Schadensersatz (vgl. AG München, Urteil vom 03.04.2020
[16]e. Auch die deutliche Erhöhung der Zusatzgebühr nach Ablauf von 60 Tagen um das Vierfache vermag einen Verstoß gegen den ordre public nicht zu begründen.
[17]Ein Strafschadensersatz, der wegen des Strafmonopol des Staates gegen den ordre public verstoßen könnte, ist darin nicht zu sehen. Vielmehr ist die Erhöhung mit der im deutschen Recht bekannten Vertragsstrafe vergleichbar. Die Vertragsstrafe soll den Schuldner dazu anhalten, seine Verpflichtung vertragsgemäß zu erfüllen und ist insoweit als Druckmittel des Gläubigers anzusehen (BGH, NJW 1983, 385, 387 m. w. N.). Wesentlicher Unterschied der Vertragsstrafe und des Strafschadensersatzes ist es, dass die Bedingungen der Vertragsstrafe bereits bei Vertragsschluss vereinbart werden (vgl. Staudinger a.a.O.). Hier stand bereits von Anfang an fest, dass und in welcher Höhe eine weitere Erhöhung der Nachgebühr erfolgen würde, wenn die Beklagte nicht innerhalb von 60 Tagen leisten würde. Zwar ist der Beklagten insoweit zuzugestehen, dass das deutsche Recht eine gleichartige Erhöhung der Schuld wegen Zahlungsverzuges nicht kennt. Ziel des ordre public-Vorbehalts ist es jedoch – wie dargelegt – nicht, das anzuwendende ausländische Recht an das deutsche Recht in jedem Fall anzugleichen. Vielmehr ist ein Verstoß nur anzunehmen, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts offensichtlich gegen Grundprinzipien der deutschen Rechtsordnung verstößt. Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Die Beklagte hat die weitere starke Erhöhung selbst zu vertreten, weil sie nicht innerhalb der Zahlungsfrist von 60 Tagen – die ohne weiteres als angemessen anzusehen ist – geleistet hat. Insoweit ist die Ansicht der Beklagten, es liege ein Verstoß gegen das Schuldprinzip vor, nicht zutreffend.
[18]Schließlich ist bei dem Vergleich der ungarischen Regelung mit der deutschen Rechtsordnung zu berücksichtigen, dass auch das deutsche materielle Zivilrecht eine Sanktionierung des Zahlungsverzugs kennt. § 288 BGB gesteht dem Gläubiger die Geltendmachung eines Verzugsschadens unabhängig von der Frage zu, ob ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist (BGH NJW 2011, 3648, Rn. 16, beck-online). Das hohe Niveau der Zinsen des § 288 Abs. 2 BGB soll dabei ausdrücklich der Abschreckung des Schuldners in Form einer Sanktion dienen (MüKoBGB/Ernst BGB § 288 Rn. 35 m. w. N.). Diese führt zwar erst nach rund 15 Jahren zu einer vergleichbaren Vervielfachung der Schuld wie die streitgegenständliche Regelung des ungarischen Rechts. Die Regelung zeigt jedoch, dass die Sanktionierung des Zahlungsverzugs, unabhängig von einem tatsächlichen Schaden, dem deutschen Zivilrecht im Prinzip bekannt ist, was gegen einen offensichtlichen Verstoß gegen deutsche Rechtsgrundsätze spricht (a. A. LG München, Urteil vom 04.02.2021 –
[19]Dass die Beklagte hier die Zahlungsaufforderungen auch tatsächlich erhalten hat und dadurch die Zahlungsfrist von 60 Tagen in Gang gesetzt wurde, ist zur Überzeugung der Kammer durch die vorgelegten Ausdrucke der Sendungsverfolgung hinreichend dargetan. Die Beklagte hat darauf nicht mehr reagiert und den Zugang der Sendungen damit gem. § 138 Abs. 2 ZPO zugestanden.
[20]f. Der Höhe nach ist der geltend gemachte Anspruch nicht zu bemängeln. Soweit die Beklagte pauschal die richtige Umrechnung von HUF in EUR bestreitet, ist das nicht ausreichend, weil die Klägerin in den Anlagen K4 – K13 jeweils den konkreten Wechselkurs angegeben hat. Dass dieser zutreffend ist hat die Beklagte nicht bestritten.
[21]3. Der Anspruch auf Zahlung der Nebenforderung ergibt sich aus § 7 A Abs. 7 MautVO. Demnach ist ein vorheriger Verzug des Schuldners nicht erforderlich. Ob die Inkassokosten bereits an die A GmbH bezahlt worden sind, kann dahinstehen, da die Klägerin selbst in diesem Falle auf Zahlung klagen kann, da die Beklagte die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.08.2011 -
[22]Der Höhe nach kann die Klägerin jedoch pro Fall nur ... € verlangen, da mehr von der A GmbH ausweislich der Anlagen K4, K6, K8, K10, K12 und K14 nicht verlangt worden ist. Die von der A GmbH verlangte 1,2-Geschäftsgebühr kann gem. § 4 Abs. 5 EGRDG i. v. M. Nr. 2300 VV RVG verlangt werden.
[23]Die Höhe der Inkassokosten richtet sich gem. Art. 4 Abs. 1 b) Rom-I-VO nach deutschem Recht, da die A GmbH als Dienstleisterin ihren Sitz in Deutschland hat. Insoweit kommt es auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der A GmbH an, da die Inkassogebühr in diesem Rechtsverhältnis entstanden ist.
[24]Angesichts des unstreitig von der A GmbH zu betreibenden Aufwandes bestehen gegen die Erhebung einer 1,2-Geschäftsgebühr keine Bedenken. Soweit die Klägerin jedoch eine Auslagenpauschale von ... € verlangt, besteht ein Anspruch nicht, da die A GmbH insoweit nur ... verlangt hat. Außerdem besteht hinsichtlich der Mehrwertsteuer ebenfalls nur ein Anspruch in der von der A GmbH verlangten Höhe von ... €.
[25]4. Ein Anspruch auf Verzinsung der Forderung der Klägerin besteht dagegen nicht. Gem. § 33/B Abs. 5 S. 4 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes können keine zusätzlichen Verzugszinsen auf die Nachgebühr gefordert werden.
[26]C. ...