Im Hinblick auf eine Zinsstrafklausel, nach der im Fall des Verzugs ein Tageszins von 0,1 % bezogen auf den Warenwert geschuldet ist, führt die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs nicht zu einem Ergebnis, das dem gemäß Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ, § 1059 II Nr. 2 Buchst. b ZPO von Amts wegen zu beachtenden ordre public widerspräche, wenn die Höhe des Strafzinses keinen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt und die Vertragsstrafe auch unter Berücksichtigung der Dauer der Strafzahlungen nicht untragbar hoch ist.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs, den sie gegen die Antragsgegnerin erwirkt hat. Die Antragstellerin mit Sitz in der Republik B. und die Antragsgegnerin mit Sitz in B. schlossen 2018 einen Kaufvertrag über die Lieferung von Pflanzenschutzmitteln. Der Vertrag enthielt eine Schiedsvereinbarung, wonach Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag von dem Internationalen Schiedsgericht der Industrie- und Handelskammer der Republik B. mit Sitz in M. entschieden werden sollten. Nachdem die Antragstellerin einen Betrag im Voraus gezahlt hatte, hat die Antragsgegnerin die Ware nicht vollständig geliefert und mehrfach Lieferfristen nicht eingehalten. Der Aufforderung, die Vorauszahlung zurückzuerstatten, ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.
Daraufhin hat die Antragstellerin ihre Rückzahlungsansprüche gemäß Schiedsvereinbarung vor dem Internationalen Schiedsgericht geltend gemacht. Dieses hat am 29.3.2019 entschieden, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Betrag zurückzuerstatten sowie Verzugszinsen zu bezahlen hat. In einem von der Antragstellerin aufgrund der Schiedsvereinbarung gegen die Antragsgegnerin geführten zweiten Schiedsverfahren hat die Antragstellerin vor dem Schiedsgericht u.a. weitere „Verzugszinsen“ geltend gemacht. Das Schiedsgericht hat am 30.4.2020 den streitgegenständlichen Schiedsspruch erlassen. Die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch vom 30.4.2020 für vollstreckbar zu erklären.
[1]II.
[2]Der zulässige Antrag ist begründet.
[3]1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig.
[4]a) ... b) Die Schiedsvereinbarung ist zwar entgegen Art. IV Abs. 1 Buchst. a UNÜ nicht vorgelegt. Es sind aber die gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ zu berücksichtigenden anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 ZPO) erfüllt (vgl. BGH, Beschl. v. 25. September 2003, III ZB 68/02 (IPRspr. 2003 Nr. 203), SchiedsVZ 2003, 281 [juris Rn. 9]). Somit kommt es auf die Vorlage der Schiedsvereinbarung wie auch auf die Beibringung einer in einer bestimmten Weise beglaubigten Übersetzung der Schiedsvereinbarung - anders als bei Art. IV Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Abs. 2 UNÜ - nicht an (BGH, a. a. O. Rn. 10). Im Übrigen ist die Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien unstreitig. Aus diesem Grund folgt aus dem Europäischen Übereinkommen über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 (im Folgenden: EuÜ), das eine im Sinne von § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO sowie Art. VII Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 23. April 2013, III ZB 59/12 (IPRspr 2013-278b), SchiedsVZ 2013, 229 Rn. 3), keine andere Bewertung (vgl. zum Erfordernis des Nachweises einer Schiedsvereinbarung nach dem EuÜ: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 8. Oktober 2018, 11 Sch 1/17 (IPRspr 2018-320), juris Rn. 35 ff.). Zwar sind Deutschland und die Republik B. Vertragsstaaten des EuÜ. Die der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfene Streitigkeit könnte sich auch auf eine künftig entstehende Streitigkeit aus einem internationalen Handelsgeschäft zwischen zwei juristischen Personen mit Sitzen in verschiedenen Vertragsstaatenbeziehen (Art. I Abs. 1 Buchst. a bis b EuÜ); zudem dürfte es sich bei dem Internationalen Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Republik B. um ein ständiges Schiedsgericht im Sinne des Art. I Abs. 2 Buchst. b EuÜ handeln.
[5]Allerdings hat die Antragsgegnerin hier nicht bestritten, dass zwischen den Parteien eine Schiedsvereinbarung geschlossen worden ist.
[6]c) Zwar fehlt es auch an der gehörigen Legalisation des Schiedsspruchs und die beglaubigte Übersetzung bezieht sich nicht auf einen solchermaßen legalisierten Schiedsspruch. Auch das ist allerdings unschädlich (BGH, Beschl. v. 25. September 2003, III ZB 68/02 (IPRspr. 2003 Nr. 203), SchiedsVZ 2003, 281 [juris Rn. 10]).
[7]2. Der Antrag ist auch begründet.
[8]a) ... c) In der mit Schriftsatz vom 28. September 2020 vorgelegten deutschen Übersetzung des Schiedsspruchs lautet die Eingangsformel, „zugunsten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung „P.“ ... von der M. GmbH ... einzufordern“ (Hervorhebungen durch den Senat). Insoweit war es geboten, aber auch zulässig, den ausländischen Schiedsspruch so zu konkretisieren, dass er die gleichen Wirkungen wie ein entsprechender deutscher Titel äußern kann (vgl. BGH, Beschl. v. 30. November 2011, III ZB 19/11 (IPRspr 2018-320), SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. Juli 2014, 4 Sch 8/13, juris Rn. 7). Der Senat verdeutlicht den in der ausländischen Entscheidung bereits - wenn auch unvollkommen und für eine Vollstreckung gegebenenfalls noch nicht ausreichend bestimmt - zum Ausdruck kommenden Willen und verhilft diesem insoweit zur Wirksamkeit, als der Schiedsspruch - wie beantragt - für vollstreckbar erklärt wird, soweit die Antragsgegnerin zur Bezahlung der betreffenden „Verzugszinsen“ sowie der Kosten für rechtliche Beratung und Vertretung und der Kosten für die Schiedsrichtergebühr an die Antragstellerin verurteilt worden ist (vgl. BGH, a. a. O.) …
[9]d) Die Antragsgegnerin hat einen Grund für die Versagung der Vollstreckbarerklärung gemäß Art. V Abs. 1 UNÜ nicht geltend gemacht. Sie hat die Ankündigung, Aufhebungsgründe zu benennen, nicht umgesetzt.
[10]e) Ein Versagungsgrund gemäß Art. V Abs. 2 UNÜ liegt nicht vor. Im Hinblick auf die Zinsstrafklausel, nach der im Fall des Verzugs ein Tageszins von 0,1 % bezogen auf den Warenwert geschuldet ist, führt die Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht zu einem Ergebnis, das dem gemäß Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ, § 1059 Abs. 2 Buchst. b ZPO von Amts wegen zu beachtenden ordre public widerspräche.
[11]aa) Der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs verletzt den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (vgl. BGH, Beschl. v. 22. Juni 2017, IX ZB 61/16 (IPRspr 2017-270b), juris Rn. 14; Beschl. v. 6. Oktober 2016, I ZB 13/15 (IPRspr 2016-290), SchiedsVZ 2018, 53 Rn. 55). Die Geltung des ordre public ist nicht - schon gar nicht im internationalen Handelsverkehr wie dies hier der Fall ist - weit auszulegen. Das Institut der Vertragsstrafe ist dem deutschen Recht nicht fremd (§§ 339 ff. BGB). Eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, kann nicht auf Grund der Vorschriften des § 343 BGB herabgesetzt werden, § 348 HGB, sondern nur im Fall eines außerordentlichen Missverhältnisses der vereinbarten Strafe zur Bedeutung der Zuwiderhandlung auf dasjenige Maß reduziert werden, das ein Eingreifen des Gerichts nach § 242 BGB noch nicht rechtfertigen würde (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juli 2008, I ZR 168/05 - Kinderwärmekissen, NJW 2009, 1882 Rn. 41).
[12]bb) Ausgehend hiervon verstößt die Höhe der Vertragsstrafe nicht gegen den ordre public.
[13]Zwar entspricht der Tageszinssatz von 0,1 % einem Jahreszins von rund 35 %. Die Zinshöhe kann allerdings nicht durch eine besondere länderspezifische Inflationsrate gerechtfertigt sein, da die Parteien im Vertrag die Zahlung des Kaufpreises in US-$ vereinbart haben. Hiervon geht der Senat aus, da nach den verfahrensbezogenen Darlegungen im Schiedsspruch die Vorauszahlung in US-$ geleistet wurde und der Strafzins in US-$ eingeklagt worden ist. Gemäß Kaufvertrag vom 17. Juli 2018 war die mit Vorausleistung vom 20. Juli 2018 bezahlte Ware überdies bereits zum 5. August 2018 spätestens zu liefern (Seite 9 der mit Schriftsatz vom 28. September 2020 vorgelegten deutschen Übersetzung des Schiedsspruchs).
[14]Unter Zugrundelegung dieser Umstände des Einzelfalls erscheint die Verurteilung zur Bezahlung des Verzugszinses auf der Grundlage einer Vertragsstrafe von 0,1 % des Warenwerts täglich nicht untragbar. Was die Höhe des Strafzinses anbelangt, stellt ihre Zuerkennung keinen Verstoß gegen die guten Sitten dar (vgl. KG, Beschl. v. 7. Februar 2019, 12 Sch 5/18 (IPRspr 2019-351), juris Rn. 13 zu einem Vertragsstrafzins von 0,5 % des Warenwertstäglich; OLG Dresden, Beschl. v. 20. Oktober 2010, 11 Sch 4/09 (IPRspr 2010-308), juris Rn. 47 zu einem Verzugsstrafzins von 0,1 % des Warenwertstäglich; OLG Celle, Beschl. v. 6. Oktober 2005, 8 Sch 6/05 (IPRspr 2005-188), juris Rn. 28 f.; Oberster Gerichtshof Wien, Urt. v. 26. Januar, 3 Ob 221/04b, IPRax 2006, 496 [500 unter Rechtssatz c. 3]; Löwisch in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 343 Rn. 32; zur Abgrenzung von der ordre-public-widrigen „Privatstrafe“: Vorb zu §§ 339 ff. Rn. 146 ff.).
[15]cc) Die Vertragsstrafe ist auch unter Berücksichtigung der Dauer der Strafzahlungen nicht untragbar hoch ...