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Verfahrensgang

OLG Brandenburg, Beschl. vom 08.10.2018 – 11 Sch 1/17, IPRspr 2018-320

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (hier: des Schiedsgerichts bei der ukrainischen Industrie- und Handelskammer) im Inland setzt sowohl nach den Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II 425; EuÜ) als auch nach Art. II UNÜ den Nachweis einer Schiedsvereinbarung voraus.

Die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, ist für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede darlegungs- und beweispflichtig. Gegen ein Tragen der Beweislast durch den Antragsgegner spricht der Wortlaut des Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, der den Abschluss der Vereinbarung voraussetzt und folglich demjenigen, der aus dem Schiedsspruch Rechte herleiten will, für das Vorliegen der Schiedsabrede als ihn begünstigende Tatsache die Darlegungs- und Beweislast zuschreibt.

Soweit Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ die Beweislast dem Antragsgegner auferlegt, bezieht sich dies lediglich auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel im engeren Sinn. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EGBGB Art. 28
EuÜ Art. I; EuÜ Art. V
UNÜ Art. I; UNÜ Art. II; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZPO § 1025; ZPO § 1061; ZPO §§ 1061 ff.; ZPO § 1062

Sachverhalt

Mit Antragsschrift vom 17.2.2017 beantragt die ASt. u.a., den Schiedsspruch des Schiedsgerichts bei der ukrainischen IHK in Kiew vom 3.12.2015 (ACNr. 526g/2015) im Inland für vollstreckbar zu erklären. Unter den mit vorgelegten Unterlagen (Vertragstext englisch/russich) fand sich auch die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit. Mit Verfügung vom 24.2.2017 wurde der ASt. aufgegeben, den Vertrag auch in deutscher Übersetzung zu den Akten zu reichen. Mit Schriftsatz vom 6.4.2017 überreichte die ASt. einen Vertrag mit der Nr. 18/03/2015. Mit weiterer Verfügung vom 12.4.2017 wies der Senat die ASt. darauf hin, dass der in englischer und russischer Sprache mit der Antragsschrift vorgelegte Vertrag vom 24.2.2015 stamme und die Nr. 24/02/15 trage. Rechtsgrundlage für das Verfahren bei der IHK der Ukraine solle aber gemäß deutscher Übersetzung ein Vertrag mit der Nr. 18/03/2015 vom 18.3.2015 sein. Unter dem 18.9.2017 überreichte die ASt. Übersetzungen der Entscheidung des ukrainischen Gerichts vom 3.12.2015 und des – nach ihrem Vorbringen – dieser Entscheidung zugrunde liegenden Vertrags vom 18.3.2015.

Die AGg. beantragt, die Anträge der ASt. zurückzuweisen und die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, sowie festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist. Mit Verfügung des Senats vom 22.5.2019 wurde der ASt. Gelegenheit gegeben, zum Schriftsatz der AGg. vom 26.4.2018 innerhalb eines Monats nach Zustellung Stellung zu nehmen. Nach Verlängerung der Stellungnahmefrist bis zum 10.8.2018 erfolgte keine Reaktion der ASt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Der Antrag ist gemäß §§ 1061 ff. ZPO i.V.m. Art. I ff. UNÜ zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, so dass die Anerkennung des Schiedsspruchs der ukrainischen IHK in Kiew vom 3.12.2015 (ACNr. 526 g/2015) im Inland zu versagen und zugleich festzustellen ist, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt wird (§ 1061 II ZPO).

[2]Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1025 IV, 1062 I Nr. 4, II und V ZPO; die AGg. hat ihren Sitz im Bezirk des Brandenburgischen OLG.

[3]Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich gemäß § 1061 I 1 ZPO nach dem UNÜ.

[4]Nach Art. VII Abs. 1 UNÜ lassen allerdings die Bestimmungen des Übereinkommens die Gültigkeit mehr- oder zweiseitiger Verträge, die die Vertragsstaaten über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen geschlossen haben, unberührt. Eine i.S.v. § 1061 I 2 ZPO sowie Art. VII Abs. 1 UNÜ vorrangige Regelung stellt insoweit das EuÜ dar (BGH, Beschl. vom 23.4.2013 – III ZB 59/12) (IPRspr. 2013 Nr. 278). Deutschland und die Ukraine sind jeweils Vertragsstaaten sowohl des UNÜ als auch des EuÜ.

[5]Das EuÜ dürfte vorliegend anwendbar sein.

[6]Die ASt. hat sich im Schiedsverfahren auf eine angebliche Schiedsvereinbarung (Art. I Abs. 2 lit. a EuÜ), die zur Regelung künftig entstehender Streitigkeiten aus einem internationalen Handelsgeschäft (Art. I Abs. 1 lit. a EuÜ) durch ein ständiges Schiedsgericht (Art. I Abs. 2 lit. b EuÜ) zwischen zwei juristischen Personen mit Sitzen (Art. I Abs. 2 lit. c EuÜ) in verschiedenen Vertragsstaaten des EuÜ (Art. I Abs. 1 lit. a EuÜ) anwendbar sein soll, bezogen.

[7]Letztlich bedarf die Frage der Anwendbarkeit des EuÜ aber keiner Klärung durch den Senat.

[8]Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung ist nämlich sowohl nach den Bestimmungen des EuÜ als auch nach Art. II UNÜ der Nachweis einer Schiedsvereinbarung. Die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, ist darlegungs- und beweispflichtig für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., Anh § 1061 Rz. 6 zu Art. II UNÜ; OLG München, Beschl. vom 19.1.2009 – 34 Sch 004/08 (IPRspr 2009-270), jeweils m.w.N.). Der Senat folgt nicht der in der Literatur zum UNÜ vertretenen Ansicht (vgl. Kröll, SchiedsVZ 2004,113/120), dass auch insoweit die Beweislast der Antragsgegner trägt. Hiergegen spricht schon der Wortlaut von Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, der den Abschluss der Vereinbarung voraussetzt (vgl. OLG München, Beschl. vom 19.1.2009 aaO u. Hinw. u.a. auf OLG Celle, SchiedsVZ 2004, 165 ff. (IPRspr. 2003 Nr. 202)). Es hat in diesem Punkt bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass derjenige, der aus dem Schiedsspruch Rechte herleiten will, das Vorliegen der Schiedsabrede als ihm begünstigende Tatsache darlegen und beweisen muss (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 30.10.2015 – 19 Sch 23/14 (IPRspr 2017-293)). Soweit Art. V Abs. 1a UNÜ die Beweislast dem Antragsgegner auferlegt, bezieht sich dies lediglich auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel im engeren Sinn (vgl. OLG Köln aaO).

[9]Eine Schiedsabrede, die die gegenständliche Forderung umfasst, hat die ASt. bereits nicht substanziiert dargetan.

[10]Bei der Prüfung dieser Frage ist das deutsche Gericht nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (vgl. OLG München aaO m.w.N.).

[11]Die ASt. beruft sich darauf, die Parteien des vorliegenden Verfahrens hätten unter dem 18.3.2015 einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der unter ‚8. Schiedsgerichtsverfahren’ eine Schiedsvereinbarung enthalte. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die deutsche Übersetzung des angeblich geschlossenen Vertrags (...) Bezug genommen. Demgegenüber beruft sich die AGg. darauf, dass es nur eine fernmündliche Bestellung gegeben habe (...). Die ASt. hat nicht substanziiert vorgetragen, dass es zu einer entspr. Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien gekommen ist.

[12]Die AGg. macht geltend, dass auch der zuletzt von der ASt. vorgelegte (angebliche) Vertrag nicht von ihren Geschäftsführern F. oder U.K. unterzeichnet worden sei (...).

[13]Auf den Hinweis des Senats vom 7.12.2017, die insoweit darlegungs- und beweispflichtige ASt. habe keinen Beweis für die Echtheit der Unterschriften der Geschäftsführer der AGg. angetreten, hat die AGg. lediglich wie o.a. ... reagiert. Ein Beweisantritt für die von ihr behauptete Echtheit der Unterschriften kann diesem Vortrag nicht entnommen werden ...

[14]Auch den von der ASt. vorgelegten Unterlagen kann bei einer Würdigung der Gesamtumstände nicht mit der für eine Feststellung des Senats erforderlichen Sicherheit entnommen werden, dass ein Geschäftsführer der AGg. (oder ein vertretungsberechtigter Mitarbeiter der AGg.) den von der ASt. mit Schriftsatz vom 23.10.2017 (in notariell beglaubigter Kopie) überreichten Vertrag (...), auf den Bezug genommen wird, unterzeichnet hat. In diesem Zusammenhang sind auch die erheblichen Auffälligkeiten bzw. Unterschiede, die zwischen der mit Schriftsatz der ASt. vom 18.9.2017 (...) überreichten Kopie des angeblichen Vertrags und der notariell beglaubigten Kopie des von der ASt. behaupteten Vertrags (von dieser mit Schriftsatz vom 23.10.2017 zu den Akten gereicht) bestehen und von der AGg. zutreffend herausgestellt werden, mit in die Würdigung mit einzubeziehen ...

[15]Der Vortrag der ASt. zu diesen Auffälligkeiten bzw. Unterschieden zwischen den Exemplaren reicht nicht aus, die vorstehend dargelegten, gegen die Echtheit der Urkunden sprechenden Bedenken auszuräumen, diese als wirksam zu erachten und im Ergebnis von einer wirksamen Schiedsabrede zwischen den Parteien auszugehen.

[16]Zwar ist der ASt. zuzugestehen, dass die Rechtswirksamkeit eines Vertrags nicht die Unterzeichnung bzw. Abstempelung jeder einzelnen Seite der Vereinbarung voraussetzt. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Entscheidend sind die Unterschiede auf den Exemplaren ...

[17]Von einem schriftlichen Vertragsschluss zwischen den Parteien, der auch eine Schiedsabrede beinhaltet, kann der Senat auch nicht deshalb ausgehen, weil die AGg. die gelieferte Ware (vier Lkw-Ladungen) abgenommen, die Zollabwicklung durchgeführt und den genannten Betrag gezahlt hat. Die AGg. stellt, wie ausgeführt und anders als die ASt. wohl meint, gerade nicht in Abrede, (fernmündlich) einen Vertrag über die Lieferung von Hirse geschlossen zu haben und sich zur Vermeidung weiterer Abwicklungsschwierigkeiten trotz der aus ihrer Sicht mangelhaften Leistung letztlich nicht zur Rücksendung der Ware entschlossen zu haben (...). Vor diesem Hintergrund stellt sich ihr Verhalten nicht als ein zugunsten der ASt. streitendes Indiz für den Abschluss eines schriftlichen Vertrags, der die behauptete Schiedsvereinbarung enthielt, dar.

[18]Gleiches gilt, falls die AGg. – wie die ASt. behauptet – beim Verwendungszweck der Zahlung ‚Contract No. 18/03/2015 DD 18.03.2015 Angabe der Vertragsnummer’ angegeben haben sollte (...). Entgegen der Auffassung der ASt. ließe dies nicht ohne weiteres den Schluss zu, die AGg. habe den Vertrag vollumfänglich anerkannt ...

[19]Soweit die ASt. darauf verweist, dass aus ihrer Sicht allein entscheidend sei, dass die Unterzeichnung aus dem Lager der AGg. und von einem hierfür berechtigten Mitarbeiter stamme, was durch die Anbringung des Geschäftsstempels bestätigt werde, ...; jedenfalls liege in der ‚Ausübung der vertraglichen Pflichten’ eine konkludente Billigung und Genehmigung, vermag sie hiermit nicht durchzudringen.

[20]Für die Entscheidung unerheblich ist zunächst, ob nach dem hier wohl anzuwendenden ukrainischem Recht (vgl. Art. 28 EGBGB) eine Genehmigung möglich sein könnte. Denn eindeutige Handlungen der AGg., die als Genehmigung angesehen werden könnten, sind nicht vorgetragen. Die von der ASt. angeführten Indizien, die bereits im Rahmen der vorstehenden Prüfung, ob eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen wurde, erörtert wurden, reichen aus den dort angeführten Gründen auch nicht aus, die Genehmigung des (behaupteten) schriftlichen Vertrags [mit der (behaupteten) Schiedsvereinbarung] durch die Geschäftsführer oder andere vertretungsberechtigte Personen anzunehmen.

[21]Auch wenn zugunsten der ASt. ihr Vortrag zugrunde gelegt wird, dass nach ukrainischem Recht hier fernmündlich kein wirksamer Vertrag hätte geschlossen werden können, folgt auch daraus nicht zwingend, dass tatsächlich ein schriftlicher Vertrag mit einer Schiedsabrede geschlossen wurde.

[22]Die AGg. ist mit ihrer Einwendung, es existiere zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung, weder nach den Vorschriften des EuÜ noch nach denen des UNÜ präkludiert. Soweit in Teilen der Rechtsprechung zum UNÜ auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht von einer Präklusion ausgegangen wird, falls Anerkennungsversagungsgründe geltend gemacht werden, die bereits im Verfahren vor dem Schiedsgericht hätten Gegenstand sein können, liegen dem Sachverhalt zugrunde, die nicht vergleichbar sind. Vorliegend geht es um die Frage, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung getroffen wurde, so dass es auf die Versagungsgründe des Art. V UNÜ nicht ankommt (vgl. OLG Celle aaO 168). Hat sich eine Partei nicht der schiedsrichterlichen Entscheidung durch ‚schriftliche Vereinbarung’ i.S.v. Art. II Abs. 2 UNÜ unterworfen bzw. kann dies nicht nachgewiesen werden, ist ihr auch nicht zuzumuten, im Erlassstaat ein Gerichtsverfahren zu betreiben (vgl. hierzu auch OLG Köln, Beschl. vom 30.10.2015 aaO; OLG München aaO m.w.N.).

[23]Zu keinem anderen Ergebnis führt das – hins. des in Art. VII Abs. 1 UNÜ enthaltenen Grundsatzes der Meistbegünstigung – anwendbare zwischen Deutschland und der Ukraine geltende EuÜ. Die AGg. hat die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts rechtzeitig i.S.v. Art. V Abs. 1 dieses Abkommens vorgebracht, so dass sie damit auch nicht nach Art. V Abs. 2 EuÜ im Rahmen des deutschen Vollstreckbarkeitserklärungsverfahrens ausgeschlossen ist. Ob eine Präklusion i.S. der vorbezeichneten Regelung auch dann erfolgen kann, wenn der Schiedsbeklagte am Verfahren gar nicht teilnimmt, wird auch insoweit uneinheitlich beurteilt. Zum Teil wird dies bejaht (vgl. Kaiser, Das europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, 1967, 117). Dem schließt sich der Senat indes nicht an. Dem Wortlaut des Art. V Abs. 1 EuÜ kann eine solche Auslegung gerade nicht entnommen werden: Dieser kann sich ebenso auf eine Obliegenheit nur für den Fall der Einlassung zur Hauptsache beziehen. Die Entstehungsgeschichte des Übereinkommens spricht für die Auslegung, dass die Verwirkungsfolgen nur eintreten, wenn eine Teilnahme erfolgt. Für die letztere Ansicht spricht auch, dass ein Schiedsbeklagter, der sich gar nicht am Verfahren beteiligt, keinen Vertrauenstatbestand schafft. Daher gilt Abs. 2 nicht, wenn sich ein Schiedsbeklagter auf ein Verfahren gar nicht einlässt. (vgl. hierzu insgesamt MünchKommZPO-Adolphsen, 5. Aufl. [2017], EuÜ Art. V Rz. 6 m.w.N.).

[24]Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob die AGg. überhaupt am Schiedsverfahren förmlich beteiligt worden ist, wovon der Schiedsspruch ausgeht (...), was sie aber in Abrede stellt (...).

[25]Gemäß § 1061 II ZPO war damit festzustellen, dass der streitgegenständliche Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.

[26]Die weiteren (Neben-)Anträge sind gegenstandslos, da die ASt. mit ihrem Hauptbegehren nicht durchdringt.

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