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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 19.01.2009 – 34 Sch 04/08, IPRspr 2009-270

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Den Nachweis einer nach Art. II UNÜ wirksamen Schiedsabrede hat die die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs betreibende Partei zu erbringen (wie BayObLG vom 12.12.2002, 4 Z Sch 16/02, RIW 2003; 383 = IPRspr. 2002 Nr. 225).

Kann nicht nachgewiesen werden, dass sich eine Partei durch „schriftliche Vereinbarung“ im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ der schiedsrichterlichen Entscheidung unterworfen hat, ist sie mit ihrer Einrede im inländischen Vollstreckbarerklärungsverfahren auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie im Erlassstaat des Schiedsspruchs die dort mögliche fristgebundene Aufhebungsklage nicht betrieben hat.

Rechtsnormen

4002-XII/1994 SchiedsgerichtsG (Ukraine) Art. 34
BGB § 177; BGB § 184
EGBGB Art. 28
EuÜ Art. V
GZVJu-Bay § 8
UNÜ Art. I ff.; UNÜ Art. II; UNÜ Art. III; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZGB 2003 (Ukraine) Art. 241
ZPO § 1025; ZPO § 1040; ZPO § 1061; ZPO §§ 1061 ff.; ZPO § 1062

Sachverhalt

Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines 28.11.2007 in Kiew erlassenen Schiedsspruchs. Am 4.11.2003 wurde ein Vertrag unterzeichnet, wonach die ASt., ein ukrainisches Unternehmen der Bekleidungsindustrie, für die AGg., ein in München ansässiges Textilunternehmen, aus zur Verfügung gestellten Materialien (Stoffe, Klebestoffe, Garn, Knöpfe usw.) Kleidungsstücke fertigen sollte. Der Vertrag enthält unter 9. (Schiedsgericht) eine Schiedsklausel, wonach alle mit dem Vertrag in Zusammenhang stehenden Rechtsstreitigkeiten dem Internationalen Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine unterliegen. Des Weiteren wurde bestimmt, dass das den Vertrag regelnde Recht das materielle Recht der Ukraine sei. 10.7 regelt, dass der Vertrag bis 31.12.2004 gültig sein sollte. Für die AGg. wurde der Vertrag von Herrn J. P. unter Beifügung eines Firmenstempels unterschrieben. Wegen einer offenen Rechnung vom 23.3.2007 erhob die ASt. am 12.6.2007 zum Internationalen Schiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Ukraine in Kiew Klage. Mit der Schiedsklage vorgelegt wurden neben dem Vertrag vom 4.11.2003 u.a. eine Kopie einer Vertragsergänzung vom 10.1.2006, die seitens der AGg. die Unterschrift J. P.s trägt: Danach sollte die Vertragsdauer nach 10.7. bis zum 31.12.2007 verlängert werden.

Das Schiedsgericht gab mit Entscheidung vom 28.11.2007 der Klage statt. Unter Vorlage des in deutscher Sprache abgefassten Schiedsspruchs vom 27.11.2007 im Original beantragt die ASt., diesen für vollstreckbar zu erklären.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Der Antrag ist gemäß §§ 1061 ff. ZPO i.V.m. Art. I ff. UNÜ zulässig, jedoch in der Sache unbegründet, sodass die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland zu versagen und zugleich festzustellen ist, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt wird (§ 1061 II ZPO).

[2]1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus §§ 1025 IV, 1062 I Nr. 4, II und V ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen ZuständigkeitsVO Justiz vom 16.11.2004 (BayGVBl. 471); die AGg. hat ihren Sitz in Bayern.

[3]2. Dem Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, kann nicht stattgegeben werden, weil die schiedsrichterliche Entscheidung vom 28.11.2007 nicht durch eine Vereinbarung im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert ist (Art. III Satz 1, V Abs. 1 lit. a UNÜ). Dieser Mangel ist auch weder durch rügelose Einlassung vor dem Schiedsgericht noch dadurch, dass das Schiedsgericht vom Vorliegen einer solchen Vereinbarung ausgegangen ist, geheilt worden.

[4]a) Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung ist der Nachweis einer Schiedsvereinbarung im Sinn von Art. II UNÜ. Die Partei, die die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs im Inland betreibt, ist darlegungs­ und beweispflichtig für das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsabrede (vgl. BayObLGZ 2002, 392/394 (IPRspr. 2002 Nr. 225); OLG Celle, SchiedsVZ 2004, 165/167 (IPRspr. 2003 Nr. 202); Musielak-Voit, ZPO, 6. Aufl., § 1061 Rz. 14 m.w.N.; Zöller-Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 1061 Rz. 22). Der Senat folgt nicht der in der Lit. vertretenen Ansicht (vgl. Kröll, SchiedsVZ 2004, 113/120), dass auch insoweit die Beweislast der Antragsgegner trägt. Hiergegen spricht schon der Wortlaut von Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ, der den Abschluss der Vereinbarung voraussetzt (vgl. OLG Celle aaO; außerdem Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anh. nach § 1061 Rz. 74 bei N. 339). Es hat in diesem Punkt bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass derjenige, der aus dem Schiedsspruch Rechte herleiten will, das Vorliegen der Schiedsabrede als ihm günstige Tatsache darlegen und beweisen muss. Auf die weitere Frage, ob einer der Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 UNÜ vorliegt, kommt es dann nicht an (OLG Celle aaO168).

[5]b) Eine Schiedsabrede, die die gegenständliche Forderung umfasst, hat die ASt. nicht nachgewiesen. Bei der Prüfung dieser Frage ist das deutsche Gericht nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (vgl. OLG Celle aaO; Zöller-Geimer aaO).

[6](1) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Schiedsklausel ursprünglich wirksam vereinbart war. Eine solche ist enthalten im Vertrag vom 4.11.2003, den Herr P. für die AGg. unterzeichnet hat. Diese behauptet, Herr P. sei hierzu nicht befugt gewesen. Das Schiedsgericht geht insoweit jedoch davon aus, dass die AGg. den Vertrag gemäß Art. 241 des ukrainischen Zivilgesetzbuchs vom 16.1.2003 [(VVRU Nr. 40–44, Pos. 356); entspr. §§ 177 I, 184 BGB] konkludent genehmigt hat.

[7]Der Vertrag sollte gemäß Nr. 10.7 aber nur bis zum 31.12.2004 gültig sein. Die Befristung folgt im Vertrag derjenigen Klausel, mit der Rechtsstreitigkeiten, die mit dem Vertrag im Zusammenhang stehen, dem Schiedsgericht zugewiesen werden, betrifft also auch die Schiedsabrede. Die gegenständlichen Forderungen stammen aus dem Jahre 2007, also aus einer Zeit, in der dieser Vertrag bereits ausgelaufen war.

[8]Auch wenn Schiedsvereinbarungen weit auszulegen sind, fällt das Geschäft daher – falls der Hauptvertrag nicht verlängert wurde – nicht mehr unter die Schiedsklausel. Soweit die ASt. auf ein Urteil des österr. OGH vom 5.5.1998 (RIW 1999, 789) verweist, ist der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar: Dort ging es um Werklohnforderungen für Zusatzaufträge im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Auftrag. Vorliegend aber handelt es sich um weitere, nach einem datumsmäßig festgelegten Endtermin erfolgte, zwar gleichartige, aber prinzipiell selbständige Aufträge. Dass zum ursprünglichen Schlusstermin das ins Auge gefasste Volumen noch nicht erreicht war, kann angesichts der eindeutigen Bestimmung in Nr. 10.7 des Vertrags keine Rolle spielen.

[9]Aber selbst wenn man mit der ASt. davon ausgeht, dass das Schiedsgericht die Befugnis hat, über seine eigene Zuständigkeit bindend zu entscheiden, so ergibt sich aus dem Schiedsspruch vom 28.11.2007 doch nicht die Gültigkeit der ursprünglichen Schiedsvereinbarung für weitere in der Zukunft liegende Aufträge: Das Schiedsgericht hat seine Zuständigkeit nämlich gerade auf die ‚Vertragsergänzungen’ gestützt.

[10]Schließlich enthält das UNÜ keine dem § 1040 ZPO vergleichbare Regelung (vgl. OLG Celle aaO) und hat das Schiedsgericht auch keinen Zwischenentscheid erlassen.

[11](2) Damit kommt es für den Senat darauf an, ob die Vertragsergänzungen tatsächlich durch einen Vertreter der AGg. unterzeichnet wurden. Dies ist bestritten; von der beweispflichtigen ASt. ist dazu kein Beweis angeboten.

[12]aa) Für die Entscheidung unerheblich ist zunächst, ob nach dem hier wohl anzuwendenden ukrainischen Recht (vgl. Art. 28 EGBGB) eine Genehmigung der – nach Vortrag der AGg. – gefälschten Unterschrift möglich ist. Denn Handlungen der AGg., die als Genehmigung der gefälschten Unterschrift angesehen werden könnten, sind nicht vorgetragen.

[13]bb) Der Senat ist hinsichtlich der Frage des Zustandekommens einer Schiedsvereinbarung nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (siehe oben). Das Schiedsgericht ist hinsichtlich der ‚Vertragsergänzungen’ aber auch nicht von einer Genehmigung ausgegangen, sondern hat das weitere Verhalten der AGg. als Indiz für die Unrichtigkeit ihres Vortrags angesehen; es hat dabei aber eine andere Beweislastverteilung vorgenommen.

[14](3) Die Einwendungen der AGg. sind nicht präkludiert. Soweit in Teilen der Rspr. (KG, KG-Report 2008, 839 (IPRspr 2008-199); OLG Karlsruhe, SchiedsVZ 2008, 47 (IPRspr 2007-221)) auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht von einer Präklusion ausgegangen wird, falls Anerkennungsversagungsgründe geltend gemacht werden, die wie hier gemäß Art. 34 Nr. 3 des ukrainischen Gesetz Nr. 4002-XII über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit vom 24.2.1994 im Herkunftsland des Schiedsspruchs Gegenstand einer fristgebundenen Aufhebungsklage hätten sein können, liegen dem Sachverhalte zugrunde, die nicht vergleichbar sind. Vorliegend geht es um die Frage, ob überhaupt eine Schiedsvereinbarung getroffen wurde, sodass es auf die Versagungsgründe des Art. V UNÜ nicht ankommt (vgl. OLG Celle aaO 168). Hat sich eine Partei nicht der schiedsrichterlichen Entscheidung durch ‚schriftliche Vereinbarung’ im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ unterworfen bzw. kann dies nicht nachgewiesen werden, ist ihr auch nicht zuzumuten, im Erlassstaat ein Gerichtsverfahren zu betreiben (ebenso Zöller-Geimer aaO § 1061 Rz. 22).

[15](4) Eine Heilung des Formmangels hat nach dem unstreitigen Sachverhalt auch nicht im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens stattgefunden. Weder hat sich die AGg. ausdrücklich zu Protokoll des Schiedsgerichts unterworfen, noch hat sie sich rügelos zur Sache eingelassen (vgl. zu diesen Voraussetzungen BayObLGZ 2002, 392/396). Dass die AGg. nur hilfsweise zur Hauptsache Stellung genommen hat, schadet nicht (vgl. Zöller-Geimer aaO).

[16]4. Zu keinem anderen Ergebnis führt es, wenn man nach dem in Art. VII Abs. 1 UNÜ enthaltenen Grundsatz der Meistbegünstigung auf das zwischen Deutschland und der Ukraine geltende (Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 1061 Rz. 10) Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl. 1964 II 425) abstellt. Die AGg. hat die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts wegen Nichtbestehens der Schiedsvereinbarung rechtzeitig im Sinne von Art. V Abs. 1 dieses Abkommens vorgebracht, sodass sie damit auch nicht nach Art. V Abs. 2 im Rahmen des deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahrens ausgeschlossen ist. Eine nach diesem Abkommen bestehende Befugnis des Schiedsgerichts, über seine eigene Zuständigkeit und über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (vorab) zu entscheiden (Art. V Abs. 3), wurde nicht in Anspruch genommen.

Fundstellen

LS und Gründe

OLGR, 263

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2009-270

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