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Verfahrensgang

OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.09.2007 – 9 Sch 2/07, IPRspr 2007-221

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Anerkennungsverweigerungsgründe können im Vollstreckbarerklärungsverfahren bezüglich eines ausländischen Schiedsspruchs nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruchs (hier: in der Republik China auf Taiwan) nicht verfristet ist.

Hat die Schuldnerin die Frist zur Erhebung der Aufhebungsklage nach Art. 40 II des taiwanischen Schiedsgerichtsverfahrensgesetzes vom 24.12.1998 in der Fassung vom 10.7.2002 gegen einen nationalchinesischen Schiedsspruch versäumt, so sind ihre Einwendungen auch im Rahmen des Anerkennungsverfahrens vor deutschen Gerichten präkludiert.

Weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht aufgrund des Verweises in § 1061 ZPO verwehren deutschen Gerichten die restriktive Handhabung von Anerkennungsversagungsgründen. Insbesondere soll ausländischen Präklusionsregelungen in gleicher Weise wie entsprechenden inländischen Regelungen Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche Rechnung zu tragen.

In der bloßen Tatsache, dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, liegt noch kein Neutralitätsverstoß, der den Ordre-public-Einwand begründen könnte.

Rechtsnormen

ArbitrationL 1961 (Taiwan) Art. 11 f.; ArbitrationL 1961 (Taiwan) Art. 15; ArbitrationL 1961 (Taiwan) Art. 17; ArbitrationL 1961 (Taiwan) Art. 38; ArbitrationL 1961 (Taiwan) Art. 40
UNÜ Art. III; UNÜ Art. IV; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZPO § 1059; ZPO § 1061; ZPO § 1064; ZPO § 1962

Sachverhalt

[Die Revision schwebt beim BGH unter dem Az. II ZB 71/07.]


Die Gl. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs des Schiedsverbands der Republik China (Taiwan), in dem die Schuldnerin zur Zahlung von 377 300 US-Dollar und 296 250 Neuen Taiwan-Dollar nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Der Antrag der Gl. ist zulässig und begründet. Die Gl. kann nach § 1061 I ZPO i.V.m. Art. III, IV UNÜ die Vollstreckbarerklärung verlangen.

[2]1. Die Zulässigkeit des Antrags beurteilt sich nach §§ 1064 I, 1062 I Nr. 4 ZPO. Danach reicht – wie geschehen – die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs aus. Nach § 1061 I ZPO i.V.m. Art. VII Abs. 1 UNÜ gehen die günstigeren nationalen Vorschriften dem strengeren Konventionsrecht vor, sodass entgegen Art. IV UNÜ die Vorlage der Schiedsvereinbarung im Original oder in beglaubigter Form ebenso wenig nötig ist wie eine Übersetzung (BGH, NJW-RR 2004, 1504, 1505 (IPRspr. 2003 Nr. 203)).

[3]2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist auch begründet (§ 1061 I ZPO i.V.m. Art. III UNÜ). Denn die Schuldnerin ist nach der Rechtsprechung des Senats mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie die fristgemäße Geltendmachung nach Maßgabe des nationalchinesischen Aufhebungsverfahrens versäumt hat (Beschlüsse vom 27.3.2006 – 9 Sch 2/05 (IPRspr 2006-207) und vom 28.6.2006 – 9 Sch 1/06 (IPRspr 2006-213) = SchiedsVZ 2006, 282 m. Anm. Gruber).

[4]a) Nach überkommener Rechtsprechung können Anerkennungsverweigerungsgründe im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur berücksichtigt werden, wenn eine zulässige und inhaltlich einschlägige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des Schiedsspruchs nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH, NJW-RR 2001, 1059 f. (IPRspr. 2001 Nr. 202)). Zwar ist unter Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser Rechtsprechung bestritten (Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1061 Rz. 29; BayObLG, NJW-RR 2001, 431 (IPRspr. 2000 Nr. 183); Schleswig, RIW 2000, 706 (IPRspr. 2000 Nr. 185)), weil Art. V UNÜ keine Regelung eines Rügeverlusts enthalte. Eine restriktive Handhabung von Anerkennungsversagungsgründen verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die völkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht aufgrund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ). Die teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten also nach wie vor frei, sodass alle Gründe auch unter der neuen Regelung fortbestehen, die eine Präklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbesondere MünchKommZPO-Münch, 2. Aufl., § 1061 Rz. 7; Thomas-Putzo-Reichold, 28. Aufl., § 1061 Rz. 6; Musielak-Voigt, ZPO, 5. Aufl., § 1061 Rz. 20; OLG Stuttgart, Beschl. vom 14.10.2003 – 1 Sch 16/02 und 6/03; OLG Hamm, SchiedsVZ 2006, 107, 108). Bei deutschen Schiedssprüchen geht die Neuregelung eindeutig von einer Präklusion bei versäumtem Aufhebungsverfahren aus (§ 1059 II 3 ZPO), ausländischen Präklusionsregelungen sollte deshalb in gleicher Weise Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der Rechtssicherheit durch Schiedssprüche möglichst Rechnung zu tragen.

[5]b) Im Streitfall handelte es sich unstreitig um einen nationalchinesischen Schiedsspruch, der dem chinesischen Prozessvertreter der Schuldnerin am 11.8.2006 zugestellt wurde, spätestens aber der Schuldnerin in Deutschland vor dem 5.4.2007. Nach Art. 40 II des taiwan. Schiedsgerichtsverfahrensgesetz vom 24.12.1998 i.d.F. vom 10.7.2002 (im Folgenden SchiedsVG) ist eine Aufhebungsklage gegen nationalchinesische Schiedssprüche binnen 30 Tagen nach Kenntnis des Schiedsspruchs zu erheben. Diese Frist hat die Schuldnerin eindeutig versäumt.

[6]c) Die Schuldnerin konnte alle ihre wesentlichen Einwendungen im Rahmen einer Aufhebungsklage mit Präklusionsfrist vorbringen, sowohl die fehlende Erfassung des Streitfalls durch die Schiedsklausel (Art. 38 Nr. 1, 40 Nr. 1 taiwan. SchiedsVG) als auch die Gesetzwidrigkeit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts (Art. 40 Nr. 4 taiwan. SchiedsVG), also insbesondere das vermeintlich falsche Benennungsverfahren durch den Schiedsverband statt durch staatliche Gerichte. Die behauptete fehlende Neutralität wegen einheitlicher Nationalität der Schiedsrichter hätte ebenfalls schon während des Verfahrens gerügt und vor staatliche Gerichte gebracht werden müssen (Art. 15 I, 17 I, III, 40 Nr. 5 taiwan. SchiedsVG).

[7]3. Im Übrigen erscheinen die Einwendungen der Schuldnerin aber auch sachlich unbegründet.

[8]a) Die Schiedsklausel erfasst nach Auffassung des Senats den Schiedsfall (Art. V 1 lit. c UNÜ). Die weite Auslegung der Schiedsklausel der Nr. 15.1 des Exclusive Agent Agreement durch das Schiedsgericht ist insgesamt überzeugend. Denn der Wortlaut der Klausel ist sehr breit (… any dispute arising from or in connection with the interpretation or execution of this Agreement …). Es ist zwar richtig, dass die streitgegenständliche Verpflichtung des ‚Memorandum’ nicht ursprünglicher Vertragsgegenstand des Handelsvertretervertrags war. Es ist aber trotzdem mit guten Gründen davon auszugehen, dass das ‚Memorandum’ mit seinen weiteren, wechselseitigen Pflichten auf der Basis der Handelsvertreterbeziehungen zustande kam und nicht als isolierte, völlig neue Vertragsbeziehung zu betrachten ist. Das ‚Memorandum’ nimmt deshalb bei den Zahlungspflichten auch auf das Exclusive Agent Agreement ausdrücklich Bezug (Nr. 4: In accordance with the Exclusive Agent Agreement …).

[9]b) Fehler bei Bildung des Schiedsgerichts vermögen eine Anerkennungsverweigerung ebenfalls nicht zu rechtfertigen (Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ). Denn auch wenn man unterstellt, dass nicht der Schiedsverband, sondern staatliche Gerichte für die ersatzweise Benennung des Schiedsrichters zuständig gewesen wären (Art. 11 f. taiwan. SchiedsVG), so bliebe doch substantiiert darzutun, inwieweit die Ernennung durch das staatliche Gericht möglicherweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte (dazu statt vieler Musielak-Voigt aaO § 1061 Rz. 17), insbesondere dass dann z.B. kein weiterer Schiedsrichter gleicher Nationalität bestellt worden wäre, was die Schuldnerin als besonders beschwerlich darlegt. Im Übrigen hat die vom Schiedsgericht vorgenommene Auslegung der Schiedsklausel dahin, dass das einzige institutionelle Schiedsgericht in Taipei berufen sein solle, vieles für sich (… to submit such dispute to arbitration in Taipei …). Wäre es nur darum gegangen, einen Schiedsspruch unter nationalchinesischem Schiedsverfahrensrecht zu vereinbaren, u.U. damit irgendeinen Schiedsort in Nationalchina, hätte man Taipei nicht erwähnen müssen. Auch enthalten Klauseln über ein Ad-hoc-Schiedsgericht regelmäßig einen Hinweis auf den Benennungsmechanismus, der hier fehlt, sodass der Gedanke einer Zuständigkeitsbegründung für die einzige örtliche institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit nahe liegt.

[10]c) In der bloßen Tatsache, dass die Nationalität aller drei Schiedsrichter mit der Nationalität einer Partei übereinstimmt, liegt noch kein Neutralitätsverstoß, der den Ordre-public-Einwand (Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ) begründen könnte. Hierzu bedürfte es der Darlegung konkreter, den Eindruck der Parteilichkeit rechtfertigender Tatsachen.

Fundstellen

LS und Gründe

IHR, 2008, 72
SchiedsVZ, 2008, 47

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-221

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