Einwendungen, die der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs entgegenstehen, sind für das inländische Vollstreckbarerklärungsverfahren verloren, wenn sie im Erlassstaat (hier: der Ukraine) mit einem fristgebundenen Rechtsbehelf geltend zu machen gewesen wären, aber nicht geltend gemacht wurden und deshalb im Erlassstaat präkludiert sind.
Die Parteien vereinbarten mit Vertrag vom 18.10.2004 die Lieferung von pharmazeutischen Präparaten und Produkten für medizinische Zwecke an die ASt. Unter Nr. 11 dieses Vertrags sahen sie für den Fall einer Streitigkeit zwischen ihnen die Zuständigkeit des Internationalen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine vor.
Das Schiedsgericht verurteilte die AGg., die sich an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt hatte, mit Schiedsspruch vom 27.8.2007 zur Zahlung des Hauptsachebetrags in Höhe von 15 831,77 €, der Anwaltskosten in Höhe von 398,61 € sowie der Gerichtskosten in Höhe von 1 839,70 €.
Nach dem Tatbestand des als Urteil bezeichneten Schiedsspruchs hatte die AGg. an die ASt. Waren im Wert von 2 337 246,74 € geliefert, während die ASt. an die AGg. 2 431 881,12 € überwiesen hatte. Da die AGg. keine weiteren Lieferungen mehr erbrachte, ergab sich zugunsten der ASt. wegen des geminderten Werts der bis dahin gelieferten Ware eine Überzahlung von 94 634,38 €, worauf die AGg. 78 802,61 € zahlte. Hinsichtlich der Restforderung in Höhe von 15 831,77 € rief die ASt. das Internationale Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine an.
[1]II. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß § 1061 I ZPO i.V.m. Art. I ff. UNÜ zulässig und begründet.
[2]Die Voraussetzungen nach Art. III ff. UNÜ für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 27.8.2007 liegen vor.
[3]1. Das UNÜ ist auf den zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruch anzuwenden, denn dieser ist in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staats als der Bundesrepublik Deutschland ergangen (Art. I Abs. 1).
[4]2. Die formellen Erfordernisse der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach Art. IV UNÜ i.V.m. Art. VII Abs. 1, § 1064 I und III ZPO sind gegeben; die ASt. hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt.
[5]3. Ein die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung nach Art. V UNÜ rechtfertigender Grund liegt nicht vor.
[6]a) Der Schiedsspruch ist für die Parteien nach der Schiedsklausel in dem Vertrag vom 18.10.2004 und nach dem Tenor des ‚Urteils’ endgültig und unanfechtbar (Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ). Die Möglichkeit, den Schiedsspruch im Erlassstaat auf anderem Wege als durch Rechtsbehelf nachträglich zu beseitigen, steht der Verbindlichkeit nicht entgegen (BGH, Urt. vom 18.1.1990 – III ZR 269/88, NJW 1990, 2199 (IPRspr. 1990 Nr. 238)).
[7]b) Die AGg. ist mit ihrer Berufung auf Anerkennungsverweigerungsgründe präkludiert, weil sie ihre fristgemäße Geltendmachung im ukrainischen Aufhebungsverfahren versäumt hat. Spätestens am 7.12.2007 ist der AGg. der Schiedsspruch zugegangen, sodass bei einer Frist von drei Monaten für die Geltendmachung einer Aufhebungsklage vor den ukrainischen Gerichten dieser Rechtsbehelf nicht mehr zulässig ist.
[8]Der BGH hat in seinem Urteil vom 1.2.2001 – III ZR 332/99, NJW-RR 2001, 1059 (IPRspr. 2001 Nr. 202), das er noch nach altem Schiedsverfahrensrecht zu entscheiden hatte, an dem Grundsatz festgehalten, dass dann, wenn von einem fristgebundenen Rechtsbehelf im Ursprungsland kein Gebrauch gemacht werde, die Rechtsverteidigung insoweit auch im deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahren präkludiert sei. Dieser tradierten Linie folgen für das ab 1.1.1998 geltende Schiedsverfahrensrecht auch das OLG Karlsruhe (Beschl. vom 27.3.2006 – 9 SCH 2/05, SchiedsVZ 2006, 335) (IPRspr 2006-207) sowie teilweise die Kommentarliteratur (Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 27 Rz. 2546 f.; Musielak-Voit, ZPO, 5. Aufl., § 1061 Rz. 20). Insoweit wird zur Begründung angeführt, dass sich dem Übereinkommen (UNÜ) keine abschließende Regelung zur Frage der Präklusion entnehmen lasse, sodass dem nationalen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukomme. Der deutsche Gesetzgeber habe von dieser Möglichkeit nicht ausdrücklich Gebrauch gemacht. Gegen eine Auslegung, die die Geltendmachung präkludierter Gründe ausschließe, spreche, dass der ausländische Normgeber dem nationalen durch die Einführung eines befristeten Rechtsbehelfs mit präkludierender Wirkung die Prüfung eines Versagungsgrunds in Deutschland einschränken könnte. Auf der anderen Seite würden auch nach § 1060 II 3 ZPO die Aufhebungsgründe des § 1059 II Nr. 1 ZPO nicht berücksichtigt, wenn die Frist für einen Aufhebungsantrag abgelaufen sei. Im Interesse einer einheitlichen Beurteilung sollte deshalb auch die Präklusion derartiger Gründe nach einem anderen als dem deutschen Recht anerkannt werden, denn der deutsche Gesetzgeber habe mit § 1059 ZPO einerseits und der Einbeziehung des UNÜ in das deutsche Recht durch § 1061 ZPO andererseits parallele Regelungen getroffen (vgl. Musielak-Voit aaO). Das UNÜ verhindere gemäß Art. VII Abs. 1 auch keine anerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts, sodass eine teleologische Reduktion im Hinblick auf die schon unter altem Recht bestehenden Gründe den Gerichten nach wie vor freistehe (OLG Karlsruhe aaO).Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
[9]c) Im Übrigen hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige AGg. einen Anerkennungsverweigerungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ nicht substanziiert darlegen und beweisen können.
[10]Zwar ist unstreitig, dass sich die AGg. nicht am Schiedsverfahren beteiligt hat und sowohl die verfahrenseinleitenden Schriftstücke als auch die Terminsladung wieder zu den Schiedsakten zurückgelangt sind, ohne dass die AGg. davon Kenntnis genommen hat. Jedoch bedeutet dieser Vorgang nicht, dass die AGg. nicht gehörig von der Bestellung der Schiedsrichter oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren in Kenntnis gesetzt worden ist. Für eine ordnungsgemäße Zustellung reichen auch Zustellungsfiktionen (Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1061 Rz. 53; BayObLG, Beschl. vom 16.3.2000 – 4 Z Sch 50/99, NJW-RR 2001, 431 (IPRspr. 2000 Nr. 183)). Hier ergibt sich schon aus dem Schiedsspruch, dass das Schiedsgericht am 1.6.2007 Kopien der Aktenunterlagen (einschließlich der Klage), die Geschäftsordnung und die Liste der Schiedsrichter des Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine per Einschreiben mit Rückschein an die AGg. unter der im Rubrum angegebenen Anschrift zugestellt hatte, dieses Einschreiben jedoch am 2.7.2007 mit dem postalischen Vermerk ‚nicht abgeholt’ und dem Stempel der Deutschen Post zurückgeschickt wurde. Gemäß Art. 3 I des ukrainischen Gesetzes Nr. 4002-XII über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit vom 24.2.1994 gilt damit das Einschreiben an die Schiedsbeklagte als zugestellt. Einwendungen hiergegen hat die AGg. nicht erhoben.
[11]d) Auch ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nach Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ i.V.m. dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, denn die Terminsladung zum 27.8.2007, die nach dem Inhalt des Schiedsspruchs an die AGg. unter der hier bekannten Anschrift versendet wurde, ist ebenfalls mit dem postalischen Vermerk ‚nicht abgeholt’ und dem Stempel der Deutschen Post zur Schiedsakte zurückgelangt. Gemäß Art. 3 I des ukrainischen Gesetzes Nr. 4002-XII gilt damit das Einschreiben an die Schiedsbeklagte als zugestellt.
[12]e) Der Einwand der AGg., sie habe am 25.1.2007 15 103 Euro auf Weisung der ASt. an die Firma G. weitergeleitet, ist unbeachtlich, denn er hätte vor dem ukrainischen Schiedsgericht geltend gemacht werden müssen.