Das Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche folgt - soweit nicht gemäß den §§ 1061 I, 1064 III ZPO vorrangige Staatsverträge besondere Verfahrensregelungen treffen - demjenigen für die Anerkennung und Vollstreckung inländischer Schiedssprüche.
Die Vorschrift des § 1025 IV ZPO verweist insgesamt auf § 1061 und §§ 1062 bis 1065 ZPO. Danach entfaltet auch im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 I GG umfassend Wirkung. In § 1063 I 2 ZPO wird das noch einmal klargestellt; danach ist der Antragsgegner zu hören oder in bestimmten Fällen gemäß § 1063 II ZPO eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
§ 293 ZPO gilt auch im Schiedsverfahren. Gibt die angefochtene Entscheidung keinen Aufschluss darüber, dass das Tatgericht seiner Pflicht nachgekommen ist, ausländisches Recht zu ermitteln, ist davon auszugehen, dass eine ausreichende Erforschung des ausländischen Rechts verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. [LS der Redaktion]
2012 unterzeichneten ein Herr M. ("Partei-1"), ein Herr A. ("Partei-2"), der Antragsteller ("Partei-3") sowie V. P. ("Firma") eine in russischer Sprache abgefasste Vereinbarung. Laut dieser Vereinbarung handelte M. im eigenen Interesse, im Interesse von Frau O. S. [Antragsgegnerin], im Auftrag von Frau O. S. sowie als Bürge für Frau O. S. Partei-1 verpflichtete sich, dem Antragsteller zwei Fahrzeuge der Marken BMW und Lamborghini zu übereignen. Gezahlt werden sollte von Partei-2. Die Bezahlung sollte als vertragsgerechte Erfüllung aller Verpflichtungen von Partei-2 und Partei-3 gegenüber Partei-1 und Personen gelten, in deren Interesse Partei-1 handelt. Die Vereinbarung enthält eine Schiedsklausel, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Vereinbarung durch das Ständige Schiedsgericht St. Petersburger Arbitrage endgültig entschieden werden sollten, und eine Rechtswahl zugunsten russischen Rechts.
Der Antragsteller erhob unter Berufung auf die Vereinbarung Schiedsklage gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung. Die Antragsgegnerin, die laut Schiedsspruch über die Verhandlung informiert war, war bei der Schiedsverhandlung nicht anwesend. Mit Schiedsspruch vom 14.9.2015 verurteilte das Schiedsgericht die Antragsgegnerin, an den Antragsteller zu zahlen. In einem Zivilprozess vor dem LG Berlin stritten die Parteien ebenfalls über Ansprüche aus der Vereinbarung. Die Klage wurde mit Urteil vom 14.6.2017 (
[7] II. Das Kammergericht hat angenommen, Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO seien nicht gegeben. Der Antragsteller habe hinreichend dargelegt, dass sich die Antragsgegnerin die Regelungen in der Vereinbarung vom 15. Juni 2012 entgegenhalten lassen müsse. Dabei könne offenbleiben, ob Herr M. von vornherein mit Vertretungsmacht gehandelt oder die Antragsgegnerin dessen Erklärung nachträglich genehmigt habe. Ebenso könne offenbleiben, welchem Recht das Vollmachtsstatut unterliege. Nach beiden anwendbaren Rechtsordnungen seien die Voraussetzungen einer zulässigen Vertretung dargelegt, ohne dass die Antragsgegnerin dem entgegengetreten wäre.
[8] III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2, § 575 ZPO auch im Übrigen zulässig. Die Antragsgegnerin hat die Rechtsbeschwerde fristgemäß eingelegt (dazu III 1). Wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (dazu III 2) ...
[34] IV. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
[35] 1. Die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs verletzt die Antragsgegnerin in ihrem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Mangels wirksamer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks war sie über das Verfahren nicht informiert und konnte sich dementsprechend auch nicht äußern.
[36] a) Das Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche folgt - soweit nicht gemäß den § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 3 ZPO vorrangige Staatsverträge besondere Verfahrensregelungen treffen - demjenigen für die Anerkennung und Vollstreckung inländischer Schiedssprüche. Die Vorschrift des § 1025 Abs. 4 ZPO verweist insgesamt auf § 1061 und §§ 1062 bis 1065 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2002
[37] b) Das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dieses Äußerungsrecht ist eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Der einfachgesetzlichen Umsetzung des Rechts auf Information dienen unter anderem die prozessrechtlichen Vorschriften über die Ladung und die Bekanntgabe, insbesondere die Zustellung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Betroffenen von für sie erheblichen Informationen zuverlässig Kenntnis erhalten (vgl. BVerfG, NJW 2017, 318 Rn. 11 bis 13 mwN; BeckOK.GG/Radtke, 42. Edition [Stand 1. Dezember 2019], Art. 103 Rn. 8). Insoweit dienen die Vorschriften über die Zustellung der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 421, 422 [juris Rn. 13]; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018
[38] c) Gemessen hieran verletzt der angefochtene Beschluss die Antragsgegnerin in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Es fehlt an einer wirksamen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. In Ermangelung einer Information über das vom Antragsteller eingeleitete Verfahren konnte sich die Antragsgegnerin in dem Verfahren nicht äußern.
[39] ... [41] d) Auf die Frage, ob diese Gehörsverletzung entscheidungserheblich war, kommt es wegen des schwerwiegenden Verfahrensmangels nicht an. Dieser Mangel lässt sich in der Rechtsbeschwerdeinstanz in der Regel nicht ausgleichen, da das ganze Verfahren der Tatsacheninstanz nachgeholt und der bisher nicht zugezogenen Partei Gelegenheit für sämtliche in Betracht kommenden Prozesshandlungen gegeben werden müsste. Um dies zu verhindern, gebietet § 547 Nr. 4 ZPO die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ohne Rücksicht darauf, ob diese im Ergebnis richtig ist (vgl. BGH, NJW 1984, 494, 495 [juris Rn. 13]).
[42] 2. Der angefochtene Beschluss erweist sich weiterhin deshalb als rechtsfehlerhaft, weil es das Kammergericht verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, das anwendbare ausländische Recht zu ermitteln.
[43] a) Das Kammergericht hat angenommen, die Antragsgegnerin müsse sich die Regelungen in der Vereinbarung vom 15. Juni 2012 entgegenhalten lassen. Dabei könne offenbleiben, ob Herr M. von vornherein mit Vertretungsmacht gehandelt oder die Antragsgegnerin dessen Erklärungen nachträglich genehmigt habe. Ebenso könne offenbleiben, ob für das Vollmachtsstatut das Recht der Russischen Föderation Anwendung finde oder ob für die in B. wohnhafte Antragsgegnerin das deutsche Recht maßgeblich sein könnte. Nach beiden anwendbaren Rechtsordnungen seien die Voraussetzungen einer zulässigen Vertretung dargelegt, ohne dass die Antragsgegnerin dem entgegengetreten sei.
[44] b) Diese Beurteilung, gegen die sich die auf § 293 ZPO gestützte Verfahrensrüge (§ 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO) der Antragsgegnerin richtet, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die richtige Anwendung des deutschen internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Soweit danach ausländisches Recht anzuwenden ist, hat das Tatgericht dieses nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Diese Vorschrift gilt auch im Schiedsverfahren (für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1984
[45] c) Im angefochtenen Beschluss fehlen Anhaltspunkte dafür, dass das Kammergericht bei seiner Annahme, nach beiden anwendbaren Rechtsordnungen seien die Voraussetzungen einer zulässigen Vertretung dargelegt, seiner Pflicht nachgekommen ist, das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das im Vorprozess vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten zum russischen Recht verwertet worden wäre. Soweit das Kammergericht darauf abstellt, die Antragsgegnerin sei dem Vortrag des Antragstellers nicht entgegengetreten, verkennt es, dass es sich beim ausländischen Recht nicht um Tatsachenstoff, sondern um Rechtsnormen handelt. Eine Parteidisposition, wie sie die Verhandlungsmaxime bei Tatsachen ermöglicht, ist weder bei der Feststellung noch bei der Auslegung und Anwendung des ausländischen Rechts möglich (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2018
[46] V. Nach alledem kann der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss des Kammergerichts keinen Bestand haben. Er ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da es wegen des festgestellten Verfahrensfehlers keine Grundlage für eine Sachentscheidung gibt, ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
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