Eine Verletzung der nach § 293 ZPO bestehenden Ermittlungspflicht hinsichtlich des in einem anderen Staat (hier: der Russischen Föderation) geltenden Rechts stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 II Nr. 1 ZPO und Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 1 UNÜ sind nur zu berücksichtigen, wenn die Partei, die sie geltend macht, sich substanziiert darauf beruft. [LS der Redaktion]
Die AGg. hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des OLG, mit dem ein ausländischer Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist und den sie mit der Rechtsbeschwerde angegriffen hat, ohne oder hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.
[2] 1. ... Bei der Entscheidung über den Einstellungsantrag sind die widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung fällt im vorliegenden Fall zugunsten der ASt. aus, weil die Rechtsbeschwerde der AGg. beim derzeitigen Stand des Verfahrens keine Aussicht auf Erfolg hat.
[3] 2. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG ist zwar von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 I 1 Nr. 1 ZPO). [...] Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig ...
[4] a) Die AGg. macht vergeblich geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rspr. erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil das OLG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) verletzt habe ...
[6] bb) Die AGg. macht geltend, das OLG habe ihr Vorbringen, der Schiedsspruch beruhe auf der Verletzung von Verfahrensvereinbarungen der Parteien und von Verfahrensrecht der Russischen Föderation, zwar daraufhin untersucht, ob das Schiedsgericht gemäß Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen habe und die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gemäß Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ dem ordre public widerspreche. Das OLG habe jedoch nicht geprüft, ob die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren gemäß Art. V I lit. d UNÜ einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht des Landes widersprochen habe, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattgefunden habe. Insbesondere habe es weder die erforderlichen Feststellungen zu den Verfahrensvereinbarungen der Parteien getroffen noch das einschlägige Verfahrensrecht der Russischen Föderation hinreichend ermittelt.
[7] cc) Damit kann die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.
[8] (1) ... Die AGg. hat sich im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht darauf berufen, der Schiedsspruch dürfe nicht für vollstreckbar erklärt werden, weil die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren wegen der von ihr behaupteten Verfahrensverstöße einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht der Russischen Föderation widersprochen habe. Dies macht sie erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend. Unter diesen Umständen hat das OLG das rechtliche Gehör der AGg. nicht dadurch verletzt, dass es sich nicht mit diesem Versagungsgrund auseinandergesetzt hat.
[9] (2) Die AGg. rügt ohne Erfolg, das OLG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es weder die erforderlichen Feststellungen zu Verfahrensvereinbarungen getroffen noch die erforderlichen Ermittlungen zum anwendbaren Verfahrensrecht der Russischen Föderation angestellt habe. Es kann offen bleiben, ob das OLG im Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ebenso wie der Tatrichter im Erkenntnisverfahren nach § 293 ZPO verpflichtet ist, das in einem anderen Staat geltende Recht von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. vom 21.12.2011 – I ZR 144/09 (IPRspr 2011-3), TranspR 2012, 110 Rz. 11; Urt. vom 14.1.2014 – ll ZR 192/13 (IPRspr 2014-276), NJW 2014, 1244 Rz. 15), oder ob die Partei, die sich der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs wegen der behaupteten Verletzung des in dem anderen Staat geltenden Rechts widersetzt, den Inhalt des ausländischen Rechts darlegen und beweisen muss (MünchKommZPO-Adolphsen, 5. Aufl., Art. V UNÜ Rz. 17; vgl. auch OLG Köln, Beschl. vom 9.10.2009 – 19 Sch 19/99, juris Rz. 19). Eine Verletzung der nach § 293 ZPO bestehenden Ermittlungspflicht stellt jedenfalls keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (vgl. BGH, Beschl. vom 26.1.2017 – V ZR 164/16, juris Rz. 1; Beschl. vom 23.3.2017 – V ZR 164/16, juris Rz. 1). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist zwar verletzt, wenn das Gericht entscheidungserheblichen Vortrag einer Partei zum ausländischen Recht übergeht. Das hat die AGg. aber nicht behauptet.
[10] b) Die AGg. macht ferner ohne Erfolg geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil der Streitfall die Frage aufwerfe, ob in einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs der Antragsgegner die von ihm vorgebrachten Versagungsgründe zutreffend benennen und entspr. § 551 III Nr. 2 ZPO rügen müsse.
[11] aa) Durch die Rspr. des BGH ist geklärt, dass Aufhebungsgründe i.S.v. § 1059 II Nr. 1 ZPO und Versagungsgründe i.S.v. Art. V Abs. 1 UNÜ nur zu berücksichtigen sind, wenn die Partei, die sich darauf beruft, sie begründet geltend macht, d.h. sich substanziiert darauf beruft (vgl. BGH, Beschl. vom 2.11.2000 – III ZB 55/99, BGHZ 145, 376, 379; Urt. vom 1.2.2001 – III ZR 332/99 (IPRspr. 2001 Nr. 202), NJW-RR 2001, 1059 f.; Beschl. vom 6.6.2002 – III ZB 44/01, BGHZ 151, 79, 82).
[12] Nach diesen Maßstäben musste das OLG den Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ nicht berücksichtigen. [...] Das OLG durfte sich ... auf die Prüfung beschränken, ob der von der AGg. vorgetragene Sachverhalt den Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ) begründet.
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