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Verfahrensgang

ArbG Frankfurt/Main, Urt. vom 22.05.2018 – 16 Ca 6411/17
LAG Hessen, Urt. vom 13.06.2019 – 11 Sa 812/18, IPRspr 2019-382
BAG, Urt. vom 07.05.2020 – 2 AZR 692/19, IPRspr 2020-142
LAG Hessen, Urt. vom 28.04.2022 – 11 Sa 886/20, IPRspr 2022-67

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht → Arbeitsrecht gesamt bis 2019
Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Auf das nicht deutschem Recht unterliegende Arbeitsverhältnis eines bei einer deutschen Fluggesellschaft im internationalen Flugverkehr beschäftigten Flugbegleiters mit Heimatbasis und Wohnsitz im Ausland (hier: Indien) finden die §§ 15, 16, 18 I BEEG nicht als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 I Rom-I-VO (34 EGBGB a.F.) Anwendung. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

BEEG §§ 15 f.; BEEG § 18
BetrVG § 102; BetrVG § 117
BGB § 174; BGB § 622; BGB § 626
EG-ZivilluftfahrtharmonisierungsVO 3922/91 Anh. III
EGBGB Art. 27; EGBGB Art. 27 ff.; EGBGB Art. 30; EGBGB Art. 34
EUGVVO 44/2001 Art. 19
EVÜ Art. 6
GG Art. 6
KSchG § 1; KSchG §§ 1 ff.
Rom I-VO 593/2008 Art. 8; Rom I-VO 593/2008 Art. 9; Rom I-VO 593/2008 Art. 28
ZPO §§ 12 ff.; ZPO § 21

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung, das Weiterbeschäftigungsverlangen des Klägers und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Die Beklagte ist eine große deutsche Fluggesellschaft, die ihren Sitz in Köln und ihre Hauptniederlassung in Frankfurt a.M. hat. Der Kläger war bei ihr seit 1996 als Flugbegleiter mit der Heimatbasis Delhi (Indien) beschäftigt. Er ist indischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Indien. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der zwischen den Parteien in Delhi abgeschlossene Arbeitsvertrag von 1996. Im Arbeitsvertrag war u.a. vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis indisches Recht Anwendung findet.

Mit Kündigungsschreiben ihrer Personalabteilung in Delhi aus 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach indischem Recht fristlos. Der Kläger hat die Kündigung mit Klage vor dem ArbG Frankfurt a.M. angegriffen. Das ArbG hat sich mit Beschluss vom 5.2.2018 für örtlich zuständig erklärt. Durch Urteil vom 22.5.2018 (Az. 16 Ca 6411/17) hat es unter Klageabweisung im Übrigen festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 23.8.2017 nicht aufgelöst worden sei. Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung bei dem Hessischen LAG eingelegt. Der Kläger hat Anschlussberufung eingelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt hingegen ohne Erfolg.

[2]I.

[3]Die Berufung der Beklagten ist zulässig ...

[4]II.

[5]Die Berufung der Beklagte[n] ist begründet, da die zulässige Klage auch im Klageantrag zu 3. unbegründet und damit insgesamt abzuweisen ist.

[6]1.

[7]Die Klage ist zulässig.

[8]Der Rechtsstreit unterliegt der deutschen Gerichtsbarkeit. Deren internationale Zuständigkeit ergibt sich aus der durch das Arbeitsgericht vorab durch Beschluss festgestellten örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main gemäß § 21 ZPO. Die internationale Zuständigkeit folgt grundsätzlich der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 12 ff. ZPO. Fällt ein Rechtsstreit nach den §§ 12 ff. ZPO in die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, ist die internationale Zuständigkeit regelmäßig indiziert und sind die deutschen Gerichte auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (vgl. BAG Urteil vom 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50) - Rn. 20 mwN, AP Nr. 8 zu Art. 27 EGBGB nF). Anderweitige Regelungen bzw. Vereinbarungen, die einen hiervon abweichenden, nicht im Inland gelegenen Gerichtsstand begründet hätten, sind nicht dargelegt worden.

[9]2.

[10]Die damit zulässige Klage ist jedoch auch unbegründet, soweit sich der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. gegen die Kündigung der Beklagten vom 23. August 2017 wendet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde mit Zugang dieser Kündigung beim Kläger am 25. August 2017 beendet. Die Wirksamkeit dieser Kündigung ist nicht nach § 1 KSchG, §§ 626, 174 BGB, § 102 TV PV Nr. 2 i.V.m. § 102 Abs. 1 BetrVG, § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG zu beurteilen, da auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht deutsches, sondern indisches Recht Anwendung findet. Auch sind die genannten Vorschriften weder aufgrund der Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 Halbsatz 2 EGBGB (aF) noch als Eingriffsnormen gemäß Art. 34 EGBGB (aF) auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Insbesondere sind im Streitfall entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die §§ 15, 16 und 18 BEEG nicht als Eingriffsnormen zu qualifizieren, so dass sich die streitgegenständliche Kündigung nicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG als unwirksam erweist. Tatsachen, die zur Unwirksamkeit der Kündigung nach indischem Recht führen, hat die Beklagte nicht dargelegt.

[11]a) Auf das Arbeitsverhältnis findet nicht deutsches, sondern gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB (aF) aufgrund der von den Parteien ausdrücklich getroffenen Rechtswahl indisches Recht Anwendung.

[12]aa) Die Frage, welches Gesetzesrecht auf einen Privatrechtssachverhalt anzuwenden ist, bestimmt sich gemäß Internationalem Privatrecht nach den Regelungen des Staates, dessen Gericht zur Entscheidung angerufen wird. Einschlägig sind im vorliegenden Fall die das Arbeitsrecht betreffenden Bestimmungen der Art. 27 ff. EGBGB (aF), die in Umsetzung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (EVÜ) galten. Diese Bestimmungen des EGBGB sind zwar zum 17. Dezember 2009 durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) abgelöst worden. Nach Art. 28 Rom I-VO findet diese Verordnung jedoch erst auf die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossenen Verträge Anwendung. Infolge dieser intertemporalen Kollisionsnorm sind für die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Verträge weiter die Art. 27, 30 und 34 EGBGB (aF) anzuwenden (BAG Urteil vom 23. August 2012 8 AZR 394/11 (IPRspr 2012-66) - Rn. 23 mwN., AP Nr. 1 zu § 167 ZPO). Da der Arbeitsvertrag der Parteien bereits im Februar 1996 geschlossen wurde und keine - das Entstehen einer neuen Rechtsbeziehung begründenden - wesentlichen Änderungen nach 17. Dezember 2009 erfuhr, kommen hiernach nicht die Bestimmungen der Rom I-VO, sondern Art. 27 ff. EGBGB zur Anwendung.

[13]bb) Gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB (aF) unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht, wobei die Rechtswahl ausdrücklich sein muss oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben muss. Die Parteien haben in § 2 des Arbeitsvertrages vom 8. Februar 1996 ausdrücklich die Geltung indischen Rechts vereinbart.

[14]cc) Die damit von den Parteien getroffene Rechtswahl ist mit Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) vereinbar[t]. Auch ohne individuelle Rechtswahl wäre indisches Recht nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) maßgebend. Aus diesem Grund wird dem Kläger durch die Rechtswahl auch kein Schutz entzogen, der ihm durch zwingende Bestimmungen des mangels einer Rechtswahl nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB (aF) anzuwendenden Rechts gewährt würde.

[15](1) Gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) unterliegt ein Arbeitsverhältnis dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, unterliegt das Arbeitsverhältnis nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.

[16](2) In Anwendung der vorgenannten Bestimmungen des EGBGB hat das Bundesarbeitsgericht für Flugbegleiter im internationalen Flugverkehr angenommen, dass zur Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts die Regelanknüpfung an den Arbeitsort nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) grundsätzlich nicht in Betracht komme und sich das zwingende Recht auch nicht nach dem Recht des Staates bestimme, in dem das Flugzeug registriert sei (BAG Urteil vom 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50) - Rn. 37f, AP Nr. 8 zu Art. 27 EGBGB nF.; Urteil vom 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00  (IPRspr. 2001 Nr. 52) - zu B I 2 a aa und bb der Gründe, AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB). Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass diese Arbeitnehmer ihre überwiegenden Arbeitsleistungen während des Flugs ohne Bezug zu einem bestimmten Staat erbringen, so dass ein bestimmter Arbeitsort nicht bestimmt werden könne. Auf die Registrierung des Flugzeugs könne nicht abgestellt werden, da dieses nur das "Arbeitsgerät” der Flugzeugbesatzung sei, das sich in verschiedenen Staaten befinden könne (BAG Urteil vom 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50) -; Urteil vom 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00  (IPRspr. 2001 Nr. 52) - AP Nr. 10 zu Art. 30 EGBGB, aaO.). Mithin wäre nach dieser Rechtsauffassung auch im vorliegenden Fall gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) das Recht des Staates maßgebend, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.

[17](3) Diese Rechtsauffassung ist jedoch spätestens unter dem Regime der Rom I-Verordnung nicht mehr aufrechtzuerhalten, da Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO eine Modifikation gegenüber Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) bzw. Art. 6 Abs. 2 lit. a) EVÜ enthält, nach der die Regelanknüpfung des gewöhnlichen Arbeitsorts nicht bloß eingreift hinsichtlich des Ortes „in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, sondern andernfalls auch hinsichtlich des Ortes „von dem aus“ dies geschieht. Bereits für die Rechtslage vor In-Kraft-Treten der Rom I-VO hat der Europäische Gerichtshof eine entsprechend weite, über den Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 lit. a) EVÜ hinausgehende Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Arbeitsortes vorgenommen und klargestellt, dass auch nach der alten Regelung der Ort des Einsatzantritts unabhängig vom konkreten Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 lit. a) EVÜ Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen beruflichen Ausübungsorts sein kann (EuGH Urteil vom 15. März 2011 - C-29/10 - [Koelzsch] Rn. 43 ff., Slg. 2011, I-1595; Urteil vom 15. Dezember 2011 - C-384/10 - [Voogsgeerd], Slg. 2011, I-13275). Diese weite Auslegung hat der Gerichtshof unter Hinweis auf die normierte Rangordnung und das Ziel des Art. 6 EVÜ, den Arbeitnehmer als schwächere Vertragspartei zu schützen, begründet und festgestellt, dass das subsidiäre Kriterium des Ortes der „Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat“, nur anzuwenden ist, wenn das angerufene Gericht trotz weiter Auslegung nicht in der Lage ist, den Staat zu bestimmen, in dem gewöhnlich die Arbeit verrichtet wird (EuGH Urteil vom 15. März 2011 - C-29/10 - Rn. 43, aaO.; Urteil vom 15. Dezember 2011 - C-384/10 - Rn. 32, aaO.). Vor dem Hintergrund dieser - zur alten Rechtslage - ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bei der Anwendung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) auf Altfälle eine weite Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Arbeitsortes im Einklang mit der „von-dem-aus“- Klausel bzw. „base rule“ des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO vorzunehmen (vgl. EuGH Urteil vom 15. März 2011 - C-29/10 - Rn. 46, aaO.; BAG Urteil vom 19. März 2014 - 5 AZR 252/12 (B) (IPRspr 2014-74) - Rn. 25, AP Nr. 26 zu § 130 BGB). Da der Kläger seine Arbeitsleistung nicht ausschließlich in einem Land erbrachte, sondern im Flugverkehr zwischen Indien und Deutschland eingesetzt wurde, ist mithin auch nach Art. 30 Abs. [2] Nr. 1 EGBGB (aF) für die Frage des auf den Arbeitsvertrag anzuwendenden Rechts zunächst auf das Recht des Staates abzustellen, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet hat. Erst wenn auch danach ein gewöhnlicher Arbeitsort in einem der beiden in Betracht kommenden Staaten nicht feststellbar ist, darf - in Einklang mit den Kollisionsnormen in Art. 8 Rom I-VO - auf die „einstellende Niederlassung“ gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) zurückgegriffen werden (EuGH Urteil vom 15. März 2011 - C-29/10 - Rn. 43 ff. aaO.; Urteil vom 15. Dezember 2011 - C-384/10 - Rn. 26 ff., aaO.; BAG Urteil vom 19. März 2014 - 5 AZR 252/12 (B) (IPRspr 2014-74) - aaO.).

[18](4) Für die Bestimmung des auf die Arbeitsverhältnisse von Flugbegleitern im internationalen Flugverkehr anwendbaren Rechts gibt es kein einheitliches Kriterium in dem Sinne, dass die Heimatbasis im Sinne von Anhang III der Verordnung Nr. 3922/91 ohne weiteres als der Ort anzusehen wäre, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes eine Gesamtwürdigung der Kriterien bzw. Indizien durchzuführen, die für die Qualifikation des infrage stehenden Ortes als gewöhnlicher Arbeitsort relevant sind (sog. indiziengesteuerte Methode: EuGH Urteil vom 14. September 2017 - C-168/16 und C-169/16 - Rn. 61ff., juris [Nogueira ua.]). Diese zur Auslegung des Art. 19 Nr. 2 lit. a) der Brüssel I-Verordnung ergangene Rechtsprechung ist im Hinblick auf das identische Verständnis des Begriffs des gewöhnlichen Arbeitsorts im internationalen Verfahrensrecht (EuGVÜ, Brüssel I-Verordnung) und im materiellen internationalen Privatrecht (EVÜ, Rom I-Verordnung[)] auch für die Regelung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) maßgeblich (vgl. von Mohrenfels EuZA 2018, 236, 240 mwN.). Im Rahmen der Gesamtwürdigung begründet die Heimatbasis jedoch ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes. Dieser Begriff wird in der Norm OPS 1.1095 des Anhangs III der Verordnung Nr. 3922/91 als der Ort definiert, an dem das Flugpersonal systematisch seinen Arbeitstag beginnt und beendet sowie seine tägliche Arbeit organisiert und in dessen Nähe es für die Dauer des Vertragsverhältnisses seinen tatsächlichen Wohnsitz begründet hat und dem Luftfahrtunternehmer zur Verfügung steht. Die Heimatbasis verlöre nur dann ihre Relevanz für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes, wenn unter Berücksichtigung aller möglichen tatsächlichen Umstände des Einzelfalles eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als der Heimatbasis aufwiesen (EuGH Urteil vom 14. September 2017 - C-168/16 und C-169/16 - Rn. 69. 73, aaO.)

[19](5) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall festzustellen, dass der Kläger seine Arbeit in Erfüllung des Arbeitsvertrages gewöhnlich von Indien aus verrichtete, so dass dort auch sein gewöhnlicher Arbeitsort gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) lag. Entscheidend dafür ist, dass seine Flug-/Arbeitseinsätze stets an seiner Heimatstation in Delhi begannen und endeten. Neben diesem vorrangigen Kriterium ist als Indiz für den gewöhnlichen Arbeitsort zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Wohnsitz in der Nähe seiner Heimatstation hat und offensichtlich auch haben musste, um die vertraglich geschuldeten Arbeitseinsätze, die stets in Delhi begannen und dort endeten, zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass sich seine Arbeitsaufnahme in Delhi nicht auf das bloße Ein- und Aussteigen in das bzw. aus dem Flugzeug beschränkte, sondern er bei Arbeitsantritt in einem Briefing Arbeitsanweisungen für den jeweiligen Flugeinsatz erhielt. Schließlich fanden disziplinarische Maßnahmen und verpflichtende Termine für den Kläger an seiner Heimatsbasis in Delhi statt. Dahingegen liegen keine Umstände vor, aus denen eine engere Verknüpfung mit Deutschland als Arbeitsort zu folgern wäre und die Heimatbasis des Klägers in Delhi daher für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsortes ihre Relevanz verlöre. Keiner der Umläufe bzw. Arbeitseinsätze des Klägers begann oder endete in Deutschland. Unerheblich ist, dass die gesamte Einsatz- und Urlaubsplanung für die indischen Flugbegleiter in der Niederlassung der Beklagten in Frankfurt am Main erfolgten und den Kläger ggf. Arbeitsanweisungen in elektronischer Form aus dieser Niederlassung erreichten. Von wo aus die Einsatzplanung und die dem Arbeitnehmer erteilten Weisungen erfolgen, ist für die Bestimmung des gewöhnlichen Arbeitsorts der Klägerin ohne Bedeutung (BAG Urteil vom 20. Dezember 2012 - 2 AZR 481/11 (IPRspr 2012-201) - Rn. 26, AP Nr. 5 zu Verordnung Nr. 44/2001/EG). Ferner ergibt sich eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als dem Ort der Heimatbasis weder daraus, dass sich das Postfach des Klägers in der Frankfurter Niederlassung befand und er auch dort Dienstpläne oder Arbeitsanweisungen entgegennahm und vor seinen Rückflügen nach Indien an Briefings teilnahm, noch aus den weiteren vom Kläger angeführten Umständen.

[20](6) Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterläge ohne individuelle Rechtswahl auch dann indischem Recht, wenn mit der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angenommen würde, dass ein gewöhnlicher Arbeitsort des Klägers gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) nicht festzustellen ist. In diesem Fall wäre gemäß Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) das Recht des Staates maßgebend, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Die Niederlassung der Beklagten in Delhi, die den Kläger eingestellt hat, ist entgegen der Darstellung des Klägers eine Niederlassung i.S.d. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF). Darunter fallen nicht nur Tochtergesellschaften und Zweigstellen, sondern auch andere dauerhafte Einheiten wie etwa die Büros eines Unternehmens, auch wenn sie keine Rechtspersönlichkeit haben (EuGH Urteil vom 15.12.2011, C-384/10, Rn 55 aaO.). Die Beklagte unterhält ein solches Büro in Delhi, in dem sie Personal beschäftigt, Personalgespräche führt und - wie im Fall des Klägers - Personalentscheidungen trifft bzw. Disziplinarmaßnahmen ergreift. Unschädlich ist entgegen der Auffassung des Klägers, dass dort neben den dort ständig beschäftigten Mitarbeitern auch Führungskräfte aus der Niederlassung der Beklagten in Frankfurt in verantwortlichen Positionen tätig sind, die im Bedarfsfall Dienstreisen nach Indien für Mitarbeitergespräche und Mitarbeiterveranstaltungen durchführen. Da sie dabei Entscheidungen treffen, die auf die Niederlassung in Delhi bezogen sind, handelt es sich bei diesen gerade nicht um Entscheidungen der Frankfurter Niederlassung. Es ist insbesondere in international tätigen Konzernunternehmen durchaus üblich, dass Führungskräfte betriebs- bzw. unternehmensübergreifend eingesetzt werden und dabei in den jeweiligen Einheiten Entscheidungen treffen, die diesen zugerechnet werden bzw. auf diese bezogen sind.

[21]dd) Die damit nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF) begründete Regelanknüpfung ist auch nicht durch die Ausweichklausel des Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) ausgeschlossen. Danach gilt die nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB (aF) „an sich“ zu treffende Zuordnung dann ausnahmsweise nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

[22](1) Für die Beantwortung der Frage, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat im Sinne der Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamtheit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maßgebend. Es ist vielmehr eine Gewichtung der Anknüpfungsmomente vorzunehmen. Wesentliches Kriterium ist in diesem Zusammenhang der Ort, an welchem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozialversicherung angeschlossen ist (vgl. EuGH Urteil vom 12. September 2013 - C-64/12 - Rn. 41, AP Nr. 1 zu Rom I-Verordnung [Schlecker]). Daneben sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, der Wohnsitz des Arbeitnehmers u.a. zu berücksichtigen. Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvorschriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden zu unterlaufen. Eine solche Disposition über den zwingenden Arbeitnehmerschutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern. In seinem Rahmen kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an (BAG Urteil vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 720/14 (IPRspr 2015-68) - Rn. 30, AP Nr. 13 zu § 85 SGB IX mwN.). Sollen die Einzelumstände auf die engere Verbindung zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deutlich übersteigen (BAG Urteil vom 22. Oktober 2015 - 2 AZR 720/14 (IPRspr 2015-68) - aaO. mwN.).

[23](2) Bei Anwendung dieser Grundsätze bleibt es bei der Regelanknüpfung des Arbeitsvertrags an indisches Recht. Der Arbeitsvertrag des Klägers weist bei einer Würdigung der Gesamtheit der Umstände keine engere Verbindung zu Deutschland als zu Indien auf. Dies ergibt sich maßgeblich daraus, dass der Kläger die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Steuern und Abgaben in Indien entrichtete und der indischen Sozialversicherung angeschlossen ist. Hinzu kommt, dass die Parteien den Arbeitsvertrag in Indien geschlossen haben, der Kläger als indischer Staatsbürger dort seinen Lebensmittelpunkt und Wohnsitz hat und die Arbeitseinsätze des Klägers für die Beklagte stets von Delhi aus starteten und immer dort endeten. Ferner erfolgten disziplinarische Maßnahmen gegenüber dem Kläger in den Räumlichkeiten der Beklagten in Delhi. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass seine Vergütung in indischen Rupien gezahlt wurde und die Vertragssprache Englisch war, das Amtssprache in Indien ist. Zwar ergeben sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass es sich bei der Beklagten um eine deutsche Fluggesellschaft mit Sitz in Köln handelt, auch Verbindungen zu Deutschland, wo insbesondere ärztliche Untersuchungen und die erforderlichen Trainings des Klägers durchgeführt wurden, er vor den Rückflügen Briefings erhielt und die Einsatz- und Urlaubsplanung aller in Indien stationierten Flugbegleiter erfolgte, die dorthin ihre Krankmeldungen zu übermitteln hatten. Des Weiteren befinden sich die für diese Mitarbeiter zuständigen Führungskräfte grundsätzlich in der Niederlassung in Frankfurt am Main, in der sich ein Postfach des Klägers befand und in der er Arbeitsbekleidung abzuholen hatte. Dass die Ehefrau des Klägers und seine Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, spielt hingegen keine relevante Rolle. Insgesamt überwiegen die für eine vermeintlich engere Verbindung zu Deutschland vorgetragenen Umstände jedoch die gewichtigeren, für die Verbindung mit Indien sprechenden Aspekte nicht.

[24]ee) Schließlich finden die gesetzlichen Vorschriften des deutschen Rechts, nach denen die Kündigung der Beklagten vom 23. August 2017 auf ihre Unwirksamkeit zu prüfen wäre, auch nicht als Eingriffsnormen gemäß Art. 34 EGBGB (aF) Anwendung. Die nach dem Vortrag des Klägers in Betracht kommenden §§ 1 bis 14 KSchG, §§ 622, 626, 174 BGB, §§ 15, 16, 18 Abs. 1 BEEG und § 102 TV PV Nr. 2 i.V.m. § 102 Abs. 1 BetrVG sind im Streitfall nicht als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 34 EGBGB (aF) zu qualifizieren.

[25](1) Nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO, der zwar auf den Streitfall noch nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen (vgl. BAG Urteil vom 18. April 2012 - 10 AZR 200/11 (IPRspr 2012-65) - Rn. 14, AP Nr. 14 zu § 2; Urteil vom 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 (IPRspr 2010-179b) - Rn. 31, AP Nr. 5 zu Art. 25 GG). Hierher gehören im Arbeitsrecht etwa die Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung uÄ. Es muss sich um Regelungen handeln, die nicht nur zwingendes Recht darstellen, sondern darüber hinaus in besonderer Weise das allgemeine Wohl betreffen; häufig werden es Regeln sein, über deren Einhaltung staatliche Stellen wachen (BAG Urteil vom 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 (IPRspr 2010-179b) - aaO.). Ein Indiz für ein hinreichend starkes Gemeinwohlinteresse liegt daher insbesondere vor, wenn die Handlungsfreiheit des Arbeitgebers durch Genehmigungsvorbehalte von Behörden eingeschränkt wird (BAG Urteil vom 13. November 2007 - 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50) - Rn. 78, aaO). Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden (BAG Urteil vom 18. April 2012 - 10 AZR 200/11 (IPRspr 2012-65) - aaO. mwN. Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungsgrund 37 zur Rom-I-VO ergibt, nach der der Begriff „Eingriffsnormen“ eng ausgelegt werden soll (vgl. Staudinger in Ferrari/Kieninger/Mankowski ua. Internationales Vertragsrecht 3. Aufl. Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rn. 6).

[26](2) Diese Voraussetzungen liegen bei den vorliegend in Betracht kommenden Normen nicht vor.

[27](a) Die Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes (§§ 1 bis 14 KSchG) sind nicht als Eingriffsnormen gemäß Art. 34 EGBGB (aF) zu qualifizieren, da sie nach dem individualrechtlichen Konzept des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zwecksetzungen dienen (BAG Urteil vom 1. Juli 2010 - 2 AZR 270/09 (IPRspr 2010-179b) - mwN.). Dies gilt gleichermaßen für die Regelungen zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB sowie der Kündigungsfristen in § 622 BGB, so dass es vorliegend nicht darauf ankommt, dass nach deutschem Recht eine entfristete oder fristlose Kündigung in der Regel nur als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommt. Ferner dient die Regelung des § 174 BGB ersichtlich nur dem Individualinteresse einer Partei, die als Adressat eines einseitigen Rechtsgeschäfts, das ein Bevollmächtigter seiner Vertragspartei vornimmt, einen erhöhten Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf hat (vgl. MüKoBGB/Schubert 8. Aufl. § 174 Rn. 1).

[28](b) Ferner ist die Regelung des Kündigungsschutzes gemäß § 18 Abs. 1 BEEG nicht über §§ 15, 16 BEEG als Eingriffsnorm auf den Streitfall anwendbar. Zwar verfolgen die Regelungen der §§ 15, 16 BEEG zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Elternzeit offenkundig auch ein öffentliches Interesse, das der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie dient und insoweit verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein Anspruch auf Elternzeit wegen der räumlichen Geltung des BEEG für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nur Beschäftigten in Deutschland und den nur vorübergehend ins Ausland entsandten Arbeitnehmern zusteht (vgl. APS/Rolfs 5. Aufl. BEEG § 18 Rn. 4-5 mwN.). Die Regelungen der §§ 15, 16 BEEG können daher nicht in Auslandssachverhalten als Eingriffsnormen zur Anwendung kommen, in denen sich nicht nur der Wohnsitz, sondern auch der Arbeitsort des Arbeitnehmers im Ausland befindet. Die Tätigkeit des Kläger[s], der sich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten nur während der kurzen Aufenthalte im Rahmen der Umläufe auf deutschem Boden befand, ist nicht deshalb als Inlandsbeschäftigung anzusehen, weil er seine Arbeit im Flugzeug teilweise auch im deutschen Luftraum erbrachte. Da der Kläger nicht in Deutschland stationiert war, sondern seinen gewöhnlichen Arbeitsort in Indien hatte und daher für seine vorgenannten Aufenthalte weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland benötigte, war der Geltungsbereich der §§ 15, 16 BEEG nicht eröffnet. Das mit den diesen Regelungen verfolgte Gemeinwohlinteresse, das im Lichte des in Art. 6 GG verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Familie zu sehen ist, erstreckt sich auf einen solchen Sachverhalt, bei dem der Arbeitnehmer im Ausland beschäftigt wird und dort mit seiner Familie auch seinen Lebensmittelpunkt hat, trotz der genannten Inlandsberührung nicht. In diesem Fall nimmt daher auch die Regelung über den besonderen Entlassungsschutz gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG nicht an einer Qualifizierung der §§ 15, 16 BEEG als Eingriffsnormen teil. Einer Zulässigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG bedarf es hier gerade nicht.

[29](c) Schließlich handelt es sich auch bei § 102 TV PV Nr. 2 i.V.m. § 102 Abs. 1 BetrVG nicht um Eingriffsnormen i.S.d. Art. 34 EGBGB (aF). § 102 Abs. 1 BetrVG kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht als Eingriffsnorm in Betracht, da die Regelung selbst im Falle der Wahl deutschen Rechts nicht unmittelbar einschlägig wäre. Denn auf der Grundlage des gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 2 (TV PV Nr. 2) ist bei der Beklagten eine Personalvertretung gebildet. § 102 TV PV Nr. 2, der auf § 102 BetrVG verweist, ist keine Eingriffsnorm, da er als Tarifregelung kein Gemeinwohlinteresse von erheblichem Gewicht verfolgt. Typischer Tarifnormenzweck ist der angemessene Ausgleich der Interessen zwischen tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien, so dass die Qualifizierung einer Tarifregelung im Regelfall ausscheidet (RdA 2009, 144, 152 mwN.). Ein für allgemeinverbindliche Tarifverträge bzw. durch gesetzlichen Anwendungsbefehl (z.B. AentG) in Kraft gesetzte Tarifregelung denkbarer Ausnahmefall (vgl. ErfK/Schlachter 19. Aufl. Rom I-VO Art. 3-9 Rn. 25 mwN.), liegt nicht vor.

[30]bb) Die Kündigung der Beklagten vom 23. August 2017 ist nicht wegen unterbliebener Anhörung der Personalvertretung § 102 TV PV Nr. 2 i.V.m. § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam ...

[31](1) ... (4) ...

[32]c) Tatsachen, die die Unwirksamkeit der Kündigung nach indischem Recht begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen, sondern sich im Wesentlichen darauf berufen, dass deutsches Recht zur Anwendung komme und die Kündigung aus diesem Grund unwirksam sei.

[33]III.

[34]Aus denselben Gründen ist die zulässige Anschlussberufung des Klägers unbegründet.

[35]Der Arbeitsvertrag des Klägers unterliegt dem indischen Arbeitsvertragsstatut, so dass die geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses und auf Weiterbeschäftigung nicht nach deutschem Recht zu beurteilen sind ...

Fundstellen

LS und Gründe

BeckRS, 2019, 42174

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