Bei der Anerkennung einer ausländischen (hier: taiwanesischen) Adoptionsentscheidung kann von einer persönlichen Anhörung des Kindes nach § 5 III 2 AdWirkG in Verbindung mit § 159 FamFG abgesehen werden, wenn die Anerkennung lediglich von rechtlichen Erwägungen hinsichtlich der Verfahrensgestaltung abhängt, die durch einen persönlichen Eindruck des Kindes nicht beeinflusst werden können.
Für das Eingreifen des ordre public des Art. 6 EGBGB und des § 109 I Nr. 4 FamFG ist eine Inlandsbeziehung erforderlich. Es liegt lediglich ein schwacher Inlandsbezug vor, wenn dieser ausschließlich über die (auch) deutsche Staatsangehörigkeit einer weiteren Beteiligten im Adoptionsverfahren vermittelt wird, die Annehmende jedoch die kanadische Staatsangehörigkeit besitzt, der Anzunehmende mit der Geburt die chinesische Staatsangehörigkeit erwarb und alle gemeinsam in Kanada leben.
Im taiwanesischem Recht wird in Bezug auf minderjährige Kinder von einer Volladoption ausgegangen, da das Kindschaftsverhältnis nach Art. 1077 II, 1083 des Zivilgesetzes vom 23.5.1929 in der Fassung vom 26.4.2000 zwischen den angenommenen Kind und seinen leiblichen Eltern während der Dauer des Annahmeverhältnisses ruht. [LS der Redaktion]
Die ASt. erstreben die Anerkennung der in ... China erfolgten Adoption der ... geb. am ... an. Die Bet. besitzen die kanadische Staatsangehörigkeit, die Bet. zu 1) ist darüber hinaus deutsche Staatsangehörige. Sie haben bereits in der Vergangenheit ein Kind aus diesem Kulturkreis adoptiert (Beschl. des Bezirksgerichts ... China vom ..., Beschl. des AG – VormG – Frankfurt/Main vom ... 2010). Durch einen Sozialarbeiter einer an ihrem Wohnort in Kanada niedergelassenen Adoptionsvermittlungsagentur wurde ein Sozial- und Eignungsbericht der Bet. verfasst. Die Anzunehmende wurde in ... China unehelich geboren, die leibliche Mutter leidet seit ihrem 14. Lebensjahr an psychischen Problemen, sie wurde in verschiedenen Einrichtungen behandelt, zwischenzeitlich war sie inhaftiert. Ein Vater ist in der Geburtsurkunde nicht verzeichnet. Das Kind wurde im Juli 2008 bei einer Pflegefamilie untergebracht. 2010 wurde der Mutter die elterliche Sorge für ihr Kind entzogen und die Vormundschaft angeordnet. 2011 wurde zwischen den Bet. zu 1) und 2) sowie dem Vormund des Kindes ein Adoptions-Vertrag geschlossen. Mit Urteil vom ... 2011 des Bezirksgerichts ... wurde die Adoption der ... geb. am ... durch die Bet. zu 1) und zu 2) ausgesprochen. Der Adoption stimmte ein Vertreter des Jugendamts als Vormund des Kindes zu. Das Urteil ist seit dem ... 2011 rechtskräftig.
Seit 2012 wohnen die ASt. und das Kind gemeinsam in Kanada. Die Entscheidung des Bezirksgerichts ... vom ... 2011 wurde durch die Provinz ... Kanada anerkannt.
Den Antrag der ASt. auf Anerkennung dieser Entscheidung wies das AG – FamG – Frankfurt/Main 2015 zurück. Gegen diese Entscheidung wenden sich die ASt. mit ihrer Beschwerde. Das beteiligte BfJ hat im Rahmen seiner im Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahmen von 2016 und 2018 zur rechtlichen Einordnung des Anerkennungsverfahrens und zur Zulässigkeit der Beschwerde Stellung genommen und die Entscheidung des AG kritisch hinterfragt.
[1]II. I. Die Beschwerde ist nach § 5 IV 2 AdWirkG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbes. form- und fristgerecht eingelegt (§§ 58 I, 63 I, 64 FamFG), wobei es eines Abhilfeverfahrens (§ 68 I 1 FamFG) im Hinblick auf die nach Auffassung des Senats gegebene Anwendbarkeit des § 68 I 2 FamFG nicht bedarf (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 1512 (IPRspr 2017-175)).
[2]II. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
[3]1. Die Entscheidung beruht auf § 108 II 3 FamFG i.V.m. § 2 I AdWirkG. Der Anwendungsbereich des AdoptÜ ist nicht eröffnet, weil Taiwan kein Vertragsstaat dieses Übereinkommens ist.
[4]Die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen sind erfüllt.
[5]Das Urteil des Bezirksgerichts ... China vom ... 2011 ist eine rechtskräftige ausländische Adoptionsentscheidung gemäß § 1 AdWirkG. Die ASt. begehren die Anerkennung einer auf Grundlage des Zivilgesetzes der Republik China (Taiwan) gerichtlich ausgesprochenen Adoption. Nach taiwanesischem Recht erfolgt die Adoption durch einen privatschriftlichen Vertrag mit anschließender gerichtlicher Genehmigung.
[6]Gemäß § 108 II 1 FamFG sind für die Anerkennung eines Annahme als Kind die §§ 2 bis 4 AdWirkG zu beachten, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Die Anzunehmende wurde am ... 2008 geboren, die Adoption wurde am ... 2011 ausgesprochen.
[7]2. Die Anerkennung ist vorliegend nicht nach § 109 FamFG ausgeschlossen.
[8]... Gegenstand der Überprüfung ist hierbei, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung angesichts ihres Inhalts oder der Umstände ihres Zustandekommens und des konkreten Sachverhalts gegen den ordre public verstößt (Staudinger-Henrich, BGB, 2016, § 109 FamFG Rz. 232 ...). [...] Ein Versagungsgrund für die Anerkennung ist ... nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (Staudinger-Henrich aaO Rz. 293; dies. [2014] Art. 22 EGBGB, zit. n. juris Rz. 22; BGH, NJW 1978, 1114 (IPRspr. 1977 Nr. 151), zit. n. juris Rz. 20; BGHZ 118, 312 (IPRspr. 1992 Nr. 218b), zit. n. juris Rz. 32). Die Anerkennung der Entscheidung müsste ein Ergebnis zur Folge haben, das den Kernbestand der inländischen Regelung antastet (BT-Drucks. 10/504 S. 42). Es kommt daher darauf an, ob die Art und Weise, wie der ausländische Richter im Einzelfall verfahren ist, den Prinzipien zuwiderläuft, auf denen Art. 103 I GG beruht. Demnach ist auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 I GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern ... Art. 103 I GG schützt ferner in dem besonderen Fall eines gerichtlichen Verfahrens die Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 I 1 GG). Diese wäre verletzt, wenn einem Verfahrensbeteiligten nicht die Rolle eines Verfahrenssubjekts eingeräumt würde, das aktiv die Gestaltung des Verfahrens beeinflussen kann, sondern nur die Rolle eines passiven Verfahrensobjekts, mit dem im gerichtlichen Verfahren etwas geschieht (BVerfG, FamRZ 2008, 243, zit. n. juris Rz. 12; BGHZ 48 aaO zit. n. juris Rz. 14; BGH, NJW 1978 aaO zit. n. juris Rz. 20).
[9]a. Das Verfahren, in welchem das Bezirksgerichts ... Taiwan/China zu dem Ausspruch der Adoption am ... 2011 gelangte, verstößt nach diesen Maßstäben nicht gegen die Grundwerte des Art. 103 I GG ...
[10]Das Bezirksgericht ... Taiwan/China hat in Rahmen von gerichtlichen Verfahren sowohl den Bedarf nach einer gesetzlichen Vertretung der Mutter wie auch der Erforderlichkeit des Entzugs der elterlichen Sorge angenommen und durch Entscheidungen vom ... 2009 und ... 2009 ausgesprochen ...
[11]aa. Im Bereich des Betreuungsrechts begegnet das taiwanesische Verfahrensrecht insoweit keinen Bedenken, als gemäß Art. 1111a des taiw. Zivilgesetzes bei der Bestellung eines Vormunds für Volljährige der Wille des Mündels zu beachten ist. Gleiches gilt nach Art. 1113, 1113a, 1098 des taiw. Zivilgesetzes bei der Bestellung eines besonderen Vertreters. Nach den vom ausländischen Richter anzuwendenden Verfahrensvorschriften ist daher anzunehmen, dass sie ihren Willen im Betreuungsverfahren einbringen konnte und ihr Gehör gewährt wurde.
[12]bb. Darüber hinaus wurde die leibliche Mutter in dem sorgerechtlichen Prozess, der dem Adoptionsverfahren voranging, ordnungsgemäß beteiligt und ihr rechtliches Gehör gewährt. [...] Ausweislich der Entscheidungsgründe dieses Urteils wurde sie in jenem Verfahren durch ihren Vater vertreten. Wie vorstehend ausgeführt, wurde dieser von dem gleichen Gericht als zuvor als deren Vertreter bestellt. Er wurde nachfolgend im sorgerechtlichen Verfahren beteiligt, äußerte sich zu dem Entzug der elterlichen Sorge und stimmte den Anträgen des Jugendamts zu. Darüber hinaus äußerte sich die Mutter auch persönlich zu dem Entzug der elterlichen Sorge. [...] Darüber hinaus war bereits in diesem Verfahren die Adoption und die damit verbundenen Beendigung der verwandtschaftlichen Verhältnisse Gegenstand des Gesprächs. In vorgenannten Bericht der Sozialbehörde wird dargelegt, dass [die Mutter] gegenüber der Mitarbeiterin des Jugendamts in die Adoption des Kindes einwilligte. Am gleichen Tage beriet sie sich zudem mit ihrem Vater und bestätigte daraufhin wiederholt die Freigabe des Kindes zur Adoption. Schließlich erklärte sie 2008 gegenüber ihrem Vater, der sie im Gefängnis besuchte, die Freigabe des Kindes zur Adoption.
[13]cc. ... (1) Eine Versagung der Anerkennung ist nicht deshalb angezeigt, weil die Mutter im Adoptionsverfahren nicht förmlich beteiligt wurde. In der vorliegenden Fallgestaltung sieht das taiwanesische Recht eine Beteiligung der Mutter nicht vor. Nach Art. 1076 des Zivilgesetzes war ihre Zustimmung nicht erforderlich, weil sie die Rechte und Pflichten für das Kind nicht ausüben kann und die Interessen des Kindes nicht beschützt hat. In den Entscheidungsgründen des sorgerechtlichen Urteils des Bezirksgerichts ... Taiwan/China vom ... 2009 im Verfahren zu Az. .../2009 wird dargelegt, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass diese Voraussetzungen gegeben sind. Die fehlende formale Beteiligung der Mutter steht bereits deshalb nicht im Widerspruch zu den Grundwerten des Art. 103 I GG, weil – wie das AG zutreffend ausführt – auch das deutsche Adoptionsrecht Fallgestaltungen vorsieht, in denen eine Einwilligung eines Elternteils entbehrlich ist. Nach § 1747 IV BGB ist die Einwilligung eines Elternteils nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe der Erklärung außerstande ist. Er ist dann nach § 188 I Nr. 1 b FamFG weder materiell noch formell am Adoptionsverfahren zu beteiligen (MünchKommFamFG-Mauer, 2. Aufl., § 188 Rz. 10; Keidel-Engelhardt, FamFG, 19. Aufl., § 188 Rz. 3, BGH, FamRZ 2015, 828, zit. n. juris Rz. 23).
[14](2) Die leibliche Mutter hatte Gelegenheit, sich vor der gerichtlichen Entscheidung zum Verfahrensgegenstand zu äußern. Wie vorstehend ausgeführt äußerte sie sich im Rahmen des sorgerechtlichen Verfahrens zu der Adoption und willigte in diese ein. [...] Bei Würdigung des ausländischen Verfahrens ist zudem zu beachten, dass es auch das nationalen Verfahrensrecht ermöglicht, von einer Anhörung eines leiblichen Elternteils im Adoptionsverfahren abzusehen, sofern er nach § 1747 IV 1 BGB zur Abgabe der Erklärung dauerhaft außerstande ist (vgl. BGH, FamRZ 2015 aaO zit. n. juris Rz. 23). Vor dem Hintergrund der festgestellten psychischen Erkrankungen der Mutter vermag das Absehen von ihrer wiederholten Anhörung im Adoptionsverfahren jedenfalls die Rechtsstaatlichkeit des konkreten Verfahrens nicht in Zweifel zu ziehen.
[15]b. Schließlich war zu berücksichtigen, dass der Sachverhalt lediglich einen schwachen Inlandsbezug aufweist. Nicht nur bei Art. 6 EGBGB, sondern auch bei § 109 I Nr. 4 FamFG ist für das Eingreifen des ordre public eine Inlandsbeziehung erforderlich. Dies gilt nicht nur für den materiell-rechtlichen ordre public, der ohnehin enge Verwandtschaft zu dem international-privatrechtlichen aufweist, sondern auch für den verfahrensrechtlichen. Zwischen der Intensität der Binnenbeziehung und der für das Eingreifen des ordre public nötigen Erheblichkeit der Abweichung von deutschen Grundwerten besteht eine umgekehrte Proportionalität, so dass die Abweichung umso größer sein darf, je schwächer die Binnenbeziehung ist und umgekehrt (Staudinger-Henrich aaO Rz. 256 f.). Der Inlandsbezug des Verfahrens ist ausschließlich über die (auch) deutsche Staatsangehörigkeit der weiteren Bet. zu 1) vermittelt und daher nur schwach ausgebildet. Die Annehmenden besitzen die kanadische Staatsangehörigkeit, der Anzunehmende erwarb mit der Geburt die chinesische Staatsangehörigkeit, er wohnt gemeinsam mit den Bet. seit ... 2012 in Kanada. Die kanadischen Gerichte haben die Adoptionsentscheidung des Bezirksgerichts ... Republik China (Taiwan) vom ... 2011 bereits anerkannt. Die Bet. erstreben darüber hinaus eine Anerkennung in Deutschland, weil die Bet. zu 1) auch deutsche Staatsangehörigkeit ist. Eine über diesen Aspekt hinausgehende Verbindung zum Inland besteht jedoch nicht.
[16]c. Weitere Aspekte, welche der Anerkennung der Entscheidung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich ...
[17]4. Der Senat hat – ebenso wie das AG –- von einer persönlichen Anhörung des Kindes nach § 5 III 2 AdWirkG i.V.m. § 159 FamFG abgesehen, weil die Anerkennung der taiwanesischen Entscheidung lediglich von rechtlichen Erwägungen hins. der Verfahrensgestaltung abhing, die durch einen persönlichen Eindruck des zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Adoption ... Jahre alten Kinds nicht hätten beeinflusst werden können (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. vom 27.10.2015 – 7 UF 718/15 (IPRspr 2015-124), zit. n. juris Rz. 48; OLG Celle, FamRZ 2012,1226 (IPRspr. 2011 Nr. 128), zit. n. juris Rz. 21, OLG Frankfurt, ZKJ, 2009, 376 (IPRspr 2009-107), zit. n. juris).