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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 06.05.2009 – 20 W 472/08, IPRspr 2009-107

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Adoption

Leitsatz

Eine nach Durchführung einer hinduistischen Zeremonie durch ein Gericht auf Bali/Indonesien ausgesprochene Adoption, bei welcher der Auslandsbezug nicht berücksichtigt und das Kindeswohl keiner eigenen gerichtlichen Überprüfung unterzogen wurde, kann in Deutschland nicht anerkannt werden.

Rechtsnormen

23/2002 KinderschutzG (Indonesien) Art. 39
AdWirkG § 1; AdWirkG § 2; AdWirkG § 5
FGG § 16a; FGG § 27; FGG § 29; FGG § 50a; FGG § 50b
ZPO § 546

Sachverhalt

Die seit 2003 miteinander verheirateten ASt. sind beide deutsche Staatsangehörige und haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Die ASt. ist gebürtige Indonesierin. Das eingangs genannte Kind ist Tochter des Bruders der ASt. Nach Vollzug einer hinduistischen Zeremonie vor einem Religionsführer im Heimatdorf des Kindes auf Bali/Indonesien am 30.8.2006 schlossen die ASt. mit notarieller Urkunde vom 2.9.2006 mit den leiblichen Eltern des Kindes einen Adoptionsvertrag. Sodann sprach auf ihren Antrag die Richterin des Amtsgerichts N./Indonesien mit Beschluss vom 4.9.2006 nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke sowie Vernehmung von drei Zeugen die Adoption des eingangs genannten Kinds durch die beiden ASt. aus Das Kind reiste im September 2006 mit einem Touristenvisum gemeinsam mit den ASt. nach Deutschland und lebt seitdem in deren Haushalt. An dem Verfahren war eine Adoptionsvermittlungsstelle nicht beteiligt; ein Elterneignungsbericht über die ASt. wurde nicht erstellt.

Das AG wies mit Beschluss vom 29.4.2008 den Antrag der ASt. auf Anerkennungs- und Wirkungsfeststellung des ausländischen Adoptionsbeschlusses zurück. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der ASt. wurde durch das LG mit Beschluss vom 31.10.2008 zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die ASt. mit der sofortigen Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 5 IV 2 AdWirkG, 29 II FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie wurde insbes. form- und fristgerecht eingelegt.

[2]In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, §§ 27 I FGG, 546 ZPO.

[3]Nach § 2 I AdWirkG stellt das VormG auf Antrag fest, ob eine im Ausland erfolgte Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG anzuerkennen oder wirksam ist.

[4]Da Indonesien kein Vertragsstaat des AdoptÜ ist, richtet sich die Anerkennung des indonesischen Adoptionsbeschlusses in materieller Hinsicht allein nach § 16a FGG. Hiernach ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht Versagungsgründe nach dieser Vorschrift vorliegen. Nach § 16a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbes. wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

[5]Allerdings setzt eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung im Rahmen einer Adoption nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 14/6011 S. 29; Steiger, Das neue Recht der internationalen Adoption und Adoptionsvermittlung, 2002, Rz. 334) voraus, dass eine umfassende fachliche Begutachtung der gesamten Lebensverhältnisse der Bewerber, die in der Regel nur durch eine Fachbehörde am Lebensmittelpunkt der Bewerber sachgerecht erfolgen kann, vorausgegangen ist. Fehlt es – wie im vorliegenden Fall – an einer solchen Begutachtung, so stellt dies für sich genommen noch keinen zwingenden Versagungsgrund dar, begründet jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public (vgl. Schlauss, FamRZ 2007, 1699 f.m.w.N.).

[6]Wurde im Rahmen des ausländischen Adoptionsverfahrens eine Überprüfung des Kindeswohls vorgenommen, die jedoch gemessen an den deutschen Wertvorstellungen Defizite aufweist, so wird zwar die Auffassung vertreten, dass eine solche unzureichende Kindeswohlprüfung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden kann, wobei dann nicht auf den Zeitpunkt der ausländischen Adoptionsentscheidung, sondern auf denjenigen der Anerkennungsentscheidung abzustellen sein soll (vgl. BayObLG, StAZ 2000, 300 (IPRspr. 2000 Nr. 190); Keidel-Kuntze-Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 16a Rz. 8; Schlauss aaO 1701 m.w.N.). Ist jedoch im ausländischen Adoptionsverfahren eine Kindeswohlprüfung überhaupt nicht erfolgt – etwa weil sie nach der dortigen Rechtsordnung nicht vorgesehen ist – oder wurde die an sich auch nach ausländischem Recht gebotene Prüfung des Kindeswohls umgangen, so stellt dies einen so schwerwiegenden Widerspruch zu den Grundsätzen des deutschen Rechts dar, dass eine Anerkennung nicht in Betracht kommt (vgl. KG, FamRZ 2006, 1405 (IPRspr 2006-227); OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 1078 (IPRspr 2008-211); BT-Drucks. 14/6011 S. 29). Denn es ist nicht die Aufgabe des Anerkennungsverfahrens, erstmals eine vollständige und umfassende Prüfung der Adoptionseignung der Adoptiveltern und des Kindeswohls durchzuführen.

[7]Das indonesische Recht sieht allerdings durch das Gesetz Nr. 23 über den Kinderschutz vom 22.10.2002 in Art. 39 vor, dass eine Adoption nur im Interesse des Kindes und auf Basis des örtlichen Gewohnheitsrechts und der gültigen Gesetzesregelungen durchgeführt werden kann; des Weiteren ist dort ausdrücklich vorgeschrieben, dass eine Adoption durch Ausländer nur als letzter Schritt möglich ist. Gleichwohl lässt der zur Anerkennung vorgelegte Gerichtsbeschluss vom 4.9.2006 nach seinem Inhalt erkennen, dass eine eigenständige richterliche Überprüfung des Kindeswohls nicht erfolgt ist.

[8]Abgesehen davon, dass dieser gerichtliche Beschluss lediglich fünf Tage nach Vollzug der religiösen Zeremonie und zwei Tage nach Protokollierung des notariellen Vertrags erfolgte, beruht die Adoption ausweislich des Beschlussinhalts lediglich darauf, dass das Gericht anhand der Schriftstücke und Beweisunterlagen sowie der drei angehörten Zeugen überprüft hat, dass die ASt. miteinander verheiratet sind, Kinderlosigkeit und ein Kinderwunsch gegeben sind, eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen den leiblichen Eltern und der ASt. besteht und die religiöse Zeremonie bereits vollzogen worden ist. Hieran anknüpfend wird die Adoption ausgesprochen, wobei angegeben wird, dass dies zur Rechtssicherheit im Interesse der Zukunft des Kinds basierend auf den vorgenannten Fakten benötigt wird. Als Rechtsgrundlage gibt der Beschluss lediglich das balinesische Sittenrecht sowie das Rundschreiben Nr. 6 des Appellationsgerichts der Republik Indonesien aus dem Jahr 1983 sowie andere sich auf diesen Antrag beziehende Verordnungen der Gesetze an, nicht jedoch das vorgenannte Gesetz Nr. 23 über den Kinderschutz vom 22.10.2002, in welchem zusätzlich das Erfordernis der Adoption nur im Interesse des Kindes begründet wurde. Damit fehlt es an einer eigenen gerichtlichen Feststellung und Überprüfung der zentralen Adoptionsvoraussetzung des Kindeswohls.

[9]Dem können die ASt. auch nicht mit dem Hinweis entgegentreten, dass die Gerichtsentscheidung auf den vorangegangenen Überlegungen und Prüfungen der Dorfgemeinschaft sowie der Familien und deren Mitwirkung an der religiösen Zeremonie aufbaue. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach den traditionellen Vorstellungen des indonesischen Sittengesetzes die Adoption primär dem Familieninteresse dient, insbes. der Vermeidung von Kinderlosigkeit und hierdurch bedingter Gefahr des Erlöschens der Familie (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe­ und Kindschaftsrecht, Indonesien [Stand 1976] 71). Somit kommt es nach den Sittengesetzen für eine Adoption entscheidend nicht auf das Kindeswohl, sondern das Interesse der Familie an. Zwar mögen im vorliegenden Fall der religiöse Führer sowie der Dorfbürgermeister die konkreten Lebensumstände des Kinds gekannt und dessen Adoption durch die Tante sowie deren Ehemann als für das Kind dienlich angesehen haben. Dies vermag jedoch eine eigenverantwortliche gerichtliche Überprüfung und Entscheidung hinsichtlich des Kindeswohls, die im vorliegenden Fall nicht ersichtlich ist, nicht zu ersetzen.

[10]Des Weiteren hat das LG in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass das balinesische Gericht keinerlei Feststellungen zu der auch nach dem vorgenannten Gesetz erforderlichen Adoptionsvoraussetzung getroffen hat, dass eine Adoption durch Ausländer nur als letzter Schritt möglich sein soll, was nähere diesbezügliche Überprüfungen erfordert hätte. Stattdessen wird in der Gerichtsentscheidung für beide ASt. die Staatsangehörigkeit nicht angegeben und nicht deren deutscher Wohnsitz, sondern als Wohnanschrift ‚O1’, also der vorübergehende Aufenthaltsort während des Verwandtenbesuchs, genannt. Zusätzlich wird in dem Beschluss ausdrücklich angegeben, dass die ASt. das Kind nach der vollzogenen Zeremonie zu sich genommen hätten, damit es mit ihnen in ihrem Haus unter der dortigen Anschrift auf Bali lebe. Zwar kann insoweit nicht von einer Täuschung des balinesischen Gerichts seitens der ASt. ausgegangen werden, zumal in der in dem Gerichtsbeschluss in Bezug genommenen notariellen Urkunde deren zutreffender gemeinsamer Wohnsitz in Deutschland angegeben wird. Jedoch deutet die Abfassung des Adoptionsbeschlusses darauf hin, dass durch das Gericht der Auslandsbezug der Adoption und die hieraus folgenden besonderen formellen und materiellen Voraussetzungen in Bezug auf das Kindeswohl bewusst ausgeblendet wurden. Das LG ist somit ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die in Bali durch Gerichtsbeschluss vollzogene Adoption mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist und deshalb ein Versagungsgrund im Sinne des § 16a Nr. 4 FGG gegeben ist.

[11]Da der Versagungsgrund auf gravierenden Verfahrensmängeln des indonesischen gerichtlichen Adoptionsverfahrens beruht, die auch durch die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind und den beiden ASt. nicht hätten ausgeräumt werden können, war nach § 5 III 2 AdWirkG i.V.m. § 50a I 2 und 50b I FGG eine persönliche Anhörung des Kinds und der beiden ASt. durch das LG nicht zwingend geboten.

[12]Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2009, 1605
FGPrax, 2009, 212
JAmt, 2009, 443
Rpfleger, 2009, 565
StAZ, 2009, 336
ZKJ, 2009, 376

nur Leitsatz

FuR, 2009, 587

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2009-107

Lizenz

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