Einer ausländischen (hier: türkischen) Adoptionsentscheidung ist nach § 16a FGG die Anerkennung zu versagen, wenn diese zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verletzung des Kindeswohls von einigem Gewicht vorliegt, insbesondere wenn im ausländischen Adoptionsverfahren die vorgeschriebene Kindeswohlprüfung von den Beteiligten umgangen wurde.
Die ASt. begehrt die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung nach dem AdWirkG. Sie hat die türkische Staatsangehörigkeit und eine Aufenthaltsberechtigung für die Bundesrepublik Deutschland, wo sie seit vielen Jahren in W. lebt.
Nach dem von ihr erwirkten rechtskräftigen Urteil des Landgerichts T./Türkei wird zwischen der ASt. und E., dem Sohn ihrer Schwester, ein Adoptionsverhältnis hergestellt.
Eine Adoptionsvermittlungsstelle war an dem Verfahren nicht beteiligt. Ein Elterneignungsbericht über die Annehmende wurde nicht gefertigt.
Das AG hat den Antrag auf Anerkennung der Adoption zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der ASt. Gegen die Zurückweisung der Erstbeschwerde durch das LG wendet sich die ASt. mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, jedoch ohne Erfolg.
[1]II. Die sofortige weitere Beschwerde der ASt. ist statthaft, §§ 5 IV 2 AdWirkG, 29 II FGG. In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg, weil die Entscheidung des LG rechtlich nicht zu beanstanden ist (§ 27 I FGG).
[2]Nach § 2 II AdWirkG ist auf Antrag durch das Vormundschaftsgericht festzustellen, ob eine ausländische Adoptionsentscheidung anzuerkennen ist. Zu Recht hat das LG darauf abgestellt, dass die Anerkennung nach § 16a FGG zu erfolgen hat, sofern kein Versagungsgrund besteht, da die Anerkennungsregel des Art. 23 AdoptÜ auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Denn die Türkei hat das Übereinkommen erst am 27.5.2004 ratifiziert. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland ist es erst seit dem 1.9.2004 in Kraft. Das türkische Adoptionsurteil erging hingegen bereits am 3.11.2003.
[3]Zutreffend geht das LG danach davon aus, dass die Anerkennung des türkischen Adoptionsurteils nach § 16a Nr. 4 FGG ausscheidet, weil die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn eine Verletzung des Kindeswohls von einigem Gewicht vorliegt (vgl. KG, FamRZ 2006, 1405 (IPRspr 2006-227)), insbesondere wenn im ausländischen Adoptionsverfahren die vorgeschriebene Kindeswohlprüfung von den Beteiligten umgangen wurde (vgl. KG aaO). Dann verstößt die Entscheidung gegen den materiell-rechtlichen ordre public.
[4]So liegt der Fall hier.
[5]Zwar wurde ausweislich des vorliegenden Protokolls und des Urteils vom 3.11. 2003 eine Kindeswohlprüfung vorgenommen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das erkennende Gericht das Kindeswohl berücksichtigt hat (vgl. BayObLGZ 2000, 180 (IPRspr. 2000 Nr. 190)). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich aus der Entscheidung gegenteilige Anhaltspunkte ergeben (vgl. BayObLGZ aaO). Zu Recht kommt das LG zu dem Ergebnis, dass das türkische Gericht das Kindeswohl unzulänglich geprüft hat, weil wesentliche Gesichtspunkte nicht in die Entscheidung miteinbezogen wurden. Art. 316 türk. ZGB verlangt die Prüfung, ob die Adoptiveltern geeignet sind und die Adoption dem Kindeswohl entspricht. Nicht berücksichtigt wurde dabei insbesondere die Subsidiarität der Auslandsadoption und die Verhältnisse der ASt. in Deutschland. Der diesbezüglich festzustellende Vortrag der Verfahrensbeteiligten war objektiv unwahr. So lebte der zu Adoptierende nicht bei der ASt., die ausweislich des Protokolls – insoweit ebenfalls falsch – ihren Wohnsitz mit T./Türkei angegeben hat. Auch ergibt sich weder aus dem Protokoll noch aus dem Urteil, dass das Kind in ein anderes Umfeld nach Deutschland verbracht werden sollte.
[6]Danach wurde in eklatanter Weise die Kindeswohlprüfung verkürzt, sodass ein Verstoß gegen den ordre public durch das LG ohne Rechtsfehler festgestellt wurde.
[7]Dies gilt unabhängig davon, ob die falschen Sachverhaltsangaben von der ASt. stammen oder aber das Gericht selbst für die falsche Sachverhaltsdarstellung verantwortlich ist. Denn auch dann wurde die Entscheidung nicht am Kindeswohl orientiert (vgl. insoweit VG Berlin, Urt. vom 17.5.2006 – 4 V 53.04, juris Rz. 27).
[8]Es führt auch nicht zur Begründetheit der weiteren Beschwerde, dass für die Beurteilung des Ordre-public-Verstoßes auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Anerkennung abzustellen ist (BGH, FamRZ 1989, 378 (IPRspr. 1988 Nr. 115); BayObLGZ 1987, 439 (IPRspr. 1987 Nr. 168); BayObLGZ 2000, 180 (IPRspr. 2000 Nr. 190)), also zugunsten der ASt. auch solche das Kindeswohl betreffende Tatsachen zu berücksichtigen sind, die sich zeitlich nach der ausländischen Entscheidung ergeben haben. Dies bedeutet nämlich nicht, dass eine nicht erfolgte oder aber völlig unzureichende Abwägung der Belange des Kindes durch eine neue, von dem mit der Anerkennung betrauten Gericht vorzunehmende Abwägung ersetzt werden könnte. Zum einen werden dadurch nicht nachträglich entstandene Abwägungsbelange berücksichtigt. Zum anderen entspricht die erstmalige Durchführung einer vollständigen Kindeswohlprüfung nicht Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens, das eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Entscheidungen ermöglichen soll (vgl. BT-Drucks. 14/6011 S. 32). Maßgebend ist allein, ob diese Entscheidung zur Zeit der Anerkennung mit den unverzichtbaren verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen deutschen Rechts vereinbar ist (vgl. LG Dresden, JAmt 2006, 360 (IPRspr 2006-221)). Insbesondere gibt deshalb das Anerkennungsverfahren keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung berufene Gericht eine am ordre public orientierte eigene Adoptionsprüfung an die Stelle der ordre-public-widrigen ausländischen Entscheidung setzt (vgl. auch Weitzel, JAmt 2006, 333, 334; VG Berlin aaO Rz. 27, AG Hamm, JAmt 2006, 361 f. (IPRspr 2006-222)).
[9]Soweit in der weiteren Beschwerde neues Vorbringen zur Frage der Auslandsadoption enthalten ist, insbesondere, dass nahezu die gesamte Familie des Kindes in Deutschland lebt, kann dies vom Senat nicht berücksichtigt werden, weil dem LG die entsprechenden Tatsachen nicht bekannt waren. Der Senat ist auf die reine Rechtsüberprüfung beschränkt, § 27 FGG.