Die Entscheidung eines sambischen Gerichts über die Adoption eines einheimischen Kindes von deutschen Verwandten der verstorbenen Eltern ist in Deutschland nicht gemäß § 16a FGG anzuerkennen. Denn eine ohne Prüfung der Eignung der Adoptiveltern erfolgte Adoption verstößt gegen den deutschen ordre pulic. Eine Eignungsprüfung kann in Deutschland auch nicht nachgeholt werden.
Das Mädchen A wurde in Sambia als einziges Kind seiner Eltern geboren. Seine Eltern sind 1993 verstorben, das Kind wuchs bei einer Verwandten auf, die auch eine vormundschaftsartige Stellung hat. Dort lebt es noch heute und besucht die Schule.
Die ASt. ist nach eigenen Angaben die Cousine des leiblichen Vaters des Kindes. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet und hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie lebt seit vielen Jahren in Deutschland, hat zu Lebzeiten des Kindes jedenfalls nie in Sambia gelebt. 2002 habe sie sich zur Adoption entschlossen und die Adoption bei dem sambischen Gericht beantragt, das Verfahren habe sich zwei Jahre lang hingezogen. 2004 sei das Kind noch einmal für vier Wochen bei ihr in Deutschland gewesen.
Das sambische Gericht hat die Adoption ausgesprochen. Sowohl das Kind als auch die Vormünderin haben in die Adoption eingewilligt. Ein „guardian ad litem“ (juvenile inspector), der dem Kind offenbar als Interessenvertreter zur Seite stand, bejahte die Wahrung des Kindeswohls.
Die ASt. beantragt die Anerkennung der Auslandsadoption.
[1]VI. Das Adoptionsurteil des Gerichts in Sambia ist nicht anerkennungsfähig.
[2]1. Die Republik Sambia ist dem Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (BGBl. II 1035) nicht beigetreten.
[3]Die Anerkennungsfähigkeit der sambischen Entscheidung richtet sich daher nach § 16a FGG. Nach dieser Vorschrift ist eine ausländische Entscheidung anzuerkennen, wenn nicht einer der in dieser Vorschrift genannten Ausschlussgründe vorliegt.
[4]Insbesondere ist nach § 16a IV FGG die Anerkennung dann ausgeschlossen, wenn die Anerkennung dieser Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist.
[5]2. Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Adoptionsrechts gehört die Prüfung, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht. Hierzu gehört nicht nur die Prüfung der aktuellen Lebensumstände des zu adoptierenden Kindes, sondern auch die Prüfung der Eignung der Adoptionsbewerber als Adoptiveltern, also eine Überprüfung der Bewerber hinsichtlich ihrer rechtlichen Befähigung und ihrer Eignung zur Übernahme der mit einer internationalen Adoption verbundenen Verantwortung sowie als weitere Kriterien die persönlichen und familiären Umstände der Bewerber, ihren Gesundheitsstatus, ihr soziales Umfeld und ihre Beweggründe für die Bewerbung. Die Prüfung muss die Lebensumstände der Bewerber daher nahezu vollständig umfassen. Eine brauchbare Eignungsprüfung in diesem Sinne kann daher sinnvollerweise nicht im Lande des Adoptionsausspruchs erfolgen, sondern nur in dem Land, in dem die Bewerber leben, und zwar durch die dort zuständigen Fachdienststellen. Diese Eignungsüberprüfung ist sozusagen das Herzstück des Adoptionsverfahrens, durch welches sichergestellt wird, dass die Adoption nur für solche Eltern in Betracht kommt, die aller Voraussicht nach in der Lage sind, einem Kind eine tragfähige Zukunftsperspektive zu bieten.
[6]Das gesamte weitere Lebensschicksal des Kindes hängt von dieser Frage ab. Es kann diesem Punkt daher nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet werden.
[7]Daher werden beabsichtigte Auslandsadoptionen von in Deutschland lebenden adoptionswilligen Personen auch durchweg unter Einschaltung von Adoptionsvermittlungsstellen durchgeführt, wobei für die Erstellung eines Eignungsberichts durch die örtlichen Jugendämter – worauf ein Anspruch nach § 7 III AdVermiG besteht – und deren Übermittlung an die ausländischen Adoptionsgerichte Sorge getragen wird.
[8]Dies alles gilt im Übrigen auch für Verwandtenadoptionen, da auch hier ein neues Eltern-Kind-Verhältnis hergestellt werden soll. Ausnahmen von dieser Betrachtungsweise kommen allenfalls bei Stiefkindadoptionen oder dann in Betracht, wenn die Verwandten mit dem Kind bereits längere Zeit zusammengelebt haben und ein Eltern-Kind-Verhältnis daher schon entstanden ist. Dies ist hier aber nicht der Fall.
[9]3. Eine solche Eignungsprüfung hat vor der Adoptionsentscheidung des sambischen Gerichts nicht stattgefunden. Es sind im Wesentlichen lediglich Feststellungen zu Größe und Ausstattung der Wohnung und zum Einkommen der ASt. gemacht worden, die der sambische juvenile inspector offensichtlich von der ASt. erfragt hat.
[10]Im Rahmen der Kindeswohlprüfung hat der juvenile inspector nicht diskutiert, dass das zum Entscheidungszeitpunk immerhin knapp 12 Jahre alte Kind mit der Adoption aus Afrika herausgenommen und in einen völlig fremden Kulturkreis verbracht werden würde.
[11]4. Hat eine derartige fachlich fundierte Prüfung nicht stattgefunden, so begründet dies Zweifel an der Vereinbarkeit der ausländischen Adoptionsentscheidung mit dem deutschen ordre public, die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens der Aufklärung bedürfen. Die im Herkunftsland vollzogene Adoption kann in einem solchen Fall nur anerkannt werden, wenn sie nach eingehender Prüfung im Ergebnis nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Adoptionsrechts verstößt (vgl. dazu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der Internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts, BT-Drucks. 14/6011 S. 28/29).
[12]a. In dieser Stellungnahme des Gesetzgebers, die u.a. zum Erlass des AdWirkG führte, wird deutlich, dass er sich den Grundsatz zu eigen gemacht hat, dass unkontrollierte Privatadoptionen ohne fachliche Begutachtung der Bewerber durch eine zuständige Stelle im Aufnahmestaat ausscheiden. Ein Bewerber soll gerade nicht die Möglichkeit bekommen, im Ausland eine Privatadoption durchzuführen, sich dabei der Eignungsprüfung durch eine inländische Fachstelle [zu entziehen] und diese Adoption dann in Deutschland anerkennen [zu lassen]. Das wäre im Übrigen auch eine grob unbillige Benachteiligung von Bewerbern, die das ordnungsgemäße internationale Vermittlungsverfahren mit dem damit verbundenen persönlichen Aufwand durchlaufen.
[13]b. Auf eine solche Eignungsprüfung kann auch nicht in solchen Fällen verzichtet werden, in denen das ausländische Recht eine solche Eignungsprüfung gesetzlich nicht vorschreibt. Nach dem genannten Recht Sambias reicht es offensichtlich aus, wenn ein sambischer Konsularbeamter oder eine vertrauenswürdige dritte Person – hier offenbar in Person des juvenile inspector – eine Stellungnahme abgibt, in der er sich auf Äußerlichkeiten wie Wohnung und Einkommen beschränkt. Nach sambischen Vorstellungen mag dies eventuell sogar genügen, um einer in dieser Form überprüften Person ein Kind anzuvertrauen, da das Kind im Vergleich zu seiner bisherigen Situation in wirtschaftlicher Hinsicht und in Hinsicht auf seine Zukunftschancen besser dazustehen scheint, zumal es sich im vorliegenden Fall um eine Verwandtenadoption handelt. Wegen des zukünftigen Aufenthalts des Kindes in Deutschland ist allerdings nicht auf die sambischen, sondern auf die deutschen Vorstellungen über Fragen des Kindeswohls abzustellen (vgl. Keidel-Kuntze-Winkler, FGG, 15. Aufl., § 16a Rz. 8).
[14]c. Die fehlende Eignungsprüfung kann auch nicht nachgeholt werden, etwa indem in Deutschland das örtliche Jugendamt eingeschaltet und eine gutachtliche Stellungnahme zu dieser Frage eingeholt würde, womit die ausländische Entscheidung sozusagen ‚anerkennungsfähig’ gemacht würde.
[15]Eine solche Nachholung ist vom Gesetzgeber sicher nicht gewollt gewesen sein, da der Gesetzgeber mit dem Anerkennungsverfahren eine vereinfachte Möglichkeit schaffen wollte, ausländischen Entscheidungen in Deutschland zu rechtlicher Wirkung zu verhelfen (vgl. die o. zit. Regierungsbegründung, BT-Drucks. 14/6011 S. 32: ‚Eine umfassende Nachprüfung der ausländischen Adoption unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls vorzusehen, würde das Verfahren in die Nähe der Wiederholungsadoption rücken’). Gerade deshalb hat der Gesetzgeber die Beteiligung des Jugendamts an dem eher förmlichen Verfahren nach dem AdWirkG nicht vorgesehen.
[16]5. § 16a IV FGG ist daher so auszulegen, dass eine Auslandsadoption mit der Zielrichtung zu beurteilen ist, ob die Anerkennung der Adoption ‚im Ergebnis’ – also in ihrer praktischen Erscheinungsform in Deutschland – gegen den deutschen ordre public verstößt oder nicht (vgl. BGHZ 118, 312, 331 (IPRspr. 1992 Nr. 218b) zu § 328 ZPO).
[17]a. Das Erscheinungsbild der Auslandsadoption würde daher so aussehen, dass A nach Deutschland kommen und hier bei der ASt. leben müsste, ohne dass auch nur in Ansätzen eine Eignungsprüfung der ASt. stattgefunden hätte: eine Situation, die in Deutschland nie entstehen könnte, da eine Adoption ohne diese mit fundamentaler Bedeutung ausgestattete Eignungsprüfung undenkbar ist, damit also eine Situation, die mit grundlegenden Vorstellungen des deutschen Rechts nicht in Einklang zu bringen ist und somit gegen den ordre public verstößt.
[18]b. Hinzu kommt, dass das Kind in Sambia geboren und aufgewachsen, der afrikanischen Kultur also verhaftet ist. Es ist dort zur Schule gegangen und lebt bis heute in einem intakten Familienverbund, zwar bei einer Verwandten, aber in geregeltem Umfeld. Mittlerweile ist A13, bald 14 Jahre alt. Ferner ist davon auszugehen, dass das Kind die ASt. nur aus Besuchen oder Telefonaten kennt. Die ASt. lebte schon vor der Geburt des Kindes in Deutschland. Das Kind würde aus seinem afrikanischen Kulturkreis herausgelöst und in eine für ihn völlig fremde Welt geraten. Es würde zwar bei der ASt. leben, die ihr aber – anders als die Verwandten in Sambia – im Grunde doch fremd ist. Die Herstellung eines Mutter-Kind-Verhältnisses ist nicht ohne weiteres zu erwarten. Das Kind spricht kein Wort Deutsch. Es handelt sich mithin um einen einschneidenden Eingriff in das Leben des Kindes und kann nicht zu seinem Wohle sein.
[19]Auch die Erwägungen der ASt., dass das Kind in Deutschland weiter die Schule besuchen und danach eventuell eine Ausbildung machen könne, ändern am Ergebnis nichts. Diese Erwägungen können kein Kindeswohl begründen. Denn eine solche Motivation der Adoption läuft offensichtlich darauf hinaus, dem Kind eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland zu verschaffen, was dem ordre public zuwiderläuft.
[20]6. Die Anerkennung der sambischen Entscheidung würde daher zu einem Ergebnis führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
[21]Die Adoption kann daher nicht anerkannt werden.