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Verfahrensgang

AG Frankfurt/Main, Zwischenverf. vom 11.06.2014 – 72 AR 692/14
OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 08.08.2017 – 20 W 229/14, IPRspr 2017-32
BGH, Vorlagebeschl. vom 14.05.2019 – II ZB 25/17, IPRspr 2019-19
BGH, Beschl. vom 16.02.2021 – II ZB 25/17, IPRspr 2021-117
BGH, Beschl. vom 15.06.2021 – II ZB 25/17, IPRspr 2021-306

Rechtsgebiete

Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Bei der Anmeldung der Zweigniederlassung einer unter Geltung des Companies Act 2006 gegründeten englischen Private Company Limited by Shares, die keine von den Model Articles nach englischem Recht abweichende Articles of Association beschlossen hat, für die also von Gesetzes wegen die Model Articles gelten, kann das Registergericht nicht die Vorlage des englischen Textes dieser Model Articles der Gesellschaft verlangen und auch keine entsprechende Übersetzung, wohl aber eine beglaubigte Abschrift nebst Übersetzung in die deutsche Sprache des Memorandum of Association.

In der Anmeldung der betreffenden Zweigniederlassung ist das von den Gesellschaftern der Limited gezeichnete Kapital (issued shares capital) als im deutschen Handelsregister der Zweigniederlassung einzutragendes Stammkapital anzumelden. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

1. Publizitäts-RL 68/151/EWG Art. 2
CA 2006 (UK) s. 8; CA 2006 (UK) s. 17; CA 2006 (UK) s. 20; CA 2006 (UK) s. 542
GmbHG § 10; GmbHG § 13g
HGB §§ 13d ff.; HGB § 13g
Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 2; Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 4

Sachverhalt

[Die Rechtsbeschwerde schwebt beim BGH unter dem Az. II ZB 25/17.]


Ausweislich des eingereichten Certificate of Incorporation handelt es sich bei der Beschwf. um eine Privat Company Limited by Shares (nachfolgend: Ltd.) nach englischem Recht. Nach Eingang der Anmeldung der Zweigniederlassung, einer gemäß den Model Articles des Schedule 2 der Companies Model Articles 2008 errichteten Gesellschaft, am 12.3.2014 hat das Registergericht u.a. darauf hingewiesen, dass gemäß § 13g II HGB der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und übersetzter Form beigefügt werden müsse und gemäß § 13g III HGB i.V.m. § 10 I GmbHG die Angabe der Höhe des Stammkapitals, der Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags und der Signaturvermerk gemäß § 39a BeurkG erforderlich seien. Dagegen richtete sich die Beschwf. im Mai 2014. Mit Zwischenverfügung vom 11.6.2014 hat das Registergericht moniert. Im Juni 2014 hat die Beschwf. gegen diese Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt.

Das Registergericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29.7.2014 unter Verweis auf die Begründung seiner Zwischenverfügung nicht abgeholfen und diese nachfolgend dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. ... Die Beschwerde ist jedoch weit überwiegend unbegründet ...

[2]Letztlich ist einleitend darauf hinzuweisen, dass sämtliche vom Registergericht angeführten Beanstandungen ihre Grundlage in dem als lex fori auch auf die englische Ltd. anwendbaren deutschen Registerverfahrensrecht finden, wobei bzgl. der anwendbaren Vorschriften konkret auf die Bestimmungen zu der mit der englischen Ltd. vergleichbaren deutschen GmbH abzustellen ist. Insoweit kann sich die Beschwerde nicht darauf berufen, dass es sich vorliegend um die Eintragung einer Zweigniederlassung einer in Großbritannien ordnungsgemäß registrierten EU-Auslandsgesellschaft handele, deren firmenrechtliche Voraussetzungen bereits im Heimatstaat geprüft worden seien, so dass die Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung unter Verweis auf §§ 13d bis 13g ff. HGB gegen die Niederlassungsfreiheit und damit gegen Gemeinschaftsrecht verstoße (vgl. insges. u.a. BGH, Beschl. vom 7.5.2007 – II ZB 7/06 (IPRspr. 2007 Nr. 232) ...; OLG Hamm, Beschl. vom 4.1.2011 – 15 W 270/10 (IPRspr 2011-311), zit. n. juris, m.w.N.; MünchKommHGB-Krafka, 4. Aufl. [2016], § 13d Rz. 2; Heinz-Hartung, Die englische Limited, 3. Aufl. [2012], Kap. 11.3; Senat, Beschl. vom 3.2.2015 – 20 W 199/13 (IPRspr 2015-15), zit. n. juris m.w.N.) ...

[3]Nach dem für die Eintragung der Errichtung von Zweigniederlassungen von Ges. m.b.H. mit Sitz im Ausland – unter die, wie o.a., auch die Beschwf. als englische Ltd. zu fassen ist – geltenden § 13g II 1 HGB ist der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache beizufügen.

[4]Dies ist unstreitig vorliegend weder hins. des Memorandum of Association noch der Articles of Association der Beschwf. erfolgt. Vielmehr wurde insoweit lediglich mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwf. vom 9.5.2014 eine entspr. einfache Abschrift an das Registergericht zur Kenntnisnahme übersandt.

[5]In dieser dem Senat vorliegenden Abschrift (...) fehlen Teile des Textes der Model Articles for Private Companies Limited by Shares. [...] Dieser Umstand der nicht nochmaligen Übersendung eines vollständigen Textes der Model Articles hat keinen Einfluss auf die zur Entscheidung anstehende Frage, inwieweit die Forderung des Registergerichts zur Vorlage einer öffentlich beglaubigten Abschrift des Gesellschaftsvertrags nebst Übersetzung grundsätzlich berechtigt ist.

[6]Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass seit dem vollständigen Inkrafttreten des Companies Act (CA) 2006 am 1.10.2009 die ehemals aus zwei selbständigen Dokumenten bestehende Verfassung der Ltd. – nämlich zum einen das Memorandum of Association mit seinen Bestimmungen in Bezug auf das Außenverhältnis der Gesellschaft (z.B. Firmenname, Sitz, Gesellschaftszweck, Kapital etc.) und zum anderen die das Innenverhältnis der Gesellschaft regelnden Articles of Association – neu geregelt wurde. Danach besteht der Gesellschaftsvertrag einer Ltd. zwar nach wie vor aus dem Memorandum of Association und den nunmehr als Constitution bezeichneten Articles of Association (vgl. s. 17 CA 2006). Dabei beinhaltet das Memorandum of Association jedoch nur noch die Angaben, dass die Unterzeichner eine Gesellschaft gründen, bei dieser Gesellschaft selbst Gesellschafter werden und wenigstens einen Anteil übernehmen wollen (vgl. s. 8 CA 2006). Das Memorandum of Association erfüllt somit nunmehr in erster Linie die Funktion einer Gründungsurkunde. Demgegenüber bilden die Articles of Association – wie auch schon das englische Wort constitution impliziert – den eigentlichen Satzungsinhalt [vgl. insges. Just, Die englische Limited in der Praxis, 4. Aufl. [2012], Rz. 59, 76 f.; Heinz-Hartung aaO Kap. 5 Rz. 1, Kap. 5.1 Rz. 2 f., Kap. 5.2 Rz. 5; Fleischhauer-Preuß-Solveen, Handelsregisterrecht, 3. Aufl. [2014], II. Erl. zu 5. (16)].

[7]Für die Anmeldung der Zweigniederlassung gilt, dass dieser grunds. sowohl das Memorandum of Association als auch die Articles of Association beizufügen sind (vgl. Just aaO Rz. 59; Fleischhauer-Preuß-Solveen aaO; Heinz-Hartung aaO Kap. 11.3 Rz. 69; im Ergebnis auch Röhricht-Graf von Westphalen-Haas-Ries, HGB, 4. Aufl. [2014], § 13g Rz. 6, wenn er darauf hinweist, dass bei der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag vorzulegen ist, wobei bei der englischen Ltd. das Memorandum of Association genügen soll, falls Model Articles verwendet werden). Dies entspricht schon der gesetzlichen Regelung in § 13g II GmbHG, die auf den ‚Gesellschaftsvertrag’ Bezug nimmt, mithin auf das im Fall der hier vorliegenden Einpersonengründung der Beschwf. erforderliche einseitige Errichtungsgeschäft nebst körperschaftlicher Satzung (vgl. allg. ... Baumbach-Hueck-Fastrich, GmbHG, 21. Aufl. [2017], § 2 Rz. 3 ff.).

[8]Allerdings gelten für eine Ltd. dann, wenn sie bei Gründung nur das Memorandum of Association einreicht, die jeweiligen für den betreffenden Gesellschaftstyp normierten Model Articles, was sich aus s. 20 CA 2006 und der dort gesetzlich angeordneten subsidiären Gültigkeit der entspr. Model Articles ergibt (vgl. hierzu u.a. auch Heinz-Hartung aaO Kap. 5.2 Rz. 5; auch Erbe, Die Limited und Limited & Co. KG, 2008, 5.1.1.1 zu CA 2006 und 5.1.1.2 zu CA 1985 durch automatische Übernahme von Table A ...; auch OLG Zweibrücken, Beschl. vom 28.2.2008 – 3 W 36/08 (IPRspr 2008-219), zit. n. juris, ebenfalls noch zu CA 1985). [...] Bei einer nachfolgenden elektronischen Einsichtnahme im Companies House erscheint dann für den Fall der Wahl von Model Articles lediglich der entspr. Hinweis ‚Model Articles adopted’, nicht jedoch der entspr. englische Gesetzestext der ausgewählten Model Articles ...

[9]Hier hat die Beschwf. in der verfahrensgegenständlichen Anmeldung darauf hingewiesen, dass sie unter Nutzung der ‚Model Articles nach Maßgabe von Schedule 2 der Companies Model Articles 2008’ errichtet worden ist. [...] Maßgeblich für das Beschwerdeverfahren ist alleine, dass die Beschwf. – worauf auch die Beschwerde durchgängig hinweist – unter Annahme von Model Articles und ohne eine von diesen abweichende Satzung gegründet worden ist ...

[10]Soweit insoweit die entspr. für die Beschwf. geltenden Model Articles betroffen sind, kann nach Ansicht des Senats eine öffentlich beglaubigte Abschrift nebst Übersetzung nicht verlangt werden, die Beschwerde ist also insoweit erfolgreich.

[11]Bei den Model Articles handelt es sich um kodifiziertes englisches Recht, das aufgrund entspr. Auswahl automatisch für die Beschwf. gilt, ohne dass der Text dieses englischen Rechts gesondert für die Beschwf. im Companies House in Form einer dort archivierten Satzung hinterlegt ist. Die Vorlage maßgeblicher ausländischer Rechtsvorschriften – also auch von Model Articles – kann jedoch nicht verlangt werden (so auch Lutter-Hommelhoff-Baier, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. [2016], § 4a Rz. 32; Kienle in Münchener Hb. des Gesellschaftsrechts, 2013, Bd. 6, Rz. 19; Süß, DNotZ, 2005, 180 ff., 187 f.; wohl auch MünchKommHGB-Krafka aaO § 13g Rz. 5; ... Fleischhauer-Preuß-Solveen aaO; Oetker-Preuß, HGB, 4. Aufl. [2015], § 13g Rz. 9; Krafka-Kühn, Registerrecht, 10. Aufl. [2017], Rz. 322b; OLG Zweibrücken aaO; wohl auch OLG Hamm, Beschl. vom 4.1.2011 aaO). Diese vom Senat vertretene Auffassung berücksichtigt auch die Elfte Richtlinie 89/666/EWG – dort Abschn. I Art. 2 II lit. b – wonach der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung vorschreiben kann, dass der Errichtungsakt und, sofern diese Gegenstand eines gesonderten Akts gemäß Art. 2 I litt. a, b und c der Ersten Richtlinie 68/151/EWG ist, die Satzung sowie Änderungen dieser Unterlagen offenzulegen hat. Nach Art. 2 I lit. a der Ersten Richtlinie 68/151/EWG erstreckt sich die Pflicht zur Offenlegung der Gesellschaften für Urkunden und Angaben auf den Errichtungsakt, auf die Satzung jedoch nur dann, falls diese Gegenstand eines gesonderten Akts ist. An einem solchen gesonderten Akt fehlt es vorliegend jedoch, da die Beschwf., wie gesagt, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, keine besonderen Articles of Association zu beschließen, sondern für diese vielmehr die gesetzlich normierten Model Articles gelten.

[12]Anderes gilt jedoch für die Gründungsurkunde der Beschwf. – also das Memorandum of Association – als Teil ihres Gesellschaftsvertrags, dessen Vorlage das Registergericht in öffentlich beglaubigter Abschrift nebst Übersetzung erbeten hat.

[13]Dieses Memorandum of Association ist in öffentlich beglaubigter Abschrift und – da vorliegend in englischer Sprache errichtet – auch mit einer beglaubigten Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen (vgl. u.a. Röhricht-Graf von Westphalen-Haas-Ries aaO Rz. 6; Heinz-Hartung aaO Kap. 11.3 Rz. 62). Die Beschwerde ist insoweit also unbegründet ...

[14]Auch aus den zuvor zit. Regelungen in den RL 89/666 und 68/151 EWG ergibt sich letztlich – wie o.a. –, dass der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung die Offenlegung des Errichtungsakts verlangen kann, vorliegend also der Gründungsurkunde – Memorandum of Association – der Beschwf. Aus Abschn. I Art. 4 der Elften Richtlinie 89/666 EWG ergibt sich außerdem, dass der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung auch vorschreiben kann, dass die in Art. 2 II lit. b dieser RL bezeichneten Unterlagen in einer anderen Amtssprache der Gemeinschaft offengelegt werden und die Übersetzung dieser Unterlagen beglaubigt wird.

[15]Zu Ziffer 3)

[16]Die Eintragung der Errichtung von Zweigniederlassungen von Ges.m.b.H. mit Sitz im Ausland, unter die, wie o.a., auch die Beschwf. zu fassen ist, hat gemäß § 13g I, III HGB i.V.m. § 10 I GmbHG auch die Höhe des anzumeldenden Stammkapitals der Gesellschaft zu beinhalten (vgl. allg. Lutter-Hommelhoff-Baier aaO Rz. 36; Staub-Koch, HGB, 5. Aufl. [2009], § 13g Rz. 7; Ebenroth-Boujong-Joost-Strohn-Pentz , HGB, 3. Aufl. [2014], § 13g Rz. 12).

[17]Allerdings weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass es grundsätzliche Unterschiede in der Ausgestaltung der Bedeutung des Kapitals nach deutschem und englischem Recht gibt. [...] Als Ersatz für die weggefallene Regelung zum Nenn- oder Nominalkapital schreibt der CA 2006 nun vor, dass Gesellschaftsanteile einer Ltd. mit einem Share Capital einen festen Nennwert, z.B. 1 Pence oder 1 € haben müssen (vgl. s. 542 (1) CA 2006; Heinz-Hartung aaO Rz. 5), wobei nach Just (aaO ) in der Praxis das anfängliche Kapital einer Ltd. regelmäßig 100 £ betrage, und je nach wirtschaftlichen Erfordernissen erhöht werde. Weiterhin muss das tatsächlich von den Gesellschaftern übernommene Stammkapital im Statement of Share Capital genannt werden. Gemäß s. 10 CA 2006 ist jede Gesellschaft mit einem Share Capital (Stammkapital) – also auch die Ltd. – verpflichtet, ein entsprechendes Statement bei Gründung gegenüber dem englischen Handelsregister (Companies House / Registrar of Companies) abzugeben, das u.a. die Anzahl der von den Gesellschaftern jeweils gehaltenen Anteile, die pro Anteil eingezahlten Beträge, den Nennwert eines Anteils und die Höhe des Stammkapitals enthält und das eine entspr. Momentaufnahme des Kapitals der Gesellschaft im Moment der Gründung darstellt (vgl. Heinz-Hartung aaO m.w.N. und aaO Kap. 3.2 Rz. 13).

[18]Dabei kommt es im Rahmen der hiesigen Anmeldung für die Höhe des Kapitals auf das issued share capital an, also das von den Gesellschaftern gezeichnete Kapital, welches für die Haftung der Gesellschaft und die englischen Kapitalerhaltungsvorschriften alleine maßgebend ist und damit dem Stammkapital der deutschen GmbH mit der Funktion als Haftkapital entspricht.

Fundstellen

LS und Gründe

BB, 2018, 144, m. Anm. Otte-Gräbener
FGPrax, 2018, 16
GmbHR, 2018, 259
NZG, 2018, 1431
WM, 2018, 1409
ZIP, 2018, 686

Bericht

Just/Müller, EWiR, 2018, 269

nur Leitsatz

RNotZ, 2018, 129

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2017-32

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