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Verfahrensgang

OLG Zweibrücken, Beschl. vom 28.02.2008 – 3 W 36/08, IPRspr 2008-219

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Bei der Anmeldung der Zweigniederlassung einer englischen Limited darf das Registergericht die Eintragung der Zweigniederlassung nicht davon abhängig machen, dass die Anmelderin eine beglaubigte Übersetzung von „Table A“ – einer im Companies Act vorgesehenen Mustersatzung – einreicht.

Rechtsnormen

FGG § 8; FGG § 19; FGG § 20; FGG § 27; FGG § 29
GVG § 184
HGB § 13; HGB § 13d; HGB § 13g
HRV § 26
ZPO § 546
Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 2; Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 4

Sachverhalt

Die betroffene Gesellschaft, eine beschränkt haftende Kapitalgesellschaft englischen Rechts (Limited), wurde am 31.8.2007 gegründet und im Gesellschaftsregister für England und Wales eingetragen.

Mit Notarurkunde meldeten die Direktoren (Geschäftsführer) der Gesellschaft unter Vorlage einer beglaubigten Übersetzung des Gesellschaftsvertrags eine Zweigniederlassung mit dem Sitz in L./Pfalz zur Eintragung ins Handelsregister an. Nach Anhörung der am Verfahren weiter beteiligten I. gab das AG der Anmelderin auf, auch eine beglaubigte Übersetzung der Tabelle A (Table A), auf die der Gesellschaftsvertrag Bezug nimmt, zur Akte zu reichen und die besonderen Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft anzumelden.

Auf die dagegen eingelegte Beschwerde der Gesellschaft hat das LG die Zwischenverfügung betreffend die Anmeldung besonderer Vertretungsverhältnisse aufgehoben. Soweit der Anmelderin durch das Registergericht aufgegeben worden war, ihrem Eintragungsantrag eine beglaubigte Übersetzung von Table A beizufügen, ist die Beschwerde ohne Erfolg geblieben.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Gesellschaft.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. 1. Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statthaft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 I 1 und 2 FGG). Die betroffene Gesellschaft ist nach ihrem dafür maßgebenden Gründungsstatut rechts- und damit am Verfahren beteiligtenfähig. Ihre Befugnis zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich gemäß §§ 20 II, 29 IV FGG schon aus der teilweisen Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.

[2]Zu den beschwerdefähigen Verfügungen im Sinne von § 19 FGG gehören diejenigen Zwischenverfügungen, mit denen das Registergericht im Eintragungsverfahren die Erledigung einer Anmeldung nach § 26 Satz 2 HRV von der fristgerechten Behebung von Beanstandungen abhängig macht (OLG Hamm, NJW-RR 2005, 629; FGPrax 2006, 276) (IPRspr 2006-254). Als solche mit der Beschwerde angreifbare Zwischenverfügung hat das LG die Verfügung des Registergerichts vom 5.11.2007 zutreffend verstanden.

[3]2. Das sonach zulässige Rechtsmittel führt in der Sache zu einem jedenfalls vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des LG ist aufzuheben, weil er –  wie bereits die Entscheidung des AG – auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 I FGG, 546 ZPO). Aus dem von der Kammer zuletzt noch angeführten Grund darf die beantragte Eintragung der betroffenen Gesellschaft in das Handelsregister jedenfalls nicht abgelehnt werden.

[4]Die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland richtet sich nach §§ 13, 13d HGB. Handelt es sich – wie hier bei der englischen Limited – um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gilt zusätzlich § 13g HGB. Nach § 13g II 1 HGB ist der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern der Vertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Übersetzung hiervon in deutscher Sprache beizufügen. Hierdurch soll die Prüfung durch das deutsche Registergericht erleichtert und dem Grundsatz der §§ 8 FGG, 184 GVG genügt werden, wonach die Gerichtsprache deutsch ist (Ebenroth-Boujong-Joost-Strohn-Pentz, HGB [2001], § 13g Rz. 7).

[5]Aufgrund dieser Bestimmung darf das Registergericht – wie die weitere Beschwerde zu Recht ausführt – bei der Anmeldung der Zweigniederlassung einer englischen Limited aber nicht die Vorlage einer beglaubigten Übersetzung von Table A verlangen. Insoweit gilt Folgendes:

[6]Table A enthält die Mustersatzung für eine Limited (vgl. Dierksmeier, BB 2005, 1516; Heinz, Englische Limited und Deutsche GmbH – eine vergleichende Darstellung; Vortrag vom 21.5.2004 auf dem 55. Deutschen Anwaltstag, siehe www.bccg.de/services/Ltd.V.Heinz.pdf), welche gesetzestechnisch dem englischen Gesellschaftsrecht (Companies Act 1985 bzw. 1989) vergleichbar einer Rechtsverordnung beigegeben ist. Sie enthält dispositives Recht, von dem die Gesellschaftsgründer – später die Gesellschafter – durch Vereinbarung abweichen können. Wenn und soweit sie dies nicht tun, gelten für die Gesellschaft die Bestimmungen der Table A. Sie stellt damit materiell-rechtlich eine den Bestimmungen im zweiten und dritten Abschnitt des GmbHG vergleichbare Kodifikation dar.

[7]Table A enthält somit ausländische Rechtsvorschriften. Die Feststellung ausländischen Rechts obliegt aber dem Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Amtsermittlung. Schon deshalb darf das Gericht von einem Verfahrensbeteiligten nicht die Überlassung einer (beglaubigten) Übersetzung eines ausländischen Gesetzestextes verlangen (Kissel-Mayer, GVG, 4. Aufl., § 184 Rz. 8).

[8]Dasselbe Ergebnis folgt außerdem aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 13g II 1 HGB. Die Norm ist insoweit an Art. 2 II lit. b i.V.m. Art. 4 der Elften Richtlinie des Rates 89/666 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, vom 21.12.1989 (ABl. Nr. L 395/36) zu messen. Nach Art. 4 dieser Richtlinie kann der Mitgliedsstaat der Zweigniederlassung (nur) die beglaubigte Übersetzung der in II lit. b und III der Richtlinie genannten Dokumente vorschreiben. Dies sind der Errichtungsakt, die Satzung sowie die Unterlagen der Rechnungslegung der Gesellschaft, nicht aber Rechtsvorschriften des Staats des Hauptsitzes der Gesellschaft. Solche Rechtsetzungsakte der EG sowie die zu ihrer Ausführung ergangenen Rechtsvorschriften des deutschen Rechts durchbrechen den Grundsatz der ‚deutschen Gerichtssprache’ auch mit innerstaatlicher Verbindlichkeit (Kissel-Mayer aaO Rz. 7).

[9]Das Registergericht darf demnach die Eintragung der Zweigniederlassung nicht davon abhängig machen, dass die Anmelderin eine beglaubigte Übersetzung von Table A einreicht.

Fundstellen

LS und Gründe

DNotZ, 2008, 795
GmbHR, 2009, 147

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2008-219

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