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Verfahrensgang

OLG Hamm, Beschl. vom 04.01.2011 – 15 W 270/10, IPRspr 2011-311

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Reicht nach englischem Recht die Einreichung eines elektronischen Dokuments zur wirksamen Gründung einer Private Limited Company aus, ist bei der Anmeldung einer Zweigniederlassung der Gesellschaft der Gesellschaftsvertrag in der bei dem Companies House archivierten Form in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen.

Rechtsnormen

CA 1985 (UK) s. 2; CA 1985 (UK) s. 3
FamFG §§ 58 f.; FamFG § 61; FamFG §§ 63 f.; FamFG § 374; FamFG § 382
GmbHG § 13g
HGB §§ 13d ff.; HGB § 13g

Sachverhalt

Die Beteiligte wurde nach den von ihr zu den Akten gereichten Unterlagen als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Companies Act 1985 in Großbritannien am 7.9.2009 gegründet und dort in D unter der „Company No. ...“ eingetragen. Der Sitz der Gesellschaft ist in Großbritannien. Die Gesellschaft begehrt die Eintragung einer Zweigniederlassung in .../Deutschland in das deutsche Handelsregister. Mit Verfügung vom 4.11.2009 beanstandete das AG, es sei 1. eine nach § 13g II 1 HGB notwendige öffentlich beglaubigte Abschrift des unterschriebenen Gesellschaftsvertrags einzureichen; die ordnungsgemäße Gründung und Eintragung der Gesellschaft sei mit den von der Bescheinigung des englischen Notars vom 10.9.2009 umfassten Vertragsunterlagen nicht nachgewiesen, und 2., da in den Articles of Association auf Table A der Companies Regulations 1985 Bezug genommen werde, diese als Bestandteil des Gesellschaftsvertrags der Anmeldung in beglaubigter Übersetzung beizufügen.

Für die Behebung dieser Eintragungshindernisse setzte das AG eine Frist bis zum 9.12.2009.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 2.12.2009, mit der sie den Tag des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags mit dem 4.9.2009 angibt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Beschwerde ist nach §§ 58 I, 59 II, 374 Nr. 1, 382 IV 2 FamFG statthaft sowie frist- und formgerecht gemäß §§ 63 I, 64 FamFG eingelegt. Der Beschwerdewert des § 61 I FamFG ist erreicht. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt daraus, dass ihr Eintragungsantrag ohne Erfolg geblieben ist.

[2]In der Sache richtet sich die Anmeldung der Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie einer Private Limited Company in das deutsche Handelsregister nach den §§ 13d, 13e und 13g HGB (vgl. Senat, FGPrax 2006, 276 m.w.N. (IPRspr 2006-254)). Danach unterliegt das Eintragungsverfahren grunds. deutschem Verfahrensrecht – ggf. unter Berücksichtigung des europarechtlichen Rahmens – als lex fori (KG, NZG 2004, 49 f. (IPRspr. 2003 Nr. 215); OLG Jena, NZG 2006 434 (IPRspr. 2007 Nr. 232); Baumbach-Hopt, HGB, 34. Aufl., § 13d Rz. 2 f.; Klose-Mokroß, DStR 2005, 971, 972). Bezogen auf die Beanstandungen des AG ergibt sich hieraus Folgendes:

[3]1. Gemäß § 13g II 1 GmbHG ist der Anmeldung der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern der Vertrag nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache beizufügen. Die wesentliche Frage hins. der ersten Beanstandung ist danach, ob die vorliegende Abschrift des Gesellschaftsvertrags, die keine physischen Unterschriften trägt, i.V.m. der Erklärung der Vertreterin der G. A. Service Ltd. und der Beglaubigungserklärung des englischen Notars vom 10.9.2009 diesen Anforderungen genügt. Das ist im vorliegenden Fall zu bejahen.

[4]Das Handelsregister dient dazu, bestimmte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die für den Rechtsverkehr von besonderer Bedeutung sind, in einer zuverlässigen und vollständigen Weise zu beurteilen (Senat, NJW-RR 1993, 807, 809; KG, FGPrax 2000, 249). Eine dahingehende Prüfung lässt sich ohne die Vorlage einer formgerechten Abschrift des Gesellschaftsvertrags regelmäßig nicht vornehmen. Die hier vorgelegte Abschrift ist nach dem Inhalt der notariellen Beglaubigungserklärung des Notary Public Q K P vom 10.9.2009 identisch mit dem beim Handelsregister – Companies House of D. – archivierten Originalgesellschaftsvertrag. Aus der formgerechten Beglaubigungserklärung (vgl. zum Inhalt Heinz, ZNotP 2000, 410, 414) ergibt sich, dass der Notar die Originalurkunde eingesehen und sich auf diese Weise eigene Kenntnis von den notariell bestätigten Tatsachen verschafft hat. Die Beglaubigungserklärung bezieht sich auf die dem Notar vorgelegte Abschrift, deren Inhalt der Notar mit dem Originaldokument verglichen hat. In Verbindung mit der vorstehend notariell beglaubigten Erklärung der Vertreterin der G. A. Service Ltd., die auf die beigefügte Abschrift des Gesellschaftsvertrags (10 Seiten) Bezug nimmt, ergeben sich insoweit keine im Registerverfahrensrecht erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der inhaltlichen Identität von Abschrift und Original.

[5]Der notarielle Beglaubigungsvermerk bezieht sich auch zutreffend auf den beim Companies House of D. archivierten Originalgesellschaftsvertrag. Nach dem für den Gründungsakt der Gesellschaft im Registerverfahrensrecht maßgebenden Gesellschaftsstatut ist die Eintragung der Limited mit ihrer Hauptniederlassung im Register of Companies für die Existenz der Gesellschaft konstitutiv. Ihre Rechtsfähigkeit erlangt die Gesellschaft durch Ausstellung des Certificate of Incorporation (Gründungsurkunde; Süß, DNotZ 2005, 180, 181; Kußmaul, IStR 2007, 696). Die nach dem Gesellschaftsstatut erforderlichen Gründungsdokumente können seit September 2001 beim Companies House per E-Mail eingereicht werden (Companies Act 1985 i.d.F. der Order 2000, s. 2 (6a), und (7), s. 3 (a); vgl. Römermann, NJW 2006, 2065, 2066). Danach ist der beim Companies House archivierte Gesellschaftsvertrag nach englischem Recht sowohl Grundlage der konstitutiven Registereintragung und als auch Grundlage der für die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft maßgebenden Gründungsurkunde. Der Gesellschaftsvertrag ist deshalb in der archivierten Form nach § 13g II 1 GmbHG der Anmeldung in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen. Dem entspricht die Anmeldung der Beteiligten.

[6]2. Der Vorlage einer beglaubigten Übersetzung von Table A [2. Beanstandung] bedarf es nicht. Dabei handelt es sich um eine Mustersatzung, welche gesetzestechnisch dem englischen Gesellschaftsrecht vergleichbar einer Rechtsverordnung beigegeben ist. Table A enthält mithin ausländische Rechtsvorschriften, deren Feststellung dem Registergericht im Rahmen seiner Amtspflicht obliegt (vgl. OLG Zweibrücken, DNotZ 2008, 795 = OLGR 2008, 893 m.w.N. (IPRspr 2008-219); Süß aaO 187 f.).

Fundstellen

LS und Gründe

DB, 2011, 465
DNotZ, 2011, 794
FGPrax, 2011, 138
GmbHR, 2011, 310
NJW-RR, 2011, 396
RNotZ, 2011, 256
Rpfleger, 2011, 379
ZIP, 2011, 867

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2011-311

Lizenz

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