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Verfahrensgang

OLG Nürnberg, Beschl. vom 31.03.2015 – 11 W 2502/14, IPRspr 2015-6

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Das Namensstatut beherrscht auch die sprachliche Form, die Schreibweise des Namens.

Ergibt sich die lateinische Schreibweise aus einer Personenstandsurkunde oder einer anderen öffentlichen Urkunde des Heimatstaats (hier: Reisepass), so ist die dort verwendete Schreibweise maßgebend. Die Urkunde des Heimatstaats ist zumindest dann gegenüber einem bereits abgeschlossenen Personenstandseintrag vorrangig, wenn die Angabe in der Urkunde nicht Folge eines Sachverhalts ist, der zu einer Änderung des Namens geführt hat.

Rechtsnormen

40/1951 ZGB (Irak) Art. 18
EGBGB Art. 10
NamÜbk Art. 2
PStG § 1; PStG § 18; PStG § 22; PStG §§ 47 f.; PStG §§ 47 ff.
StAG § 4

Sachverhalt

2005 wurde die Betroffene in Bad W. als Tochter der Eheleute D. M. A. und S. W. A. geboren. Beide Eltern sind, wie die Betroffene, ausschließlich irakische Staatsangehörige. Sie sind 2002 als Asylsuchende in Deutschland angekommen. Beim Standesamt Bad W. ging eine von beiden Eltern unterzeichnete Geburtsanzeige ein, in der als Familienname der Betroffenen A. S. und als Vorname „Hosan“ angegeben war. Nach einer in Begleitung eines Dolmetschers erfolgten Vorsprache der Eltern wurde sie als A. S. (Eigenname) Hosan in das Geburtenregister eingetragen. 2014 wandten sich die Eltern der Betroffenen an das Standesamt Bad W. und baten um Berichtigung des Geburtseintrags. Die ASt. legten einen im Irak ausgestellten irakischen Pass vor, in dem der Name der Betroffenen in lateinischen Buchstaben mit „Hozan A. S.“ angegeben ist. Auch in der Aufenthaltserlaubnis der Betroffenen wird der Name „Hozan“ geschrieben. Das Standesamt Bad W. hatte keine Bedenken gegen die gewünschte Änderung des Vornamens und legte den Berichtigungsantrag über die Standesamtsaufsicht beim Landratsamt N.-Bad W. dem AG Nürnberg vor. Die Standesamtsaufsicht sah die Voraussetzungen einer Folgebeurkundung, nicht aber einer Berichtigung als gegeben an.

Mit Beschluss wies das AG Nürnberg den Berichtigungsantrag zurück. Gegen diesen Beschluss haben die Eltern der Betroffenen beim AG Nürnberg Beschwerde eingelegt. Das AG Nürnberg hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem BeschwG vorgelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

II. ... 1) Abgeschlossene Eintragungen in Personenstandsbüchern können nach §§ 47 ff. PStG im Wege der sog. Berichtigung geändert werden, wenn zweifelsfrei festgestellt wird, dass der zu ändernde Eintrag von Anfang an unrichtig war (Gaaz-Bornhofen, PStG, 3. Aufl., § 47 Rz. 8). Die Eintragung eines Vornamens kann unrichtig sein, weil diese nicht genau dem wirksam bestimmten Name entspricht.

Die Voraussetzungen der Berichtigung richten sich trotz der ausschließlich irakischen Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes und seiner Eltern allein nach dem PStG, das als (öffentliches) Verfahrensrecht unabhängig von der Frage nach dem für die Bestimmung des richtigen Namens anzuwendenden materiellen Namensrecht anzuwenden ist (BGH, NJW-RR 1993, 130; Staudinger-Hepting/Hausmann, BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rz. 46).

a) Ohne die Beziehung zum irakischen Recht wäre der vorliegende Berichtigungsantrag ohne weiteres zurückzuweisen, da die Bestimmung eines Vornamens als Teil der elterlichen Sorge bei miteinander verheirateten Eltern allein diesen gemeinsam zusteht und formlos ausgeübt wird. Die Einigung ist für die Vornamenserteilung konstitutiv. Sie (die Einigung) ist spätestens einen Monat nach Beurkundung der Geburt dem Standesamt anzuzeigen (§§ 18, 22 PStG) und vom Standesbeamten in das Geburtenregister einzutragen. Der Eintragung kommt zwar lediglich deklaratorische Bedeutung zu (BayObLG, StAZ 1999, 331 (IPRspr. 1999 Nr. 8)). Sie begründet nach § 54 I i.V.m. § 1 I PStG allerdings die – widerlegbare – Vermutung, dass sich die gemeinsam bestimmungsbefugten Eltern auf den/die eingetragenen Vornamen (und deren Schreibweise) geeinigt haben und macht sie unabhängig davon, welche Vorstellungen die Eltern bei der Namenswahl geleitet haben, für die Lebenszeit des Kindes unabänderlich (MünchKomm-von Sachsen-Gessaphe, 6. Aufl., nach § 1618 Rz. 7 m.w.N.).

Eine Berichtigung kann zum einen in Fällen erfolgen, in denen der Name abweichend, etwa in einer anderen Schreibweise, von der Einigung der Eltern eingetragen wurde (OLG Düsseldorf, StAZ 2012, 318; OLG Köln, StAZ 2010, 244; BayObLG, StAZ 2000, 147; Staudinger/Hilbig-Lugani aaO [2015] § 1616 Rz. 80). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch die Beschwf. machen nicht geltend, bei ihrer Erklärung eine andere Schreibweise als die eingetragene gewollt zu haben. Der Nachweis einer solchen Behauptung wäre auch schwer zu führen, da die nunmehr abgelehnte Schreibweise zweimal von beiden Eltern durch ihre Unterschrift bestätigt wurde – zunächst durch die Unterschrift unter der Geburtsanzeige der Klinik in Bad W. vom 1.8.2005 und dann am 23.8.2005 durch ihre vor dem Standesamt Bad W. abgegebene und unterschriebene ‚Bestimmung des Geburtsnamens eines Kindes’. Insbesondere die letztgenannte in Gegenwart eines Dolmetschers abgegebene Erklärung lässt keinen Zweifel zu, dass die Schreibweise ‚Hosan’ von beiden Eltern bewusst gewählt worden ist.

Zum anderen ist eine Berichtigung möglich, wenn der Erteilungsakt unwirksam war, weil ein unzulässiger und damit nicht erteilungsfähiger Name gewählt wurde. Auch ein solcher Fall liegt in Anwendung deutschen Namensrechts nicht vor, da die Eltern danach in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei sind (Palandt-Götz, BGB, 74. Aufl., Vor § 1616 Rz. 10). Anhaltspunkte dafür, dass die Schreibweise ‚Hosan’ geeignet wäre, das Kindeswohl zu beeinträchtigen, sind nicht ersichtlich

b) Die Bestimmung des Namens, auch des Vornamens, richtet sich nach Art. 10 I EGBGB aber nach dem irakischen Heimatrecht der Betroffenen (Palandt-Thorn aaO Art. 10 EGBGB Rz. 7; BGHZ 121, 305/311 (IPRspr. 1993 Nr. 8b)). Die Betroffene hat trotz ihrer Geburt im Inland nur die irakische Staatsangehörigkeit. Sie konnte die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 4 III StAG durch Geburt im Inland erwerben, da ihre Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch nicht acht Jahre lang ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten.

Auch die Frage, wer auf welchem Weg den Vornamen eines Kindes bestimmen kann, ist nach dem irakischen Personalstatut, nicht nach dem Statut der Eltern-Kind-Beziehung zu beantworten (BayObLG, StAZ 2000, 235; Palandt-Thorn aaO Rz. 19; Art. 21 EGBGB Rz. 6; Art. 4 KSÜ). Die Eltern haben sich am 23.8.2005 unter Berufung auf Art. 10 III EGBGB gegenüber dem Standesamt ausdrücklich für die Anwendung irakischen Rechts entschieden.

Das irakische Recht nimmt die Verweisung an; auch danach ist das Personalstatut das Namensstatut, richtet sich u.a. der Erwerb des Namens und seine Schreibweise nach dem Recht der Staatsangehörigkeit (Art. 18 I Gesetz Nr. 40/1951 – Zivilgesetzbuch – von 1951; Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Vor Art 10 EGBGB Rz. 185).

2) Die Anwendung des irakischen Rechts führt zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde Erfolg hat, weil die bisher eingetragene Schreibweise des verfahrensgegenständlichen Namens von Anfang an unrichtig im Sinne von §§ 47 f. PStG ist.

a) Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Namen nicht um einen Vornamen im westlichen Sinn, sondern um den Eigennamen der Betroffenen innerhalb einer Namenskette handelt. Nach den hier vorliegenden Erkenntnissen ist die Rechtswirklichkeit im Irak geprägt von einer Mischung beider Varianten der Namensführung (Rohrmeier, StAZ 2012, 117). Die Eintragungen in den am 18.2. bzw. 3.9.2013 [im] Irak ausgestellten Pässen der Betroffenen und ihrer Eltern sprechen dafür, dass es um den Teil einer Namenskette geht, dass nicht zwischen Familien- und Vornamen unterschieden wird. Denn bei der Betroffenen ist als surname S. (full name: Hozan A.S.) eingetragen, im Pass ihres Vaters aber ‚W’ (full name: A. S. W.). Der bereits am ... 2005 in Berlin ausgestellte Pass der Mutter nennt als deren name and surname A. D. M. Ein Familienname müsste bei Tochter und wenigstens einem Elternteil gleich sein.

b) Der Eigenname innerhalb einer Namenskette entspricht am ehesten dem Vornamen im Sinne des deutschen Sachrechts als ein einer Einzelperson zugeordneter Individualname, der ihr bei der Geburt autonom erteilt wird und der mit ihrem Tod erlischt (Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 21). Dies trifft, evtl. mit Ausnahme des Erlöschens, auch auf den Eigennamen als Teil einer Namenskette zu.

Zur Auswahl des Eigennamens sind grundsätzlich die Eltern, eventuell auch der Vater allein, berufen. Da sich die Eltern vorliegend einig waren und sind und sowohl unmittelbar nach der Geburt wie im hier zu entscheidenden Verfahren sämtliche Erklärungen gemeinsam abgegeben haben, muss die Frage nach der Mitbestimmungsbefugnis der Mutter nicht näher aufgeklärt werden. Die Eltern können ihr Namensbestimmungsrecht aber nur im Rahmen und nach Maßgabe ihres irakischen Heimatrechts ausüben. Sie wählen daher einen Namen in arabischer oder kurdischer Sprache mit einem bestimmten Lautwert, ausgedrückt in arabischen Schriftzeichen, die auch von den irakischen Kurden in ihrer autonomen Region verwendet werden.

[3]) Das Namensstatut beherrscht (auch) die sprachliche Form, die Schreibweise des Namens. In der Regel wird der Heimatstaat [eine] Namensführung in seiner offiziellen Amtssprache verlangen. Wird ein Vorname in einer nach dem Namensstatut unzulässigen Schreibweise in ein Personenstandsregister eingetragen, so ist dieses zu berichtigen (BGHZ aaO; KG, StAZ 2003, 361; OLG Celle, StAZ 2012, 144 (IPRspr 2011-11); OLG Rostock, StAZ 1994, 287/288 (IPRspr. 1994 Nr. 9); OLG Zweibrücken, StAZ 1993, 11/12 (1993 Nr. 8a); Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 50, 54).

a) Verwendet der Heimatstaat, wie im vorliegenden Fall der Irak, keine lateinische Schrift, so kann der Name nicht in der Originalschreibweise übernommen werden. Die vorgelegten Pässe der Beteiligten zeigen, dass die irakischen Behörden die arabische Schrift verwenden.

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum PStG (PStG-VwV) ordnet für solche Fälle unter A 4.2 an, dass Namen so weit möglich durch Transliteration wiederzugeben sind, d.h., jedes fremde Schriftzeichen ist durch ein gleichwertiges lateinisches Schriftzeichen wiederzugeben. Hierbei sind nach dem ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen maßgeblichen (PStG-VwV A 1.1) NamÜbK die ISO-Transliterationsnormen anzuwenden. Ist eine Transliteration nicht möglich, so sind Namen und sonstige Wörter nach ihrem Klang und den Lautregeln der deutschen Rechtschreibung (phonetische Umschrift oder Transskription) einzutragen

Ergibt sich die lateinische Schreibweise jedoch aus einer Personenstandsurkunde oder aus einer anderen öffentlichen Urkunde des Heimatstaats der betreffenden Person (z.B. Reisepass), so ist nach Art. 2 I NamÜbK, das im Vertragsstaat Deutschland unabhängig davon anzuwenden ist, dass der Irak dem Übereinkommen nicht beigetreten ist (OLG Hamburg, FamRZ 2014, 1554 (IPRspr 2014-11)), diese Schreibweise maßgebend. Da sowohl nach der Rspr. des BGH (FamRZ 1994, 225) wie nach der PStG-VwV der Reisepass der Betroffenen als ‚andere Urkunde’ im Sinne von Art. 2 I NamÜbK anzusehen ist, muss eine Eintragung in das Geburtenregister, die nach Ausstellung des Passes erfolgt, zweifellos die dort verwendete Schreibweise akzeptieren.

b) Die Urkunde des Heimatstaats ist nach Auffassung des Senats auch gegenüber einem bereits abgeschlossenen Personenstandseintrag vorrangig; der Eintrag ist dann zu berichtigen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Angabe in dem Pass nicht Folge eines Sachverhalts ist, der zu einer späteren Änderung des Namens geführt hat. Auf die Frage, wann die ausländische Urkunde ausgestellt oder vorgelegt worden ist, kommt es nach übereinstimmender Auffassung in Rspr. u. Lit. nicht an (OLG Hamburg aaO; OLG München, FamRZ 2010, 75 (IPRspr 2009-289); OLG Stuttgart, StAZ 2005, 77; OLG Hamm, StAZ 2006, 166 (IPRspr. 2006 Nr. 218) und 2002, 124; KG, StAZ 2000, 216; OLG Frankfurt, StAZ 1996, 330; LG Hagen, StAZ 2006, 166 (IPRspr. 2006 Nr. 218); Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 61). Wenigstens solange nur eine einzige Heimatstaatsurkunde vorliegt, ist die dort gewählte Schreibweise nach dem NamÜbK für die Eintragung in die Personenstandsregister maßgeblich. Denn weder das Übereinkommen noch die PStG-VwV sehen Einschränkungen in Bezug auf das Ausstellungs- oder Vorlegungsdatum der Urkunde vor.

Da die zu berichtigende Eintragung im vorliegenden Fall nicht auf der Grundlage einer Urkunde des irakischen Heimatstaats der Betroffenen erfolgt ist, muss die streitige Frage nicht beantwortet werden, inwieweit Änderungen der Schreibweise in ausländischen Urkunden zu einer Berichtigung führen (bejaht vom OLG Hamburg aaO; a.A. Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 58; MünchKomm-Lipp aaO [6. Aufl.] Art. 10 EGBGB Rz. 239). Änderungen der lateinischen Schreibweise der Namen seiner Staatsangehörigen können dem ausländischen Staat gewiss nicht verwehrt werden, müssen aber nicht unbedingt im Wege der Berichtigung, sondern u.U. nur im Wege der Folgebeurkundung berücksichtigt werden.

Fundstellen

LS und Gründe

FGPrax, 2015, 189
StAZ, 2016, 20

nur Leitsatz

MDR, 2015, 791

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2015-6

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