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Verfahrensgang

OLG Hamburg, Beschl. vom 28.04.2014 – 2 W 11/11, IPRspr 2014-11

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Das deutsche Recht als lex fori des Personenstandsverfahrens entscheidet über die Art und Weise, wie ein Name in fremder Schrift zwecks Eintragung in das deutsche Personenstandsregister in die lateinische Schrift zu überführen (transliterieren) ist. Die Frage, ob eine Registereintragung, die auf der Transliteration eines Namens in einem gemäß Art. 2 NamÜbK verbindlichen (hier: ägyptischen) Reisepass beruhte, bei einer abweichenden Transliteration in einem neueren Reisepass geändert werden kann, kann dahinstehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Änderung dazu führt, dass unterschiedliche Schreibweisen des Namens der betroffenen Person in verschiedenen inländischen Personenstandsregistern in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des Art. 6 NamÜbK vereinheitlicht werden. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

BGB § 1599
EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 19
NamÜbk Art. 2; NamÜbk Art. 6
PStG §§ 47 f.
PStV § 15

Sachverhalt

Die ASt., deutsche Staatsangehörige, ist die Mutter des 2002 in Hamburg geborenen Kindes I. M. Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes war die Kindesmutter mit Herrn S., einem deutschen Staatsangehörigen, verheiratet. Die Ehe wurde aufgrund eines 2000 gestellten Scheidungsantrags durch Urteil des AG Hamburg 2003 geschieden. Der ASt., der ägyptischer Staatsangehöriger ist, hat die Vaterschaft für das Kind I. M. mit Zustimmung der ASt. und deren Ehemann noch vor der Geburt des Kindes anerkannt. Am 2003 haben die ASt. in Kairo geheiratet. In dem Randvermerk zum Geburtseintrag des Kindes I. M. wurde der ASt. mit dem Namen „N. K. (Schreibweise 2)“, eingetragen. Bei dem 2009 geborenen zweiten Kind der ASt. mit dem Vornamen E. wurde der Name des ASt. im Geburtsregister mit „N. K. (Schreibweise 1)“, beurkundet. Die Kindeseltern beantragen, den Geburtseintrag hins. des Namens des Vaters in „N. K. (Schreibweise 1)“, zu ändern. Diese Schreibweise entspricht derjenigen, die sich in dem aktuellen Reisepass des ASt. in lateinischer Schrift befindet. Ferner haben die ASt. eine Bescheinigung des ägyptischen Generalkonsulats in Hamburg vorgelegt, in der die letztgenannte Schreibung des Namens des ASt. – basierend auf seinem Reisepass – bestätigt wird, sowie weitere ägyptische Dokumente mit deutscher Übersetzung.

Das AG hat den Berichtigungsantrag der ASt. zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die ASt. mit ihrer Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige ... Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der dem Geburtseintrag für das Kind I. M. beigeschriebene Name des ASt. ist hinsichtlich seiner Schreibweise antragsgemäß zu berichtigen:

[2]1. ... 2. Dahinstehen kann, ob im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu überprüfen ist, ob der Vaterschaftseintrag im Register als solcher korrekt ist, d.h. ob es sich bei dem ASt. um den rechtlichen Vater des Kindes I. M. handelt; denn dies ist der Fall: Gemäß Art. 19 EGBGB bestimmt sich die Abstammung eines Kindes nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts. Im Verhältnis zu jedem Elternteil kann die Abstammung auch bestimmt werden nach dem Heimatrecht dieses Elternteils oder, wenn die Mutter verheiratet ist, nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes unterliegen. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes befand sich stets in Deutschland. Die allgemeinen Wirkungen der früheren Ehe der Kindesmutter unterlagen, da beide Ehegatten Deutsche waren, ebenfalls deutschem Recht (Art. 14 Nr. 1 EGBGB). Schließlich führt auch der Verweis auf das Heimatrecht des früheren Ehemanns der ASt., der als rechtlicher Vater in Betracht kommt, zur Anwendung deutschen Rechts. Nach deutschem Recht (§ 1599 II BGB) ist der Ehemann der Kindesmutter dann nicht rechtlicher Vater des Kindes, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter mit Zustimmung der Kindesmutter und von deren Ehemann fristgemäß die Vaterschaft anerkennt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, so dass der ASt. durch seine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht rechtlicher Vater des Kindes I. M. geworden ist. Ob dies auch nach dem ägyptischem Heimatrecht des ASt. der Fall ist, kann dahinstehen, denn Art. 19 EGBGB ermöglicht eine Anknüpfung an das Heimatrecht einer als Vater in Betracht kommenden Person nur zur Bestimmung der Abstammung des Kindes von dieser Person. Deshalb ist die Anwendung ägyptischen Rechts nicht relevant, soweit sie zur Bestimmung einer anderen Person als derjenigen des ASt. als Vater führen würde.

[3]3. Der Name einer Person einschl. dessen Schreibweise unterliegt zwar grundsätzlich dem Recht des Staats, dem die Person angehört (Art. 10 EGBGB). Die Art und Weise, wie das deutsche Personenstandsregister zu führen ist (nämlich: in lateinischer Schrift, § 15 III PStV), wird jedoch zwingend durch deutsches Verfahrensrecht vorgegeben. Über die Art und Weise, wie ein Name in fremder Schrift zwecks Eintragung in das deutsche Personenstandsregister in die lateinische Schrift zu überführen (zu ‚transliterieren’) ist, entscheidet deshalb das deutsche Recht als lex fori des Personenstandsverfahrens (Palandt-Thorn, BGB, 73. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 7 m.w.N.; Staudinger-Hepting, BGB [2007], Art. 10 EGBGB Rz. 53). Hierbei sind die für Deutschland verbindlichen internationalen Abkommen zu berücksichtigen, konkret das NamÜbK. Insofern kommt es nicht darauf an, dass das Abkommen von Ägypten nicht ratifiziert worden ist.

[4]4. Gemäß Art. 2 NamÜbK ist, wenn von einer Behörde eines Vertragsstaats Eintragungen in ein Personenstandsbuch vorgenommen werden sollen und zu diesem Zweck eine Abschrift eines Personenstandseintrags oder eine andere Urkunde vorgelegt wird, die den Namen in lateinischer Schrift wiedergibt, der Name buchstabengetreu ohne Änderung oder Übersetzung wiederzugeben. Eine solche Lage ist vorliegend gegeben: Die ASt. beziehen sich zur Begründung ihres Eintragungsantrags (Berichtigungsantrags) auf den aktuellen Reisepass des ASt., der den Namen des ASt. in lateinischer Schrift und in der Schreibweise wiedergibt, die dem Berichtigungsantrag zugrunde liegt. Ein Reisepass ist als ‚andere Urkunde’ im Sinne des Art. 2 NamÜbK anzuerkennen (BGH, FamRZ 1994, 225). Dass der Reisepass erst nach der ersten Beurkundung ausgestellt wurde, steht einer auf seinen Inhalt gestützten Berichtigung des Registereintrags nicht entgegen (OLG München, FamRZ 2010, 75 (IPRspr 2009-289); OLG Stuttgart, StAZ 2005, 77; OLG Hamm, StAZ 2002, 124 und 2006, 166 (IPRspr. 2006 Nr. 218); KG, StAZ 2000, 216).

[5]Allerdings setzt eine Anweisung zur Berichtigung nach §§ 48, 47 PStG grundsätzlich das Vorliegen einer von Anfang an bestehenden Unrichtigkeit des Personenstandseintrags voraus (OLG München aaO Tz. 13). Beruhte die erste Registereintragung – wie hier – auf einem seinerzeit gültigen und gemäß Art. 2 NamÜbK verbindlichen Reisepass (die in der Standesamtsakte enthaltene Kopie des alten Reisepasses wies entgegen dem Antragstellervorbringen den vollständigen Namen des ASt. in der beurkundeten Schreibweise aus), stellt sich die Frage, ob bei einer abweichenden Transliteration in einem neueren Reisepass dessen Schreibweise des Namens ohne weiteres als von Anfang an zutreffend unterstellt und der Berichtigung des Registereintrags zugrunde gelegt werden kann (offengelassen in OLG München aaO; OLG Stuttgart aaO; OLG Hamm, StAZ 2006 aaO Tz. 6; a.A. AG Hagen, StAZ 2005, 363 (IPRspr 2005-197); Staudinger-Hepting aaO Rz. 58).

[6]Für diese Sichtweise lassen sich folgende Gesichtspunkte anführen: Es könne dem ausländischen Staat nicht verwehrt werden, die lateinische Schreibweise der Namen seiner Staatsangehörigen zu ändern; infolge der Bindungswirkung des Art. 2 NamÜbK sei die im jeweils aktuellen Ausweis gewählte Transliteration für Eintragungen in deutsche Personenstandsregister als die von Anfang an richtige Schreibweise anzusehen (OLG München aaO). Jedenfalls dann, wenn nichts dafür ersichtlich sei, dass die aus dem aktuellen Reisepass zu entnehmende Schreibweise des Namens auf einem zwischenzeitlich eingetretenen Sachverhalt beruht, dem keine Rückwirkung auf den Eintragungszeitpunkt zukommt, sei die Berichtigung ohne weiteres auf der Grundlage des neuen Reisepasses vorzunehmen; in solchen Fällen bestehe kein Anlass, in Ermittlungen von Amts wegen einzutreten (KG aaO Tz. 7). Die Maßgeblichkeit des jeweils zeitlich letzten Ausweispapiers lässt sich auch mit der Überlegung begründen, dass der ausländische Staat durch eine abweichende Transliteration in einem neueren Dokument entweder einen früheren Fehler korrigiert oder aber veränderte Transliterationsregeln anwendet; Letzteres wirkt ebenso wie eine Änderung der Rspr. (dazu BGH, StAZ 1991, 103 (IPRspr. 1990 Nr. 17); OLG Stuttgart aaO m.w.N.) auf den urspr. Beurkundungszeitpunkt zurück. Ob vorstehende Aspekte für sich genommen ausreichen, um die Transliteration in dem neuesten Reisepass des Betroffenen für Berichtigungen abgeschlossener Registereinträge als maßgeblich anzusehen, kann im Ergebnis dahinstehen. Im vorliegenden Fall kommt nämlich hinzu, dass die Schreibweise des Namens des ASt. bei den Geburtseinträgen seiner beiden Kinder voneinander abweicht. Gemäß Art. 6 NamÜbK sind in derartigen Fällen ggf. Maßnahmen zu ergreifen, um die Abweichungen zu beseitigen. Art. 6 NamÜbK zielt zwar in erster Linie auf die Beseitigung von unterschiedlichen Schreibweisen in den Urkunden verschiedener Mitgliedstaaten ab, muss seinem Sinn nach aber erst recht Anwendung finden, wenn sich – wie hier – in den Personenstandsregistern eines einzigen Mitgliedstaats unterschiedliche Schreibweisen ein und derselben Person finden. Liegt eine derartige Situation vor, die in jedem Fall die Berichtigung eines von zwei divergierenden abgeschlossenen Registereinträgen gebietet, ist es allein sachgerecht, die Berichtigung anhand der aktuell gültigen, zum Entscheidungszeitpunkt gemäß Art. 2 NamÜbK verbindlichen ausländischen Urkunden vorzunehmen.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2014, 1554
FGPrax, 2014, 280
StAZ, 2015, 81

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2014-11

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