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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 06.07.2011 – 31 Wx 103/11, IPRspr 2011-73

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Eingehung, Wirksamkeit
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Namens- und familienrechtliche Sachen (bis 2019)

Leitsatz

Eine nach ausländischem Recht geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe ist als eingetragene Lebenspartnerschaft im Sinne von Art. 17b EGBGB zu qualifizieren und in das Lebenspartnerschaftsregister einzutragen.

Rechtsnormen

EGBGB Art. 13; EGBGB Art. 17b
FamFG §§ 58 ff.
PStG § 34; PStG § 35; PStG § 51; PStG § 53

Sachverhalt

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind ein Deutscher und ein Spanier männlichen Geschlechts. Sie haben 2007 in P., Teneriffa/Spanien, die Ehe geschlossen. Sie leben nunmehr in Deutschland und haben hier die Nachbeurkundung im Lebenspartnerschaftsregister beantragt.

Das Standesamt hat die Eintragung abgelehnt. Auf Antrag hat das AG das Standesamt angewiesen, die beantragte Eintragung vorzunehmen. Mit der Beschwerde möchte die Standesamtsaufsicht eine obergerichtliche Klärung der anstehenden Rechtsfrage herbeiführen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige Beschwerde (§§ 51, 53 II PStG, 58 ff. FamFG) führt zur Bestätigung der amtsgerichtlichen Entscheidung. Eine im Ausland nach ausländischem Recht geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe ist als eingetragene Lebenspartnerschaft im Sinne von Art. 17b EGBGB zu qualifizieren und nach § 35 PStG im deutschen Lebenspartnerschaftsregister einzutragen.

[2]1. Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass eine im Ausland nach der dortigen Rechtsordnung in zulässiger Weise geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe über Art. 13 EGBGB – der für die Ehe geltenden Kollisionsnorm – anzuknüpfen ist (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 70. Aufl., Art. 17b EGBGB Rz. 1; Röthel, IPRax 2002, 496; Kissner, StAZ 2010, 119). Nach dieser Meinung wäre die im Ausland geschlossene Ehe eines Deutschen wegen der Heimatrechtsanknüpfung in Art. 13 EGBGB aus deutscher Sicht unwirksam; denn in Deutschland ist die Ehe verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten (vgl. BVerfG, NJW 1993, 3058). Dieses Ergebnis wird indes weder den Interessen der Beteiligten noch dem Umstand gerecht, dass beide Rechtsordnungen eine gleichgeschlechtliche rechtsförmliche Verbindung zulassen, sei es, wie in Spanien, in der Form der Ehe, sei es, wie in Deutschland, in der als aliud zur Ehe verstandenen Form der eingetragenen Lebenspartnerschaft.

[3]2. Zu Recht geht die Rspr. und nunmehr h.M. einen anderen Weg und knüpft über Art. 17b EGBGB – der für die eingetragene Lebenspartnerschaft geltenden Kollisionsnorm – an (vgl. BFH, IPRax 2006, 287; KG, StAZ 2011, 181 (IPRspr 2011-71); OLG Zweibrücken, StAZ 2011, 184 (IPRspr 2011-75b) [u. Vorinstanz:] LG Kaiserslautern, StAZ 2011, 114; AG Schöneberg vom 22.12.2010 – 70 III 130/10; AG Münster, StAZ 2010, 211 (IPRspr 2010-92); VG Karlsruhe, IPRax 2006, 284; VG Berlin, IPRax 2011, 270 (IPRspr 2010-87); Staudinger-Mankowski, BGB [2011] Art. 17b EGBGB Rz. 22 ff./24 m.w.N.; MünchKomm-Coester, 5. Aufl., Art. 17b EGBGB Rz. 143 ff./146f. m.w.N.; Bamberger-Roth-Heiderhoff, BGB, 3. Aufl., Art. 17b EGBGB Rz. 12; Hepting, Deutsches und internationales Familienrecht im Personenstandsrecht, 2010, Rz. III-860 ff./866; Andrae/Abbas, StAZ 2011, 97/102; Mankowski/Höffmann, IPRax 2011, 247/250 f.; Bruns, StAZ 2010, 187f.; Buschbaum, RNotZ 2010, 73/82; Henrich, FamRZ 2002, 137/138; Krömer, StAZ 2005, 239/240). Die Anknüpfung an Art. 17b EGBGB hält auch der Senat für richtig. Der Gesetzgeber hat das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer eigenen Kollisionsnorm, Art. 17b EGBGB, flankiert. Sie kann bei der gebotenen funktionalen Betrachtung ohne weiteres als spezielles Anknüpfungsregime für jede rechtlich anerkannte, rechtsförmliche, gleichgeschlechtliche Verbindung verstanden werden, unabhängig davon, ob die ausländische Rechtsordnung für eine solche rechtsförmliche gleichgeschlechtliche Verbindung das Institut der Ehe oder eine andere Form rechtlich anerkannter Partnerschaft (oder, wie im Fall der Niederlande, wahlweise beides) zur Verfügung stellt. Die in Art. 17b EGBGB vorgesehene Anknüpfung an das Recht des Registrierungsorts hilft zudem, sog. hinkende Rechtsverhältnisse zu vermeiden, die ansonsten in wachsender Zahl zu befürchten wären (vgl. zur Entwicklung gleichgeschlechtlicher Ehen im Ausland Mankowski/Höffmann aaO 248 ff.). Sie führt zu einem rechtspolitisch erwünschten und den Interessen der Beteiligten gerecht werdenden Ergebnis.

[4]3. Die in Spanien nach dem Recht des Registerstaats wirksam geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe wird nicht in das deutsche Eheregister eingetragen (§ 34 PStG; hierzu AG Köln, StAZ 2010, 114 (IPRspr 2010-311a)). Richtig ist, wie hier auch beantragt, die Eintragung in das Lebenspartnerschaftsregister (§ 35 PStG). Insoweit ist § 35 PStG in dem gleichen (kollisionsrechtlich weiten) Sinn zu verstehen wie Art. 17b EGBGB (vgl. MünchKomm-Coester aaO Rz. 102). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt diese Sichtweise, wie mehrere Gerichte und Autoren bereits ausführlich dargelegt haben, auf deren Ausführungen hier Bezug genommen werden kann (vgl. nur OLG Zweibrücken, LG Kaiserslautern, Bruns je aaO, u. Hinw. auf BR-Drucks. 616/05 [Beschluss] S. 13/14; BT-Drucks. 16/1831 S. 75). Die inländischen Wirkungen der im Ausland eingegangenen rechtsförmlichen gleichgeschlechtlichen Verbindung gehen nicht weiter als nach den Vorschriften des BGB und des LPartG vorgesehen (Art. 17b IV EGBGB).

Fundstellen

nur Leitsatz

DNotI-Report, 2011, 172

LS und Gründe

FamRZ, 2011, 1526
FGPrax, 2011, 249
StAZ, 2011, 308

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2011-73

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