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Verfahrensgang

OLG Celle, Beschl. vom 24.07.2009 – 13 W 48/09, IPRspr 2009-181

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genügt auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen des Art. 23 I 3 EuGVO an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt wird oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliegt.

Rechtsnormen

CISG Art. 1; CISG Art. 7; CISG Art. 8; CISG Art. 14; CISG Art. 18
EGBGB Art. 31
EUGVVO 44/2001 Art. 2; EUGVVO 44/2001 Art. 5; EUGVVO 44/2001 Art. 23; EUGVVO 44/2001 Art. 60
ZPO § 91a; ZPO §§ 567 ff.

Sachverhalt

Mit Faxschreiben vom 11.12.2006 bestellte die in W./Österreich ansässige Bekl. Ware bei der Kl., einer in Deutschland ansässigen Soft- und Hardeware-Herstellerin. Diesen Auftrag bestätigte die Kl. mit Faxschreiben vom selben Datum; auf S. 3 wurde darauf hingewiesen, dass die AGB der Kl. gelten und diese auf ihrer Internetseite sowie in ihren Geschäftsräumen einsehbar seien. In den AGB der Kl. heißt es u.a.:

„10.1. Die Rechtsbeziehungen der Parteien unterliegen ausschließlich dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ...

10.3. Gerichtsstand für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung ... ist D. Die a.t. kann nach ihrer Wahl auch am Sitz ihres Vertragspartners klagen.“

Nachdem die Bekl. am 15.1.2007 vereinbarungsgemäß einen Betrag an die Kl. im Voraus gezahlt hatte, wurden die bestellten Einheiten Anfang Februar 2007 an die Bekl. geliefert. Nachdem die Bekl. den mit der Klage geltend gemachten Restkaufpreis zzgl. Zinsen am 21.11.2008 beglichen hatte, haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt. Mit Beschluss vom 27.5.2009 hat das LG Verden die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Gegen diesen Beschluss hat die Kl. mit einem beim LG Verden am 5.6.2009 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde erhoben. Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Kl. nicht abgeholfen und die Sache durch Beschluss vom 9.6.2009 dem OLG Celle zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die sofortige Beschwerde der Kl. ist gemäß § 91a II ZPO i.V.m. den §§ 567 ff. ZPO zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das LG nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen gegeneinander aufgehoben.

[2]1. Entgegen der Auffassung der Kl. konnte das LG Verden seine (internationale) Zuständigkeit nicht aufgrund des unstreitigen Parteivorbringens unter Berücksichtigung der zur Akte gereichten Unterlagen annehmen.

[3]a) Nach Art. 2 I, 60 I EuGVO sind Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU haben, vorbehaltlich davon abweichender Vorschriften der Verordnung vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Für Klagen gegen die in Österreich ansässige Bekl. sind damit grundsätzlich die österreichischen Gerichte zuständig.

[4]b) Ohne Erfolg beruft sich die Kl. darauf, dass auf der Grundlage des unstreitigen Parteivortrags eine davon abweichende wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde. Die Voraussetzung des Art. 23 I 1 EuGVO, der für den Fall einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung die nach Art. 2 I EuGVO begründete allgemeine Zuständigkeit ausschließt und in seinem Anwendungsbereich das nationale Recht vollkommen verdrängt (OLG Schleswig, OLGR 2009, 309 ff. (IPRspr 2008-12), zit. n. juris Tz. 24), sind danach in Bezug auf die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit gemäß 10.3 der AGB der Kl. nicht erfüllt.

[5]aa) Es kann nach dem unstreitigen Parteivortrag nicht festgestellt werden, dass die Parteien in Bezug auf die Gerichtsstandsklausel in 10.3. der AGB der Kl. eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung mit schriftlicher Bestätigung im Sinne des Art. 23 I 3 lit. a EuGVO getroffen haben.

[6](1) Angesichts der möglichen Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Parteien im Prozess sind die in Art. 23 I 3 EuGVO aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen. Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt gemäß Art. 23 I 3 lit. a EuGVO voraus, dass die die Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien gewesen sein muss, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die Formerfordernisse des – autonom, d. h. anhand der Zielsetzung und Systematik der EuGVO auszulegenden (vgl. zum früheren EuGVÜ: BGH, Urt. vom 25.2.2004 – VIII ZR 119/03, NJW-RR 2004, 1292 f. (IPRspr 2004-94b); Zöller-Geimer, ZPO, 27. Aufl., Art. 23 EuGVVO Rz. 21 m.w.N.; offen gelassen in: OLG Düsseldorf, OLGR 2004, 208 ff. (IPRspr 2004-103), zit. n. juris Tz. 38) – Art. 23 I 3 lit. a EuGVO sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht (vgl. EuGH, NJW 1977, 494 zu Art. 17 I EuGVÜ).

[7]Gemessen an diesen strengen Formerfordernissen kann die Bezugnahme auf AGB, die ihrerseits eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, nur ausreichen, wenn die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregelung tatsächlich feststeht (EuGH aaO; OLG Oldenburg, OLGR 2008, 694, 696 (IPRspr 2007-158)). Demzufolge war allein der ausdrückliche Hinweis in der Auftragsbestätigung der Kl. vom 11.12.2006 auf die Geltung ihrer – dem Schreiben nicht beigelegten – AGB und auf die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme in ihren Geschäftsräumen oder auf ihrer Internetseite nicht ausreichend, um feststellen zu können, dass die Bekl. ihre Zustimmung zu der in 10.3. der klägerischen AGB enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich erteilt hat (vgl. OLG Oldenburg aaO). Dafür wäre zudem erforderlich, dass die AGB der Bekl. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlagen. Dies lässt sich jedoch dem unstreitigen Sachvortrag, einschließlich der von der Kl. vorgelegten und von einer Mitarbeiterin der Bekl. verfassten E-Mail vom 5.1.2007 – anders als die Beschwerdebegründung Glauben machen will – nicht entnehmen. Dort bestätigt die Mitarbeiterin der Bekl. lediglich, dass sie die AB (Auftragsbestätigung) erhalten habe, nicht jedoch, dass ihr die AGB der Kl. übermittelt worden seien.

[8](2) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn man hinsichtlich einer Willenseinigung durch Einbeziehung von AGB nicht die autonome Auslegung des Art. 23 I 3 EuGVO zugrunde legte, sondern auf das Vertragsstatut des Hauptvertrags abstellte. In diesem Fall genügte allein der Hinweis auf die Einsehbarkeit der AGB in den Geschäftsräumen der Kl. oder auf ihrer Internetseite ebenfalls nicht.

[9]10.1. der AGB der Kl. sieht vor, dass die Rechtsbeziehungen der Parteien ausschließlich dem Recht der Bundesrepublik Deutschland unterliegen sollen. Da zur Beurteilung der Wirksamkeit einer in AGB enthaltenen Rechtswahlklausel nach Art. 31 I EGBGB das Recht maßgebend ist, das nach der Klausel angewendet werden soll (BGHZ, 123, 380, 383; (IPRspr. 1993 Nr. 37) BGH, Urt. vom 25.1.2005 – XI ZR 78/04, NJW-RR 2005, 1071, 1072 (IPRspr 2005-12)), richten sich die Voraussetzungen hier nach deutschem Recht. Die Verweisung auf deutsches Recht führt grundsätzlich zur Maßgeblichkeit des UN-Kaufrechts, das als Bestandteil des deutschen Rechts und Spezialgesetz für den internationalen Warenkauf dem unvereinheitlichten deutschen Kaufrecht vorgeht (BGHZ 96, 313, 322 f. (IPRspr. 1985 Nr. 32); BGH, Urt. vom 25.11.1998 – VIII ZR 259/97, NJW 1999, 1259, 1260 (IPRspr. 1998 Nr. 36)). Demzufolge beurteilt sich die Einbeziehung von AGB in einem Vertrag, der – wie hier – dem UN-Kaufrecht unterliegt, nach den für diesen geltenden Vertragsabschlussvorschriften (Art. 14, 18 CISG).

[10]Nach Art. 8 CISG ist insoweit erforderlich, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, dem AGB zugrunde gelegt werden sollen, die Möglichkeit haben muss, von diesem in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (BGHZ 149, 113, 116 f.) (IPRspr. 2001 Nr. 26b). Dafür ist neben dem erkennbaren Einbeziehungswillen vom Verwender der AGB im Einheitskaufrecht zu fordern, dass er dem Erklärungsgegner deren Text übersendet oder anderweitig zugänglich macht (BGHZ aaO m.w.N.).

[11]Soweit im deutschen unvereinheitlichten Recht im Verkehr zwischen Unternehmen die in Bezug genommenen AGB dagegen auch dann Vertragsinhalt werden, wenn der Kunde sie nicht kennt, jedoch die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme hat (BGHZ 117, 190, 198; 149 aaO 118 m.w.N.), ist diese den unternehmerisch tätigen Vertragspartner nach Treu und Glauben treffende Erkundigungspflicht auf den internationalen Handelsverkehr nicht in gleicher Weise übertragbar (BGHZ 149 aaO). In Anbetracht der erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Klauselwerken und der fehlenden Differenzierung bei der Anwendung des CISG zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten (Art. 1 III CISG) widerspräche es dem Grundsatz des guten Glaubens im internationalen Handel (Art. 7 I CISG) sowie der allgemeinen Kooperations- und Informationspflicht der Parteien, dem Vertragspartner eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der nicht übersandten Klauselwerke aufzuerlegen und ihm die Risiken und Nachteile nicht bekannter gegnerischer AGB aufzubürden (BGHZ 149 aaO 118 f.).

[12]bb) Der Gerichtsstand Deutschland ist nach dem unstreitigen Parteivortrag auch nicht gemäß Art. 23 I 3 lit. b EuGVO durch die Gepflogenheiten der Parteien wirksam vereinbart worden. Ob angesichts des vorangegangenen Kaufvertrags aus dem Jahr 2004 bereits die Voraussetzungen einer laufenden Geschäftsbeziehung gegeben waren (vgl. dazu Zöller-Geimer aaO Rz. 30), kann dahinstehen. Nach Art. 23 I 3 lit. b EuGVO wird lediglich auf die Schriftform verzichtet, aber weiterhin eine rechtsgeschäftliche Willenseinigung der Parteien hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel verlangt. Das ist nach dem unstreitigen Sachvortrag – wie bereits dargelegt – nicht festzustellen, da die hierfür erforderliche Übersendung der AGB bei dem früheren Kaufvertrag zwischen den Parteien im Streit steht.

[13]cc) Dass eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 I 3 lit. c EuGVO aufgrund internationalen Handelsbrauchs zustande gekommen sei, ist von der Kl. bereits nicht vorgetragen worden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Einbeziehung nicht ausgehändigter AGB in den Vertrag durch bloße Bezugnahme einem internationalen Handelsbrauch entspricht (vgl. OLG Oldenburg, OLGR aaO 697).

[14]c) Eine besondere Zuständigkeit deutscher Gerichte wurde vorliegend auch nicht nach Art. 5 Nr. 1 lit. b Halbs. 1 EuGVO begründet. Danach ist der Erfüllungsort für Kaufverträge über bewegliche Sachen prozessrechtlich autonom danach zu bestimmen, an welchem Ort die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen (BGH, Urt. vom 22.4.2009 – VIII ZR 156/07 (IPRspr 2009-174), zit. n. juris Tz. 17). Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nicht festzustellen, dass der Erfüllungsort für die charakteristische Vertragspflicht der von der Bekl. in Auftrag gegebenen Bestellungen der Geschäftssitz der Kl. sein sollte. Vielmehr ist der Geschäftssitz der Bekl. in W./Österreich, an den die Waren auch tatsächlich geliefert wurden, als Erfüllungsort anzusehen (vgl. auch OLG Hamm, OLGR 2006, 327, 329 (IPRspr 2005-127)).

[15]Die Parteien haben auch keine anderweitige Bestimmung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b Halbs. 1 EuGVO durch den in 10.3. der AGB der Kl. vorgesehenen Erfüllungsort Deutschland vereinbart. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Vereinbarung des Erfüllungsorts richtet sich nach dem auf den Vertrag anwendbaren innerstaatlichen Recht und wirkt sich auf den Gerichtsstand unabhängig davon aus, ob die Formvorschriften nach Art. 23 I 3 EuGVO beachtet wurden (EuGH, WM 1980, 720; OLG Düsseldorf, OLGR aaO 213). Die entsprechende Klausel in den AGB der Kl. vermag aber nach dem unstreitigen Parteivortrag mangels wirksamer Einbeziehung – wie bereits unter 1. b) aa) (2) dargelegt – eine Zuständigkeit des LG Verden nicht zu begründen.

[16]2. Eine Zuständigkeit des LG Verden könnte sich daher nur durch eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 I 3 lit. b EuGVO ergeben. Dies hätte vorausgesetzt, dass die Kl. ihren Vortrag, wonach sie ihre AGB bereits bei Abschluss des vorausgegangenen Vertrags zwischen den Parteien im November 2004 vorgelegt gehabt habe, bewiesen hätte. Denn hätten die Parteien zuvor ihre Geschäftsbeziehung in Übereinstimmung mit dieser Gepflogenheit abgewickelt, verstieße diejenige Partei gegen Treu und Glauben, die sich auf einmal nicht mehr an die Gepflogenheiten gebunden fühlte (BGH, Urt. vom 25.2.2004 aaO). Infolgedessen wäre es entscheidend auf den Ausgang der Beweisaufnahme zu dieser Frage angekommen, deren Ausgang offen war.

Fundstellen

LS und Gründe

Europ. Leg. Forum, 2009, II-100
K&R, 2009, 655
CR, 2010, 17
EuZW, 2010, 118
IHR, 2010, 81
NJW-RR, 2010, 136
RIW, 2010, 164, mit Anm. Jungemeyer

nur Leitsatz

MMR, 2009, 799
NJ, 2010, 37, mit Anm. Lilja

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2009-181

Lizenz

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