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Verfahrensgang

OLG Oldenburg, Urt. vom 20.12.2007 – 8 U 138/07, IPRspr 2007-158

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand
Zuständigkeit → Besonderer Deliktsgerichtsstand

Leitsatz

Enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des einen Vertragsteils eine Gerichtsstandsvereinbarung und liegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem anderen Vertragsteil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vor, so bringt das generelle Einverständnis der anderen Vertragspartei mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mit der nach Art. 23 I 3 lit. a EuGVO gebotenen Klarheit zum Ausdruck, dass sich die Zustimmung auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung erstreckt.

Es existiert kein internationaler Handelsbrauch im Sinne von Art. 23 I 3 lit. c EuGVO, der besagt, dass bereits durch bloße Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem anderen Vertragsteil noch nicht ausgehändigt worden sind, eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründet wird.

Nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist der Erfüllungsort für Kaufverträge über bewegliche Sachen autonom danach zu bestimmen, an welchem Ort die Sachen nach dem Vertrag tatsächlich geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Dies gilt auch für die dem UN-Übereinkommen über Verträge und über den internationalen Warenkauf vom 11. 4. 1980 (BGBl. 1989 II 586; im Folgenden CISG) unterliegenden Kaufverträge.

Zur Begründung der besonderen Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO reicht es zwar aus, dass die Verletzung des geschützten Rechtsguts durch eine unerlaubte Handlung im Inland schlüssig dargestellt wird und diese Verletzung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Liegt danach aber weder der Handlungsort noch der Erfolgsort im Inland, sondern ist nur ein Vermögensschaden im Inland eingetreten, so ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO nicht gegeben.

Ein international unzuständiges Gericht wird nach Art. 24 Satz 1 EuGVO nicht schon dann durch rügelose Einlassung des Beklagten zuständig, wenn der Beklagte neben seiner Rüge der internationalen Zuständigkeit auch hilfsweise Ausführungen zur Sache macht.

Rechtsnormen

CISG Art. 1; CISG Art. 3; CISG Art. 31
EUGVVO 44/2001 Art. 2; EUGVVO 44/2001 Art. 5; EUGVVO 44/2001 Art. 23; EUGVVO 44/2001 Art. 24; EUGVVO 44/2001 Art. 60
GVG § 114
ZPO § 513

Sachverhalt

[Die Revision schwebt beim BGH unter dem Az. VIII ZR 39/08.]


Die Kl. macht vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche geltend.

Die Kl., ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Oldenburg, bestellte bei der in Spanien ansässigen Bekl. Werkzeuge.

In den in den Bestellungen in Bezug genommenen AEB heißt es unter 29/2 und 29/5 wie folgt: „29/2 – Es gilt ausschließlich das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss etwaiger Kollisionsnormen des deutschen IPR, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die Geltung des UN-Kaufrechts ist ausgeschlossen. (...) 29/5 – Ausschließlicher Gerichtsstand ist Osnabrück als Sitz der AG. Die AG ist jedoch berechtigt, den AN auch an seinem Geschäftssitz zu verklagen.“

Im Rahmen der Vertragsdurchführung kam es zu Verzögerungen und Fehlern seitens der Bekl.; die Einzelheiten sind zwischen den Parteien streitig.

Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens forderte die Kl. die Bekl. zur Zahlung von Schadensersatz für die Kosten zur Herstellung der Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit der Werkzeuge sowie für die Kosten zur Nacharbeitung der Werkzeuge auf. Sodann erhob sie Klage vor dem LG Osnabrück.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Kl., mit der sie im Wesentlichen ihren erstinstanzlich geltend gemachten Schadensersatzanspruch weiter verfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die zulässige Berufung der Kl. muss zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.

[2]Im Einzelnen gilt Folgendes ...

[3]B. Das LG Osnabrück ist für die von der Kl. erhobene Klage international nicht zuständig. Dies muss zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.

[4]I. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist auch in höheren Rechtszügen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, WM 1987, 1089 = NJW 1987, 3081 (IPRspr. 1987 Nr. 131)). § 513 II ZPO betrifft nur die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit und steht einer solchen Prüfung im Berufungsverfahren nicht entgegen (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 513 Rz. 8 m.w.N.).

[5]II. Das LG Osnabrück ist international weder aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung noch gesetzlich oder kraft rügeloser Einlassung zuständig.

[6]1) Gemäß Art. 2 I, 60 I EuGVO sind Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU haben, vorbehaltlich der Vorschriften der Verordnung vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Für Klagen gegen die in B./Spanien ansässige Bekl. sind damit grundsätzlich die spanischen Gerichte zuständig.

[7]2) Zwischen den Parteien ist keine davon abweichende wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen worden. Die Voraussetzungen des Art. 23 I 1 EuGVO, der für den Fall einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung die nach Art. 2 I EuGVO begründete allgemeine Zuständigkeit ausschließt, sind in Bezug auf die Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit in 29/5 der AEB der Kl. nicht erfüllt.

[8]a) Es kann nicht festgestellt werden, dass die Parteien in Bezug auf die Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach 29/5 der AEB eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung oder eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung mit schriftlicher Bestätigung im Sinne von Art. 23 I 3 lit. a EuGVO getroffen haben.

[9]Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 23 I 3 EuGVO vorliegen, ist davon auszugehen, dass angesichts der möglichen Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Stellung der Parteien im Prozess die in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen eng auszulegen sind. Da Art. 23 I 1 EuGVO hierfür eine ‚Vereinbarung’ verlangt, ist in erster Linie zu prüfen, ob die die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Klausel tatsächlich Gegenstand der Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die Formerfordernisse des Art. 23 I EuGVO sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht (vgl. EuGH, NJW 1977, 494 zu Art. 17 I EuGVÜ).

[10]Unter Beachtung dieser Grundsätze kann zwar die Bezugnahme in den Formen des Art. 23 I EuGVO auf AGB, die wie hier ihrerseits eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, ausreichen (vgl. BGH, WM 1994, 1088 = NJW 1994, 2699 (IPRspr. 1994 Nr. 137); BGH, NJW 1996, 1819 (IPRspr. 1996 Nr. 147) jeweils zu Art. 17 I EuGVÜ), wobei es grundsätzlich keines besonderen Hinweises auf die Gerichtsstandsvereinbarung bedarf (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 23 EuGVO Rz. 38. Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 23 EuGVVO Rz 86). Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregelung tatsächlich feststeht (vgl. EuGH aaO).

[11]Die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen bieten in dem genannten Sinne keine Gewähr dafür, dass die Bekl. der Zuständigkeitsregelung in 29/5 der AGB zugestimmt hat.

[12]Zwar enthielten die von der Bekl. angenommenen und durch ihre Unterschrift bis auf eine nicht die Zuständigkeitsregelung betreffende Änderung angenommenen Bestellungen der Kl. ausdrücklich den Hinweis, dass die AEB der Kl. Vertragsbestandteil sind. Dies reicht aber nicht aus, um feststellen zu können, dass die Bekl. ihre Zustimmung zu der in den AEB enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung erteilt hat. Denn dafür ist erforderlich, dass die AGB der Bekl. im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlagen. Erst damit ist gewährleistet, dass die Bekl. der Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt hat, und sind die strengen Formvorschriften des Art. 23 I 3 lit. a EuGVO erfüllt (vgl. OLG Düsseldorf, WM 2000, 2192 ff., 2193 (IPRspr. 2000 Nr. 119) zu Art. 17 EuGVÜ; Kropholler aaO Rz. 35).

[13]Die Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1994, 2699 (IPRspr. 1994 Nr. 137); NJW 1996, 1819 (IPRspr. 1996 Nr. 147)) rechtfertigt keine abweichende Betrachtung. Soweit der BGH eine ausdrückliche Bezugnahme auf die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenen AGB dann für ausreichend angesehen hat, wenn der Vertragspartner bei normaler Sorgfalt von den die Gerichtsstandsvereinbarung umfassenden AGB Kenntnis nehmen konnte, ging es jeweils um die Anforderungen an die Bezugnahme und nicht um die Frage, ob die betreffenden AGB dem Vertragspartner vorliegen müssen.

[14]Der BGH (WM 2002, 442 ff., 444) (IPRspr. 2001 Nr. 26b) hat zudem bei Verträgen, die dem CISG unterliegen, die Auffassung vertreten, dass die Einbeziehung von AGB in die vertraglichen Vereinbarungen voraussetzt, dass der Verwender seinem Kunden die AGB unaufgefordert übersendet oder anderweitig zugänglich macht.

[15]Diese Rechtsprechung gilt auch für den vorliegenden Fall. Denn einmal handelt es sich bei den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen um ‚Kaufverträge über Waren’ im Sinne von Art. 1 I CISG. Dies folgt daraus, dass die Bekl. aufgrund der Bestellungen der Kl. die Werkzeuge im Wesentlichen aus eigenen Mitteln herstellen und an die Kl. liefern sollte. Solche Werklieferungsverträge sind aber gemäß Art. 3 I CISG Kaufverträgen im Sinne von Art. 1 I CISG gleichzusetzen (vgl. Schlechtriem-Schwenzer-Ferrari, Kommentar zum Einheiltichen Kaufrecht – CISG, 4. Aufl., Art. 1 Rz. 24, Art. 3 Rz. 6). Dafür, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 3 II CISG, d.h. ein Überwiegen der Ausführung von Arbeiten durch den Lieferanten, vorliegt, ist nichts ersichtlich und nichts von der beweispflichtigen Kl. (vgl. Schlechtriem-Schwenzer-Ferrari aaO Art. 3 Rz. 20) dargetan. Soweit sich die Bekl. nach den Nrn. 2, 3 der Vereinbarungen vom 26.5. und 8.7.2005 verpflichtet hatte, Techniker zur Erklärung der Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, handelt es sich erkennbar um eine Nebenpflicht, die hinter der Pflicht der Bekl., die Werkzeuge herzustellen und zu liefern, keinen überwiegenden Anteil an den Pflichten der Bekl. hat.

[16]Zum anderen gilt der Ausschluss der Anwendung des CISG nach 29/2 der AEB der Kl. nur, wenn diese AGB Vertragsbestandteil geworden sind (vgl. Schlechtriem-Schwenzer-Ferrari aaO Art. 6 Rz. 17). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist aber gerade unter Anwendung des UN-Kaufrechts zu prüfen.

[17]Im Übrigen sind ausdrückliche mündliche und schriftliche Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB nicht ausreichend, wenn die AGB erst mit der schriftlichen Auftragsbestätigung übersandt (vgl. EuGH aaO) oder ihr Abdruck in einem dem Vertragspartner möglicherweise sogar vorliegenden früheren Auktionskatalog nicht besonders mitgeteilt wurden (vgl. BGH, NJW 1996, 1819 f. (IPRspr. 1996 Nr. 147)). Darüber hinaus entspricht es ganz überwiegender Auffassung, dass ein schriftlicher Vertragsschluss unter Bezugnahme auf ein früheres Angebot, das seinerseits auf die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden AGB hinweist, nur dann den Anforderungen des Art. 23 I 3 lit. a EuGVO genügt, wenn die AGB dem anderen Vertragspartner tatsächlich zugegangen sind (vgl. Kropholler aaO Rz.36; Geimer-Schütze aaO Rz 87).

[18]Aus dem Vorstehenden folgt, dass es nicht genügt, eine hinreichend deutliche Zustimmung zu einer Gerichtsstandsvereinbarung bereits dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner des Verwenders Gelegenheit hatte, die AGB anzufordern und sich dadurch über ihren Inhalt zu informieren. Erforderlich ist vielmehr, dass der Text der AGB im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem Vertragspartner des Verwenders vorliegt.

[19]Es steht im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht fest, dass die AEB der Kl. der Bekl. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 11./19.5.2004 vorlagen. Soweit die Kl. vorgetragen hat, dass sie der Bekl. ihre AEB mit E-Mail vom 11.6.2004 übersandt habe, ist dies unbeachtlich. Denn selbst wenn diese von der Bekl. bestrittene Behauptung zuträfe, ergibt sich daraus nicht, dass der Bekl. die AEB bereits im Zeitpunkt des Vertragschlusses vorlagen. Gleiches gilt, soweit in der Anfrage der Kl. an die Firma L. mit Schreiben vom 5.2.2004 darauf hingewiesen worden ist, dass den abzugebenden Angeboten die AEB der Kl. zugrunde zu legen sind. Denn diese AGB der Kl. waren unstreitig dem Schreiben nicht beigefügt.

[20]Im Übrigen hat die Kl. nicht nachgewiesen, dass sie ihre AEB der Bekl. während der früheren Zusammenarbeit mit ihr, die nach dem Schreiben der Bekl. vom 11.4.2005 20 Jahre lang gedauert haben soll, vorgelegt hatte. Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass die Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB der Kl. im Sinne von Art. 23 I 3 lit. b EuGVO in einer Form Vertragsbestandteil geworden ist, die den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entspricht.

[21]b) Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung ist auch nicht nach Art. 23 I 3 lit. c EuGVO aufgrund internationalen Handelsbrauchs zustande gekommen.

[22]Die von dem LG aufgrund eigener Sachkunde (§ 114 GVG) angenommene Branchenüblichkeit der Bezugnahme auf Einkaufsbedingungen in der Automobilindustrie im rechtsgeschäftlichen Verkehr zwischen Hersteller und Zulieferer reicht dafür nicht aus. Für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 I 3 lit. c EuGVO wäre vielmehr erforderlich, dass nicht nur die Einbeziehung nicht ausgehändigter AGB in den Vertrag durch bloße Bezugnahme, sondern auch die Vereinbarung eines anderen internationalen Gerichtsstands gerade auf diesem Weg einem internationalen Handelsbrauch entspricht (vgl. OLG Düsseldorf aaO 2195). Das hat aber das LG nicht aufgrund eigener Sachkunde festgestellt. Dafür ist im Übrigen nichts ersichtlich und nichts von der Kl. substantiiert dargetan worden. Soweit die Kl. vorgetragen hat, die Zurverfügungstellung ihrer AEB auf ihrer Homepage stelle in der Automobilbranche einen Handelsbrauch dar, hat sie damit nicht verdeutlicht, dass ein internationaler Handelsbrauch besteht, dass auf diesem Weg die Vereinbarung eines internationalen Gerichtsstands zustande kommt.

[23]3) Eine besondere Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist im vorliegenden Fall nicht begründet. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass der Erfüllungsort für die Hauptpflicht der Bekl. aus den von der Kl. aufgegebenen Bestellungen der Geschäftssitz der Kl. sein sollte.

[24]Nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist der Erfüllungsort für Kaufverträge über bewegliche Sachen in Abkehr von der Tessili- und De-Bloos-Rechtsprechung des EuGH (vgl. dazu Kropholler aaO Art. 5 EuGVO Rz. 22) prozessrechtlich autonom danach zu bestimmen, an welchem Ort die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Die Bestimmung des Erfüllungsorts hat demnach nach einem rein faktischen Kriterium zu erfolgen und gilt für sämtliche Klagen aus dem Kaufvertrag, d.h. auch für die hier vorliegende Schadenersatzklage wegen Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten (vgl. Kropholler aaO Rz. 27, 45). Von der Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO werden dabei auch die dem CISG unterliegendem Kaufverträge erfasst (vgl. Kropholler aaO Rz. 38). Die Regelung gilt daher auch im vorliegenden Fall für die vertraglichen Pflichten der Bekl. aus den Bestellungen der Kl. Denn dabei handelt sich um Werklieferungsverträge, für die die Bestimmungen des UN-Kaufrechts gelten [vgl. B. II. 2. a)].

[25]a) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der faktische Erfüllungsort für die Lieferung der Kotflügelwerkzeuge der Geschäftssitz der Bekl. in B./Spanien. Denn nach Nr. (1) der Vereinbarung vom 26.5.2005 sollten diese Werkzeuge vor ihrem Transport nach O. der Kl. am Geschäftssitz der Bekl. übergeben werden, wobei nach Nr. (3) der Vereinbarung bei der Aufladung eines kompletten Werkzeugs von den zehn zur Zahlung des vereinbarten Betrages von 989 792 €  von einem Mitarbeiter der Kl. mitgebrachten Schecks jeweils ein bankbestätigter Scheck der Bekl. übergeben werden sollte. Unstreitig ist auch entsprechend verfahren worden. Daraus folgt, dass die Kotflügelwerkzeuge rein faktisch am Geschäftssitz der Bekl. an die Kl. geliefert worden sind.

[26]Soweit nach Nr. (2) der Vereinbarung vom 26.5.2005 die Bekl. verpflichtet war, auf Anforderung der Kl. einen Techniker zur Erklärung der Kotflügelwerkzeuge über einen Zeitraum von einer Woche auf eigene Kosten zur Verfügung zu stellen, und entsprechend verfahren wurde, hat dies keinen Einfluss auf die Bestimmung des Erfüllungsorts. Denn nach Nr. (1) der Vereinbarung war die dafür maßgebliche Hauptpflicht der Bekl. die Übergabe der Werkzeuge an die Kl. an ihrem Geschäftssitz.

[27]b) Gleiches gilt auch für die Lieferung der Türrahmenwerkzeuge.

[28]Zwar sollten diese Werkzeuge nach Nr. (2) der Vereinbarung vom 8.7.2005 an die Kl. geliefert werden. Tatsächlich ist aber anders verfahren worden. Die Bekl. hat insoweit im ersten Rechtszug unter Beweisantritt vorgetragen, dass auch die Türrahmenwerkzeuge im August 2005 vor ihrem Transport zu der Firma O. der Kl. an dem Geschäftssitz der Bekl. in B./Spanien übergeben worden sind. Dieses Vorbringen hat die Kl. weder im ersten Rechtszug noch mit ihrer Berufungsbegründung substantiiert bestritten. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Lieferung der Türrahmenwerkzeuge der Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO der Geschäftssitz der Bekl. in B./Spanien. Denn nach der erfolgten Lieferung ist der tatsächliche Auslieferungsort maßgebend, wenn der Käufer – wie die Bekl. unbestritten vorgetragen hat – die Lieferung an diesem Ort als vertragsgemäß angenommen hat.

[29]Im Übrigen sollte die Bekl. nach Nr. (2) der Vereinbarung vom 8.7.2005 die Türrahmenwerkzeuge auf eigene Kosten über ein von ihr ausgewähltes Transportunternehmen an die Kl. bzw. an die Firma O. liefern. Bei einem solchen Versendungskauf ist – wenn wie hier das CISG anwendbar ist – der Lieferort im Zweifelsfall dem Art. 31 CISG zu entnehmen (vgl. Kropholler aaO Rz. 49 m.w.N.). Danach ist bei einer Versendung der Ware nach Art. 31 lit. a CISG der Ort maßgebend, an dem der Verkäufer die Ware dem ersten Beförderer übergibt. Dies war aber unstreitig der Geschäftssitz der Bekl.

[30]4) Schließlich ist im vorliegenden Fall auch keine besondere Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3. EuGVO begründet.

[31]Zwar genügt zur Begründung der Zuständigkeit deutscher Gerichte, dass die Verletzung des geschützten Rechtsguts durch eine unerlaubte Handlung im Inland behauptet wird und diese Verletzung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Es reicht daher der schlüssige Vortrag der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen aus (vgl. BGH, NJW 1987, 592 ff., 594 (IPRspr. 1986 Nr. 144); Kropholler aaO Rz. 94). Solch ein schlüssiger Vortrag der Kl., der eine Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen könnte, liegt aber nicht vor.

[32]Soweit die Kl. geltend macht, der Geschäftsführer (Generaldirektor) der Bekl. habe bei Abschluss der Vereinbarungen vom 26.5. und 8.7.2005 wider besseres Wissen den Verhandlungsführern der Kl. vorgetäuscht, dass die Werkzeuge den in den Verhandlungen abgegebenen Garantien entsprächen, hat sie diese Behauptung nicht näher substantiiert. Insbesondere ist nicht ersichtlich, von welchem Fertigungsstand der Werkzeuge die Verhandlungsführer beider Parteien bei Abschluss der Vereinbarungen ausgegangen sind. Die von der Bekl. abgegebene Garantie war insoweit auslegungsfähig. Eine bewusste Täuschung der Verhandlungsführer der Kl. über den Fertigungsstand der Werkzeuge kann somit nicht festgestellt werden, zumal die Kl. die Möglichkeit hatte, die Vollständigkeit der Werkzeuge und ihren Fertigungsstand vor Abschluss der Vereinbarungen zu überprüfen.

[33]Im Übrigen fehlt es an der weiteren – zuständigkeitsbegründenden – Voraussetzung, dass das schädigende Ereignis im Inland eingetreten ist. Zwar kann nach der Rechtsprechung des EuGH (NJW 1997, 459; NJW 1995, 1881 ff., 1882) der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, sowohl der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) sein. Weder daraus noch aus der Formulierung in Art. 5 Nr. 3 EuGVO lässt sich aber entnehmen, dass als Ort des schädigenden Ereignisses jeder Ort in Frage kommt, an dem sich irgendeine Schadensfolge verwirklicht hat (vgl. BGH aaO). Insbesondere eröffnet nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. die Nachweise bei Zöller-Geimer aaO Art. 5 EuGVVO Rz. 26, 27) der Ort des reinen Vermögensschadens keine internationale Zuständigkeit. Im vorliegenden Fall ist aber die von der Kl. behauptete unerlaubte Handlung nach ihrem Vorbringen tatbestandsmäßig schon am Geschäftssitz der Bekl. in B./Spanien begangen und dort vollendet worden. Denn nach dem Vorbringen der Kl. ist die von ihr behauptete Irreführung schon im Lauf der Verhandlungen am Geschäftssitz der Bekl. eingetreten. Die nach ihrem Vortrag nicht den Garantieversprechen entsprechenden Werkzeuge wurden ihr schon dort Zug um Zug gegen Bezahlung der vereinbarten Beträge übergeben. Bei der Kl. selbst ist nach ihrem Vorbringen nur ein Vermögensschaden in Form der Belastung mit Nachbesserungskosten eingetreten. Die Beschädigung des Eigentums der Kl. oder anderer absoluter Rechte durch die von der Kl. behauptete unerlaubte Handlung ist dagegen nicht ersichtlich und nicht von der Kl. dargetan worden. Vor diesem Hintergrund hat die Kl. nicht schlüssig dargetan, dass das von ihr behauptete schädigende Ereignis in Deutschland eingetreten ist.

[34]5) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist schließlich auch nicht nach Art. 24 Satz 1 EuGVO wegen rügeloser Einlassung der Bekl. gegeben.

[35]Nach Art. 24 Satz 1 EuGVO wird ein international unzuständiges Gericht nicht dann zuständig, wenn sich der Beklagte hilfsweise auch in der Sache verteidigt (vgl. Zöller-Geimer aaO Art. 24 EuGVVO Rz. 3 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn die Bekl. hat im ersten Rechtszug – wie sich aus ihrem Schriftsatz vom 15.12.2006 ergibt – vorweg als Erstes die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit erhoben und ausdrücklich erklärt, dass die Einlassung zur Sache nur hilfsweise erfolgen werde. Auch im Berufungsverfahren hat sie sich – nach der Rüge der fehlenden Zulässigkeit der Berufung – in erster Linie auf die Zuständigkeitsrüge berufen.

[36]Es verbleibt somit bei der internationalen Zuständigkeit spanischer Gerichte.

Fundstellen

LS und Gründe

IHR, 2008, 112

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