Eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 23 I lit. a EuGVO setzt von beiden Vertragspartnern eine handschriftlich unterzeichnete Willenserklärung voraus.
Bei einem Versendungskauf ist „Erfüllungsort” im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO der Sitz des Käufers, wenn die Waren dorthin geliefert werden sollten. Der nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO für den Gerichtsstand bedeutsame „Erfüllungsort” ist vom materiell-rechtlichen „Erfüllungsort” zu unterscheiden.
Eine abweichende Vereinbarung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO setzt eine Vereinbarung über den Ort der tatsächlichen Lieferung voraus; eine Vereinbarung über den materiell-rechtlichen „Erfüllungsort” beeinflusst die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO hingegen nicht.
[Die Revision schwebt beim BGH unter dem Az. VIII ZR 34/09.]
Die Kl., die ihren Sitz in Waldshut-Tiengen hat, produziert und liefert Gegenstände und Materialien, die für die Lichttechnik in Gebäuden benötigt werden. Die Bekl., die ihren Sitz in Wien hat, war im Jahr 2004 mit der Durchführung verschiedener Baumaßnahmen in Wien beauftragt. Für die bei diesem Vorhaben zu errichtenden Metalldecken bezog sie Materialien von der Kl. Im Zusammenhang mit den Lieferungen an die Bekl. versandte die Kl. mehrfach Auftragsbestätigungen. Diese Auftragsbestätigungen waren nicht handschriftlich unterzeichnet. Sie nahmen (auf der Vorderseite) Bezug auf „Lieferungs und Zahlungsbedingungen“, welche jeweils auf der Rückseite der Auftragsbestätigungen abgedruckt waren. In diesem Bedingungen heißt es u.a.:
„Gefahrübergang, Versand, Verpackung:
1. Wir erfüllen unsere Lieferpflicht grundsätzlich an unserem Produktionsort, auch wenn frachtfreie Lieferung vereinbart ist. Die Gefahr geht auf den Besteller über, wenn die Ware das Werk oder das Auslieferungslager verlassen hat, das gilt auch für Teillieferungen. Verzögert sich die Auslieferung auf Veranlassung des Käufers, so geht die Gefahr bei Mitteilung der Versandbereitschaft auf den Käufer über.
Gerichtsstand und anwendbares Recht:
1. Gerichtsstand für alle Ansprüche aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, insbesondere für Kaufpreisansprüche, ist S. [Deutschland]. Wir behalten uns jedoch vor, den Besteller auch an seinem Sitzgericht zu verklagen.
2. Im Übrigen gilt auch für Exportverträge deutsches Recht. Die Bestimmungen des UN-Kaufrechts CISG sind ausgeschlossen, soweit sie den vorstehenden Bedingungen nicht entsprechen.“
Die Kl. hat eine Zahlungsklage zum LG Waldshut-Tiengen erhoben, mit welcher sie rechtliche Kaufpreisansprüche aus verschiedenen Lieferungen an die Bekl. geltend macht.
Das LG hat mit Zwischenurteil vom 29.3.2007 die Klage für zulässig erklärt. Gegen dieses Zwischenurteil richtet sich die Berufung der Bekl.
[1]II. Die zulässige Berufung der Bekl. ist begründet. Die internationale Zuständigkeit des LG Waldshut-Tiengen ist nicht gegeben. International zuständig sind nur die Gerichte in Österreich. Dies gilt für sämtliche mit der Klage geltend gemachten Ansprüche (1, 2 und 3).
[2]1. Die internationale Zuständigkeit des LG Waldshut-Tiengen ergibt sich für den Anspruch 1 (Lieferungen für das Bauvorhaben ...) nicht aus den Lieferungs- und Zahlungsbedingungen (im Folgenden LZB) der Kl. Hierbei kann dahinstehen, ob diese Bedingungen wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen wurden. Denn es fehlt in jedem Fall an den zwingenden Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 EuGVO.
[3]a) Die Frage der internationalen Zuständigkeit richtet sich nach den Regelungen der EuGVO. Denn beide Parteien haben ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU (vgl. zum ‚Wohnsitz’ im Sinne der EuGVO Art. 60 I). Die vorliegende Klage ist nach Inkrafttreten der EuGVO erhoben worden (vgl. Art. 66 I, 76). Dementsprechend kann eine Gerichtsstandsvereinbarung über die internationale Zuständigkeit nur dann Wirkungen entfalten, wenn die Voraussetzungen gemäß Art. 23 EuGVO eingehalten sind.
[4]b) Gemäß Art. 23 I lit. a EuGVO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur dann wirksam, wenn sie schriftlich abgeschlossen worden ist. Dies war bei dem Vertrag hinsichtlich des Anspruchs 1 nicht der Fall.
[5]aa) Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 I EuGVO sind grundsätzlich eng auszulegen, da normalerweise den Regelungen in Art. 2 sowie Art. 5 EuGVO der Vorrang gebühren sollte (vgl. EuGH, NJW 1997, 1431, 1432 zur (früheren) Regelung in Art. 17 EuGVÜ). Dies ist bei der Auslegung des Begriffs ‚schriftlich’ in Art. 23 I lit. a EuGVO zu berücksichtigen. Schriftlich im Sinne der Verordnung bedeutet, dass jeweils eine von beiden Parteien handschriftlich unterzeichnete Willenserklärung vorliegen muss, wobei es allerdings dahinstehen kann, ob die Erklärungen sich in einer einheitlichen Vertragsurkunde befinden, oder ob es sich um zwei getrennte Schriftstücke handelt (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 23 EuGVO Rz. 33, 35; OLG Karlsruhe, OLGR 2001, 313 (IPRspr. 2001 Nr. 135) u. OLGR 2006, 714 (IPRspr 2006-111); zum CISG Schlechtriem-Schwenzer, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG, 4. Aufl., Art. 13 Rz. 2; offengelassen in BGH, NJW 2001, 1731 (IPRspr. 2001 Nr. 133)). Für dieses Verständnis des Begriffes ‚schriftlich’ spricht der allgemeine Sprachgebrauch. Zudem ist die Regelung in Art. 23 II EuGVO zu ‚elektronischen Übermittlungen’ – als Ausnahme zum Grundsatz der Schriftlichkeit – nur erklärbar, wenn man von einem engen Verständnis des Begriffes ‚schriftlich’ ... ausgeht. Die Regelung zu elektronischen Übermittlungen (vgl. hierzu auch Art. 13 CISG) spielt vorliegend keine Rolle, da die – für eine Gerichtsstandsvereinbarung in Betracht kommenden – LZB der Kl. nicht elektronisch (oder mit einem anderen technischen Medium) übermittelt wurden.
[6]bb) Die Parteien haben – unabhängig von der Frage einer wirksamen Einbeziehung – die LZB der Kl. jedenfalls nicht schriftlich vereinbart. Zwar gibt es hinsichtlich des Anspruchs 1 eine schriftliche Willenserklärung der Bekl. (Gegenzeichnung der AB vom 9.3.2004 durch die Bekl. am 22.3.2004). Es fehlt jedoch eine – übereinstimmende – schriftliche Willenserklärung der Kl. Die Kl. hat zwar die AB vom 9.3.2004, in der auf die LZB Bezug genommen wurde, übersandt. Die AB wurde jedoch von der Kl. nicht unterzeichnet, sodass es insoweit an einer entsprechenden schriftlichen Erklärung der Kl. fehlt. Eine andere (handschriftlich unterzeichnete) Willenserklärung der Kl., die im Zusammenhang mit dem Anspruch 1 für die Vereinbarung der Gerichtsstandsklausel herangezogen werden könnte, gibt es nicht.
[7]c) Die Kl. kann sich für die Gerichtsstandsklausel auch nicht auf Art. 23 I lit. a Alt. 2 EuGVO berufen. Nach dieser Regelung reicht die schriftliche Bestätigung einer Vertragspartei aus, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung vorher mündlich vereinbart wurde. Diese Regelung kann vorliegend nicht zur Anwendung kommen, da es – auch nach dem Vortrag der Kl. – an einer vorausgegangen mündlichen Vereinbarung des Gerichtsstands fehlt (vgl. Kropholler aaO Rz. 42; OLG Stuttgart, Urt. vom 5.11.2007 – 5 U 99/07 (IPRspr 2007-152), Rz. 22, zit. n. juris). Insbesondere wurde auch nach dem Vortrag der Kl. bei dem ‚Vergabegespräch’ vom 19.2.2004 keine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Zudem beinhaltete das Vergabegespräch – nach dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Kl. – noch keine verbindlichen Willenserklärungen der Parteien über bestimmte Lieferungen der Kl. Die für den Vertragsschluss maßgeblichen Willenserklärungen sind vielmehr erst später erfolgt (Bezugnahme in der AB vom 9.3.2004 auf eine vorausgegangene Bestellung ‚per Fax vom 5.3.2004’ ...).
[8]d) Die Einbeziehung einer Gerichtsstandsklausel in einen Vertrag durch einen Hinweis in einer – nicht unterschriebenen – AB wäre allerdings dann ausreichend, wenn dies den ‚Gepflogenheiten’ entsprechen würde, ‚die zwischen den Parteien entstanden sind’ (Art. 23 I lit. b EuGVO). Dies kann der Senat nach dem Vorbringen der Kl. jedoch nicht feststellen.
[9]aa) ‚Gepflogenheiten’ setzen eine längere Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien voraus, aus denen sich eine bestimmte Übung ergeben hat (vgl. Kropholler aaO Rz. 50). Bei Lieferungen der Kl. für lediglich zwei verschiedene Bauvorhaben der Bekl. im Jahr 2004 in Wien sind solche Gepflogenheiten noch nicht entstanden.
[10]bb) Zudem lässt sich von ‚Gepflogenheiten’ im Sinne von Art. 23 I lit. b EuGVO nur dann sprechen, wenn die Parteien ihre Vertragsverhältnisse tatsächlich nach den entsprechenden AGB, ggf. auch im Hinblick auf die Gerichtsstandsklausel, abgewickelt haben (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 1292, 1293 (IPRspr 2004-94b)). Dies ist nicht ersichtlich. Die Kl. hat nicht vorgetragen, dass die Parteien zu irgendeinem Zeitpunkt für die Abwicklung ihrer Vertragsverhältnisse einvernehmlich die LZB der Kl. berücksichtigt hätten.
[11]e) Schließlich wäre die Schriftform auch dann entbehrlich, wenn die Art und Weise der Vereinbarung einer Gerichtsstandsklausel einem internationalen Handelsbrauch entsprechen würde (Art. 23 I lit. c EuGVO). Die Voraussetzungen für einen solchen Handelsbrauch liegen jedoch nicht vor.
[12]Für einen internationalen Handelsbrauch, der eine Bezugnahme auf entsprechende AGB in einer AB rechtfertigen würde, ist nichts ersichtlich (vgl. z.B. OLG Karlsruhe aaO (IPRspr 2006-111)). Etwas anderes könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die ‚AB’ der Kl. vom 9.3.2004 den Charakter eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens gehabt hätte (vgl. EuGH, NJW 1997, 1431; Kropholler aaO Rz. 46, 61; zum CISG vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel aaO Art. 9 Rz. 22 ff. sowie Schlechtriem-Schwenzer aaO Vor Art. 14 Rz. 2 ff.).
[13]Bei der AB vom 9.3.2004 handelt es sich nicht um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, sondern um die Vertragsannahme vonseiten der Kl. Ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben würde voraussetzen, dass dem Schreiben ein entsprechender mündlicher Vertragsschluss vorausgegangen wäre. Dies war jedoch nicht der Fall. Insbesondere haben die Parteien – nach dem maßgeblichen Vortrag der Kl. – bei dem Vergabegespräch vom 19.2.2004 noch keine vertragliche Einigung über bestimmte Lieferungen der Kl. erzielt. Damit scheidet für die AB vom 9.3.2004 der Charakter eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, aus dem sich besondere Konsequenzen hinsichtlich der Einbeziehung von AGB ergeben könnten, aus.
[14]2. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liegt auch nicht im Hinblick auf den Anspruch 2 (Restforderung wegen Lieferungen für das Bauvorhaben ...) und den Anspruch 3 (Auskunft und Schadensersatz wegen ...) vor. Die Kl. hat auch bei den Bestellungen der Bekl. für das Vorhaben ‚PSK Wien’ AB versandt, in denen auf die jeweils rückseitig abgedruckten LZB hingewiesen wurde. Dies reicht aus den o.g. Gründen für eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 23 I lit. a EuGVO nicht aus. Es fehlt auch insoweit an einer handschriftlich unterzeichneten Willenserklärung der Kl. Im Übrigen fehlt für die Ansprüche 2 u. 3 – anders als bei 1 – auch eine schriftliche Erklärung der Bekl., mit welcher die Einbeziehung der LZB (einschließlich der Gerichtsstandsklausel) bei dem Vorhaben ... bestätigt worden wäre. Schließlich kommt auch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe von Art. 23 I lit. b bzw. von Art. 23 I lit. c nicht in Betracht. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen zum Anspruch 1 [siehe oben 1. d) u. e)] verwiesen werden.
[15]3. Eine internationale Zuständigkeit – für sämtliche geltend gemachten Ansprüche – ergibt sich nicht aus Art. 2 I EuGVO. Die Kl. kann die Bekl. nach dieser Regelung an ihrem Sitz (vgl. Art. 60 EuGVO) in Anspruch nehmen. Dieser liegt in Wien, sodass sich aus Art. 2 I ein internationaler Gerichtsstands in Österreich ergibt.
[16]4. Die Kl. kann sich bei einer internationalen Lieferung auch auf die besondere Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts) stützen. Allerdings ergibt sich auch aus dieser Regelung – entgegen der Auffassung des LG – eine internationale Zuständigkeit nur in Österreich und nicht in Deutschland. Es kann auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit die LZB der Kl. in die verschiedenen Verträge wirksam einbezogen wurden. Denn [diese] – eine Einbeziehung unterstellt – ändern nichts daran, dass Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO für sämtliche Ansprüche Wien ist.
[17]a) Die Verträge zwischen den Parteien betreffen einen Verkauf beweglicher Sachen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO und nicht etwa ‚Dienstleistungen’ im Sinne dieser Vorschrift.
[18]Die Kl. hat sich verpflichtet, bestimmte Materialien an die Bekl. zu liefern, wobei diese Materialien von der Kl. nach bestimmten vertraglichen Vorgaben zu produzieren waren. Im Anwendungsbereich des BGB würde man von einem Werklieferungsvertrag sprechen. Im Anwendungsbereich der EuGVO ist von einem ‚Verkauf beweglicher Sachen’ auszugehen, da der Schwerpunkt der Leistungen der Kl. in der Lieferung und der Übereignung der betreffenden Materialien lag. Der Umstand, dass die Kl. bei der Produktion der Deckenelemente bestimmte Anforderungen der Bekl. zu berücksichtigen hatte, reicht nicht aus, um die Verpflichtungen der Kl. als ‚Erbringung von Dienstleistungen’ im Sinne der EuGVO zu qualifizieren (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 12.6.2008 – 19 U 5/08 (IPRspr 2008-19), Rz. 19, zit. n. juris; BGH, Vorlagebeschl. vom 9.7.2008 – VIII ZR 184/07 (IPRspr. 2008 Nr. 112), Rz. 17; Kropholler aaO Art. 5 Rz. 40; im Ergebnis ebenso BGH, NJW-RR 2005, 1518 (IPRspr 2005-109); zum CISG vgl. im Übrigen Art. 3 I).
[19]b) Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO sieht bei internationalen Kaufverträgen einen einheitlichen Erfüllungsort für sämtliche Verpflichtungen beider Vertragspartner aus diesem Vertrag vor. Maßgeblich soll der Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung sein, also der Ort, an den (bzw. an dem) die betreffenden Sachen geliefert wurden oder hätten geliefert werden müssen. Dieses Verständnis der Zuständigkeitsregelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b ist – trotz des missverständlichen Wortlauts – allgemein anerkannt (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 4).
[20]Erfüllungsort der Lieferverpflichtung der Kl. war – für alle geltend gemachten Ansprüche – Wien. Entscheidend ist hierbei, dass Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO einen spezifischen Begriff des Erfüllungsorts verwendet, der nicht mit dem Begriff des Erfüllungsorts im Sinne des materiellen Rechts identisch ist. Die Kl. hat sich im Rahmen eines Versendungskaufs verpflichtet, bestimmte bewegliche Sachen nach Wien zu liefern. Dieser Lieferort ist für Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO entscheidend.
[21]c) Bei den streitgegenständlichen Verträgen handelt es sich jeweils um einen Versendungskauf, bei dem der Erfüllungsort im Sinne des materiellen Rechts am Sitz der Kl., also in Deutschland, lag. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Kl. zwar eine Verpflichtung übernommen hatte, die Materialien nach Wien zu den dortigen Baustellen der Bekl. zu liefern; bei einem Versendungskauf ändert dies jedoch nichts am Erfüllungsort (im Sinne des materiellen Rechts) am Sitz der Verkäuferin.
[22]Auf die Verträge zwischen den Parteien sind die Regelungen des CISG anwendbar. Die Parteien haben ihre Niederlassung im Sinne von Art. 1 I CISG in verschiedenen Vertragsstaaten des Übereinkommens. Sowohl Deutschland als auch Österreich sind Vertragsstaaten. Die Ausschlussklausel in den LZB der Kl. – eine wirksame Einbeziehung der Bedingungen unterstellt – steht einer Anwendung des CISG, soweit es um die Frage des Erfüllungsorts geht, nicht entgegen. Denn die Ausschlussklausel in den LZB erfasst nur diejenigen Bestimmungen des CISG, die den Regelungen in den LZB nicht entsprechen. Da die AGB der Kl. zu der Frage des Erfüllungsorts keine Bestimmungen enthalten, die von den Regelung des CISG abweichen, verbleibt es insoweit bei der Anwendung des CISG.
[23]Vorliegend ist Art. 31 lit. a CISG anwendbar. Diese Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass internationale Kaufverträge – sofern nichts Abweichendes vereinbart ist – als Versendungskauf zu behandeln sind, d.h., dass der Erfüllungsort der Verkäuferpflicht am Sitz des Verkäufers liegt, und zwar auch dann, wenn der Verkäufer die Ware nach dem Vertrag zum Ort des Käufers zu liefern hat (vgl. Schlechtriem-Schwenzer-Huber-Widmer aaO Art. 31 CISG Rz. 5). Eine von dieser Regelung abweichende Vereinbarung gab es bei den Verträgen zwischen den Parteien nicht, sodass Erfüllungsort im materiellen Sinne S. im LG-Bezirk Waldshut-Tiengen war.
[24]d) Allerdings ist der Erfüllungsort im materiellen Sinne für Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO nicht entscheidend. Die Regelungen der EuGVO sind autonom auszulegen. Nach der Verordnung kommt es allein auf den Ort der tatsächlichen Lieferung an (‚an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen’). Der Ort der tatsächlichen Lieferung ist beim Versendungskauf nicht der Sitz des Verkäufers sondern der Sitz des Käufers bzw. derjenige Ort, an welchen die Waren nach dem Vertrag geliefert werden sollten. Vorliegend sollten sämtliche Deckenelemente von der Kl. nach Wien geliefert werden, wo sie von der Bekl. bei bestimmten Baustellen in Empfang genommen werden sollten. Daher ist Wien maßgeblicher Lieferort. Nur dieses an der tatsächlichen Lieferung beim Versendungskauf orientierte Verständnis entspricht dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO (vgl. OLG Hamm, IPRax 2006, 290 (IPRspr 2005-127); OGH Wien, 14.12.2004 – 1 Ob 94/04 m; BGH, Vorlagebeschl. aaO Rz. 21; Schlechtriem-Schwenzer-Huber/Widmer aaO Rz. 96; anders Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 86; Rauscher-Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 53; Piltz, NJW 2002, 789, 793).
[25]Von wesentlicher Bedeutung für die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Die Regelung sollte einen Rückgriff auf die Bestimmung des Erfüllungsorts nach dem jeweils anwendbaren materiellen Recht gerade vermeiden. Die Bestimmung hat ein Vorbild im französischen Recht, wo auf den Ort der Lieferung und nicht auf den materiellen Erfüllungsort abgestellt wird, sodass es nicht darauf ankommen kann, ob vertraglich eine Bringschuld oder ein Versendungskauf vereinbart wurde (vgl. ausführlich Schlechtriem-Schwenzer-Huber/Widmer aaO; anders MünchKomm-Huber, 5. Aufl., Bd. 3, Art. 57 CISG Rz. 28; Nagel-Gottwald, IZPR, 6. Aufl., § 3 Rz. 50; MünchKommZPO-Gottwald, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 19).
[26]Für diese Auslegung von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit soll nach dieser Regelung ein Gerichtsstand dort begründet sein, wo sich die verkaufte Ware nach der Lieferung vertragsgemäß befindet (vgl. EuGH NJW 2007, 1799, 1801). Vor allem ist darauf hinzuweisen, dass der Versendungskauf, bei dem der materielle Erfüllungsort am Sitz des Verkäufers liegt, im Anwendungsbereich der EuGVO zumindest dann dem Regelfall entspricht, wenn es um Handelsgeschäfte geht. Dies ergibt sich aus der Regelung in Art. 31 CISG. D.h.: Würde man Art. 5 Nr. 1 lit. b anders auslegen (Verkäufersitz beim Versendungskauf maßgeblich), so würde sich aus der EuGVO beim Verkauf beweglicher Sachen für den Regelfall ein Verkäufergerichtsstand ergeben. Ein Verkäufer könnte dann im Regelfall bei einem internationalen Kaufvertrag den Kaufpreis in seinem Heimatstaat einklagen. Dies würde die Verteidigung des Käufers, der eine mangelhafte Lieferung geltend macht, in der Regel erheblich erschweren. Eine solche Konsequenz läge nicht im Sinne des Verordnungsgebers, der in Art. 2 I EuGVO für den Regelfall von einem Vorrang des Schuldnergerichtsstands ausgegangen ist.
[27]Entgegen der Auffassung der Kl. ergibt sich aus Art. 63 EuGVO kein Argument für eine andere Auslegung der Zuständigkeitsregelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b. Art. 63 EuGVO enthält eine Sonderregelung für Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet Luxemburgs haben. Die Besonderheit der Regelung liegt nicht darin, dass (nur) bei Lieferungen nach Luxemburg der tatsächliche Lieferort (und nicht der materielle Erfüllungsort) maßgeblich wäre; vielmehr liegt die Besonderheit für Personen mit Wohnsitz in Luxemburg darin, dass gegenüber diesen Personen Gerichtsstandsvereinbarungen nur mit Einschränkungen möglich sind (Art. 63 II EuGVO; vgl. hierzu Kropholler aaO Art. 23 EuGVO Rz. 31).
[28]e) Die Rechtslage wäre allerdings dann anders, wenn die Parteien eine von Art. 5 Nr. 1 b EuGVO abweichende – wirksame – Vereinbarung getroffen hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall.
[29]aa) Art. 5 Nr. 1 lit. b enthält zwar nach seinem Wortlaut den Vorbehalt ‚sofern nichts anderes vereinbart worden ist’. Hieraus ergibt sich jedoch nicht die Konsequenz, dass Vereinbarungen der Parteien über den materiellen Erfüllungsort im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 lit. b zu berücksichtigen wären. Vielmehr kann sich der Vorbehalt nur auf eine Vereinbarung über einen (vom materiellen Erfüllungsort zu unterscheidenden) prozessrechtlichen Erfüllungsort beziehen, womit der Ort der tatsächlichen Lieferung gemeint ist. Da die Parteien über diesen prozessrechtlichen Erfüllungsort – Ort der tatsächlichen Lieferung – keine Vereinbarung getroffen haben, liegt auch keine andere Vereinbarung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b vor.
[30]In Rspr. u. Lit. wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Vereinbarung über den (materiellen) Erfüllungsort habe Auswirkungen auf die Zuständigkeitsregelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO (vgl. bspw. BGH aaO (IPRspr 2005-109) 1520; Zöller-Geimer aaO Rz. 3a; MünchKommZPO-Gottwald aaO Rz. 27). Diese Auffassung verkennt den eigenständigen prozessualen Begriff des ‚Erfüllungsorts’ in Art. 5 Nr. 1 lit. b und berücksichtigt insoweit nicht die wesentliche Neuregelung des Verordnungsgebers im Verhältnis zur früheren Regelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ (vgl. zur Kritik am o.g. BGH-Urt. bspw. Magnus, WuB VII B Art. 5 EuGVVO – Nr. 1.06). Da der Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b gerade nicht der materiell-rechtliche Erfüllungsort sein soll, kann eine Vereinbarung der Parteien (bspw. in AGB) über den materiell-rechtlichen Erfüllungsort auch keine Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit haben. Es kommt für die Zuständigkeit – nach dem Wortlaut der Verordnungsregelung – vielmehr darauf an, wohin die Waren vom Verkäufer geliefert wurden bzw. geliefert werden sollten. Dementsprechend kann auch nur eine abweichende Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der Lieferpflicht des Verkäufers Auswirkungen auf die Zuständigkeitsregelung in Art. 5 Nr. 1 lit. b haben. Dies hat der Verordnungsgeber im Übrigen auch schon in der Formulierung ‚nach dem Vertrag geliefert’ berücksichtigt. Der prozessrechtliche Erfüllungsort im Sinne der EuGVO wäre durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien mithin nur dann tangiert, wenn die Parteien vereinbart hätten, dass die Bekl. die verkauften Materialien bei der Kl. hätte abholen sollen, bzw. wenn die Kl. ihrer Lieferpflicht bereits dann vollständig nachgekommen wäre, wenn sie die Waren in Deutschland an einen von der Bekl. beauftragten Spediteur übergeben hätte. Nur bei solchen – die tatsächliche Lieferung betreffenden – Vereinbarungen würde sich der Lieferort (bzw. der prozessuale Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b) ändern.
[31]Eine solche Absprache ist von der Kl. nicht vorgetragen und ergibt sich insbesondere nicht aus ihren LZB. Zwar heißt es in den Bedingungen der Kl.: ‚Wir erfüllen unsere Lieferpflicht grundsätzlich an unserem Produktionsort, auch wenn frachtfreie Lieferung vereinbart ist.’ Damit soll jedoch lediglich eine Regelung über den Gefahrübergang getroffen werden, wie sich aus der Überschrift des betreffenden Absatzes in den LZB und außerdem aus dem nächsten Satz (‚die Gefahr geht auf den Besteller über’) ergibt. Die zit. Regelung ändert jedoch nichts daran, dass die Kl. sich vertraglich verpflichtet hatte, die verkauften Waren (durch eigene Mitarbeiter oder durch einen von ihr beauftragten Transporteur) nach Wien zu liefern.
[32]bb) An der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO auf die Ansprüche der Kl. würde sich allerdings auch dann nichts ändern, wenn man – bspw. in Anlehnung an BGH aaO (IPRspr 2005-109) – eine Vereinbarung über den materiell-rechtlichen Erfüllungsort grundsätzlich für relevant erachten würde.
[33]aaa) Der BGH (aaO) hat in einem entsprechenden Fall darauf abgestellt, dass die Parteien eine Vereinbarung über den (materiell-rechtlichen) Erfüllungsort hinsichtlich der Zahlungspflicht des Käufers getroffen hatten. Eine solche Vereinbarung lässt sich im vorliegenden Fall den LZB der Kl. – eine Einbeziehung in die Verträge unterstellt – nicht entnehmen. Der Begriff ‚Erfüllungsort’ kommt in diesen Bedingungen nicht vor. Auch anderweitig lässt sich den Bedingungen keine Vereinbarung darüber entnehmen, an welchem Ort die Bekl. ihre Zahlungspflichten zu erfüllen hatte. Die Regelung in Art. 57 I lit. a CISG (Kaufpreisschuld als Bringschuld) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, da im Rahmen von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO – allenfalls – eine Vereinbarung über einen Erfüllungsort eine Rolle spielen könnte, nicht jedoch eine gesetzliche Regelung des Zahlungsorts.
[34]bbb) Eine andere Auffassung stellt für eine abweichende Vereinbarung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO – anders als BGH (aaO) – darauf ab, ob die Parteien über den (materiell-rechtlichen) Erfüllungsort für die Lieferpflicht des Verkäufers eine Vereinbarung getroffen haben (so wohl Rauscher-Leible aaO und das LG). Auch dann, wenn man – anders als der Senat, siehe oben aa) – dieser Auffassung folgen würde, ergibt sich kein internationaler Gerichtsstand in Deutschland. Denn auch für die Verpflichtung der Kl. lässt sich ihren LZB eine Vereinbarung über den Erfüllungsort nicht entnehmen. In einem Abschnitt ‚Gefahrübergang, Versand, Verpackung’ weist die Kl. lediglich auf die rechtlichen Konsequenzen des Versendungskaufs hin, die sich bereits aus Art. 31 CISG ergeben. Ein Hinweis auf die gesetzliche Regelung – oder eine Bestätigung der gesetzlichen Regelung – kann jedoch von vornherein keine abweichende Vereinbarung im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO darstellen (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 21.12.2005 – 16 U 47/05 (IPRspr 2005-132)). Zudem geht die Regelung in den LZB der Kl. nicht über einen Versendungskauf hinaus, für den nach Sinn und Zweck von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO [siehe oben d)] der prozessuale Erfüllungsort gerade am Sitz des Käufers (bzw. an den vom Käufer bestimmten Lieferorten) liegen soll.