Der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO ist im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 EuGVO von Amts wegen auch ohne eine entsprechende Rüge des Beklagten zu prüfen; dagegen besteht aber keine Verpflichtung des Rechtsbehelfsgerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln.
Hat der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig erhalten, kommt es auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung bei der Prüfung des Versagungsgrunds nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO – anders als nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ – nicht mehr an. Schwerwiegende Zustellungsmängel (hier: Zustellung an den falschen Ort) sind aber regelmäßig ein starkes Indiz dafür, dass dem Schuldner bei der Verfahrenseinleitung im Ursprungsstaat kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wurde.
Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen hat, besitzt im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVO die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs, wenn er von den Urteilsgründen nach einer Zustellung der Säumnisentscheidung Kenntnis erlangt; eine Ordnungsmäßigkeit dieser Zustellung ist dafür nicht erforderlich.
Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung der Unterhaltsentscheidung aus einem italienischen Verbundurteil im Verfahren über die Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett (separazione personale).
Die Parteien sind Eheleute britischer Staatsangehörigkeit; aus ihrer Ehe sind zwei Söhne, J. und G., hervorgegangen. Ihren letzten gemeinsamen Aufenthalt hatten die Parteien in F./Italien. Der AGg. arbeitet seit 2002 in Deutschland, wo er auch einen Wohnsitz hat.
Die Parteien trennten sich 2003. Mit einer vom 13.10.2003 datierten und am gleichen Tag bei Gericht eingereichten Klageschrift leitete die ASt. bei dem Tribunale (Landgericht) di Udine das Trennungsverfahren ein. Als Anschrift des AGg. war die letzte Ehewohnung der Parteien in F. angegeben. Der AGg. erschien – trotz zwischenzeitlich wiederholter Zustellung der Klageschrift – zu keinem der anberaumten Termine. Durch Urteil vom 19.1.2004 wurde daraufhin die ASt. zum Getrenntleben ermächtigt, und sie erhielt zugleich das Sorgerecht für die beiden Kinder zugesprochen. Ferner wurde der Ehemann zur Zahlung von Ehegatten- und Kindesunterhalt verurteilt und zur Übernahme von unbezifferten „Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten“ für die beiden Söhne verpflichtet.
Durch einen vom 15.7.2005 datierten Antrag auf Klauselerteilung nach der EuGVO begehrte die ASt. bei dem LG, das ital. Urteil vom 19.1.2004 mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der AGg. darin zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts und eines monatlichen Kindesunterhalts sowie zur Übernahme von „Erziehungs- und notwendigen Pflegekosten“ verurteilt worden ist.
Dem Antrag der ASt. lag keine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO bei. Unter den beigefügten Unterlagen befanden sich eine Empfangsbestätigung (avviso di ricevimento) mit einem Poststempel des Postamts Udine vom 11.12.2003 sowie ein vom gleichen Tag datierter Zustellungsbericht (relazione di notifica) des Gerichtsvollziehers (ufficiale giudiziario) aus den Akten, wonach an diesem Tag dem AGg. unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in F. ein Schriftstück durch Hinterlegung auf dem Gemeindeamt (casa comunale) und Anschlagen einer Nachricht an der Haustür zugestellt worden sei.
Das LG gab dem Antrag der ASt. statt. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde des AGg. bliebt erfolglos. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der AGg. sein Ziel weiter, dem Urteil des Tribunale di Udine bezüglich der darin titulierten Unterhaltsverpflichtungen die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu versagen.
[1]II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 I Nr. 1 ZPO i.V.m. § 15 I AVAG statthaft. Sie ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache erforderlich ist (§ 574 II Nr. 2 ZPO). In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg.
[2]1. Das OLG hat ausgeführt, dass dem Antrag der ASt. zwar keine Bescheinigung gemäß Art. 54 EuGVO beigefügt gewesen sei. Auf diese Bescheinigung habe aber gemäß Art. 55 EuGVO verzichtet werden können, weil sich auch aus anderen Unterlagen ergebe, dass keine Anerkennungshindernisse, auch nicht nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO, vorlägen. Ausweislich des in Ablichtung beigefügten ‚Rückscheins’ sei der AGg. am 13.12.2003 (richtig: 11.12.2003) zur mündlichen Anhörung am 19.1.2004 geladen worden. Der AGg. habe selbst nicht behauptet, dass er die Klageschrift nicht erhalten habe, wobei die bei den Akten befindliche Ablichtung der Klageschrift auch einen Vermerk über deren Zustellung am 13.12.2003 (richtig: 11.12.2003) trage. Der zweite Halbsatz des Art. 34 Nr. 2 EuGVO (Möglichkeit eines Rechtsbehelfs im Ursprungsstaat) komme schon deshalb nicht zur Anwendung. Im Übrigen sei weder vorgetragen noch ersichtlich, warum eine Zustellung des Urteils im März 2004 den AGg. an der Einlegung eines Rechtsmittels gehindert haben solle, denn auch nach italienischem Recht laufe die Rechtsmittelfrist ab Zustellung der Entscheidung.
[3]Es sei auch unerheblich, wann der AGg. das Urteil selbst erhalten habe, weil eine Vollstreckbarerklärung auch dann möglich wäre, wenn ihm das Urteil erstmals mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung zugestellt worden wäre. Die sachlichen Einwendungen gegen seine Unterhaltspflicht berührten den deutschen ordre public nicht, weil schon mangels hinreichenden Vortrags zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine zur ‚Enteignung’ führende Zahlungsverpflichtung dargetan sei. Soweit sich der AGg. auf eine mündliche Vereinbarung mit der ASt. berufe, aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht zu vollstrecken, ergebe sich schon aus dem Vorgehen der ASt. im vorliegenden Verfahren, dass diese sich dadurch nicht (mehr) gebunden fühle. Es könne deshalb dahinstehen, ob solche Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarerklärung überhaupt berücksichtigt werden könnten.
[4]Soweit das LG auch die im Urteil des Tribunale di Udine zu Nr. 4 des Tenors ausgesprochene Verpflichtung zur Übernahme der Erziehungs- und Pflegekosten für vollstreckbar erklärt habe, bedürfe es keiner Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil die mangelnde Vollstreckbarkeit dieser Verpflichtung offenkundig sei.
[5]2. Zu Recht ist das OLG davon ausgegangen, dass das Fehlen einer Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO der Vollstreckbarerklärung des italienischen Urteils nicht entgegensteht.
[6]Das Rechtsbehelfsgericht darf grundsätzlich all diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung prüfen, die schon die erste Instanz hatte prüfen dürfen (Rauscher-Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 45 Brüssel I-VO Rz. 3). Dazu gehört insbesondere die zur Frage der Zulässigkeit gehörende Prüfung, ob die gemäß Art. 53 EuGVO erforderlichen Urkunden vorgelegt worden sind (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 13).
[7]a) Gemäß Art. 53 II, 54 EuGVO hat die Partei, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, mit der Ausfertigung der Entscheidung eine Bescheinigung unter Verwendung eines Formblattes (Anh. V zur EuGVO) vorzulegen. Wird diese formularmäßige Bescheinigung nicht vorgelegt und verzichtet das Gericht auf eine Bestimmung einer Frist, innerhalb derer die Bescheinigung beizubringen ist, kann sich das Vollstreckungsgericht mit einer gleichwertigen Urkunde begnügen oder die Partei ausnahmsweise von der Beibringung der Bescheinigung befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält (Art. 55 I EuGVO). Nach diesen Maßstäben sind hier die Förmlichkeiten für eine Vollstreckbarerklärung des Urteils des Tribunale di Udine erfüllt.
[8]b) Soweit es um die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den AGg. geht, liegt jedenfalls eine ‚gleichwertige Urkunde’ im Sinne des Art. 55 I EuGVO vor. Als solche, der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO gleichwertige Urkunden sind insbesondere beglaubigte Abschriften von Dokumenten aus den Gerichtsakten des Urteilsstaats anzusehen (Schlosser aaO Art. 55 EuGVVO Rz. 4; Hk-ZPO/Dörner Art. 55 EuGVVO Rz. 2).
[9]Nach Art. 140 ital. C. proc. civ erfolgt die (Ersatz-)Zustellung eines Schriftstücks durch den Gerichtsvollzieher gegenüber einem zeitweilig abwesenden Adressaten durch Hinterlegung einer Abschrift des Schriftstücks im Gemeindeamt sowie durch Anheften einer Hinterlegungsanzeige an der Tür der Wohnung, des Büros oder der Geschäftsräume des Adressaten und durch Sendung eines Einschreibens mit Rückschein an den Adressaten, in dem er nochmals über die Hinterlegung des Schriftstücks informiert wird.
[10]Es ergibt sich aus dem von der ASt. vorgelegten Zustellungsbericht des Gerichtsvollziehers (Art. 148 C. proc. civ), dass am 11.12.2003 auf Ersuchen der italienischen Prozessbevollmächtigten der ASt. dem AGg. ein Schriftstück unter der Anschrift der letzten Ehewohnung in F. persönlich zugestellt werden sollte. Aus dem Zustellungsbericht ergibt sich weiter, dass das Schriftstück wegen der Abwesenheit des Adressaten auf dem Gemeindeamt in F. hinterlegt, eine Mitteilung über die Hinterlegung an die Wohnungstür angeheftet und unter der Reg.-Nr. ... ein Einschreiben mit Rückschein zur Benachrichtigung des Adressaten über die Hinterlegung eines an ihn gerichteten Schriftstücks abgesendet wurde. Aus der in den Akten enthaltenen Ablichtung des Rückscheins lässt sich anhand des Poststempels entnehmen, dass durch den Gerichtsvollzieher ein Einschreiben mit gleicher Reg.-Nr. am 11.12.2003 in Udine zur Post gegeben worden ist. Damit gilt die Zustellung als erfolgt; andere Informationen in Bezug auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks wären auch einer formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO nicht zu entnehmen gewesen. Ob die dadurch urkundlich belegte Zustellung vom 11.12.2003 tatsächlich rechtzeitig und in einer die Verteidigung ermöglichenden Art und Weise vorgenommen wurde, ist für die Prüfung der Förmlichkeiten ohne Belang.
[11]c) Allerdings erschöpfen sich die Informationen, die sich aus der Bescheinigung nach Art. 54 I EuGVO ergeben sollen, nicht auf das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks. Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats, welche in dem Formblatt nach Art. 54 EuGVO ebenfalls zu bescheinigen ist, ergibt sich im vorliegenden Fall aber daraus, dass das Urteil des Tribunale di Udine mit einem Rechtskraftvermerk und der Vollstreckungsklausel versehen ist.
[12]3. Ebenfalls im Ergebnis zutreffend ist die Beurteilung des OLG, dass der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVO einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des Tribunale di Udine nicht entgegensteht. Nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt und damit nach Art. 45 I EuGVO nicht für vollstreckbar erklärt, wenn dem Beklagten, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
[13]a) Dabei ist es umstritten, ob der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 I EuGVO von Amts wegen zu prüfen ist oder nur auf eine entsprechende Rüge des Beklagten berücksichtigt werden kann.
[14]Teilweise wird angenommen, dass unter Berücksichtigung des besonderen Beschleunigungs- und Vereinfachungsgebots unter der Geltung der EuGVO keine Veranlassung besteht, das Rechtsbehelfsverfahren dadurch zu verzögern, dass das Beschwerdegericht von Amts wegen Anerkennungshindernisse prüft, auf die sich der Schuldner überhaupt nicht berufen hat. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Versagungsgrund – wie in den Fällen der Versagung rechtlichen Gehörs im erststaatlichen Verfahren – allein dem Schutz des Beklagten, nicht aber auch innerstaatlichen Belangen des Vollstreckungsstaats dient (vgl. Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rz. 101; Schlosser aaO Art. 34–36 EuGVVO Rz. 21; Rauscher-Leible aaO Art. 34 Rz. 41; nun wohl auch Kropholler, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 8. Aufl., vor Art. 33 EuGVO Rz. 6 und Art. 34 EuGVO Rz. 45).
[15]Demgegenüber geht eine abweichende Ansicht davon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 I EuGVO eine verspätete oder mangelhafte Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks schon von Amts wegen berücksichtigt werden müsse (Musielak-Weth, ZPO, 5. Aufl., Art. 34 VO [EG] 44/2001 Rz. 1; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rz. 6; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Rz. 882; Hk-ZPO/Dörner aaO Art. 45 EuGVVO Rz. 1; Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rz. 5; Bülow-Böckstiegel-Geimer-Schütze-Tschauner, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Erg.-Lfg. 28, Art. 34 VO (EG) Nr. 44/2001 Rz. 51), wie dies bereits der in Deutschland und Österreich herrschenden Ansicht und Rechtspraxis zu Art. 27 Nr. 2 des EuGVÜ entsprochen hat (vgl. OLG Köln, VersR 1989, 727 (IPRspr. 1989 Nr. 213); OLG Koblenz, IPRspr.. 1990, Nr. 203 und IPRspr.. 1990 Nr. 212; Linke, RIW 1986, 409, 410; Stürner in Festschrift Nagel, 1987, 446, 452; Wiehe, Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA, 1993, 212 f.; Fahl, Die Stellung des Gläubigers und des Schuldners bei der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach dem EuGVÜ, 1993, 53; vgl. für Österreich: OGH Wien, Ent. vom 20.9.2000 – 3 Ob 179/00w, ZfRV 2001, 114, 116; Czernich-Tiefenthaler, Die Übereinkommen von Lugano und Brüssel. Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, 1997, Art. 27 LGVÜ/EuGVÜ Rz. 20).
[16]b) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Die Verpflichtung zur Prüfung von Amts wegen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 34 EuGVO (‚wird nicht anerkannt, wenn’), der das Fehlen von Versagungsgründen ausdrücklich zur negativen Tatbestandsvoraussetzung bestimmt. Der Wortlaut des Art. 34 EuGVO hat insoweit gegenüber Art. 27 EuGVÜ keine Veränderungen erfahren. Hätte der EU-Verordnungsgeber eine Rügepflicht des Beklagten für das Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen statuieren wollen, hätte es nahegelegen, dies – wie in § 328 I Nr. 2 ZPO – im Verordnungstext eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Für eine amtswegige Prüfung von Anerkennungsversagungsgründen unter der Geltung der EuGVO spricht ferner, dass die Urkundenvorlage nach Art. 53 II, 54 EuGVO notwendige Förmlichkeit eines jeden Antrags auf Vollstreckbarerklärung ist. Das in dem Formblatt gemäß Art. 54 EuGVO dokumentierte Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei einseitigen Verfahren im Ursprungsstaat kann indessen keinen anderen Sinn haben als den, den zuständigen Stellen im Vollstreckungsstaat für jeden Einzelfall die Prüfung zu ermöglichen, ob die Zustellung rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVO erfolgt ist. Da dies den Gerichten erster Instanz wegen Art. 41 Satz 1 EuGVO ausdrücklich verwehrt ist, kann diese Prüfung nur durch die Rechtsbehelfsgerichte erfolgen.
[17]c) Allerdings impliziert die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der Versagungsgründe im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuGVO nicht gleichzeitig die Verpflichtung zu einer Amtsermittlung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Die Art und Weise der Tatsachenermittlung und Wahrheitsfindung richtet sich grundsätzlich nach dem autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaats (Senatsbeschl. vom 28.11.2007 – XII ZB 217/05) (IPRspr 2007-179), so dass in Deutschland grundsätzlich vom allgemeinen zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz auszugehen ist (Kropholler aaO vor Art. 33 EuGVO Rz. 8).
[18]Soweit der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 2 EuGVO betroffen ist, muss der Kläger des erststaatlichen Verfahrens im Hinblick auf die ihm gemäß Art. 53 EuGVO auferlegten Pflichten darlegen und durch Vorlage der formularmäßigen Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO oder gleichwertiger Urkunden nachweisen, zu welchem Zeitpunkt die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten erfolgte (OLG Hamm, IPRspr.. 2003, Nr. 188; Rauscher-Leible aaO Art. 34 EuGVO Rz. 42; Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., Art. 34 EG-VO Zivil- und Handelssachen Rz. 27). Auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kommt es für Art. 34 Nr. 2 EuGVO im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht mehr an. Der EU-Verordnungsgeber hat es bewusst ausschließen wollen, dass ein bloß formaler und für die Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners unmaßgeblicher Zustellungsfehler dazu führt, die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung zurückzuweisen (vgl. Begr. zu Art. 41 des Kommissionsentwurfs KOM 1999 (348) endg. BR-Drucks. 534/99 S. 24; EuGH, Urt. vom 14.12.2006 – Rs C-283/05, NJW 2007, 825, 826 Rz. 20 [ASML Netherlands/SEMIS]; BGH, Beschl. vom 9.11.2006 – IX ZB 23/06, NJW-RR 2007, 638).
[19]Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kann unter der Geltung der EuGVO aber im Rahmen der Sachverhaltsermittlung weiterhin von Bedeutung sein. Schwerwiegende Mängel bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks werden regelmäßig ein starkes Indiz dafür sein, dass dem Schuldner im Ursprungsstaat kein ausreichendes rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung gewährt worden ist (vgl. auch Kropholler aaO Art. 34 EuGVO Rz. 40). Es ist deshalb im Vollstreckbarerklärungsverfahren besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück trotz eines formellen Zustellungsfehlers so rechtzeitig erhalten hat oder erhalten konnte, dass er sich im ursprungsstaatlichen Verfahren effektiv zu verteidigen vermochte.
[20]d) Bezüglich der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks hat das OLG festgestellt, dass der AGg. den Erhalt der Klageschrift nicht bestritten habe und die bei den Akten befindliche Ablichtung (der Klageschrift) einen Vermerk über deren Zustellung am 13.12.2003 (richtig: 11.12.2003) trage.
[21]aa) Soweit das OLG daraus allerdings geschlossen hat, dass die Zustellung der Klageschrift im Hinblick auf den am 19.1.2004 anberaumten Verhandlungstermin rechtzeitig im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVO erfolgt sein muss, begegnet dies schon im Ausgangspunkt rechtlichen Bedenken. Richtig ist zwar, dass der zur Vorbereitung der Verteidigung geforderte Zeitraum im Regelfall mit der ordnungsgemäßen Zustellung am Wohnsitz des Beklagten oder an einem anderen Ort beginnt, wenn nicht ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände die Annahme nahelegen, dass auch eine nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung nicht genügte, um den für die Verteidigung eingeräumten Zeitraum beginnen zu lassen (EuGH, Urt. vom 16.6.1981 – Rs 166/80, Slg. 1981, 1593, 1601 Rz. 19 [Klomps/Michel]; Kropholler aaO Rz. 36). Auf diesen Erfahrungssatz konnte sich das OLG aber nur dann stützen, wenn die (Ersatz-)Zustellung durch Hinterlegung des Schriftstücks auf dem Gemeindeamt nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäß war. Dies setzt wiederum die Feststellung voraus, dass der AGg. zum angenommenen (Ersatz-)Zustellungszeitpunkt am 11.12.2003 in der Gemeinde, in der die Zustellung vorgenommen wurde, seinen Wohnsitz, wenigstens aber seinen Aufenthaltsort oder sein Domizil gehabt hat (vgl. Art. 139 C. proc. civ). Dies allerdings erschien dem OLG – wie sein am 12.10.2005 erteilter Hinweis ergibt – selbst zweifelhaft; eine Zustellung nach den für die Wohnsitzzustellung maßgebenden Vorschriften an einem Ort, an dem der Adressat tatsächlich keinen Wohnsitz (mehr) hat, leidet indessen an einem schwerwiegenden Mangel (vgl. OLG Köln, IPRspr.. 2002, Nr. 196 = IPRax 2004, 115 ff.). Feststellungen dazu, wann der AGg. trotz einer möglicherweise ordnungswidrigen Zustellung vom Inhalt der Klageschrift tatsächlich hätte Kenntnis nehmen können, hat das OLG nicht getroffen.
[22]bb) Darüber hinaus macht die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend, dass das OLG angesichts des durch die Verfügung vom 12.10.2005 erteilten Hinweises durch seine Entscheidung den Anspruch des AGg. auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe.
[23]Ein Gericht verletzt die aus Art. 2 I GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) und aus Art. 103 I GG herzuleitenden Prozessgrundrechte des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es einen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und anschließend entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung seiner aus dem Hinweis ersichtlichen Beurteilung der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen und ihnen insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1996, 3202 f.; BFH, Beschl. vom 7.7.2003 – VIII B 228/02, BFH/NV 2003, 1440 f.). Dies gilt auch für die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte, für die § 139 III ZPO ausdrücklich eine Hinweispflicht des Gerichts vorsieht.
[24]Das OLG hatte die Parteien durch Verfügung vom 12.10.2005 u.a. darauf hingewiesen, dass die Empfangsbestätigung mit Poststempel vom 11.12.2003 nicht erkennen lasse, welches Schriftstück an welche Person zugestellt worden sei. Nach dem Inhalt dieser Verfügung konnten die Parteien davon ausgehen, dass die von der ASt. bislang vorgelegten Nachweise nicht ausreichen würden, um dem OLG Feststellungen zum Zeitpunkt und zur Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Klageschrift zu ermöglichen. Dieser Beurteilung steht es entgegen, dass sich das OLG bei seiner Feststellung, die Zustellung der Klageschrift sei am 13.12.2003 (richtig: 11.12.2003) und damit rechtzeitig erfolgt, allein auf den Inhalt des Zustellungsberichts und damit auf den Aktenstoff gestützt hat, welcher ihm bereits vor der Erteilung der Hinweisverfügung vorlag.
[25]cc) Auf diese Gesichtspunkte kommt es indessen nicht an, denn die Beurteilung des OLG, dass ein Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 2 EuGVO nicht gegeben sei, stellt sich aus anderem Grunde als richtig dar.
[26]e) Der Beklagte kann sich nämlich auf die fehlende Rechtzeitigkeit oder eine ihn in seiner Verteidigung behindernde Art und Weise der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berufen, wenn er es versäumt, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat einzulegen, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren im Ursprungsstaat nicht eingelassen hat, hat dann die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen, wenn er von den Gründen des Urteils Kenntnis erlangt, was voraussetzt, dass ihm dieses Urteil zugestellt worden ist (EuGH, Urt. vom 14.12.2006 aaO 827 Rz. 40). Indessen ist – ebenso wie bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks – die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Versäumnisentscheidung keine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf einzulegen; es genügt vielmehr jede rechtzeitige Zustellung in der Weise, dass der Beklagte sich vor den Gerichten des Ursprungsstaats verteidigen kann (EuGH, Urt. vom 14.12.2006 aaO Rz. 41 ff.).
[27]aa) Angesichts der vom EuGH aufgezeigten Parallelen zwischen der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und der Zustellung der Versäumnisentscheidung liegt es zwar nahe, dass der Kläger des erststaatlichen Verfahrens die Zustellung des im Ursprungsstaat ergangenen Urteils darlegen muss, zumal es dem Kläger in der Regel möglich und zumutbar ist, sich die erforderlichen Informationen über die Zustellung zu beschaffen und diese zu sichern. Insoweit sind die maßgeblichen Tatsachen hier allerdings unstreitig. Der AGg. hat selbst vorgetragen, das auf ‚einem Postamt’ für ihn hinterlegte Urteil im Frühjahr 2004 erhalten zu haben, so dass er von diesem Zeitpunkt an jedenfalls nicht mehr durch die mangelnde Kenntnis von den Urteilsgründen an der Einlegung eines Rechtsbehelfs gehindert wurde.
[28]bb) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der AGg., nachdem ihm das Urteil zugestellt wurde, nach den einschlägigen Vorschriften des italienischen Verfahrensrechts (noch) die rechtliche Möglichkeit hatte, einen statthaften Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine einzulegen. Diese Frage ist nicht nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast zu beurteilen, denn ausländische Rechtsnormen sind Rechtssätze und keine Tatsachen und deshalb nach st. Rspr. von Amts wegen zu ermitteln; eine Verletzung dieser Ermittlungspflicht kann auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge beanstandet werden (vgl. zuletzt BGH, Urt. vom 25.10.2006 – VII ZB 24/06, NJW-RR 2007, 574, 575 (IPRspr 2006-161)).
[29]Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem AGg. in Italien ein statthafter Rechtsbehelf gegen das Urteil des Tribunale di Udine zur Verfügung gestanden hat. Nach italienischem Zivilprozessrecht findet gegen Urteile der ersten Instanz das Rechtsmittel der Berufung statt (Art. 323, 339 C. proc. civ), das innerhalb von 30 Tagen nach der Zustellung des Urteils erhoben werden muss (Art. 325 f. C. proc. civ). Der Beginn der Rechtsmittelfrist setzt eine nach italienischem Verfahrensrecht ordnungsgemäße Zustellung voraus. Das Vorbringen des AGg. zur Hinterlegung des Urteils auf dem Postamt in Italien lässt indessen darauf schließen, dass die Zustellung des Urteils nicht durch den Gerichtsvollzieher persönlich, sondern mit Hilfe der Post [Art. 1 des Gesetzes Nr. 890 vom 20.11.1982 (Gazz. Uff. Nr. 334)] an die Anschrift der vormaligen Ehewohnung in F. erfolgte. Wenn der AGg. – wie er selbst behauptet – dort keinen Wohnsitz, keinen Aufenthaltsort und kein Domizil hatte, war diese Zustellung nach italienischem Verfahrensrecht unwirksam und konnte demzufolge die 30-tägige Berufungsfrist nicht in Lauf setzen. Unabhängig von der (wirksamen) Zustellung des Urteils kann die Berufung nach Ablauf eines Jahrs ab der Veröffentlichung des Urteils – d.h. ab der Übergabe des vollständig abgefassten Urteils an die Geschäftsstelle – nicht mehr erhoben werden (Art. 327 I C. proc. civ). Diese (absolute) Rechtsmittelfrist war noch nicht abgelaufen, als der AGg. im Frühjahr 2004 von den Urteilsgründen Kenntnis erhielt.
[30]cc) Demzufolge kann bereits auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts festgestellt werden, dass der AGg. die Möglichkeit hatte, nach dem Empfang des auf dem Postamt hinterlegten Urteils das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Weitergehende Feststellungen sind nicht erforderlich; insbesondere kommt es – wovon der AGg. in der Beschwerdeinstanz offensichtlich ausging – nicht darauf an, ob die ausländische Entscheidung noch im Zeitpunkt der Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens anfechtbar war.
[31]4. Auch die Rüge, dass das OLG keine genügenden Feststellungen dazu getroffen habe, ob sich die ASt. von dem ‚Vollstreckungsvertrag’ mit dem AGg. einseitig habe lösen können, verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.
[32]a) Gemäß § 12 I AVAG kann der Verpflichtete mit der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung im Ursprungsstaat entstanden sind. Auf den vorliegenden Fall kann § 12 I AVAG schon deshalb nicht unmittelbar angewendet werden, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur solche materiell-rechtlichen Einwendungen erfasst, die sich gegen den titulierten Anspruch richten und ansonsten im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu verfolgen wären. Dies trifft auf Vereinbarungen, mit denen sich der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtet, von einem erwirkten Titel ganz, teil- oder zeitweise keinen Gebrauch zu machen, grundsätzlich nur dann zu, wenn der Schuldner geltend macht, die vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung betreffe (auch) den materiell-rechtlichen Anspruch, habe also beispielsweise (auch) Erlass- oder Stundungswirkungen. Da sich dies dem Vorbringen des AGg. nicht entnehmen lässt, kommt hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 12 AVAG in Betracht (vgl. zur analogen Anwendung von § 767 ZPO auf nur vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen: BGH, Urt. vom 2.4.1991 – VI ZR 241/90, NJW 1991, 2295, 2296 und vom 7.3.2002 – IX ZR 293/00, NJW 2002, 1788; vgl. auch Karsten Schmidt in Festschrift 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. III [2000], 498 ff.).
[33]b) Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass der Wortlaut von Art. 45 I EuGVO, wonach die Vollstreckbarerklärung nur aus den in Art. 34 f. EuGVO enumerierten Versagungsgründen aufgehoben oder versagt werden dürfe, einer Anwendung von § 12 AVAG in Verfahren nach der EuGVO nicht von vornherein entgegensteht. Art. 45 I EuGVO beschreibt insoweit lediglich den Prüfungsrahmen, in dem die Rechtsbehelfsgerichte des Vollstreckungsstaats zum einen den materiellen Gehalt der Entscheidung und zum anderen ihr Zustandekommen überprüfen dürfen; im Übrigen gilt das Verbot der Nachprüfung in der Sache (révision au fond, Art. 45 II EuGVO). Die Behandlung von nachträglichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen, die dem Gericht im Ursprungsstaat vor Erlass der Entscheidung nicht zur Überprüfung gestellt werden konnten und deren Berücksichtigung im Exequaturverfahren demzufolge auch keinen Verstoß gegen das Verbot der révision au fond darstellen würde, fällt nicht in den Regelungsbereich der EuGVO (vgl. hierzu Senatsbeschl. vom 14.3.2007 – XII ZB 174/04, FamRZ 2007, 989, 992 = BGHZ 171, 310 (IPRspr 2007-207)). Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ (EuGH, Urt. vom 29.4.1999 – Rs C-267/97, Slg. 1999, I-2543, I-2570 Rz. 24, I-2572 Rz. 32 = IPRax 2000, 18 ff. [Coursier/Fortis Bank]) hat der Senat den auf § 12 I AVAG gestützten Einwand der nachträglichen Erfüllung im Exequaturverfahren nach der EuGVO jedenfalls dann zugelassen, wenn die Erfüllung unstreitig geblieben ist (vgl. Senatsbeschl. vom 14.3.2007 aaO 992 f.).
[34]c) Ob diese Grundsätze auch in Fällen anzuwenden sind, in denen der Schuldner eine nachträgliche vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung behauptet, bedarf hier jedoch keiner näheren Erörterung. Das OLG hat angenommen, das nicht näher substantiierte Vorbringen des AGg., es bestehe zwischen den Parteien ein Vollstreckungsvertrag, wonach aus dem Urteil des Tribunale di Udine nicht vollstreckt werden solle, schließe es nicht aus, dass sich die ASt. von diesem Vertrag – etwa durch ordentliche Kündigung oder vorbehaltenen Rücktritt – wieder lösen könne. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
[35]Es entspricht st. Rspr. des BGH, dass gerade bei solchen scheinbar eindeutigen Vereinbarungen, die als Verzicht oder in ähnlicher Weise gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet und den der Erklärung zugrunde liegenden Umständen besondere Bedeutung beigemessen werden muss (BGH, Urt. vom 10.5.2001 – VII ZR 356/00, NJW 2001, 2325, 2326 und vom 15.1.2002 – X ZR 91/00, NJW 2002, 1044, 1046). Denn die Lebenserfahrung spricht im Allgemeinen dagegen, dass ein Gläubiger sein Forderungsrecht wieder aufgeben will. Dies gilt umso mehr, wenn der Gläubiger bereits über einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Titel verfügt und sich durch einen Vollstreckungsverzicht der Möglichkeiten begibt, sein vor Gericht bereits erstrittenes Recht auch durchzusetzen. Es bedarf deshalb grundsätzlich der Darlegung eines plausiblen Grunds, warum der Gläubiger auf sein Recht verzichten sollte, wenn ein solcher Grund sonst nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Urt. vom 10.5.2001 aaO).
[36]Nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Motivation der ASt. zu einem Vollstreckungsverzicht lassen sich im Ansatz nur aus der von dem AGg. vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz entnehmen. Soweit er sich insbesondere auf eine Erklärung der ASt. beruft, wonach ‚ihr klar sei’, dass ‚das italienische Urteil die finanziellen Möglichkeiten’ des AGg. überschreite, lässt dies nicht einmal ohne weiteres den Schluss auf einen Willen zur rechtlichen Bindung der ASt. zu. Denn eine Erklärung dieses Inhalts könnte auch dahin verstanden werden, dass die ASt. eine Abstandnahme von Zwangsvollstreckungshandlungen nur deshalb in Aussicht gestellt hat, weil ihr der Erfolg solcher Beitreibungsversuche angesichts der Einkommensverhältnisse des AGg. zweifelhaft erschien, nicht aber, weil sie sich gegenüber dem AGg. hierzu rechtlich verpflichten wollte. Da für die ASt. kein einleuchtender Grund bestand, die rechtskräftige Entscheidung des Tribunale di Udine in der Sache nachprüfen zu lassen, kann diese Erklärung selbst bei Annahme eines Rechtsbindungswillens bei interessengerechter Auslegung durchaus in der Weise gewürdigt werden, dass die ASt. ihre Vorstellung von der unterhaltsrechtlichen Leistungsunfähigkeit des AGg. zur Geschäftsgrundlage für eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung machen wollte. Dass sich diese Vorstellung bei Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens verändert haben muss, ergibt sich schon aus dem außergerichtlichen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der ASt. vom 13.9.2005, in dem behauptet wurde, dass der AGg. nicht nur über das von ihm zugestandene Nettoeinkommen bei der Firma F. in monatlicher Höhe von 10 000 Euro, sondern auch über weitere Einkünfte aus ‚Firmen und Beteiligungen’ in Höhe von ‚mindestens 100 000 Euro jährlich’ verfüge.