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Verfahrensgang

LG Karlsruhe, Urt. vom 12.06.2025 – 22 O 10/24, IPRspr 2025-123

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Besonderer Deliktsgerichtsstand
Zuständigkeit → Allgemeiner Gerichtsstand

Leitsatz

Beruft sich eine weder in Deutschland, noch im EU-​Ausland ansässige juristische Person auf eine Verletzung des – ihr nicht zustehenden – Unternehmenspersönlichkeitsrechts, trägt sie keine schlüssigen Tatsachen für das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte vor. Die Klage ist dann vor jeder Sachprüfung als unzulässig abzuweisen.

Rechtsnormen

AEUV Art. 18
BGB § 823; BGB § 1004
EuGVVO 1215/2012 Art. 7
GG Art. 2; GG Art. 19
ZPO §§ 12 ff.; ZPO § 32

Sachverhalt

Die Klägerin wurde 2023 unter der Firma „… L.L.C.“ in Dubai, VAE, gegründet. Gesellschafter sind die Herren .... Zweck der Gesellschaft sind ausweislich des Gesellschaftsvertrags Immobiliengeschäfte einschließlich der Immobilienverwaltung und -betreuung. Die Klägerin betreibt ihre Geschäfte in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo die von ihr angebotenen Immobilien liegen. Am 28.10.2023 wurde die Webseite der Klägerin „...com“ registriert. Inzwischen ist es zu einem Zerwürfnis zwischen den Beteiligten gekommen, wobei die Ursachen dafür im Streit stehen. In der Folge hat die Beklagte bei Instagram die Posts abgesetzt, die nun Klagegegenstand sind. Die Klägerin hält das angerufene Gericht nach den Grundsätzen der Entscheidung BGH, Urteil von 02.03.2010 – VI ZR 23/09 New York Times für international und wegen der Abrufbarkeit der streitgegenständlichen Äußerungen im Internet und damit auch im hiesigen Gerichtsbezirk für örtlich zuständig. Sie sei rechts- und parteifähig aufgrund einer vom Sitzland ausgestellten Commercial License. Die gegen die konkrete Verletzungsform zulässig gestellten Unterlassungsanträge seien wegen Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts begründet.

Die Klägerin beantragt:

I. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten, in Bezug auf die Klägerin zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

1. die Internetseite der Klägerin ...com sei „Fake“, wenn dies geschieht, wie unter … geschehen und aus der Anlage JS 8 ersichtlich;

und/oder

2. „WICHTIGE INFORMATION!!!!! Wir sind mehrfach informiert worden, dass es zwei identische Seiten bei Google von @... original gibt. Wir möchten hiermit eindeutig klarstellen, dass nur die Seite mit dem Vermerk original unserer (sic!) Seite ist. Des weiteren möchten wir in diesem Zusammenhang euch (sic!) davon informieren, dass wir mit den Personen … keinerlei Geschäftsbeziehungen mehr betreiben und somit jegliche Werbung mit uns von uns untersagt ist und rechtliche Konsequenzen haben wird…“, wenn dies geschieht, wie unter … geschehen;

und/oder

3. a) „Trotzdem möchte ich Euch informieren, dass die Fake-​Webseite auf Google immer noch existiert […]. Bitte lasst Euch nicht von … und Co, in die Irre führen…“ wie in dem Videobeitrag unter … geschehen;

und/oder

b) „Leider wurde unsere Gutmütigkeit wieder ausgenutzt, und wir mussten feststellen, dass unsere ehemaligen Geschäftspartner uns nur als ihre Fassade benutzt haben, um an entsprechende Kontakte zu gelangen. Wir sind darüber sehr empört und schockiert. Es gibt eine Webseite, die nun unrechtmäßig Werbung mit unseren Fotos und Logo macht, um Interessenten anzulocken und Kontakte für andere Geschäfte abzufischen…“, wie unter … geschehen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € ... nebst Zinsen zu zahlen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Klage ist wegen fehlender internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte als unzulässig abzuweisen.

[2]I. Sowohl nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch des Europäischen Gerichtshofs ist die internationale Zuständigkeit stets von Amts wegen und vor jeder Sachprüfung zu prüfen (BGH NJW 1991, 3092, 3093 (IPRspr. 1991 Nr. 166b); EuGH NJW 2024, 2823 Rn. 24 ff. – JX/FTI Touristik GmbH).

[3]1. Eine internationale Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-​VO ist hier nicht geltend gemacht und liegt auch nicht vor. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag Wohnsitze in Monaco und den VAE, also außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. Dieser Umstand ist vom Gericht trotz des Bestreitens mit Nichtwissen durch die Klägerin zugrunde zu legen, da es an der Klägerin gewesen wäre, einen anderen (deutschen oder EU-​ausländischen) Wohnsitz der Beklagten zu behaupten und unter Beweis zu stellen.

[4]2. Eine internationale Zuständigkeit auf der Grundlage von §§ 12 ff. ZPO, insbesondere nach § 32 ZPO, besteht nicht.

[5]a) Die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO) regeln mittelbar auch die Grenzziehung zwischen der Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 7 m.w.N. (IPRspr 2010-213)). Sie greifen ein, wenn – wie hier – vorrangige unions- oder völkerrechtliche Regelungen nicht existieren.

[6]b) Begehungsort der deliktischen Handlung i.S.v. § 32 ZPO ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, sodass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen wurde, oder dort, wo in ein geschütztes Rechtsgut eingegriffen wurde (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 8 (IPRspr 2010-213)).

[7]aa) Die Grundsätze, die zu Rechtsverletzungen durch Presseveröffentlichungen entwickelt wurden („Verletzungen des Persönlichkeitsrechts mittels Presseerzeugnissen sind dort ‚begangen‘, wo das Presseerzeugnis erscheint oder wo es vertrieben wird, nicht jedoch unabhängig davon auch am Wohn- oder Aufenthaltsort des Betroffenen“; BGH NJW 1977, 1590 (IPRspr. 1977 Nr. 124)), können auf Internetinhalte nicht ohne Weiteres übernommen werden. Bei Internetinhalten bedarf es einer „besonderen Beziehung der Streitigkeit zum Forum“ (BGH NJW 2010, 1752 Rn. 17 (IPRspr 2010-213)) in Form eines „über die bloße Abrufbarkeit der rechtsverletzenden Inhalte hinausgehende[n] Inlandsbezug[s]“ (a.a.O. Rn. 18). Es kommt darauf an, ob die Inhalte einen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland stattfinden kann/stattgefunden hat: „Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstanden Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als dies bei der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde“ (a.a.O. Rn. 20).

[8]bb) Danach liegt eine Kenntnisnahme der Postings der Beklagten im Inland nahe, da die Beklagte vor allem in Deutschland aufgrund ihrer Fernsehserie „…“ bekannt ist und dementsprechend auch der Großteil ihrer „Follower“ aus Deutschland kommt. Zudem sind die Posts in deutscher Sprache gehalten. Falls die Klägerin ausschließlich in den VAE geschäftsaktiv sein sollte, würde dies daran nichts ändern (dazu der Vortrag der Klägerin in der Replikschrift vom 10.01.2025, S. 11 ff.). Dieser Punkt kann aber letztlich dahinstehen.

[9]c) Zur Begründung der Zuständigkeit ist erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt. Soweit zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen zusammenfallen (Doppelrelevanz), ist die Klage bei deren Nichtvorliegen unbegründet, nicht nur unzulässig (BGH NJW-​RR 2010, 1554 Rn. 8 (IPRspr 2010-227); Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage, 10/2023, § 32 ZPO, Rn. 22). Anders liegt es hingegen, wenn die (unterstellten) Tatsachen – ihr Vorliegen unterstellt – bei zutreffender rechtlicher Würdigung schon nicht alle Tatbestandsmerkmale der Deliktsnorm erfüllen. Dann fehlt es bereits an der internationalen Zuständigkeit (BGH a.a.O.). Die fehlende Schlüssigkeit des Vorbringens führt in diesem Falle nicht zur bloßen Unbegründetheit der Klage, sondern, weil schon keine schlüssigen zuständigkeitsbegründenden Umstände vorgetragen sind, zu ihrer Unzulässigkeit.

[10]d) So liegt der Fall hier. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit unschlüssig, denn sie kann sich nicht auf ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht nach deutscher Rechtsordnung berufen, folglich in einem solchen auch nicht verletzt sein.

[11]aa) Das sog. Unternehmenspersönlichkeitsrecht ist im deutschen Recht durch §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG geschützt. Es ist anerkannt, dass juristische Personen Persönlichkeitsschutz genießen, soweit sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn und soweit sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen sind (BGH NJW 2016, 1584 Rn. 11; BGH NJW 2020, 1587 Rn. 34 (IPRspr 2020-65)).

[12]bb) Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte nur für inländische juristische Personen. Hierbei ist der effektive Sitz der Gesellschaft entscheidend (BVerfGE 163, 363 (IPRspr 2022-254), Rn. 103; BVerfG NVwZ 2008, 670 (671)). Eine Anwendungserweiterung über das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV oder spezielle Gleichheitssätze findet nur für juristische Personen mit Sitz im EU-​Ausland statt (BVerfGE 129, 78 (95 ff.) = NJW 2011, 3428 (IPRspr 2011-170); BeckOK GG/Enders, 61. Ed. 15.3.2025, GG Art. 19 Rn. 37). Daher gilt auch das unmittelbar aus dem Grundgesetz entwickelte Unternehmenspersönlichkeitsrecht nur für inländische und EU-​ausländische juristische Personen. Soweit ersichtlich, hat auch die Instanzrechtsprechung eine Erstreckung auf Unternehmen aus dem Nicht-​EU-​Ausland nicht vorgenommen (vgl. nur LG Hamburg, Urt. v. 14.12.2012324 O 64/12, BeckRS 2012, 25340; OLG Dresden, Beschl. v. 22.04.20244 U 1921/23, BeckRS 2024, 19280).

[13]cc) Die Klägerin hat ihren Sitz in den VAE. Auf den Schutz der deutschen Grundrechte kann sie sich nicht berufen, mithin auch nicht auf das aus der Verfassung abgeleitete Unternehmenspersönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.

[14]II. ...

Fundstellen

Volltext

Link, Landesrecht Baden-Württemberg
Link, juris.de

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2025-123

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