Treffen die Eltern eines Betroffenen, für den gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB zunächst russisches Recht als das Recht der Staatsangehörigkeit des Betroffenen in Hinblick auf die Namenswahl gegolten hat, gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB die Rechtswahl, dass deutsches Recht das maßgebliche Namensstatut ist, hat dies zur Folge, dass eine Namensangleichung nach - nunmehr geltendem - deutschen Recht gemäß Art. 47 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 EGBGB möglich war, weshalb die durch Fortschreibung des Geburtenregisters vorgenommenen Eintragungen rechtmäßig erfolgten und eine Berichtigung nach § 48 PStG nicht zu erfolgen hat.
In dem schriftlichen Antrag der Eltern des Betroffenen auf Angleichung der Namensführung an das deutsche Recht - Erklärung eines Kindes - kann eine Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB konkludent enthalten sein.
Der Beteiligte Ziffer 1 (im Folgenden: der Betroffene) ist am 08.02.2000 in Freiburg geboren und hat die russische Staatsangehörigkeit. Die Beteiligte Ziffer 2 ist seine Mutter, der Beteiligte Ziffer 3 sein Vater. Das Standesamt der Stadt F (Beteiligte Ziffer 4) trug den Betroffenen am 16.02.2000 unter der Registernummer G 491/2000 mit dem Geburtsnamen Û und dem Vornamen J in das Geburtenregister ein (vgl. Geburtenregister-Auszug AS I 5). Am 25.04.2002 erfolgte eine Berichtigung dahingehend, dass als Vorname J B eingetragen wurde (vgl. Geburtenregister-Auszug AS I 6). Am 17.01.2020 wurde der Geburtenregistereintrag dahingehend fortgeschrieben, dass als Geburtsname des Betroffenen U und als Vorname J mit Wirksamkeitsdatum 07.09.2009 eingetragen wurde. Zudem wurde als Beurkundungsanlass die Angleichung der Namen eines Elternteils und des Kindes vermerkt (vgl. Geburtenregister-Auszug AS I 7). Hintergrund der Namensangleichung war, dass die Beteiligte Ziffer 2 am 29.07.2009, nachdem sie die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, gegenüber dem Standesamt der Beteiligten Ziffer 4 eine Angleichungserklärung abgab (vgl. Erklärung AS I 19). Darin erklärte sie, dass sie den Vatersnamen ablege und den Familiennamen U ohne diakritisches Zeichen über dem „U“ führen wolle. Eine Angleichungserklärung gleichen Inhalts, das heißt Ablegen des Vatersnamens und Annahme der deutschsprachigen Form des Familiennamens U, wurde auch von dem Betroffenen – vertreten durch die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 – aufgenommen (vgl. Erklärung AS I 23). Das Standesamt der Beteiligten Ziffer 4 hat dem Betroffenen und der Beteiligten Ziffer 2 mit Schreiben vom 29.10.2021 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Geburtenregister des Betroffenen wieder zu ändern. Die am 17.01.2020 mit Wirkung zum 07.09.2009 eingetragene Namensangleichung sei beim Betroffenen unwirksam gewesen und habe nicht eingetragen werden dürfen, weil der Betroffene – im Gegensatz zur Beteiligten Ziffer 2 – nicht die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen habe und weiterhin russischer Staatsangehöriger sei. Weiter teilte das Standesamt mit, dass die Namensangleichung vorgenommen werden könne, sobald der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit erhalte. Die Beteiligte Ziffer 2 ist der beabsichtigten Änderung entgegen getreten und hat ausgeführt, sie wolle, dass der Betroffene weiterhin – wie bereits in der Geburtsurkunde vermerkt sei – U genannt werde. Der Betroffene werde bald eingebürgert.
Die Beteiligte Ziffer 4 hat daraufhin am 21.12.2021 einen Antrag auf gerichtliche Berichtigung eines Registereintrags gemäß § 48 PStG gestellt, als Geburtsnamen des Betroffenen „Û“ sowie als Vatersnamen „B“ sowie als Familiennamen der Kindesmutter „Û“ und als deren Vatersnamen „Ûr“ einzutragen. Das Amtsgericht Freiburg hat mit Beschluss vom 05.01.2022 entschieden, den Eintrag G 491/2000 im Geburtenregister des Standesamtes der Beteiligten Ziffer 4 dahingehend zu berichtigen, dass das Kind den Geburtsnamen „Û“ und den Vatersnamen „B“ führt sowie dass die Mutter den Familiennamen „Û“ und den Vatersnamen „Ûr“ führt. Der Beschluss wurde den Beteiligten zugestellt; mit gemeinsamem, auf den 28.01.2022 datiertem Schreiben haben der Betroffene und die Beteiligte Ziffer 2 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.06.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II.
[2]Die Beschwerden des Betroffenen und der Beteiligten Ziffer 2 sind gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und zulässig, insbesondere gemäß §§ 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt. Sie sind auch begründet. Die durch das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss ausgesprochene Berichtigung des Geburtenregisters ist nicht vorzunehmen. Die Voraussetzungen für die beantragte Berichtigung liegen nicht vor.
[3]1. § 48 PStG setzt voraus, dass eine einzutragende Tatsache nicht, nicht vollständig oder unrichtig (auch falls rechtlich unzulässig) eingetragen ist (Firsching/Dodegge FamR II/Dodegge/Firsching, 8. Aufl. 2015, Rn. 718). Der durch Fortschreibung des Geburtenregisters vom 17.01.2020 mit Wirkung zum 07.09.2009 veranlasste Eintrag ist jedoch richtig.
[4]a) Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört.
[5]Nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB kann der Inhaber der Sorge gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen nach dem Recht eines Staates erhalten soll, dem ein Elternteil angehört (Nr. 1) oder nach deutschem Recht, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 2), wobei nach der Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärungen öffentlich beglaubigt werden müssen.
[6]Normzweck des Art. 10 Abs. 3 EGBGB ist es, dem Inhaber der elterlichen Sorge zu ermöglichen, die Namensführung des Kindes an die konkret gelebte Familiensituation sowie die soziale Umgebung anzupassen und dabei gegebenenfalls auch die künftige Lebensplanung zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 08.12.2021 -
[7]Die Rechtswahl kann mittels ausdrücklicher Erklärung, jedoch auch konkludent getroffen werden (MüKoBGB/Gössl, 9. Aufl. 2024, EGBGB Art. 10 Rn. 141; AG München, Beschluss vom 21.10.2022 -
[8]Nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB kann eine Person, die nach einem anwendbaren ausländischen Recht einen Namen erworben hat, deren Name sich fortan nach deutschem Recht richtet, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt eine deutschsprachige Form ihres Vor- oder ihres Familiennamens annehmen. Nach Abs. 1 Nr. 3 der Vorschrift kann die Person ferner Bestandteile des Namens ablegen, die das deutsche Recht nicht vorsieht.
[9]b) Nach dieser Maßgabe waren die mit Fortschreibung vom 17.01.2020 vorgenommenen Eintragungen hinsichtlich des Betroffenen richtig. Nachdem ursprünglich gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB russisches Recht in Hinblick auf die Namenswahl des Betroffenen galt, hat sich dies durch – konkludent – gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffene Rechtswahl der Eltern hin zu deutschem Recht geändert mit der Folge, dass eine Namensangleichung nach – nunmehr geltendem – deutschen Recht gemäß Art. 47 EGBGB möglich war, weshalb die durch Fortschreibung des Geburtenregisters vorgenommenen Eintragungen rechtmäßig erfolgten.
[10]aa) Gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB galt zunächst russisches Recht als das Recht der Staatsangehörigkeit des Betroffenen in Hinblick auf die Namenswahl. Demnach wäre die vom Standesamt getroffene Fortschreibung vom 17.01.2020 unrechtmäßig gewesen, weil diese nach deutschem Recht erfolgte.
[11]bb) Eine Namenserstreckung nach Art. 47 Abs. 1, 2 EGBGB in dem Sinne, dass die Eltern (die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3) nach Einbürgerung der Beteiligten Ziffer 2 im Jahr 2009 für den Betroffenen die Erstreckung des Namens der Mutter „U“ auch auf den Betroffenen erwirken konnten, kam mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 1617c BGB, auf den Art. 47 Abs. 2 Satz 3 EGBGB Bezug nimmt, nicht in Betracht.
[12]cc) Jedoch konnten die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 als Sorgeberechtigte für den Betroffenen gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB die Rechtswahl treffen, dass deutsches Recht das maßgebliche Namensstatut ist. Ein dahingehender Erklärungsgehalt ist in dem schriftlichen Antrag auf Angleichung der Namensführung an das deutsche Recht – Erklärung eines Kindes – vom 07.09.2009 (AS I 23) konkludent enthalten.
[13]Ausdrücklich handelt es sich bei dem schriftlichen Antrag um eine Erklärung des Kindes (hier: des Betroffenen) über die Angleichung der Namensführung an das deutsche Recht gemäß Art. 47 Abs. 1 EGBGB, § 43 PStG, also eine lediglich sachrechtliche Namenswahl. Die Voraussetzungen hierfür lagen – isoliert betrachtet – nicht vor, da es sich bei dem Betroffenen – mangels Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft und nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 1 EGBGB – nicht um eine Person handelte, deren Name sich fortan nach deutschem Recht, sondern weiterhin nach dem Recht der russischen Föderation richtete.
[14]Nach § 133 BGB maßgeblicher und nachvollziehbarer Wille der Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 war es jedoch, dem Betroffenen – wie den weiteren am Wohnort der alleinerziehenden Mutter lebenden Familienangehörigen – zu ermöglichen, seinen Namen in der Schreibweise demjenigen der Mutter anzupassen, damit ein einheitlich geschriebener Familienname der am Wohnort der Mutter lebenden Familienangehörigen besteht. Dieser Wille ließ sich mit der Wahl deutschen Rechts als Namensrecht ermöglichen und entsprach nach den nachvollziehbaren Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 28.01.2022 fortan über ca. 13 Jahre und darüber hinaus weiterhin dem Willen der Beteiligten Ziffer 2 sowie ihrer Familienangehörigen einschließlich des Betroffenen.
[15]Mit ihrer Erklärung vom 07.09.2009 haben beide Elternteile den Willen, dass sich der Name des damals minderjährigen Betroffenen fortan nach deutschem Recht richten solle, inhaltlich eindeutig im Sinne des Art. 10 Abs. 3 EGBGB geäußert. So enthält das Formular neben dem Antrag des Betroffenen auf Angleichung der Namensführung die Erklärung beider Eltern – der Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 – dass diese als gesetzliche Vertreter des Kindes dessen Erklärung – zur optionalen Vornahme einer Namensangleichung nach deutschem Recht – zustimmen. Darüber hinaus ist die Erklärung der Eltern enthalten, darüber unterrichtet zu sein, dass diese durch Erklärung die Namen ihres Kindes nach deutschem Recht anpassen können, weil sich seine Namensführung fortan nach deutschem Recht richte. Dann kommt dieser Erklärung aber gleichzeitig der Inhalt einer Rechtswahl hin zu deutschem Recht zu. Die weiteren hierzu maßgeblichen Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB lagen vor. Nr. 2, wonach ausreicht, dass ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, war erfüllt: Sogar beide Elternteile hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Darüber hinaus war zusätzlich seit dem Jahr 2009 und mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Beteiligte Ziffer 2 Nr. 1 der Vorschrift erfüllt (ein Elternteil gehört dem deutschen Staat, dessen Recht für das Kind gewählt wird, an).
[16]Die formelle Voraussetzung der öffentlichen Beglaubigung der abgegebenen Erklärungen gemäß Art. 10 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ist mit der Beurkundung der Erklärung der Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 vom 07.09.2009 durch die Standesbeamtin in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 1 PStG ebenfalls erfüllt (BeckOK BGB/Mäsch, a. a. O., EGBGB Art. 10 Rn. 79).
[17]dd) Nach getroffener Rechtswahl richtete sich der Name des Betroffenen fortan nach deutschem Recht, so dass die am 07.09.2009 beantragten und durch Fortschreibung am 17.01.2020 in das Geburtenregister eingetragenen Änderungen – Ablegen des Vatersnamens B und Änderung der Schreibweise des Familiennamens von Û zu U – gemäß Art. 47 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 5 EGBGB rechtmäßig vorgenommen wurden und somit nicht zu berichtigen sind. Die mit Fortschreibung vom 17.01.2020 im Geburtenregister des Betroffenen ebenfalls vorgenommene Änderung des – seinerseits gemäß Art. 47 EGBGB angeglichenen – Namens der Beteiligten Ziffer 2 war infolgedessen gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 2 PStG ebenfalls richtig.
[18]2. ...