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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 06.09.2007 – 20 W 19/07, IPRspr 2007-11

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Hat der Sorgeberechtigte nach der Geburt des Kindes für dessen Familiennamen nach Art. 10 III Nr. 1 EGBGB ausländisches (hier: spanisches) Recht gewählt, so kann im Fall der späteren Eheschließung der Eltern und der Wahl deutschen Rechts für den Ehenamen auch für den künftig zu führenden Familiennamen des Kindes erneut eine Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB zugunsten deutschen Rechts erfolgen und so kraft § 1617c I BGB der Ehename auf den Geburtsnamen des Kindes erstreckt werden.

Im Fall einer Rechtswahl gemäß Art. 10 II EGBGB ist die Namenserstreckung nach Art. 10 II 3 EGBGB in Verbindung mit § 1617c BGB nicht von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts unabhängig, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Gesetzgeber eine international zwingende Erstreckung der Regelung des § 1617c BGB beabsichtigt hat.

Rechtsnormen

BGB § 10; BGB § 1617c; BGB § 1626a
Cc 1889 (Spanien) Art. 109
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10
FGG § 27
PStG § 48
ZPO § 546

Sachverhalt

Der Beteiligte zu 1), ein spanischer Staatsangehöriger, und die Beteiligte zu 2), eine deutsche Staatsangehörige, sind Eltern der Beteiligten zu 3) und 4).

Die zunächst unverheirateten Beteiligten zu 1) und 2) haben für die Namensführung der Kinder spanisches Recht gewählt und als deren Geburtsnamen einen aus dem ersten Familienname des Beteiligten zu 1) und dem Familiennamen der Beteiligten zu 2) zusammengesetzten Namen bestimmt.

Die Beteiligten zu 1) und 2) schlossen in der Folge die Ehe, wählten für ihre Namensführung deutsches Recht und bestimmten den Geburtsnamen des Beteiligten zu 1) zu ihrem Ehenamen. Sodann erklärten die Beteiligten zu 1) und 2) in öffentlich beglaubigter Form gegenüber der Standesbeamtin nachträglich, für die Geburtsnamen ihrer Kinder deutsches Recht wählen und den zwischenzeitlich zu ihrem Ehenamen bestimmten Familiennamen zum Geburtsnamen der Kinder bestimmen zu wollen.

Der Standesbeamte verweigerte die Fortschreibung der Geburtseinträge im Geburtenbuch.

Auf die Zweifelsvorlage des Beteiligten zu 5) wies das AG den Standesbeamten an, den Geburtenbüchern keinen Randvermerk bezüglich der Namensänderung der Beteiligten zu 3) und 4) beizuschreiben.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5) wies das LG zurück. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde erstrebt der Beteiligten zu 5) eine obergerichtliche Klärung der zugrunde liegenden Rechtsfrage im Interesse einer geordneten Amtsführung.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Das Rechtsmittel ist als weitere Beschwerde statthaft ...

[2]Das Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 48 I PStG, 27 I FGG, 546 ZPO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen konnten die Beteiligten zu 1) und 2) nach ihrer Eheschließung bezüglich des Geburtsnamens ihrer beiden Söhne eine erneute Rechtswahl zum deutschen Recht treffen und so die Erstreckung des von ihnen nach der Eheschließung zum Ehenamen bestimmten Geburtsnamens des Beteiligten zu 1) auf den Geburtsnamen der beiden Kinder erreichen.

[3]Allerdings sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, dass die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht mit dem Beteiligten zu 1) verheiratete Beteiligte zu 2) als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge in Anwendung deutschen Rechts nach Art. 5 I 2 und Art. 10 III Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 1626a II BGB mit Zustimmung des Beteiligten zu 1) für den Namen der Kinder wirksam spanisches Recht gewählt hat, wonach diese gemäß Art. 109 span. Cc den aus den (ersten) Familiennamen beider Eltern zusammengesetzten Geburtsnamen B.-A. erhielten (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Spanien [164. Lfg.] S. 45). Die nach Art. 10 III Nr. 1 EGBGB im Zusammenhang mit dem Geburtseintrag getroffene Rechtswahl führte dazu, dass für das Namensstatut der Kinder spanisches Recht gilt, welches damit auch für die Frage der Erstreckung des Ehenamens auf den Namen der Kinder maßgeblich ist (vgl. BayObLG, StAZ 1993, 387 (IPRspr. 1993 Nr. 13); OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1990, 772 (IPRspr. 1990 Nr. 7); Hepting-Gaaz, PStG, Bd. II, Rz. V 804; MünchKomm-Birk, BGB, 4. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 136; Palandt-Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 23).

[4]Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass nach spanischem Recht die Ehegatten keinen (gemeinsamen) Ehenamen führen, sondern jeder Ehegatte seinen bisherigen Namen behält – unbeschadet der Möglichkeit der Führung des Namens des Mannes als sog. ‚Gebrauchsnamen’ durch die Ehefrau ohne rechtliche Auswirkungen auf den Geburtsnamen (vgl. Hepting/Bauer, spanische Doppelnamen im deutschen Namensrecht: IPRax 2000, 394 f.) –, so dass das spanische Recht auch keine Erstreckung eines Ehenamens auf den Familienamen des Kindes, wie dies im deutschen Recht in § 1617c BGB vorgesehen ist, kennt.

[5]Nach Auffassung des Senats erfolgt im vorliegenden Falle auch keine automatische Erstreckung des von den Beteiligten zu 1) und 2) bei der Eheschließung nach Wahl des deutschen Rechts gewählten Ehenamens nach Art. 10 II 1 Nr. 1 und Satz 3 EGBGB i.V.m. § 1617c BGB. Nach Art. 10 II 3 EGBGB ist für die Auswirkungen der Wahl des Ehenamens auf den Namen eines Kindes § 1617c BGB sinngemäß anzuwenden. Der Sinn dieser Verweisung ist auch nach der Änderung des Art. 10 BGB durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG) vom 16.12.1997 (BGBl. I 2942) zum 1.7.1998, mit welchem insbesondere die unterschiedlichen Regelungen des Familiennamens ehelicher und nichtehelicher Kinder abgeschafft wurden, weiterhin umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Art. 10 II 3 EGBGB führe in allen Fällen der Rechtswahl zur Anwendung des § 1617c BGB (bzw. vor dem KindRG § 1616a BGB a.F.), so dass die Namenserstreckung von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts unabhängig sei und § 1617c BGB auch bei der Wahl ausländischen Rechts oder für Kinder mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Namensstatut gelte (so Sturm, StAZ 1994, 370/372; Palandt-Heldrich aaO Rz. 18; offen gelassen von BayObLG, StAZ 1998, 284 (IPRspr. 1998 Nr. 13)). Zur Begründung hierfür wird insbesondere ausgeführt, für Kinder mit deutschem Namensstatut sei die Vorschrift überflüssig, da für diese ohnehin § 1617c BGB unmittelbar gelte. Nach anderer Auffassung soll Art. 10 II 3 EGBGB nur eine klarstellende Verweisung beinhalten, so dass § 1617c BGB nur anzuwenden sei, wenn das Namensstatut des Kindes deutsches Recht ist (so Wagenitz-Bornhofen, Familiennamensrechtsgesetz 1994, Art. 10 EGBGB Rz. 29; Staudinger-Hepting, BGB, 2000, Art. 10 EGBGB Rz. 308; Henrich, IPRax 1994, 178; Kraus, StAZ 2002, 176 f.; Simader-Merdes, Deutsches Namensrecht, [Erg.-Lfg. 1987] C/152). Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung, da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass der Gesetzgeber eine derart weitreichende und international zwingende Erstreckung der Regelung des § 1617c BGB einschließlich der dort vorgesehenen Differenzierung bezüglich der einzelnen Altersstufen des Kindes beabsichtigt hatte, die unabhängig vom Willen der Eltern für Kinder bis zum Alter von fünf Jahren eine zwingende Erstreckung des nach Art. 10 II EGBGB von den Eltern gewählten Ehenamens zur Folge hätte.

[6]Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen haben die Eltern jedoch die Möglichkeit, nach einer gemäß Art. 10 II 1 EGBGB getroffenen Rechtswahl und hierauf beruhenden Bestimmung eines Ehenamens für den künftig zu führenden Familiennamen der Kinder erneut eine Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB zu treffen und durch die Wahl des deutschen Rechts § 1617c I BGB zur Anwendung zu bringen. Nach der Neufassung des Art. 10 EGBGB durch das KindRG zum 1.7.1989 ist eine Rechtswahl durch die Inhaber der elterlichen Sorge bezüglich des für den Familiennamen des Kindes maßgeblichen Rechts zeitlich auch noch nach der Geburtsbeurkundung des Kindes möglich. Art. 10 III EGBGB trifft keine ausdrückliche Regelung darüber, ob eine mehrmalige Rechtswahl zulässig ist. Der Senat vermag sich insoweit der von den Vorinstanzen vertretenen Auffassung, die anlässlich der Beurkundung der Geburten der Kinder wirksam getroffene Rechtswahl sei für die Zukunft bindend und ohne Statutenwechsel unabänderlich (so auch Palandt-Heldrich aaO Rz. 22 f.; MünchKomm-Birk aaO Rz. 116) nicht anzuschließen. Zwar ist von einer grundsätzlichen Bindung der einmal getroffenen Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB auszugehen. Nach Auffassung des Senats ist jedoch ausnahmsweise eine erneute Rechtswahl dann zuzulassen, wenn Änderungen eingetreten sind, die dies nach Sinn und Zweck der Einräumung der Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB geboten erscheinen lassen. Durch die Regelung des Art. 10 III EGBGB i.d.F. des KindRG sollte dem Kind eine Namensführung ermöglicht werden, die sowohl dem sozialen Umfeld als auch der konkreten Familiensituation entspricht. Tritt in diesem Bereich eine relevante Änderung ein, so erachtet der Senat es für gerechtfertigt und geboten, eine erneute Rechtswahl nach Art. 10 III EGBGB zum Zwecke der Änderung oder Anpassung der Namensführung des Kindes zuzulassen (vgl. Hepting, StAZ 1998, 133/140/145; Kraus, StAZ 2006, 81; Krömer, StAZ 1999, 46 f.). Im vorliegenden Fall ist eine solche relevante Veränderung in der Familiensituation durch die Eheschließung der Eltern und die hierdurch veranlasste Rechtswahl und Wahl eines gemeinsamen Ehenamens eingetreten. Das hiermit einhergehende Anliegen der Eltern, diesen Ehenamen auch den Kindern als Familiennamen zu erteilen, steht im Einklang mit den gesetzgeberischen Motiven, die zur Ausgestaltung der Rechtswahl des Art. 10 III EGBGB durch das KindRG geführt haben. Denn hierdurch wird die in aller Regel dem Wohl des Kindes dienende Möglichkeit geschaffen, die Eingliederung in die Familie durch die Führung eines einheitlichen Familiennamens für das soziale Umfeld sichtbar nach außen zum Ausdruck zu bringen. Diese stellt zugleich einen sachlichen Grund dar, von dem ohnehin weitgehend aufgelockerten Grundsatz der Namenskontinuität abzuweichen. Durch diese Auslegung des Art. 10 III EGBGB wird zugleich sichergestellt, dass nach der Bestimmung eines Ehenamens eine Änderung des Familiennamens der Kinder nur dann erfolgt, wenn die Inhaber der elterlichen Sorge dies unter Abwägung der konkreten Familiensituation für angebracht halten und deshalb eine erneute Rechtswahl zur Neubestimmung des Familiennamens der Kinder vornehmen (so auch Simader-Merdes aaO).

[7]In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze konnten die Beteiligten zu 1) und 2) somit nach ihrer Eheschließung und der hierdurch veranlassten Rechtswahl und Bestimmung des Ehenamens mit ihren Erklärungen vom 5.5.2006 nochmals eine Rechtswahl für die Namensführung der Beteiligten zu 3) und 4) als ihren gemeinsamen Kindern zum deutschen Recht vornehmen. Da die Beteiligten zu 3) und 4) das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, hatte dies gemäß § 1617c I 1 BGB zur Folge, dass sich ab dem Zeitpunkt dieser Rechtswahl der gewählte Ehenamen auf den Geburtsnamen der beiden Kinder erstreckt. Unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen war der Standesbeamte deshalb anzuweisen, die Änderungen des Familiennamens der Kinder im Geburtenbuch zu vermerken.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2008, 1024
FGPrax, 2008, 64
StAZ, 2008, 10

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-11

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