Eine noch vor Beurkundung der Geburt abgegebene Rechtswahlerklärung gem. Art. 10 Abs. 3 S. 1 EGBGB ist formlos möglich. Dies folgt im Umkehrschluss aus Art. 10 Abs. 3 S. 2 EGBGB, der die Form der öffentlichen Beglaubigung ausdrücklich nur für nach Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärungen vorsieht. Die anfängliche Rechtswahl ist auch bei Geburtsbeurkundung im Ausland formfrei, da auch in diesem Fall die Rechtswahl in die Beurkundung der Geburt mit einbezogen und in der Geburtsurkunde festgehalten wird.
Nach den Grundsätzen der Substitution ist die Abgabe der Rechtswahlerklärung gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB gegenüber einer funktionell gleichwertigen ausländischen Behörde als ausreichend anzusehen. [LS der Redaktion]
Das betroffene Kind wurde am 28.5.2020 als Sohn der deutsch-schweizerischen Doppelstaatsangehörigen J. R. und des deutsch-amerikanischen Doppelstaatsangehörigen M. V. in Z./Schweiz geboren. Die Beteiligten sind weiterhin in der Schweiz wohnhaft. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Mutter in Deutschland war in M. Schon vor der Geburt war am 17.2.2020 der Familienname der Mutter in der Schweiz auf „S.“ geändert worden. Am 11.5.2020 erkannte Herr V. vor dem Zivilstandsamt Zürich pränatal die Vaterschaft an. Im gleichen Zuge gaben die Eltern gegenüber dem Zivilstandsbeamten schriftlich eine gemeinsame Sorgeerklärung ab. In der von beiden Eltern unterschriebenen Geburtsanzeige vom 29.5.2020 ist als Familienname des Kindes „S.“ vermerkt. Im Geburtenregisterauszug vom 15.6.2020 ist neben der Mutter auch Herr V. als Vater erfasst und als Familienname des Kindes „S.“ eingetragen.
Am 31.08.2020 stellte die Mutter in Deutschland Antrag auf öffentlich-rechtliche Änderung ihres Namens auf „S.“. Über den Antrag ist noch nicht entschieden worden. Am 29.6.2021 erklärte die Mutter bei der Deutschen Botschaft in B. in öffentlich beurkundeter Form die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung und stellte Antrag auf Nachbeurkundung der Auslandsgeburt gemäß § 36 PStG, wobei im Formular der Botschaft als Familienname des Kindes „R.“ angegeben ist. Das Standesamt München hat die Geburt am 4.8.2021 beurkundet und als Geburtsnamen des Kindes „...“ eingetragen. Die Standesamtsaufsicht beantragt Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes auf „S.“. Hilfsweise beantragt sie, für das Kind keinen Geburtsnamen einzutragen.
[1]II.
[2]Der zulässige Berichtigungsantrag der Standesamtsaufsicht M. ist bereits im Hauptantrag begründet.
[3]Zunächst ist festzustellen, dass das Standesamt München gemäß § 36 Abs. 2 S. 2 PStG für die Beurkundung zuständig war, da die antragstellende Mutter ihren letzten deutschen Wohnsitz in M. hatte. Das Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls über die deutsche Mutter erworben.
[4]Der Geburtenregistereintrag vom 04.08.2021 ist hinsichtlich des Geburtsnamens des Kindes von Anfang an unrichtig und die beantragte Eintragung des Geburtsnamens „S.“ richtig.
[5]Die Namensführung des Kindes bestimmt sich grundsätzlich nach seinem deutschen Heimatrecht, Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Ob - wie das Standesamt meint - die elterliche Sorge im Zeitpunkt der Geburt allein der Mutter zustand und das Kind daher mit der Geburt gemäß § 1617 a Abs. 1 BGB deren deutschen Namen „...“ erhielt, kann an dieser Stelle offenbleiben, da das Kind den Geburtsnamen „S.“ jedenfalls gemäß Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB erworben hat. Nach dieser Regelung kann der Inhaber der Sorge gegenüber dem Standesamt bestimmen, dass ein Kind den Familiennamen erhalten soll nach dem Recht eines Staates, dem ein Elternteil angehört, ungeachtet des Artikels 5 Abs. 1.
[6]Mit der Geburtsanzeige vom 29.05.2020 und der darin enthaltenen Angabe des Familiennamens „S.“ haben beide Eltern gegenüber dem Zivilstandsamt Zürich eine sachrechtliche Namenserklärung nach schweizerischem Recht abgegeben. Dies ist als konkludente Wahl des schweizerischen Namensrechts gemäß Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB anzusehen (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 134, 97 m. w. N.). Für eine konkludente Rechtswahl ist erforderlich, dass die sachrechtliche Namensbestimmung die Wahl eines bestimmten maßgeblichen Rechts eindeutig einschließt. Diese Voraussetzung der Eindeutigkeit ist erfüllt, wenn die gewählte Namensform nur nach Maßgabe eines der wählbaren Rechte möglich ist und deshalb dessen Wahl zwingend voraussetzt (vgl. Wall, StAZ 2018, 206, 207 f. m. w. N.). Die Bestimmung des Namens „S.“ war nur nach schweizerischem Sachrecht möglich und damit eindeutig diesem Recht zuzuordnen. Es bestanden für die Eltern nach dem schweizerischen Namenssachrecht auch mehrere namensrechtliche Erklärungsmöglichkeiten, so dass der Namensbestimmung ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zuzumessen war. Unerheblich ist, ob die Eltern sich darüber im Klaren waren, mit der Namensbestimmung auch eine kollisionsrechtliche Rechtswahlerklärung abzugeben; ein „Rechtswahlbewusstsein“ ist nicht erforderlich (vgl. Wall, a. a. O.).
[7]Das Gericht ist auch konkret davon überzeugt, dass die Eltern den Geburtsnamen „S.“ von Anfang an auch für den deutschen Rechtsbereich wünschten. Dies kann insbesondere dem Schreiben der Mutter vom 24.11.2021 entnommen werden. Die Angabe des Familiennamens „R.“ in dem von der Deutschen Botschaft in B. aufgenommenen Antrag nach § 36 PStG beruht hingegen nachvollziehbar auf der abweichenden Rechtsauffassung der Botschaft, bildet jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht den tatsächlichen Wunsch der Eltern ab und stellt die Annahme einer konkludenten Rechtswahl nicht in Frage.
[8]Die Befugnis zur Rechtswahl steht dem Inhaber der Sorge zu. Die Vorfrage der elterlichen Sorge ist selbstständig anzuknüpfen, wobei das gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB vorrangige KSÜ maßgeblich ist. Gemäß Art. 16 Abs. 1 KSÜ bestimmt sich die elterliche Sorge nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes. Damit ist gemäß Art. 21 Abs. 1 KSÜ schweizerisches Sachrecht maßgeblich. Ob die vom Sorgestatut aufgeworfene Vorfrage der Abstammung selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen ist und ob in der Abgabe der gemeinsamen Sorgeerklärung eine konkludente Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung i. S. d. Art. 23 EGBGB gesehen werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung, da jedenfalls die Mutter im Zeitpunkt der Erklärung - ob allein oder gemeinsam mit dem Vater - Inhaberin der Sorge war und der Vater die Erklärung ebenfalls unterschrieben hat.
[9]Da die Rechtswahlerklärung noch vor Beurkundung der Geburt abgegeben wurde, war sie formlos möglich. Dies folgt im Umkehrschluss aus Art. 10 Abs. 3 S. 2 EGBGB, der die Form der öffentlichen Beglaubigung ausdrücklich nur für nach Beurkundung der Geburt abgegebene Erklärungen vorsieht. Die anfängliche Rechtswahl ist auch bei Geburtsbeurkundung im Ausland formfrei, da auch in diesem Fall die Rechtswahl in die Beurkundung der Geburt mit einbezogen und in der Geburtsurkunde festgehalten wird (vgl. Wall, StAZ 2018, 169, 171; Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 152, 153).
[10]Das schweizerische Zivilstandsamt, das die Geburt beurkundet und dabei den Namen des Kindes in der Geburtsurkunde eingetragen hat, war für die Entgegennahme der Rechtswahlerklärung nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB empfangszuständig. Eine exklusive Empfangszuständigkeit eines deutschen Standesamtes nach § 45 Abs. 2 S. 2 PStG besteht bei der hier vorliegenden anfänglichen Rechtswahl nicht, da sich § 45 Abs. 2 PStG ausschließlich auf die Entgegennahme der in § 45 Abs. 1 PStG aufgeführten formgebundenen Erklärungen bezieht, wie in Nr. 1 auf die Bestimmung des Geburtsnamens eines Kindes nach der Beurkundung der Geburt (vgl. Wall, StAZ 2018, 169, 172; Krömer, StAZ 2017, 129, 130 f.). Entgegen der Meinung des Standesamtes kommt es hierbei nicht darauf an, ob das Kind schon zuvor im Zeitpunkt der Geburt gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB i. V. m. § 1617 a Abs. 1 BGB einen Namen erworben hatte. Für die Empfangszuständigkeit entscheidend ist allein die Frage, ob die Erklärung vor oder nach der Beurkundung der Geburt abgegeben wurde. Soweit der BGH in seiner Entscheidung vom 20.07.2016, Az.
[11]Die Vorfrage nach dem Familiennamen der Mutter in Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB ist gesondert und richtigerweise - entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu Art. 10 Abs. 1 EGBGB – unselbstständig aus Sicht der schweizerischen lex causae anzuknüpfen. Nur eine unselbstständige Anknüpfung der Vorfrage des Namens des Elternteils ermöglicht den Gleichlauf der nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB gewählten Namensführung mit den Ausweisdokumenten des Staates der anderen Staatsangehörigkeit des Kindes und gewährleistet so den internationalen Entscheidungseinklang (vgl. Wall, StAZ 2018, 169, 172, 174).
[12]Bei dem schweizerischen Namensrecht handelt es sich auch nach den Maßstäben der Entscheidung des BGH vom 09.05.2018, Az.
[13]Nach schweizerischem Namensrecht führt die Mutter bereits seit 17.02.2020 den Familiennamen „S.. Diesen Namen hat das Kind mithin über Art. 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 EGBGB erworben.
[14]Auch wenn die Rechtswahl im Wege der Geburtsanzeige erst kurz nach der Geburt erfolgte, hat das Kind den Namen kraft Gesetzes bereits im Zeitpunkt der Geburt, d. h. rückwirkend auf diesen Zeitpunkt, erworben (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.09.2010, Az.
[15]Eine nachträgliche erneute Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts und des Familiennamens „R.“ liegt nicht vor. Unabhängig von der streitigen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine erneute Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB überhaupt zulässig ist, kann die Angabe des Namens „R.“ im Antrag der Mutter nach Art. 36 PStG unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht als erneute Rechtswahlerklärung verstanden werden. Da spätestens mit der ausdrücklichen Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung vom 29.06.2021 auch aus deutscher Sicht gemeinsame Sorge bestand, hätte eine Rechtswahlerklärung ab diesem Zeitpunkt ohnehin auch vom Vater des Kindes abgegeben werden müssen. Eine entsprechende Erklärung seinerseits liegt jedoch nicht vor.
[16]Dem Berichtigungsantrag der Standesamtsaufsicht war daher stattzugeben.