Die in Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB geregelte Verweisung auf § 1617c BGB setzt die Anwendbarkeit deutschen Rechts für den Geburtsnamen des Kindes voraus.
Haben die seinerzeit nicht verheirateten Eltern nach der Geburt ihres Kindes eine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB getroffen und dabei den Geburtsnamen des Kindes nach dem ausländischen Recht eines Staates bestimmt, dem ein Elternteil angehört, so können sie nach ihrer späteren Eheschließung und einer hierbei gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB getroffenen Wahl des deutschen Rechts sowie der hierauf beruhenden Bestimmung eines gemeinsamen Familiennamens gemäß § 1355 Abs. 1 Satz 1 BGB durch die Wahl des deutschen Rechts für den Familiennamen des Kindes gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB in Anwendung des § 1617c Abs. 1 BGB die Erstreckung des Ehenamens auf den Geburtsnamen des Kindes erreichen.
Für die Frage, ob nach einer gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffenen Rechtswahl die in § 1617c Abs. 1 BGB reglementierte Altersgrenze für das Erfordernis einer Anschlusserklärung des Kindes erreicht ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtswahl an, wenn diese erst nach Bestimmung des Ehenamens vorgenommen wird.
Die Antragstellerin zu 1 ist deutsche Staatsangehörige und die leibliche Mutter des Betroffenen. Da die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt unverheiratet war, erhielt ihr betroffener Sohn zunächst den Geburtsnamen der Mutter, der in das Geburtenregister des Standesamtes eingetragen wurde. Der Antragsteller zu 2 ist französischer Staatsangehöriger und der leibliche Vater des betroffenen Kindes. Die Vaterschaft hat er vor dem Standesamt anerkannt. Die Antragsteller wählten gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB für die Namensgebung des Kindes gemeinsam das französische Heimatrecht des Antragstellers zu 2 und gaben dem Kind als dessen Geburtsnamen den Doppelnamen „…“. Dabei wurden sie von der Standesbeamtin darüber informiert, dass die Wahl zum französischen Recht nur einmal möglich sei und nicht widerrufen werden könne. Am … heirateten die Antragsteller vor dem Standesamt und bestimmten nach deutschem Recht den Geburtsnamen des Antragstellers zu 2 „…“ zum Ehe- und Familiennamen. Am 4.10.2018 sprachen die Antragsteller beim Standesbeamten, dem Beteiligten zu 3, vor, um eine Änderung des Geburtsnamens des Kindes herbeizuführen. Ihr Kind sollte künftig in Anwendung deutschen Rechts mit Nachnamen nur noch wie die Eltern, heißen. Dies lehnte die zuständige Standesbeamtin zunächst mündlich ab. Auf schriftlichen Antrag der Antragstellervertreter erließ das Standesamt am 27.2.2019 einen ablehnenden Bescheid mit der Begründung, dass Art. 10 Abs. 3 EGBGB eine erneute Rechtswahl nicht zulasse.
Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller Bescheid richtet sich der am 28.3.2019 bei dem AG Stuttgart eingegangene, auf § 49 PStG gestützte Antrag der Antragsteller, das Standesamt anzuweisen, hinsichtlich des Geburtsnamens eine erneute Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts zuzulassen und die Eintragung im Geburtenregister dahingehend zu ändern, dass das Kind den Geburtsnamen … führe. Mit Beschluss vom 16.7.2021 hat das AG den zuständigen Standesbeamten des Standesamtes angewiesen, hinsichtlich des Geburtsnamens des Kindes eine erneute Rechtswahl der sorgeberechtigten Eltern zugunsten des deutschen Rechts zuzulassen sowie die Eintragung des Geburtenregisters des Standesamtes Stuttgart - infolge der Ausübung der Rechtswahl zum deutschen Recht sowie nach entsprechender Namensbestimmung dahingehend zu ändern, dass das Kind den Geburtsnamen „…" führt. Gegen diese Entscheidung hat die Aufsichtsbehörde - auch im Namen des Standesamtes - mit Schriftsatz vom 13.08.2021 Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 16.8.2021 hat das AG der Beschwerde nicht abgeholfen.
[1]II.
[2]Die Beschwerde der Beschwerdeführer ist … zulässig.
[3]In der Sache hat sie insoweit Erfolg als das Standesamt Stuttgart in der angegriffenen Entscheidung angewiesen wurde, die Eintragung des Geburtenregisters Nr. …/2013 dahingehend zu ändern, dass das Kind … …, geboren am …, den Geburtsnamen „…" führt (zu 2). Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet (zu 1).
[4]1. [Zu] Recht hat das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, eine erneute Rechtswahl der sorgeberechtigten Eltern zugunsten des deutschen Rechts für den Familiennamen des betroffenen Kindes entgegenzunehmen. Dieser Rechtswahl steht - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht entgegen, dass die sorgeberechtigten Antragsteller am 28.01.2014 gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB für die Namensgebung des Kindes gemeinsam für das französische Heimatrecht des Antragstellers zu 2 optierten und dem Kind als dessen Geburtsnamen den Doppelnamen „…“ gaben.
[5]Unabhängig von einer erneuten Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts erhielte das betroffene Kind den von den Antragstellern gewählten Familiennamen …, wenn die getroffene Wahl des deutschen Rechts für den Ehenamen der Antragsteller zur Anwendung des § 1617c BGB führen würde und ggf. die weiteren dort normierten Voraussetzungen vorliegen.
[6]Gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ist für die Auswirkungen der Rechtswahl der Ehegatten für ihren Ehenamen auf den Namen des Kindes § 1617c BGB sinngemäß anzuwenden. Ob diese Verweisung auch greift, wenn für den Geburtsnamen des Kindes nicht deutsches sondern ausländisches Recht gilt, ist in der Literatur umstritten.
[7]Nach einer Auffassung soll dies der Fall sein, da der an Art. 10 Abs. 2 EGBGB angefügte Satz 3 gegenstandslos wäre, wenn er sich nur auf Kinder bezöge, für die deutsches Namensrecht gelte (Sturm, StAZ 1994, 370, 372; Stürner in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, Art 10 EGBGB, Rn. 27; Janal in jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art 10, Rn. 25; Thorn in Palandt, BGB, 80. Aufl., Art 10 EGBGB Rn. 18). Der hinzugefügte Satz 3 sei nicht nur überflüssig, sondern auch sinnwidrig, da bei Anwendung deutschen Rechts § 1617c BGB unmittelbar und nicht nur sinngemäß analog gelte. Es sei nicht anzunehmen, dass Satz 3 nur angefügt wurde, um nochmals zu betonen, dass eine Namensänderung, die aufgrund vom Art. 10 Abs. 2 EGBGB erfolge, nicht anders zu behandeln sei als die nachträgliche Wahl eines Ehenamens nach rein innerstaatlichem Recht. Gerade bei Kindern, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder für die fremdes Namensrecht gewählt wurde, werde die Erstreckung einer Namenswahl der Eltern zu einem Problem, welches das Heimatrecht nicht zu lösen vermöge. Es bestände die Gefahr, Eltern und Kinder namensmäßig auseinanderzureißen, was nicht ratio eines Gesetzes sein könne, das um Namenseinheit in der Familie bemüht sei (Sturm a.a.O.).
[8]Nach anderer Auffassung kommt § 1617c BGB nur zur Anwendung, wenn für den Kindesnamen deutsches Recht anwendbar ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.09.2007 -
[9]Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Eine Anwendung der Vorschrift auf Fälle, in denen sich der Name des Kindes nach ausländischem Recht bestimmt, wäre nur zu rechtfertigen, wenn man die Regelung in § 1617c BGB mit den dort bestimmten Altersgrenzen für das Erfordernis einer Anschlusserklärung des Kindes zum Gegenstand des positiven ordre public machte. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine derart weitreichende und international zwingende Erstreckung dieser Vorschrift, die unabhängig vom Willen der Eltern für Kinder bis zum Alter von fünf Jahren sogar eine zwingende automatische Erstreckung des nach Art. 10 Abs. 2 EGBGB von den Eltern gewählten Ehenamens auf den Namen des Kindes zur Folge hätte (Döll in Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1617c BGB, Rn. 3 m.w.N.), beabsichtigte (so auch OLG Frankfurt a.a.O.).
[10][Zu] Recht ging das Amtsgericht auch davon aus, dass einer - erneuten - Rechtswahl der Eltern für den Familiennamen ihres Kindes zugunsten des deutschen Rechts nicht entgegensteht, dass sie anlässlich der Anerkennung der Vaterschaft durch den Antragsteller zu 2 am 28.01.2014 gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB für die Namensgebung des Kindes das französische Heimatrecht des Antragstellers zu 2 wählten und dabei dem Kind als dessen Geburtsnamen den Doppelnamen „…“ gaben.
[11]Art 10 Abs. 3 EGBGB lässt zwar Rechtswahlerklärungen auch nach Beurkundung der Geburt ausdrücklich zu (Art 10 Abs. 3 Satz 2 EGBGB), trifft aber keine ausdrückliche Regelung über die Möglichkeit einer mehrfachen Rechtswahl durch die Eltern. Deren Zulässigkeit ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
[12]Teilweise wird eine Wiederholungsmöglichkeit im Interesse der Namenskontinuität strikt ausgeschlossen (LG Stuttgart, Beschluss vom 28.05.2003
[13]Die Gegenauffassung (OLG Frankfurt a.a.O. Tz 12; Hausmann in Staudinger a.a.O., Art. 10 EGBGB, Rn. 396, 403; Kraus StAZ 2006, 81; Krömer StAZ 1999, 46) weist darauf hin, dass der Wortlaut des Art 10 Abs. 3 EGBGB keine Einschränkungen im Hinblick auf eine mehrfache Rechtswahl reglementiere und diese ohne konkrete Anbindung an irgendeine Änderung des Familienstands oder der sozialen Verhältnisse zulasse. Die einzige Einschränkung von Gesetzes wegen bestehe neben dem Minderjährigkeitserfordernis im begrenzten Katalog des wählbaren Rechts.
[14]Nach Auffassung des Senats ist eine neue Rechtswahl jedenfalls dann zuzulassen, wenn Änderungen der Verhältnisse eingetreten sind, die dies nach dem Sinn und Zweck der Einräumung einer Rechtswahlbefugnis gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB geboten erscheinen lassen. Das der Änderung des Art 10 EGBGB zum 01.07.1998 zugrundeliegende Kindschaftsreformgesetz verfolgte das Ziel, die Rechte der Kinder zu verbessern und das Kindeswohl auf bestmögliche Art und Weise zu fördern (Regierungsentwurf BT-Drucks. 13/4899). Dem entspricht es, dem Kind eine Namensführung zu ermöglichen, die sowohl dem sozialen Umfeld als auch der konkreten Lebenssituation entspricht. Jedes Kind soll seine Individualität und Identität dadurch ausprägen können, dass es sich auch namensmäßig in seine Familie eingliedert und sich in ihr eingebunden fühlt.
[15]Auch im vorliegenden Fall ist eine Änderung der Verhältnisse eingetreten, welche die Zulassung einer erneuten Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts rechtfertigt, auch wenn beide sorgeberechtigten Elternteile zunächst eine abweichende Rechtswahl zugunsten des französischen Rechts getroffen hatten. Sie ergibt sich aus der Eheschließung der Eltern, der hieraus veranlassten Rechtswahl des deutschen Rechts für ihren künftig zu führenden Namen gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB und darauf basierend der Wahl eines gemeinsamen Ehenamens. Die Eltern haben durch die Wahl des französischen Rechts für den Namen des Kindes nach der Vaterschaftsanerkennung zu erkennen gegeben, dass für sie die Außendarstellung der Zugehörigkeit des Kindes zur Familie durch den Namen von besonderer Bedeutung ist. Das französische Recht lässt - im Gegensatz zum deutschen - nach Wahl der Eltern einen aus den jeweiligen Geburtsnamen der Eltern zusammengesetzten Namen für das Kind zu (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Frankreich III A 9 Namensrecht), was vorliegend den Kindesgeburtsnamen … … ermöglichte. Ohne Zulassung der erneuten Rechtswahl, behielte das betroffene Kind diesen Doppelnamen während die Eltern, und ggf. weitere Geschwister einheitlich den Familiennamen … führen. Der Vorschlag der Beschwerdeführer, die Kindesmutter könne eine Namenseinheit zu dem betroffenen Kind durch das Voranstellen ihres Familiennamens vor den Ehenamen herbeiführen, ist nicht zielführend, da in diesem Fall ihr Name und der Geburtsname des betroffenen Kindes von dem Familiennamen der übrigen Familie abweichen würde.
[16]Der Senat verkennt nicht, dass mit der Zulassung einer erneuten Rechtswahl der Grundsatz der Namenskontinuität aufgeweicht wird, weil die Grenzen zwischen statusbedingten und isolierten Namensänderungen verwischt werden, und dass die Abhängigkeit dieser erneuten Rechtswahl von einer Änderung der Rechtsverhältnisse eine Grauzone von Fällen entstehen lässt, in der die Wiederholbarkeit der Rechtswahl unsicher ist. Dies ist jedoch im Interesse des Kindeswohles hinzunehmen. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Kindschaftsreformgesetzes dem Kindeswohl ein gegenüber dem Grundsatz der Namenskontinuität vorrangigen Stellenwert eingeräumt. Dies wird u.a. auch durch die Änderung des § 1618 Abs. 1 BGB deutlich, der die Einbenennung von Stiefkindern unter Vermeidung einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung ermöglicht, um die Integration solcher Kinder in die neue Stieffamilie zu fördern (BT-Drucks. 13/4899, Seite 66). Dies berücksichtigt kann eine gewünschte Angleichung des Namens leiblicher Kinder an den Familiennamen der Eltern und Geschwister nicht versagt werden, auch wenn ihr bereits eine Rechtswahl zugunsten eines fremden Rechts vorausgegangen war.
[17]2. Soweit das Amtsgericht Stuttgart das Standesamt in der angegriffenen Entscheidung angewiesen hat, die Eintragung des Geburtenregisters dahingehend zu ändern, dass das betroffene Kind den Geburtsnamen „…" führt, ist die Entscheidung indes aufzuheben und insoweit der Antrag der Antragsteller zurückzuweisen, weil es insoweit noch an der gemäß § 1617c Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Anschließung des Kindes an die Namensänderung fehlt. Zwar hatte das betroffene Kind im Zeitpunkt der Wahl des Ehenamens durch die Antragsteller am 30.08.2018 das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet. Dies war aber im Zeitpunkt der beantragten Entgegennahme der Rechtswahl für den Geburtsnamen des Kindes durch die Eltern am 04.10.2018 der Fall. Für die Frage, ob nach einer gemäß Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffenen Rechtswahl die in § 1617c Abs. 1 BGB reglementierte Altersgrenze für das Erfordernis einer Anschlusserklärung des Kindes erreicht ist, kommt es nach Auffassung des Senats auf den Zeitpunkt der Rechtswahl an, wenn diese - wie vorliegend - erst nach Bestimmung des Ehenamens vorgenommen wird. Denn in diesem Fall wird erst durch die Rechtswahl die Namensänderung des Kindes bewirkt.
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