Der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. b) Brüssel-Ia-VO begründet für sämtliche Klagen aus einem Luftbeförderungsvertrag einen einheitlichen Gerichtsstand. Bei einem Vertrag über eine Luftbeförderung ist Erfüllungsort sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs, sodass der Kläger die Wahl hat, seine Klage bei dem Gericht zu erheben, in dessen Zuständigkeitsbereich entweder der Ort des Abflugs oder der Ort der Ankunft des Flugzeugs liegt.
Nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO ist auf Personenbeförderungsverträge deutsches Recht anzuwenden, wenn die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befinden.
Die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft bemisst sich nach der Maßgabe der Klausel-RL. Eine Rechtswahlklausel, die diejenigen Bestimmungen unberührt lässt, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, ohne diese näher zu bestimmen, ist missbräuchlich i.S.d. Klausel-RL. [LS der Redaktion]
Die in Potsdam wohnhafte … (im Folgenden: Zedentin) buchte bei der Beklagten ein Ticket für den Flug EJU 5547 am 23.03.2023 von Edinburgh (EDI) nach Berlin (BER) und für den Flug EZY 3161 am 30.03.2023 zurück von Berlin nach Edinburgh. Sie bezahlte dafür ... € an die Beklagte. Die Zedentin trat die Flüge nicht an. Wenn die Beklagte die Zedentin befördert hätte, hätte sie an Dritte Steuern und Gebühren von zusammen ... € zahlen müssen. Diese Steuern und Gebühren hat die Beklagte für die streitgegenständliche Buchung aufgrund des Nichtantritts der Flüge durch die Zedentin nicht abführen müssen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ... € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.04.2023 zu zahlen.
[1]Gemäß [§ 495a] ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
[2]I.
[3]Die Klage ist zulässig.
[4]Die internationale und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Erfüllungsortes für die Beförderung, dem in der Gemeinde Schonefeld gelegenen Flughafen Berlin-Brandenburg, gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 (Brüssel-Ia-VO).
[5]Der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort gemäß Art. 7 Nr. 1 lit. b) Brüssel-Ia-VO begründet für sämtliche Klagen aus einem Luftbeförderungsvertrag einen einheitlichen Gerichtsstand (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2020 –
[6]Diese Rechtsprechung hat der BGH in jüngerer Vergangenheit auch für Klagen auf die Erstattung nicht angefallener Flugnebenkosten nach dem Nichtantritt eines Fluges bestätigt (BGH, Urt. v. 01.08.2023 –
[7]II.
[8]Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 2, 648 S. 2, 398 BGB zu.
[9]1. Auf das streitige Rechtsverhältnis findet deutsches Sachenrecht Anwendung.
[10]a) Nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom-I-VO) ist auf Personenbeförderungsverträge deutsches Recht anzuwenden, wenn die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und sich in diesem Staat auch der Abgangsort oder der Bestimmungsort befinden. Dies ist hier der Fall, weil die Zedentin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
[11]b) Die Anwendung deutschen Rechts ist nicht durch die Beförderungsbedingungen der Beklagten zugunsten des Rechts von England und Wales abbedungen worden.
[12](1) Dabei kann dahinstehen, ob die AGB der Beklagten wirksam in den Beförderungsvertrag einbezogen worden sind, denn die Rechtswahlklausel in Ziff. 21.1 AGB ist wegen Verstoßes gegen die Richtlinie EG 93/13 (Klausel-RL) als missbräuchlich und damit unwirksam anzusehen.
[13](2) Zwar richtet sich die Wirksamkeit der Rechtswahlabrede gemäß Art. 3 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Rom-I-VO nach dem Recht von England und Wales als dem Recht des Staates, das zur Anwendung käme, wenn die Rechtswahlklausel wirksam wäre. Gleichwohl gehören aber zum Kontrollmaßstab einer Rechtswahlklausel in einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einer Fluggesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH auch die der Umsetzung der Klausel-RL dienenden Vorschriften, welche richtlinienkonform auszulegen sind. Hierzu hat der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass es sich bei der Klausel-RL um eine allgemeine Regelung zum Schutz der Verbraucher handelt, die in allen Wirtschaftszweigen einschließlich desjenigen des Luftverkehrs anwendbar ist (vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.2020 – C-519/19 – Juris, Rn. 52).
[14]Demzufolge darf eine Rechtswahlklausel nicht gegen die Mindestvorgaben von Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Klausel-RL verstoßen und muss in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den Anforderungen von Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz bei Beurteilung durch ein nationales Gericht genügen (EuGH, Urt. v. 28.07.2016 – C-191/15 – Juris, Rn. 65).
[15]Art. 5 S. 1 Klausel-RL sieht vor, dass Klauseln, die einem Verbraucher in Verträgen unterbreitet werden, stets klar und verständlich abgefasst sein müssen, wobei dieses Transparenzgebot im Hinblick auf das regelmäßig vorherrschende Informationsgefälle zwischen Verbraucher und Unternehmer weit auszulegen ist (EuGH, Urt. v. 28.07.2016 – C-191/15 – Juris, Rn. 68). Eine Rechtswahlklausel darf im Ergebnis also nicht nur nicht gegen die Mindestvorgaben nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Klausel-RL verstoßen. Sie muss vielmehr auch in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz bei Beurteilung durch ein nationales Gericht genügen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 29.01.2021 –
[16](3) Diesem Transparenzerfordernis wird die von der Beklagten verwendete Klausel nicht gerecht, weil für den durchschnittlichen Verbraucher nicht hinreichend deutlich wird, welches bindende Recht anzuwenden ist.
[17]Die Formulierung unter Ziff. 21.1 Abs. 2, Hs. 1 AGB „Von der Rechtswahl bleiben diejenigen Bestimmungen unberührt, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, (…)“ ist für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne juristische Vorkenntnisse ohnehin unverständlich. Aber auch der sich anschließende Halbsatz „(…), insbesondere der Übereinkommen, der APR 2019 oder der Verordnung (EG) 261/2004 (zu den Begriffen, siehe den Abschnitt „Definitionen“).“ verschafft einem durchschnittlichen Verbraucher keine Klarheit darüber, von welchen Vorschriften nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Obwohl die Feststellung, von welchen konkreten Bestimmungen nicht abgewichen werden darf, nur mit juristischen Kenntnissen möglich ist, überlässt die Beklagte diese Feststellung im Ergebnis dem Vertragspartner. Der konkrete Anwendungsbereich der Ausnahme von der globalen Anwendbarkeit des Rechts von England und Wales bleibt damit für den Verbraucher als Adressaten der Klausel unklar (im Ergebnis wie hier zu Rechtswahlklauseln der Beklagten z.B. LG Landshut, Beschl. v. 09.04.2024 –
[18]Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Formulierung „von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf“ auch nicht aufgrund ihrer Verwendung in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom-I-VO hinreichend transparent. Die Norm bestimmt Tatbestandsvoraussetzungen für eine wirksame Rechtswahl und richtet sich insofern zunächst an diejenigen, die eine Rechtswahlklausel verwenden wollen. Es oblag daher der Beklagten als Verwenderin der Rechtswahlklausel, die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm auszulegen und bei der Formulierung ihrer Rechtswahlklausel umzusetzen, indem sie gegenüber ihren Vertragspartnern konkret angibt, von welchen Vorschriften nicht abgewichen werden darf. Dieser Obliegenheit ist die Beklagte nicht nachgekommen, sondern hat den Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom-I-VO insoweit unverändert in ihre AGB übernommen und das Auslegungsrisiko damit an ihre Vertragspartner „durchgereicht“, obwohl sie wusste, dass die Auslegung nur mit Kenntnissen des (internationalen) Rechts möglich ist, die sie bei ihren Vertragspartnern gerade nicht voraussetzen kann.
[19]Die Formulierung wird auch nicht dadurch hinreichend konkret, dass die Beklagte einige indisponible Vorschriften aufzählt. Dies genügt schon deshalb nicht, weil die Aufzählung durch die Verwendung der Formulierung „insbesondere“ gerade nicht abschließend sein, sondern lediglich einzelne Beispiele indisponibler Vorschriften aufzeigen soll. Zudem haben jedenfalls die aufgezählten Begriffe „Übereinkommen“, „APR 2019“ aber auch keinen hinreichenden Erklärungswert. Diese sind ohne nähere Erläuterung nicht aus sich heraus verständlich und bereits keine vollständigen Zitate der maßgeblichen Rechtsvorschriften. Der konkrete Inhalt der beispielhaften Ausnahmen von dem eigentlich für anwendbar erklärten Recht von England und Wales ist damit im Ergebnis nur über die Lektüre eines gesonderten Abschnittes der AGB („Definitionen“) zugänglich. Ein derartiger Kettenverweis von einer Regelung zur Ausnahme, zu einem gesonderten Definitionsabschnitt, zu einem erst gesondert zu recherchierenden Normtext ist nicht klar und verständlich, sondern intransparent und irreführend (vgl. zu Kettenverweisen in Belehrungen gegenüber Verbrauchern: BGH, Urt. v. 27.10.2020 –
[20]2. Der zwischen der Zedentin und der Beklagten geschlossene Vertrag unterliegt nach deutschem Recht den Vorschriften über den Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB, denn um einen solchen handelt es sich bei einem Personenbeförderungsvertrag (BGH, Urt. v. 01.08.2023 –
[21]3. ...