In einem Rechtsstreit wegen eines behaupteten Kartellrechtsverstoßes steht einer ursprünglich wirksam vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung ein ungeschriebenes Derogationsverbot entgegen, wenn der Rechtsstreit, selbst wenn die Anwendung materiellen deutschen und europäischen Kartellrechts sichergestellt wäre, an ein Gericht eines Staates prorogiert wird, das infolge des Austritts dieses Staates aus der Europäischen Union nicht mehr berechtigt ist, zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht ein Verfahren zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 2 AEUV einzuleiten.
Die Klägerinnen geben im Rahmen der von ihnen angebotenen Finanzdienstleistungen auch Visakarten an ihre Kunden aus. Trägerin des Visa-Zahlungssystems war seit dem Jahr 1976 die aus rund 20.000 Banken bestehende Mitgliederorganisation Visa International Association. Aus ihr spaltete sich im Jahr 2004 für das Europageschäft die von 3.000 Banken - darunter die Dachorganisation der Klägerinnen, der DSGV - getragene Beklagte zu 1 Visa Europe Ltd. ab. Für das weltweite Geschäft im Übrigen wurde im Jahr 2007 als Aktiengesellschaft die Beklagte zu 2 Visa Inc. gegründet. Die Anteile der bisherigen Mitgliedsbanken wurden im Jahr 2008 an der Börse veräußert. Die Beklagte zu 2 besaß eine Kaufoption an der Beklagten zu 1, von der sie im Jahr 2016 Gebrauch machte und alle Anteile an der Beklagten zu 1 erwarb, deren bisherige Mitgliedschaftsbanken dabei ausbezahlt wurden. Seit dem 21.06.2016 ist die Beklagte zu 1 eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2.
Bereits zuvor, am 01.12.2015, legten der DSGV und die Beklagte zu 1 in der sog. Mitgliedschaftsvereinbarung "Membership Deed" (“MD“) die Grundlage für die Teilnahme der Klägerinnen am Visa-Zahlungskartensystem. Die Klägerinnen erkannten darin die von der Beklagten zu 1 aufgestellten Regelwerke als verbindlich an. Seit der Übernahme der Beklagten zu 1 durch die Beklagte zu 2 verantworten beide die für Visa geltenden Regelwerke, ungeachtet dessen, dass die Vertragsbestimmungen für den Fall der Übernahme eine von zahlreichen Ausnahmen durchbrochene Beendigung der Mitgliedschaftsvereinbarung vorsehen. Nach den Regelwerken der Beklagten ist es den Klägerinnen untersagt, Kunden, die mithilfe der Visakarte an einem der Bankautomaten der Klägerinnen Bargeld abheben, ein sog. Direktkundenentgelt zu berechnen. Sie erhalten ihre Vergütung stattdessen über ein einseitig von den Beklagten festgesetztes sog. Interbankenentgelt. Seit Jahren gehen zahlreiche Sparkassen mit kartellrechtlichen Schadensersatzklagen hiergegen vor. Die angerufenen Landgerichte beurteilen die Zulässigkeit der Klagen unterschiedlich. Hintergrund ist die in zweierlei Hinsicht umstrittene Zuständigkeit deutscher Gerichte. Zum Einen stellen die jeweiligen Klägerinnen die Wirksamkeit der in Ziff. 22.2 MD vorgesehenen Prorogation englischer Gerichte in Abrede; zumindest halten sie sie nicht für einschlägig. Zum Anderen erstreckt sich die Gerichtsstandsvereinbarung ihrer Auffassung nach jedenfalls nicht auf die Beklagte zu 2. Ein obergerichtliches Urteil liegt noch nicht vor.
Vor dem Landgericht Kiel haben die Klägerinnen zuletzt u.a. beantragt, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen verpflichtet sind, ihnen sämtliche Schäden nebst Zinsen zu ersetzen, die ihnen und ihren Rechtsvorgängern seit dem 01.07.2016 dadurch entstanden sind und in Zukunft noch entstehen werden, dass die Beklagten es ihnen und ihren Rechtsvorgängern verboten haben, mit Inhabern von Zahlungskarten der Marken „Visa“ sowie „V Pay“ für die Abhebung von Bargeld an Geldautomaten, die sie bzw. ihre Rechtsvorgänger zur Nutzung von Visa-Zahlungskarten zum Zweck der Abhebung von Bargeld bereitgestellt haben und bereitstellen, ein direktes Kundenentgelt zu vereinbaren, die Höhe des Entgelts frei festzusetzen und dieses Entgelt zu vereinnahmen. Das Landgericht hat sich mit Teil-End- und Zwischenurteil vom 24.08.2023 hinsichtlich der Beklagten zu 2 für international zuständig erklärt, die Klage gegen die Beklagte zu 1 hingegen als unzulässig abgewiesen. Klägerinnen und Beklagte zu 2 haben im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt.
[1]II.
[2]Die Berufung der Klägerinnen hat Erfolg, die der Beklagten zu 2 nicht.
[3]I. Beide Berufungen sind zulässig. Das gilt auch für diejenige der Beklagten zu 2, die allein darauf gestützt ist, dass das Landgericht seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Die Rüge ist statthaft. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, derzufolge mit der Berufung nicht eine zu Unrecht angenommene Zuständigkeit gerügt werden kann, bezieht sich nicht auf die internationale Zuständigkeit (BGH NJW 2004, 1456 Ziff. II.1b; BGH NJW 2003, 426 Ls. 1 (IPRspr. 2002 Nr. 157); MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, § 513 Rn. 19).
[4]II. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist vor dem Landgericht Kiel zulässig. Das Landgericht Kiel ist international und innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit örtlich und sachlich zuständig.
[5]1. Die Zuständigkeit des Landgerichts Kiel innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit steht außer Frage ...
[6]2. Streit besteht über die internationale Zuständigkeit. Auch sie ergibt sich bei Klagen aus unerlaubten Handlungen aus § 32 ZPO (BeckOK ZPO/Touissant, Stand 01.09.2024, § 32 ZPO Rn. 17). Anderes gilt nur, wenn die Anwendung des deutschen Prozessrechts und damit auch die des § 32 ZPO durch vorrangiges übernationales Recht verdrängt wird (BeckOK ZPO/Toussaint, § 32 Rn. 18) oder eine derogierende Gerichtsstandsvereinbarung besteht. Beides ist nicht der Fall, so dass es auch international bei der Zuständigkeit des Landgerichts Kiel verbleibt.
[7]a) Vorrangiges übernationales Völker- oder Unionsrecht greift nicht ein.
[8]aa) Das nationale Recht wird im vorliegenden Fall nicht durch Regelungen der EuGVVO (Brüssel Ia-VO) verdrängt. Das kommt in Betracht, obwohl keine der Beklagten in einem Mitgliedstaat der EU ansässig ist, der an die EuGVVO gebunden wäre. Das von den Klägerinnen angerufene deutsche Gericht aber liegt in einem Mitgliedsstaat und hat deshalb die EuGVVO zu beachten (Thole NZKart 2022, 303, 305).
[9]Nach Art. 6 Abs. 1 EuGVVO bestimmt sich - vorbehaltlich verschiedener Ausnahmetatbestände - die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 EuGVVO zu sehen, der vorsieht, dass Beklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat nur unter bestimmten Voraussetzungen in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden dürfen. Dies soll nur Beklagten zugute kommen, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind. Deshalb stellt Art. 6 Abs. 1 klar, dass gegenüber Beklagten mit Sitz in einem Drittstaat das autonome Zuständigkeitsrecht des Forumstaates Anwendung findet (MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2022, Brüssel Ia-VO Art. 6 Rn. 1). Für Klagen vor einem deutschen Gericht gegen Beklagte aus einem Drittstaat ist die Zuständigkeit deshalb nach deutschem Prozessrecht zu beurteilen.
[10]Dies gilt auch in Bezug auf die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte zu 1. Nach dem Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und EU gelten die Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVVO nur für Klagen, die bis zum 31.12.2020 erhoben wurden. Wann der Kartellrechtsverstoß erfolgte, ist unerheblich (Thole NZKart 2022, 303, 304). Die hiesige Klage wurde erst danach am 23.09.2021 anhängig gemacht.
[11]bb) Regelungen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen finden sich im Luganer Übereinkommen (LugÜ). An diesem zwischen den Mitgliedsstaaten der EU und der EFTA geschlossenen Übereinkommen ist das Vereinigte Königreich infolge des Austritts aus der EU aber nicht mehr beteiligt. Ein Beitrittsgesuch aus d. J. 2020 fand nicht die notwendige Zustimmung aller Beteiligten (Thole NZKart 2022, 303, 304). Zwar gilt auch hier, dass deutsche Gerichte gleichwohl an das Abkommen gebunden sind. Dies kommt den Beklagten aber nicht zugute, weil das LugÜ in Art. 4 Abs. 1 eine dem Art. 6 Abs. 1 EuGVVO gleichartige Regelung enthält.
[12]cc) Das deutsch-britische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen vom 14.07.1960 enthält keine Zuständigkeitsregelung für das Erkenntnis-, sondern nur für das Vollstreckungsverfahren (BGBl. I 301, 304 - 306 zu Art. 3 und 4; NZKart 2022, 303, 304 f; Stein/Jonas/ Roth, § 12 Rn. 27). Das Haager Übereinkommen gilt nicht für kartellrechtliche Ansprüche (Thole NZKart 2022, 303, 305).
[13]b) Die Klägerinnen und die Beklagte zu 1 haben in Ziff. 22.2 der Membership Deed eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen (nachfolgend aa). Die Vereinbarung ist nach maßgeblichem deutschen Privatrecht (bb) wirksam zustande gekommen (cc) und umfasst die streitgegenständlichen Ansprüche (dd). Ihrer Beachtung steht nicht entgegen, dass sie auf eine vorsätzliche unerlaubte Handlung der Beklagten zurückzuführen wäre (ee). Sie ist nach heutiger Rechtslage aber unzulässig und deshalb unbeachtlich (ff).
[14]aa) In Ziff. 22 der Membership Deed haben die Parteien - wiedergegeben in deutscher Übersetzung - vereinbart:
[15]„22.1 Diese Vereinbarung und sämtliche außervertragliche Verpflichtungen aus oder in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung unterliegen englischem Recht und sind nach diesem auszulegen.
[16]22.2 Der Nutzer sowie Visa Europe erteilen jeweils ihre unwiderrufliche Zustimmung dahingehend, dass für die Entscheidung möglicher Rechtsstreitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung ausschließlich die Gerichte in England zuständig sind und dass dementsprechend sämtliche Klagen aus oder in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung vor diesen Gerichten zu erheben sind. Visa Europe und der Nutzer erkennen jeweils die Zuständigkeit dieser Gerichte unwiderruflich an und verzichten darauf, vor diesen Gerichten erhobene Klagen unter Berufung auf den Gerichtsstand oder auf die Klageerhebung in einem ungünstigen Forum zu widersprechen.“
[17]bb) Ein an sich zuständiges Gericht kann infolge einer Gerichtsstandsvereinbarung seine Zuständigkeit verlieren. Das wirksame Zustandekommen der Vereinbarung - übereinstimmende Willenserklärungen, Vollmacht, Geschäftsfähigkeit, Form - ist nach dem materiellen Recht der Rechtsordnung, die nach dem internationalen Privatrecht auf den Fall anzuwenden ist, zu beurteilen. Die inhaltliche Zulässigkeit der Vereinbarung richtet sich hingegen, wenn ein deutsches Gericht angerufen wird, nach deutschem Prozessrecht. Letzteres gilt auch dann, wenn die Zuständigkeit des deutschen Gerichts derogiert wird (BGH NJW 1997, 2885, 2886 Ziff. I.2a (IPRspr. 1997 Nr. 142); BGH NJW 1989, 1431, 1432 Ziff. IV.1a (IPRspr. 1988 Nr. 165); BeckOK ZPO/Toussaint, § 38 Rnrn. 2f, 9, 12; MüKoZPO/Patzina, § 38 Rnrn. 11, 13; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 38 Rn. 3; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 21. Aufl 2021, Vor § 38 Rnrn. 6 f) und auch, wenn die Vereinbarung im Ausland geschlossen wurde (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 38 Rn. 25). Wird - wie hier - eine Klage bei dem an sich zuständigen deutschen Gericht erhoben und die vereinbarte ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts eingewandt, so ist daher zunächst zu prüfen, ob die Vereinbarung nach deutschem Recht beachtet werden darf (BGH NJW 1989, 1431, 1432 Ziff. IV. b (IPRspr. 1988 Nr. 165); Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 26). Nach ausländischem Recht hingegen ist die Wirksamkeit der Prorogation, also der Zuständigkeit des ausländischen Gerichts, zu beurteilen. Auch dieser Frage hat das deutsche Gericht nachzugehen, denn die Derogation des deutschen Gerichts darf nicht zum Verlust des Rechtsschutzes führen. Das derogierte Gericht hat deshalb festzustellen, ob die Prorogation nach dem maßgebenden ausländischen Prozessrecht wirksam oder jedenfalls - was genügt - eine gesetzliche Zuständigkeit des ausländischen Gerichts gegeben ist (OLG Koblenz NJOZ 2004, 3346, 3348 f (IPRspr 2004-116); Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 26).
[18]cc) Das wirksame Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung, also der privatrechtlich wirksame Vertragsschluss, steht im Wesentlichen außer Streit. Umstritten insoweit ist nur ihre hinreichende inhaltliche Bestimmtheit. Die Klägerinnen halten die Prorogation zugunsten „der Gerichte in England“ für zu unbestimmt. Es sei sowohl unklar, welches „englische“ Gericht zuständig sei, als auch, ob auch für andere Teile des Vereinigten Königreichs zuständige Gerichte berufen seien. Die Bedenken sind unbegründet.
[19]aaa) Nach § 38 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss das zuständige Gericht, an das prorogiert wird, nicht ausdrücklich bezeichnet werden (MüKoZPO/Patzina, § 38 Rn. 30). Die Zuständigkeitsvereinbarung kann auf ein Gericht des Auslands, aber auch allgemein auf die Gerichte eines bestimmten ausländischen Staates gerichtet werden (Stein/Jonas/Bork, 23. Aufl. 2018, § 38 Rn. 35); es entfällt dann die Angabe eines bestimmten zuständigen Gerichts (Zöller/Schultzky, 35. Aufl. 2024, § 38 Rn. 17 a. E. mit Rspr.-Bsp.: „Zuständig sind die Gerichte von England“; o. W. als wirksam behandelt: Individualabrede „Gerichte im Land des `Angeklagten´“ in BGH NJW 2015, 1118 (IPRspr 2015-191b)). Die Zuständigkeit ausländischer Gerichte kann allein schon aus der schlichten Derogation deutscher Gerichte abgeleitet werden (Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann, § 38 Rn. 105).
[20]Nach dem Maßstab des § 38 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt somit die nicht näher spezifizierte Verweisung an Gerichte in England. Ob dies auch nach dem Recht des Vereinigten Königreichs ausreicht oder ob nur die Prorogation an ein ausdrücklich benanntes Gericht anerkannt wird, kann dahinstehen. Zweifelsfrei hat die Beklagte zu 1 jedenfalls einen gesetzlichen Gerichtsstand vor einem englischen Gericht.
[21]bbb) Auch gemessen am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dem auch Gerichtsstandsvereinbarungen unterliegen (Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 21; Zöller/Schultzky, § 38 ZPO, Rn. 11), ist die Bestimmung „englischer“ Gerichte unbedenklich.
[22](1) Sollte die Bestimmung im Hinblick darauf, dass „England“ nur einen Teil des außerdem aus Wales, Schottland und Nordirland bestehenden Vereinigten Königreichs ist, unklar i. S. d. § 305c Abs. 2 BGB sein ,,führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. § 305 c Abs. 2 BGB ist eine Auslegungsregel, derzufolge Zweifel in Allgemeinen Geschäftsbestimmungen zu Lasten des Verwenders gehen. Rechtsfolge der Unklarheit ist also die für den Verwender ungünstigste Auslegung, nicht aber die Nichtigkeit der Regelung (MüKoBGB/ Fornasier, 9. Aufl. 2022, § 305c Rn. 49). Nur dann, wenn sich bei Anwendung der Unklarheitenregel zeigt, dass sich die Zahl der in Frage kommenden Bedeutungsmöglichkeiten nicht in vernünftigem Rahmen hält, muss die Auslegung als gescheitert gelten und die betreffende Vertragsregelung zu Lasten des Verwenders entfallen (BeckOGK BGB/Bonin, Stand 01.07.2024, § 305c Rn. 117). Davon kann hier keine Rede sein. Im für die Beklagte ungünstigsten Fall dürfen nach der Gerichtsstandsvereinbarung alle Gerichte im Vereinigten Königreich angerufen werden, die nach den dortigen prozessualen Vorschriften für die streitgegenständlichen Ansprüche zuständig wären. Die Prüfung, welches Gericht dies sein könnte, müssen die Klägerinnen in eigener Verantwortung vornehmen. Es ist nicht Sinn der ausschließlich die internationale Zuständigkeit regelnden Gerichtsstandsvereinbarung, den Klägerinnen die Prüfung des innerstaatlich zuständigen Gerichtsstands abzunehmen. Die Prüfung hätte ihnen auch bei nicht abbedungener Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit oblegen.
[23](2) Die Unklarheit einer Klausel kann zwar auch im Rahmen der Inhaltskontrolle wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 [BGB] zu ihrer Unwirksamkeit führen (MüKoBGB/ Fornasier, § 305c Rn. 49). Dies ist hier aber fernliegend.
[24]Eine nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann sich auch ihrer Unklarheit und Unverständlichkeit ergeben. Der Verwender hat Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel so eindeutig und nachvollziehbar darzustellen, dass ihm kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Auch muss die Klausel soweit verständlich sein, dass dem Gegner die aus der Bestimmung folgenden Belastungen erkennbar werden (MüKoBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 63). Maßstab der Transparenz ist der Verständnishorizont eines durchschnittlichen Vertreters der angesprochenen Verkehrskreise (MüKoBGB/Wurmnest, § 307 Rn. 69). Für Unternehmen wie die Klägerinnen wird aus der Gerichtsstandsvereinbarung jedoch unmissverständlich deutlich, dass sie Rechtsstreitigkeiten im Vereinigten Königreich führen müssen und dass dies mit der Belastung verbunden sein würde, sich mit dem dortigen Rechtssystem vertraut zu machen.
[25]dd) Die Gerichtsstandsvereinbarung umfasst entgegen der Auffassung der Klägerinnen die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche.
[26]Die Auslegung einer Gerichtsstandsvereinbarung richtet sich nach dem für den Vertrag geltenden Recht (BGH GRUR 2021, 991, 993 Rn. 20 - Wikingerhof/Booking.com (IPRspr 2021-332)). Das kann hier wegen des aus § 185 Abs. 2 GWB folgenden Derogationsverbots nur dass deutsche Recht sein, dem nur das Recht eines Mitgliedstaates der EU vorgehen könnte. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Grundsatz der objektiven Auslegung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dementsprechend nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGH NJW-RR 2016, 572, 573 Rn. 10).
[27]Nach diesem Maßstab hat der BGH die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung
[28]„Es gilt ausschließlich niederländisches Recht. Gerichtsstandort für alle aus dem Vertrag entstehende Streitigkeiten ist Amsterdam, Niederlande, mit Ausnahme von Zahlungs- und Rechnungsstreitigkeiten, für die als Gerichtsstandort auch der Sitz des Hotels infrage kommt.“
[29](zit. nach LG Kiel U. v. 27.01.2017 -
[30]Hier aber ist eine in entscheidender Hinsicht anders lautende Gerichtsstandsvereinbarung auszulegen. Sie betrifft nicht nur „aus dem Vertrag entstehende Streitigkeiten“, sondern „Rechtsstreitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung“. Rechtsstreitigkeiten aus der Vereinbarung betreffen alle Streitigkeiten um Rechte und Pflichten aus dem Vertrag. Daneben können mit Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit der Vereinbarung nur noch außervertraglich begründete Streitigkeiten gemeint sein, die in irgend einer Form mit der Vereinbarung in Verbindung stehen. Der Zusatz wäre sonst inhaltsleer. Bei dieser Auslegung liegt es nahe, jedenfalls Streit um kartellrechtswidriges Verhalten, das sich im Inhalt des Vertrages niedergeschlagen hat, unter die Gerichtsstandsvereinbarung zu fassen.
[31]Unzutreffend ist der Einwand der Klägerinnen, der BGH habe seine Auslegung nicht mit dem Wortlaut der Klausel begründet, sondern auf die Interessenlage der Parteien abgestellt (Schriftsatz vom 25.098.2023 S. 57, Bl. 114 d. eA.). Wie bei jeder Auslegung hat der BGH zunächst den Wortlaut ausgelegt und sodann ausgeführt, weshalb er das Ergebnis der engen Wortlautauslegung auch für interessengerecht halte. Im vorliegenden Fall jedoch führt die Wortlautauslegung zu einer größeren Reichweite der Gerichtsstandsvereinbarung, die die streitgegenständlichen Ansprüche mit umfasst. Sie vom Geltungsbereich der Gerichtsstandsvereinbarung auszunehmen, ließe sich nur rechtfertigen, wenn es greifbarer Anhaltspunkte dafür gäbe, dass die Parteien ihren Wortlaut enger verstanden haben. Daran fehlt es. Mit der Interessenlage lässt sich eine engere Auslegung jedenfalls nicht begründen. In dem entschiedenen Fall war sie von Bedeutung, weil der BGH davon ausging, dass die Klägerin bei Vertragsschluss das spätere kartellrechtswidrige Verhalten der Beklagten nicht hätten vorhersehen können. Im vorliegenden Fall soll sich der Kartellrechtsverstoß jedoch unmittelbar aus dem Inhalt des Vertrages ergeben, der den Klägerinnen von Anfang an bekannt war. Neu ist nur die geänderte Rechtsauffassung der Klägerinnen, die den Vertragsinhalt nun für rechtswidrig halten.
[32]ee) Die Klägerinnen meinen, dass sich die Beklagte zu 1 auf die Gerichtsstandsvereinbarung selbst dann, wenn sie wirksam wäre, nicht berufen könne, weil sie die streitgegenständliche Kartellrechtswidrigkeit vorsätzlich begangen habe. Der Senat kann offenlassen, ob die Beachtlichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung mit diesem Einwand in Frage gestellt werden kann. Für das behauptete vorsätzliche Verhalten ist jedenfalls nichts ersichtlich.
[33]In der Klagerwiderung hatte die Beklagte zu 1 vorgetragen, dass sie im Jahr 2015 die Aufhebung des DKE-Verbots erwogen habe. Sie haben hierzu eine Beschlussvorlage zur Verwaltungsratssitzung vorgelegt, in dem die Aufhebung des DKE-Verbots empfohlen wird (Memorandum, Anl. B 77). Eine Aufhebung, so heißt es, werde Wettbewerb zwischen den Geldautomatenbetreibern erzeugen, der unterschiedliche Preisgestaltungen fördern sollte. Aus diesem Vortrag haben die Klägerinnen entnommen, dass sich die Beklagte zu 1 bei der Entscheidung für die Beibehaltung des DKE-Verbots bewusst für die von ihr erkannte Wettbewerbsbeschränkung entschieden habe. Sie haben dabei unerwähnt gelassen, dass die Beklagte zu 1 das Kartellamt von der beabsichtigten Aufhebung des DKE-Verbots unterrichtet hatte, nun aber dieses Bedenken anmeldete, weil sich die Wettbewerbsfähigkeit der Direktbanken verschlechtern und die Kunden durch hohe Gebühren für Fremdverfügungen belastet werden könnten (Schreiben vom 11.03.2016, Anl. B 84). Dieses Bedenken war nach den von der Beklagten zu 1 vorgelegten Unterlagen schon im Verwaltungsrat zur Sprache gekommen (Anl. B 78 S. 8). Die Beklagte zu 1 entschied daraufhin, die Einführung des Direktkundenentgelts in Deutschland auszusetzen. Das Kartellamt stellte es der Beklagten letztendlich mit Schreiben vom 23.05.2017 (Anl. K 5) frei, ein DKE einzuführen.
[34]Dieser Vorgang lässt nicht erkennen, dass die Beklagte zu 1 am DKE-Verbot im Wissen um dessen Kartellrechtswidrigkeit festhält. Weiteres, mit dem sich der Vorwurf vorsätzlichen Handelns der Beklagten zu 1 rechtfertigen ließe, haben die Klägerinnen nicht vorgetragen.
[35]ff) Die Gerichtsstandsvereinbarung ist jedoch nach deutschem Prozessrecht unzulässig, weil ihr ein aus § 185 Abs. 2 GWB abgeleitetes ungeschriebenes Derogationsverbot entgegensteht. Bei ihrem Abschluss im Jahr 2015 war sie zwar fraglos zulässig (nachfolgend aaa). Unzulässigkeit wegen Verstoßes gegen das aus § 185 Abs. 2 GWB folgende Derogationsverbot ist allerdings für den Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2021 festzustellen (bbb). Nach der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt beurteilt sich die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung (ccc).
[36]aaa) Bei Abschluss der Membership Deed war die Gerichtsstandsvereinbarung zulässig.
[37]Das deutsche Prozessrecht lässt Vereinbarungen über die gerichtliche Zuständigkeit unter den Voraussetzungen der §§ 38 bis 40 ZPO zu. Sie gelten auch bei Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit. Im Rahmen der §§ 38 bis 40 ZPO können die Parteien sowohl die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichtes (Prorogation) als auch die Unzuständigkeit eines an sich zuständigen Gerichtes (Derogation) festlegen (MüKoZPO/Patzina, § 38 Rn. 3).
[38]Die nach § 38 ZPO erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen eines zulässigen Abschlusses liegen sowohl nach § 38 Abs. 1 als auch nach Abs. 2 ZPO vor. Alle Beteiligten sind Kaufleute (§ 38 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte zu 1 hat keinen inländischen Gerichtsstand und die Schriftform ist gewahrt (Abs. 2).
[39]Auch bei Beachtung der Vorgaben aus den §§ 38 bis 40 ZPO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung aber aus inhaltlichen Gründen unwirksam sein (Zöller/Schultzky, § 38 Rn. 36). Allein der Umstand, dass sie zur Anwendung ausländischen materiellen Rechts führt und dadurch zwingende Vorschriften des deutschen materiellen Rechts unanwendbar werden, steht der Wirksamkeit zwar nicht grundsätzlich entgegen. Nicht umgangen werden dürfen jedoch zwingende Schutzvorschriften der deutschen Rechtsordnung (Musielak/Voit/Heinrich, § 38 Rn. 20) und auch nicht Kollisionsnormen des deutschen IPR (Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 37). Dies letztere aber steht nach jedenfalls noch h. M. der Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstands im Kartellrecht entgegen. Sie wird als Umgehung des § 185 Abs. 2 GWB angesehen, in dem angeordnet wird, dass das deutsche Kartellrecht auf alle Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden ist, die sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes veranlasst werden.
[40]§ 185 Abs. 2 GWB ist eine zwingende Kollisionsnorm des internationalen Wirtschaftsrechts (MüKo EuWettbR/Säcker, 4. Aufl. 2022, GWB § 185 Rn. 9). Die Vorschrift geht dem allgemeinen Kollisionsrecht vor. Entgegen dem allgemeinen internationalprivatrechtlichen Grundsatz der Parteiautonomie (Art. 3 Rom I-VO) sollen die Unternehmen eine wettbewerbsbeschränkende Absprache mit Inlandsauswirkung nicht dadurch der Anwendung des GWB entziehen können, dass sie die Absprache einem ausländischen Recht unterstellen (Immenga u. a. /v. Kalben, § 185 Rnrn. 115, 299). Eben diese Gefahr wird in der Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstands gesehen, die deshalb grundsätzlich für unzulässig gehalten wird (OLG Stuttgart, U. v. 09.11.1990 -
[41](„Gerichtsstandsvereinbarungen und entsprechende Bestimmungen in trust-Bedingungen haben keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften der Artikel 15, 19 und 23 zuwiderlaufen oder wenn die Gerichte, deren Zuständigkeit abbedungen wird, auf Grund des Artikels 24 ausschließlich zuständig sind.“)
[42]gilt hier als abschließende Regelung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen (OLG Stuttgart, U. v. 09.11.1990 -
[43]Daraus folgt die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung im Jahr 2015. zu diesem Zeitpunkt war das Vereinigte Königreich noch Mitglied der EU.
[44]bbb) Als die Klage am 23.09.2021 anhängig gemacht wurde, galt dies nicht mehr. Die Geltung der EuGVVO im Vereinigten Königreich endete mit dem 31.01.2020, das seitdem Drittstaat i. S. d. EuGVVO ist (Stein/Jonas/Roth, § 12 Rn. 27). Die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung ist damit nicht mehr an Art. 25 Abs. 4 zu messen. Maßstab ist nun § 185 Abs. 2 GWB, der bei formaler Betrachtung zwar eingehalten ist, aus dem aber ein ungeschriebenes Derogationsverbot abzuleiten ist, gegen das die Gerichtsstandsvereinbarung verstößt.
[45](1) Der Beklagten zu 1 ist zuzugeben, dass die Unzulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nicht ohne Weiteres aus § 185 Abs. 2 GWB folgt. Im internationalen Privatrecht gilt kein zwingender Grundsatz des forum legis, also des Gleichlaufs von Gerichtsstand und materiellem Recht (MüKoZPO/Patzina, § 12 Rn. 112; Stein/ Jonas/Roth, Vor § 12 Rn. 42). Damit steht es Vertragsparteien offen, einen ausländischen Gerichtsstand und zugleich die Anwendung materiellen deutschen Rechts auf die Vertragsbeziehungen zu vereinbaren.
[46]Die Membership Deed enthält zwar keine solche Vereinbarung. Nach Auffassung der Beklagten zu 1 soll gleichwohl feststehen, dass die Gerichte im Vereinigten Königreich den Fall nach deutschem Kartellrecht entscheiden würden. Sie verweist darauf, dass die in Ziff. 22.1 der Membership Deed vereinbarte Anwendung englischen Rechts nicht für die streitgegenständlichen Schadensersatzklagen aus Kartellrecht gelten könne, weil dieses derogationsfest ist. Nach Art. 6 Abs. 4 der Rom II-VO (UK Rome II) seien Rechtswahlvereinbarungen auf Kartellschadensersatzklagen nicht anwendbar, insofern sie dazu führten, dass das nach Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO (UK-Rome II) anwendbare Recht nicht zur Anwendung komme.
[47]Art. 6 Abs. 3 a: „Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem den Wettbewerb einschränkenden Verhalten ist das Recht des Staates anzuwenden, dessen Markt beeinträchtigt ist oder wahrscheinlich beeinträchtigt wird.“
[48]Art. 6 Abs. 4: „Von dem nach diesem Artikel anzuwendenden Recht kann nicht durch eine Vereinbarung gemäß Artikel 14 abgewichen werden.“
[49]An Art. 6 Abs. 3 a Rom II-VO seien die Gerichte im Vereinigten Königreich nach Art. 66b des Austrittsabkommens in Streitigkeiten, die schadensbegründende Ereignisse vor dem 31.12.2020 betreffen, weiterhin gebunden. Nach Auffassung der Beklagten sei aber auch für die Zeit danach zu erwarten, dass sie deutsches und europäisches Kartellrecht auf den Streitgegenstand anwendeten. Das Vereinigte Königreich - konkret meint die Beklagte zu 1 den High Court - habe sich entschieden, für Wettbewerbsverstöße, die sich in EU-Mitgliedsstaaten auswirkten, auch nach dem Brexit das nationale Recht der betroffenen Mitgliedsstaaten und das europäische Wettbewerbsrecht zu beachten (Schriftsatz vom 14.04.2023 S. 10 f, und vom 28.04.2023 S. 7, 23 f; Bl. 1202 f, 1441, 1457 f d. A.).
[50]Die Klägerinnen halten dem entgegen, dass der High Court dem zuwider bereits zu erkennen gegeben habe, dass er sich bei der Auslegung des Kartellrechts nicht an die Rspr. des EuGH gebunden sehe (s. u. a. Schriftsätze vom 23.06.2023 S. 12, Bl. 1519 d. A., und vom 23.09.2023 S. 27, Bl. 84 d. eA.;). In einer neueren Entscheidung habe das Competition Appeal Tribunal (CAT) bereits entschieden, dass er der Rspr. des EuGH zum Verjährungsbeginn bei kartellrechtlichen Schadensersatzklagen nicht folgen wolle (Schriftsatz vom 23.09.2023 S. 28 f; Bl. 85 f d eA.).
[51](2) Der Streit kann auf sich beruhen. Auch wenn Gerichte im Vereinigten Königreich bereit sein sollten, auch weiterhin deutsches Kartellrecht anzuwenden, wäre doch ungewiss, dass dies in europarechtskonformer Weise geschieht. Gerichte im Vereinigten Königreich sind vielmehr aus Rechtsgründen gehindert, die europarechtskonforme Rechtsanwendung zu gewährleisten. Nach Art. 86 Abs. 1, 2 des Austrittsabkommens können sie dem EuGH nur noch in Verfahren, die vor Ablauf der Übergangszeit eingeleitet wurden, Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV vorlegen (Thole NZKart 2022, 303, 309). Für die Anwendung des deutschen und europäischen Kartellrechts ist dies von grundlegender Bedeutung. Für die Gemeinschaftsrechtsordnung besteht ein offensichtliches Interesse an einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, um künftige unterschiedliche Auslegungen zu verhindern (EuGH, U. v. 25.06.1992 - C-88/91 -, Ls. 1 und Rn. 7, juris). Aus diesem Grund kommt dem EuGH ein Auslegungsmonopol für das Gemeinschaftsrecht zu, das er in dem Verfahren der Vorabentscheidung wahrnimmt. Diesem Verfahren kommt damit grundlegende Bedeutung für die Verwirklichung des dem EuGH nach Art. 19 Abs. 1 EUV übertragenen Auftrags zu, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge zu sichern (Streinz/Ehricke, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 267 Rn. 6). In Art. 267 Abs. 2 AEUV wird die Bedeutung des Vorlageverfahrens für die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts unmittelbar deutlich. National letztinstanzliche Gerichte sind in Zweifelsfragen zur Vorlage an den EuGH nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Gerichte im Vereinigten Königreich wären dazu jedoch nicht einmal mehr befugt. Nach jetziger Rechtslage führt die Vereinbarung des dortigen Gerichtsstands somit zu einer Umgehung des § 185 Abs. 2 GWB, weil nicht sichergestellt wäre, dass das nationale Recht gemeinschaftskonform ausgelegt und angewandt wird.
[52]Aus dem Dargelegten erschließt sich, dass die entscheidende Begründung für das Derogationsverbot nicht darin zu sehen ist, dass die Gerichtsstandsvereinbarung der zwingenden Geltung des deutschen Kartellrechts entgegenstünde. Die Prorogation eines Drittstaatengerichts ließe sich mit der von § 185 Abs. 2 GWB geforderten Anwendung deutschen Kartellrechts verbinden; es käme, träfe die Auffassung der Beklagten zu 1 zu, hier jedenfalls zur Anwendung. Das ändert aber nichts an der Unzulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Ihre Unzulässigkeit folgt nicht aus der drohenden Nichtanwendung des deutschen Kartellrechts. Unzulässig ist sie vielmehr, weil das deutsche Recht zwar formal zur Anwendung käme, aber nicht in der gebotenen Art und Weise. Das Recht muss europarechtskonform ausgelegt werden. Zur Absicherung der europarechtskonformen Auslegung müssen Zweifelsfragen dem EuGH vorgelegt werden. Diese Rechtsanwendung können Gerichte im Vereinigten Königreich nicht leisten.
[53]Die grundlegende Bedeutung der einheitlichen Anwendung des nationalen Kartellrechts wird auch in der Kartellschadensersatzrichtlinie erkennbar (RL 2014/104/EU vom 26.11.2014). Die Richtlinie musste zwar erst zum 27.12.2016 in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 21 Abs. 1), kann also nicht der anfänglichen Zulässigkeit der streitgegenständlichen Gerichtsstandsvereinbarung entgegengestanden haben. Wohl aber ist sie bei der Bewertung der Gerichtsstandsvereinbarung zum Zeitpunkt der Klageerhebung zu berücksichtigen.
[54]Die Richtlinie trägt zunächst in Art. 9 (dazugehörig Erwägungsgrund 35) der Bedeutung des Art. 267 AEUV für die einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts Rechnung. Bestandskräftige Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden wegen kartellrechtlicher Verstöße sollen unwiderlegbaren Beweiswert haben. Dies gilt aber mit der ausdrücklichen Klarstellung, dass die Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV davon unberührt bleibt.
[55]Aussagekräftig ist auch die in der Richtlinie vorgesehene Angleichung von Verfahrensvorschriften mit dem Ziel, durch größere Rechtssicherheit die effektive Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzklagen abzusichern (Art. 1 mit Erwägungsgründen 3, 7 und 9). Großes Gewicht wird dabei auf das Beweisrecht gelegt (Erwägungsgrund 15). Hierzu wird den Mitgliedsstaaten aufgegeben, zu gewährleisten, dass die nationalen Gerichte die Offenlegung von Beweismitteln, die sich in den Händen des Gegners, eines Dritten oder einer Behörde befinden, anordnen können (Artt. 5, 6). Soweit es die Anordnung der Offenlegung von Beweismitteln durch die Kommission betrifft, wird auf bereits vorhandene europarechtliche Grundlagen verwiesen (Erwägungsgrund 15).
[56]Mit dem angestrebten Ziel, kartellrechtliche Schadensersatzklagen zu vereinheitlichen, stünde es nicht in Einklang, wenn solche Klagen an Gerichte verwiesen werden dürften, die nicht an die einheitlichen Vorgaben gebunden sind. Es wäre auch nicht mit dem Ziel der effektiven Anspruchsdurchsetzung durch ein gestärktes gerichtliches Recht zur Beweiserhebung vereinbar. Selbst wenn angerufene Drittstaatengerichte gegenüber Behörden des eigenen Landes entsprechende Befugnisse hätten, hätten sie sie gegenüber der Kommission jedenfalls nicht.
[57](3) Die Einwände der Beklagten zu 1 gegen die Annahme eines aus § 185 Abs. 2 GWB abgeleiteten ungeschriebenen Derogationsverbots greifen nicht durch.
[58]Dies gilt zunächst, soweit die Beklagte zu 1 darauf verweist, dass es Mitgliedsstaaten gebe, in den es kein dem § 185 Abs. 2 GWB entsprechendes Verbot gebe (namentlich Belgien, Frankreich, Niederlande, Spanien; Schriftsatz vom 15.11.2024 S. 30 f, Bl. 714 f d. eA.). Im Streitfall ist die Gerichtsstandsvereinbarung indes nur nach der deutschen Rechtslage zu beurteilen. Das deutsche Kartellrecht ist nach § 185 Abs. 2 GWB nicht abdingbar. Kommt es zur Anwendung, muss dies europarechtskonform erfolgen. Daraus, dass dies nicht gewährleistet ist, folgt die Unzulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung. Wie die Gerichtsstandsvereinbarung zu beurteilen ist, wenn das nationale Recht zugunsten des Rechts eines Drittstaates abbedungen werden darf, hat der Senat nicht zu beurteilen.
[59]Das Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zur anerkannten Schiedsfähigkeit von Kartellstreitigkeiten (Immenga u. a./v. Kalben, § 185 Rn. 340; MüKoWettbR/Wagner-v. Papp/ Wurmnest, Kap. 1 Rn. 1541), den die Beklagte zu 1 darin sieht, dass auch ein Schiedsgericht dem EuGH kein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen könnte. Der Einwand überzeugt nicht. Richtig ist, dass Schiedsgerichte nicht vorlagebefugt sind, wie der EuGH in klarer Abgrenzung zur Vorlagepflicht staatlicher Gerichten bereits entschieden hat (EuGH GRUR Int 1999, 737, 739 Rn. 40 - Eco Swiss/Benetton). Hintergrund der unterschiedlichen Behandlung der Vorlagebefugnis ist die grundlegend unterschiedliche Stellung der Gerichte zur staatlichen Gewalt. Der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen sich die Parteien freiwillig. Die staatliche Gewalt ist weder in die Entscheidung, den Weg der Schiedsgerichtsbarkeit zu wählen, einbezogen, noch darf sie von Amts wegen in den Ablauf des Verfahrens vor dem Schiedsrichter eingreifen. Das Schiedsgericht ist deshalb kein Gericht eines Mitgliedsstaats i. S. d. Art. 267 AEUV (EuGH GRUR Int 1999, 737, 739 Rn. 34 - Eco Swiss/Benetton; EuGH, U. v. 23.03.1982 - C-182/81 -, Rnrn. 11 - 13 - Nordsee/Reederei Mond jew. zu den Vorgängerregelungen Art. 177 und 234 EG-Vertr.). Eben deshalb ist es nicht widersprüchlich, dass Schiedsgerichte trotz fehlender Vorlagebefugnis über kartellrechtliche Streitigkeiten entscheiden und dabei das nationale Recht eines Mitgliedstaats anwenden dürfen, während staatlichen Gerichten dies versagt ist. Die Mitgliedstaaten und ihre Organe sind verpflichtet, die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. An diese Verpflichtung sind auch staatliche Gerichte gebunden, die hierzu ggf. von der Vorlagebefugnis Gebrauch machen müssen. Für Schiedsgerichte gilt diese Verpflichtung nicht.
[60]Die Beklagte zu 1 hält dem entgegen, dass im Rahmen des Lugano-Übereinkommens durchaus zugunsten von Gerichten eines Drittstaates prorogiert werden könne (Schriftsatz der Beklagten vom 15.11.2024 S. 31, Bl. 715 d. eA.). Das Lugano-Übereinkommen wurde am 30.10.2007 zwischen der EU und der Schweiz, Dänemark, Norwegen und Island geschlossen. Art. 23 LugÜ enthält - ähnlich dem Art. 25 EuGVVO - Formvorschriften für Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen in den Vertragsstaaten wohnenden Parteien. Inhaltliche Einschränkungen sind nicht erkennbar; Kartellrechtsstreitigkeiten werden also nicht davon ausgenommen. Zudem sieht Art. 5 LugÜ vor, dass eine im Hoheitsgebiet eines der beteiligten Staaten ansässige Person in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden könne, wenn eine der in Art. 5 aufgelisteten Streitigkeiten vorliege. zu diesen Streitigkeiten gehört nach Art. 5 Nr. 3 der Streit um eine unerlaubte Handlung, so dass unabhängig von einer Gerichtsstandsvereinbarung für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche schon ein gesetzlicher Gerichtsstand in einem der genannten Drittstaaten begründet ist.
[61]Indes ergibt sich daraus zwar, dass im Rahmen des LugÜ drittstaatliche Gerichte mit kartellrechtlichen Streitigkeiten befasst werden können. Die Parteien des LugÜ haben die fehlende Vorlagebefugnis dieser Gerichte allerdings bedacht und ihnen in Art. 107 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum eine solche Befugnis zugestanden (Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV, Rn. 28; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides, 7. Aufl. 2015, Europäisches Unionsrecht, Art. 267 AEUV, Rn. 40 m. Fn. 78).
[62]Art. 107: „Die EFTA-Staaten können einem Gericht oder Gerichtshof gestatten, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu ersuchen, über die Auslegung einer EWR-Bestimmung zu entscheiden; die Bestimmungen hierüber sind in Protokoll 34 festgelegt.“
[63]Prot. 34 Art. 1: „Ergibt sich in einer Rechtssache,- die bei einem Gericht oder Gerichtshof eines EFTA-Staates anhängig ist, eine Frage nach der Auslegung von Bestimmungen des Abkommens, die in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind mit Bestimmungen der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften in ihrer geänderten oder ergänzten Fassung oder der aufgrund dieser Verträge erlassenen Rechtsakte, so kann das Gericht oder der Gerichtshof, sofern er dies für erforderlich hält, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ersuchen, über eine solche Frage zu entscheiden.“
[64]Das LugÜ belegt damit gerade nicht, dass kartellrechtliche Streitigkeiten an nicht vorlagebefugte drittstaatliche Gerichte zulässig sein könnten.
[65]ccc) Der Zeitpunkt der Klageerhebung ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblich.
[66](1) Im Ausgangspunkt ist zwischen der Frage, nach welchem Zeitpunkt sich die inhaltliche Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung beurteilt, und der Frage, auf welchen Zeitpunkt es für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Abschluss einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ankommt, zu unterscheiden.
[67]In letzterer Hinsicht hält die h. M. den Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung für maßgeblich. Konkret angesprochen wird dies für die nach § 38 Abs. 1 ZPO erforderliche Kaufmannseigenschaft, die bei Abschluss der Vereinbarung vorliegen müsse. Ihr späterer Wegfall schade nicht (Anders/Gehle/Becker, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 38 Rn. 17; BeckOK ZPO/Touissant, § 38 Rn. 31; MüKoZPO/ Patzina, § 38 Rn. 19; Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 18; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 38 Rn. 9; Wieczorek/ Schütze/Smid/Hartmann, § 38 Rn. 88; Zöller/Schultzky, § 38 Rn. 23). Auch die nach § 38 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderliche Tatbestandsvoraussetzung, dass mind. eine der Parteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland habe, müsse nur bei Abschluss der Vereinbarung gegeben sein (BeckOK ZPO/Touissant, § 38 Rn. 31; Stein/Jonas/Bork, § 38 Rn. 28; unklar Zöller/Schultzky, § 38 Rn. 31; a. A. Anders/Gehle/Becker, § 38 Rn. 22). Der BGH hat offengelassen, welcher Zeitpunkt maßgeblich sein soll (BGH NJW-RR 2005, 929, 931 Ziff. 2 d (IPRspr 2005-150)).
[68](2) Auf diese Frage kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht an. Die hier entscheidende Frage ist die Frage nach dem für die inhaltliche Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung maßgeblichen Zeitpunkt. Da verbotswidrige Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 134 BGB nichtig sind (Thomas/Putzo/Hüßtege, Vor § 38 Rn. 11), erscheint es dem Senat sachgerecht, hierzu auf die für § 134 BGB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.
[69]Danach gilt, dass ein nach der Vornahme eines Rechtsgeschäftes ergangenes Verbotsgesetz dessen Wirksamkeit grundsätzlich unberührt lässt, sofern dem Gesetz nicht ausnahmsweise ausdrücklich und im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen Rückwirkung zukommen soll (BeckOGK BGB/Vossler, Stand 01.10.2024, § 134 Rnrn. 71 f; Erman/Arnold, BGB, 17. Aufl. 2023, § 134, Rn. 15; MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, § 134 Rn. 30; Staudinger/Fischinger/ Hengstberger, Bearb. 2021, § 134, Rn. 82). Dies lässt sich damit begründen, dass die Parteien nur die bei Abschluss des Rechtsgeschäfts bestehenden Regeln und Umstände beachten können (BeckOGK BGB/Vossler, § 134 Rn. 72). Bereits vorgenommene Erfüllungshandlungen eines Vertrages bleiben wirksam. Erwogen wird jedoch, dass das - weiterhin wirksame - Rechtsgeschäft nach Inkrafttreten des Verbotsgesetzes zukünftig nicht mehr vollzogen werden darf, wenn das Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck die Nichtigkeit der Fortwirkung des Rechtsgeschäfts erfordert. Analog § 275 BGB soll dann kein Anspruch auf Erfüllungsansprüche mehr bestehen (BeckOGK BGB/Vossler, § 134 Rn. 71.1; Staudinger/Fischinger/Hengstberger, § 134, Rn. 83).
[70]Auch Dauerschuldverhältnisse bleiben von einem späteren Verbot grundsätzlich unberührt. Ausnahmsweise können Verbotsgesetze bereits wirksam begründete Dauerschuldverhältnisse jedoch in der Weise erfassen, dass sie ex nunc unwirksam werden. Dies setzt voraus, dass das Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck die für die Zukunft eintretende Nichtigkeit erfordert (BGH NVwZ 2003, 1140, 1142 Ziff. III. 3 a, dort bejaht für ein Kartellverbot; BeckOGK BGB/ Vossler, § 134 Rn. 72; Erman/Arnold, § 134, Rn. 31; MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 31; Staudinger/ Fischinger/Hengstberger, § 134, Rn. 82). Die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts mit Wirkung ex nunc kommt auch dann in Betracht, wenn sich die tatsächlichen Umstände in einer Weise verändert haben, dass der Tatbestand eines Verbotsgesetzes erst nachträglich erfüllt wird (Beck OGK BGB/ Vossler, § 134 Rn. 72).
[71]Nach diesen Grundsätzen ist die Gerichtsstandsvereinbarung als ex nunc zum 31.12.2020 unwirksam geworden anzusehen. Sie war zunächst wirksam und wäre bei Klageerhebung vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zu beachten gewesen. Dies wäre wegen der fortdauernden Bindung des Vereinigten Königreichs an die EuGVVO in Altverfahren nach Art. 66 b des Austrittsabkommens auch unbedenklich gewesen. Nach dem Austritt de Vereinigten Königreichs aus dem Europäischen Gemeinschaft hätte die Gerichtsstandsvereinbarung aus den dargelegten Gründen jedoch nicht mehr abgeschlossen werden dürfen. Sie verstieße gegen das aus § 185 Abs. 2 GWB abgeleitete Derogationsverbot. Auch eine Klageerhebung im Vereinigten Königreich auf der Grundlage der früher abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung verstieße dagegen. Wertungsmäßig entspricht dies der rechtlichen Situation bei einem Dauerschuldverhältnis, das ab Inkrafttreten des Verbotsgesetzes nicht mehr weitergeführt werden darf.
[72]Auch in anderen Fällen hat die Rechtsprechung bereits die Anerkennung wirksam abgeschlossener Gerichtsstandsvereinbarungen bereits in Frage gestellt, weil ihre Anwendung aufgrund der bei Klageerhebung vorliegenden Verhältnisse rechtswidrige Folgen hätte. Nach allgemeiner Auffassung darf eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht zum Ausschluss des Rechtswegs führen. Deshalb ist einer Gerichtswahl die Anerkennung zu versagen, mit denen ein Gericht als zuständig bestimmt wird, das den Rechtsstreit nicht entscheiden will oder bei dem eine geordnete und sachgerechte Prüfung der Ansprüche nicht gewährleistet ist, so dass die Klausel einem Verzicht auf den Rechtsschutz gleichkäme (BGH, U. v. 03.12. 1973 -
[73]Der von der Beklagten zu 1 bemühte Schutz des Vertrauens auf die Einhaltung der wirksam abgeschlossenen Vereinbarung hindert die Bewertung der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, welche Dispositionen die Beklagten vor der Klageerhebung im Vertrauen auf die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben sollten. Jedenfalls ist das Vertrauen darauf, dass eine Vereinbarung auch dann umgesetzt werde, wenn dies zu rechtswidrigen Folgen führte, nicht schützenswert.
[74]3. ...
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