Die Rom III-VO gilt nicht für die Aufhebung der Ehe aufgrund von Fehlern oder Hindernissen bei deren Eingehung. Maßgeblich ist vielmehr das nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB zu bestimmende Eheschließungsstatut.
Nach afghanischem Recht kann eine Ehe wegen der Nichterfüllung einer Bedingung oder eines Betrugs aufgehoben werden, Art. 127 Abs. 2 afghan. ZGB. Betrug ist danach das Verschweigen eines in der Person des Eheschließenden vorhandenen Mangels, bei dessen Kenntnis die Gegenpartei die Ehe nicht geschlossen hätte, oder die Behauptung eines nicht vorhandenen Merkmals, das den Wunsch der anderen Person auf die Eheschließung hervorrufen soll. [LS der Redaktion]
Die Beteiligten, die beide die afghanische Staatsangehörigkeit besitzen, haben am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan die Ehe in Form einer sogenannten „Handschuh-Ehe“ miteinander geschlossen, wobei durch das Generalkonsulat der islamischen Republik Afghanistan in Bonn am XX.XX.2022 eine Heiratsbescheinigung ausgestellt wurde. Der Antragsgegner lebt seit 2015 in Deutschland und verfügt hier über eine Aufenthaltserlaubnis als anerkannter Flüchtling. Nach Einreise der Antragsgegnerin nach Deutschland am 20. August 2022 hielt sie sich zunächst in Stadt1 auf und traf dort erstmals persönlich auf den Antragsteller. Der Antragsgegnerin wurde mit Bescheid vom 31. Januar 2024 unter den Personalien Vorname2 A, geb. am XX.XX.2006 in Stadt5/Afghanistan subsidiärer Schutzstatus zuerkannt.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten wird aufgehoben, hilfsweise, die Ehe zu scheiden. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02. November 2023 hat das Amtsgericht die am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossene Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin geschieden und den Antrag auf Aufhebung der Ehe zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter.
[1]II.
[2]Die gemäß § 58 FamFG statthaften, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden beider Beteiligter sind unbegründet.
[3]Insbesondere ist das Oberlandesgericht Frankfurt (und war erstinstanzlich auch das Amtsgericht Darmstadt) für die beantragte Entscheidung international zuständig. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 -
[4]Gemäß Art. 4, 18 Absatz 1 Satz 1 Rom III-VO ist grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Artikel 5 bis 7 Rom III-VO getroffen haben und beide Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Ehegatten. Die Rom III-VO gilt jedoch, wie sich aus Art. 1 Abs. 1, Abs. 2b, c Rom III-VO ergibt, nicht für die Beseitigung der Ehe aufgrund von Fehlern oder Hindernissen bei deren Eingehung. Nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ist bezüglich der Aufhebung der Ehe afghanisches Recht anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 -
[5]Das Amtsgericht hat vorliegend die Ehe der Beteiligten zu Recht unter Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung der Ehe auf den Hilfsantrag hin geschieden. Ein Eheaufhebungsgrund liegt nicht vor.
[6]Der Senat hat - wie auch das Amtsgericht - zunächst keine Zweifel an der formellen Wirksamkeit der geschlossenen Ehe. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die von den Beteiligten mit ihren Beschwerden nicht in Zweifel gezogen wurden, verwiesen werden. Die am XX.XX.2022 erfolgte Bestätigung der Eheschließung durch die Botschaft der Islamischen Republik Afghanistan in Bonn ist für das Zustandekommen der Ehe nach dem gemäß Art. 13 EGBGB maßgeblichen Heimatrecht der beiden afghanischen Staatsangehörigen als ausreichend anzusehen. Danach wurde die Ehe am XX.XX.2022 in Stadt4/Afghanistan geschlossen.
[7]Der Anerkennung der in Afghanistan unstreitig als Handschuhehe geschlossenen Ehe im Inland steht nach den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts der deutsche ordre public nicht entgegen ...
[8]Der Senat teilt auch die Auffassung des Amtsgerichts, wonach ein Verstoß gegen Art. 6 EGBGB im Hinblick auf das durch Art. 13 Abs. 3 EGBGB vorgeschriebene Mindestalter für eine Eheschließung hier nicht vorliegt. Art. 13 Abs. 3 EGBGB legt das Mindestalter der Eheschließung unabhängig vom anwendbaren Recht verbindlich fest. Nach Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ist eine Ehe nichtig, wenn die Nupturienten im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dass Art. 13 Abs. 3 EGBGB, der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 eingeführt wurde, durch das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 01. Februar 2023 -
[9]Liegt danach eine wirksame Ehe vor, so rechtfertigt auch das Beschwerdevorbringen keine Aufhebung der Ehe. Das Amtsgericht hat die Aufhebung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller schon keine ausreichenden Tatsachen für das Vorliegen eines Eheaufhebungsgrundes dargelegt und im Übrigen auch den Beweis hierfür geführt hat. Das maßgebliche afghanische Recht - Art. 127 Abs. 2 afghan. ZGB - nennt als Aufhebungsgründe entweder einen Mangel, die Nichterfüllung einer Bedingung oder einen Betrug (vgl. Ebert/Rasoul in Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Afghanistan, Stand: 07.09.2021, 85 ff.). Der vom Antragsteller angeführte Aufhebungsgrund der arglistigen Täuschung könnte sich allenfalls als Verstoß gegen eine Bedingung im Sinne des Art. 131 afghan. ZGB oder als Betrug im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB darstellen. Nach Art. 131 Abs. 1 afghan. ZGB kann die Aufhebung nur geltend gemacht werden, wenn ein Ehegatte eine bestimmte Bedingung für den Ehevertrag in Bezug auf den anderen ausdrücklich stellt oder der Vertrag darauf basierend geschlossen wird, es sich aber später herausstellt, dass die Bedingung nicht eingehalten ist. Dass das spätere Zusammenleben der Beteiligten in Deutschland eine Bedingung in diesem Sinne darstellt, ist nach dem Tatsachenvortrag des Antragstellers schon nicht ersichtlich... Das behauptete Verhalten der Antragsgegnerin erfüllt auch nicht den Tatbestand eines Betruges im Sinne des Art. 132 Abs. 1 afghan. ZGB. Betrug ist danach ein absichtliches, explizites oder konkludentes Handeln oder Schweigen einer der Vertragsseiten über einen bei der Ehefrau vorhandenen Mangel, bei dessen Kenntnis die Gegenpartei die Ehe nicht geschlossen hätte, oder die Behauptung eines nicht vorhandenen Merkmals, das den Wunsch einer der Ehepartner auf die Ehe hervorrufen soll. Nach dessen Abs. 2 Satz 2 hat die Gegenseite kein Recht auf Aufhebung, wenn der Betrug durch einen Dritten begangen wurde (vgl. Bergmann/Ferid/ Henrich, a.a.O.). Eine Täuschung über das Vorhandensein eines (körperlichen oder geistigen) Mangels zum Zeitpunkt der Eheschließung im Sinne des Art. 129 Abs. 1 Satz afghan. ZGB liegt erkennbar nicht vor, da ein Mangel die Ehefrau betreffend schon nicht behauptet wird. Auch eine Täuschung über ein Merkmal im Sinne des Art. 132 Abs. 1 HS. 2 afghan. ZGB liegt nicht vor. Ohnehin ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich vorliegend um eine Handschuhehe gehandelt hat, nicht ersichtlich, in welchem Verhalten der Antragsgegnerin eine Täuschung des Antragstellers begründet sein soll. Die Ehe wurde hier auf beiden Seiten durch Stellvertreter geschlossen, so dass maßgeblich wäre, inwieweit diese getäuscht haben bzw. getäuscht worden sind. Der Beschwerdeführer hat auch in der Beschwerde keine Umstände vorgetragen, die eine andere als die amtsgerichtliche Entscheidung erfordern. Unter Berücksichtigung des § 127 Abs. 2 FamFG, wonach von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden dürfen, sofern sie ehefreundlich wirken (Abs. 2 Alt. 1), d.h. geeignet sind, der Aufrechterhaltung der Ehe zu dienen (BeckOK FamFG/Weber, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 127 Rn. 7), scheiden insoweit weitere Ermittlungen aus. Ein Eheaufhebungsgrund ist nach alledem nicht ersichtlich.
[10]Liegen danach die Voraussetzungen für eine Eheaufhebung nicht vor, so hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten auf den Hilfsantrag hin zu Recht geschieden. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
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