Im Falle sogenannter „Heimatstaatsentscheidungen“ nach § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG ist das Nichtvorliegen von Anerkennungshindernissen nach § 109 FamFG im jeweiligen behördlichen oder gerichtlichen Verfahren inzident zu prüfen.
Die Wirkungserstreckung des ausländischen Scheidungsurteils ist sowohl im Fall der bei der Landesjustizverwaltung nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG monopolisierten Feststellungsentscheidung mit erga omnes-Wirkung sowie bei der inzidenten Feststellung nach § 107 Abs. 1 S. 2 FamFG, die von jeder Behörde und jedem Gericht, allerdings ohne Bindungswirkung für Dritte inter partes zu prüfen ist, an sich bereits kraft Gesetzes zum Zeitpunkt der Rechtskraft der ausländischen Scheidung eingetreten.
Ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG kann in einer Entscheidung nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG, mit der die Scheidung anerkannt wurde, nicht gesehen werden. Auch ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG, der dem Gesetzesvorbehalt unterliegt, dürfte aller Voraussicht nach nicht vorliegen.
Die Antragstellerin zu 1 ist kosovarische Staatsangehörige. Nach ihrer Ausreise aus dem Kosovo lernte sie nach eigenen Angaben zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2014 Herrn ... , einen afghanischen Staatsangehörigen, in Ungarn kennen. Dort sollen sie sich traditionell-islamisch vermählt haben. Bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im August 2014 stellten sie Asylanträge und waren in der Folge gemeinsam untergebracht. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden auch: Bundesamt) vom 19. Dezember 2016 wurde der Asylantrag der Antragstellerin zu 1 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach der Abschlussmitteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Januar 2017 soll der Bescheid seit dem 19. Dezember 2016 als zugestellt gelten und die Abschiebungsandrohung seit dem 29. Dezember 2016 vollziehbar sein. Mit Bescheid vom 6. April 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ferner den isoliert behandelten Asylantrag des Herrn ... ab. Es erging eine Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung hinsichtlich Afghanistans. Die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 28. November 2018, rechtskräftig seit 4. Juni 2019, abgewiesen.
Die Antragstellerin zu 2 wurde am ... November 2014 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und besitzt die kosovarische Staatsangehörigkeit. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 19. Dezember 2016 wurde ihr Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es erging eine Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung hinsichtlich Kosovos. Die hiergegen erhobene Klage wurde am 24. Juli 2019 abgewiesen, nachdem zuvor der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unanfechtbar abgelehnt worden war. Aufgrund seiner Vaterschaftsanerkennung vom 14. Januar 2015 wurde Herr ... entsprechend der Einlassungen der Antragstellerin zu 1 als Vater der Antragstellerin zu 2 im Geburtenregister eingetragen.
Der Antragsteller zu 4 wurde am ... März 2016 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und besitzt die kosovarische Staatsangehörigkeit. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. Juli 2017 wurde sein Asylantrag ebenfalls als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es erging eine Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung hinsichtlich Kosovos. Die hiergegen erhobene Klage wurde am 4. Dezember 2019 abgewiesen, ein Eilantrag war zuvor nicht gestellt worden. Aufgrund seiner Vaterschaftsanerkennung vom 17. März 2016 und entsprechend der Einlassungen der Antragstellerin zu 1 wurde Herr ... ferner als Vater des Antragstellers zu 4 im Geburtenregister eingetragen.
Der Antragsteller zu 3 wurde am ... April 2018 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und besitzt die kosovarische Staatsangehörigkeit. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27. August 2018 wurde sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es erging eine Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung hinsichtlich Kosovos. Der hiergegen gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde am 24. Juli 2019 abgelehnt, die Klage mit Urteil vom 4. Dezember 2019 abgewiesen.
Trotz der übereinstimmenden Angaben der Antragstellerin zu 1 und Herrn ..., dass die Antragsteller zu 2, 3 und 4 ihre gemeinsamen leiblichen Kinder seien, wurde dieser auf seine Vaterschaftsanerkennung hin nicht als Vater des Antragstellers zu 3 in das Geburtenregister eingetragen. Das Standesamt verweigerte die Eintragung mit Blick auf eine Vorehe der Antragstellerin zu 1. Diese hatte bereits am 6. Dezember 2011 im Kosovo die Ehe mit Herrn ... A, einem kosovarischen Staatsangehörigen, geschlossen. Durch Urteil eines kosovarischen Gerichts vom 14. Oktober 2013, rechtskräftig seit 30. Oktober 2013, ist diese Ehe geschieden worden. Das Standesamt verwies zur Begründung auf die fehlende Anerkennung dieses Scheidungsurteils in Deutschland. Aufgrund zweier Beschlüsse des Amtsgerichts Heidelberg vom 21. Februar 2019 infolge der Mitteilung des Standesamts wurde Herr ... A als Vater der Antragsteller zu 2 bis 4 in das Geburtenregister eingetragen. Dieser besitzt seit der Übergabe seiner Einbürgerungsurkunde vom 30. Juni 2014 am 5. August 2014 die deutsche Staatsbürgerschaft. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die kosovarische Ehescheidung sei zum Zeitpunkt der jeweiligen Geburten und auch bislang für den deutschen Rechtskreis noch nicht anerkannt gewesen. Mit Beschluss vom 16. April 2019 wies das Amtsgericht Heidelberg den Antrag der Antragstellerin zu 1 auf Feststellung, dass Herr ... A nicht der Vater der Kinder sei, als unzulässig zurück. Am 7. November 2019 wurde Herrn ... aufgrund eines Ausbildungsverhältnisses eine zunächst bis 31. August 2022 befristete Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der maßgeblichen Fassung vom 15. August 2019 erteilt. Am 16. Dezember 2019 wurden die Antragsteller nach Kosovo abgeschoben.
Mit Entscheidung vom 7. Oktober 2021 erkannte das Oberlandesgericht Karlsruhe das kosovarische Scheidungsurteil vom 14. Oktober 2013 auf Antrag der Antragstellerin zu 1 an. Aufgrund der jeweiligen Vaterschaftsanerkennungen wurde in der Folge Herr ... als Vater der Antragsteller zu 2 bis 4 in das Geburtenregister eingetragen und es wurden geänderte Geburtsurkunden ausgestellt. Auf Folgeantrag des Herr ... hin stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 12. Mai 2022 das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses hinsichtlich Afghanistans fest. Am 1. September 2022 wurde Herrn ... eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Derzeit ist er im Besitz einer bis zum 10. März 2026 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Mit Schreiben vom 24. September 2022 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner die Wiedereinreise in das Bundesgebiet im Wege der Folgenbeseitigung. Mit Schreiben vom 25. Januar 2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Wiedereinreise im Wege der Folgenbeseitigung unter Bezugnahme auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebung ab.
Mit Schreiben vom xx.xx.2023 haben die Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben (
[1]II.
[2]Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO sind statthaft und auch im Übrigen zulässig ...
[3]Die Anträge sind auch begründet.
[4]1. ... 2. ... a) ... aa) ... bb) ... (1) ... (a) ... (b) ... (c) Ebenfalls dürfte die Abschiebung der Antragsteller zu 2 bis 4 rechtswidrig gewesen sein. Zwar ist nicht mit der gebotenen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden, dass die Antragsteller zu 2 bis 4 zum Zeitpunkt der Abschiebung keine Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG waren (dazu <aa>). Ihre Abschiebung erweist sich allerdings jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil ihnen ein Anspruch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zustand (dazu <bb>).
[5](aa) Die Antragsteller zu 2 bis 4 dürften nicht glaubhaft gemacht haben, dass sie mit der zu fordernden hohen Wahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt der Abschiebung am 16. Dezember 2019 keine Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG waren. Danach ist Ausländer jede Person, bei der nicht feststeht, dass sie Deutsche in diesem Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist (vgl. HessVGH, Beschluss vom 27.9.1996 – 12 TG 3290/96 –, juris Rn. 7 m.w.N).
[6](α) ... (β) Die notwendige hohe Wahrscheinlichkeit eines Vorliegens der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragsteller zu 2 bis 4 zum maßgeblichen Zeitpunkt ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht ...
[7]Jedoch ist dessen Vaterschaft nicht mit der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Zunächst ist die Vaterschaft von Herrn ... A nicht verbindlich festgestellt worden. Insbesondere hat das Amtsgericht Heidelberg diese in keinem seiner vorgelegten Beschlüsse im Sinne des § 182 FamFG positiv oder negativ festgestellt. Auch den Eintragungen im Geburtenregister kommt keine konstitutive Wirkung zu.
[8]Die Vaterschaft von Herrn ... A ergibt sich aber auch nicht aus § 1592 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Danach ist Vater der Kinder der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war. Dies setzt das Bestehen einer wirksamen Ehe voraus. Bei der Frage nach dem Fortbestand dieser Ehe handelt es sich um eine selbständig anzuknüpfende Vorfrage für die Abstammung des Kindes. Im vorliegenden Fall war die Mutter der Kinder, die Antragstellerin zu 1, seit der wirksamen Eheschließung am 6. Dezember 2011 im Kosovo zwar zunächst mit Herrn ... A, verheiratet. Diese Ehe ist aber mit Urteil des kosovarischen Gerichts vom 14. Oktober 2013, rechtskräftig seit 30. Oktober 2013, und damit vor dem Zeitpunkt der Geburt der Antragsteller zu 2 bis 4 geschieden worden.
[9]Maßgeblich für die Beurteilung der Vaterschaft und hieraus folgend der – möglicherweise abgeleiteten – Staatsangehörigkeit der Antragsteller zu 2 bis 4 sind damit die zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen, zu welchem Zeitpunkt das kosovarische Scheidungsurteil Gestaltungswirkung in der Bundesrepublik entfaltete und ob damit ein gesetzlicher Erwerb der Staatsangehörigkeit ermöglicht wurde, deren Verlust an den einschlägigen Regelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes und des Art. 16 Abs. 1 GG zu messen wäre. Die endgültige Beantwortung dieser Fragen kann jedoch im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes offen bleiben, zumal sich die Abschiebung aus anderen Gründen als rechtswidrig darstellt. Allerdings ist keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür glaubhaft gemacht, dass die Abschiebung bereits aus diesem Grund rechtswidrig war.
[10](αα) Im Ausgangspunkt macht das deutsche Recht die Anerkennung von ausländischen Entscheidungen in Ehesachen nach § 107 FamFG von einer allgemeinverbindlichen Feststellungsentscheidung abhängig, sodass die Anerkennung nicht ipso iure erfolgt (BVerwG, Urteil vom 25.10.2017 –
[11]Die Feststellung der zuständigen Verwaltungsbehörde, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung eines von einem ausländischen Gericht erlassenen Scheidungsurteils gegeben sind, wirkt auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils zurück. Das folgt nicht zuletzt aus der Natur des Anerkennungsverfahrens, das eine Feststellungsentscheidung beinhaltet und der Wirkungserstreckung dient (vgl. BGH, Beschluss vom 26.6.2019 -
[12]Da sowohl die Antragstellerin zu 1 als auch Herr ... A zum Zeitpunkt der Rechtskraft des kosovarischen Scheidungsurteils am 30. Oktober 2013 kosovarische Staatsangehörige waren, waren die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG im Ausgangspunkt gegeben.
[13]Eine Prüfung der Anerkennungsfähigkeit hat jedoch trotz entsprechender behördlicher und gerichtlicher Verfahren entweder nicht oder jedenfalls nicht mit positivem Ergebnis stattgefunden. So wurde in den zwei Beschlüssen des Amtsgerichts Heidelberg vom 21. Februar 2019 zur Begründung der Vaterschaftseintragung von Herr ... A im Wesentlichen ausgeführt, die kosovarische Ehescheidung sei zum Zeitpunkt der jeweiligen Geburten und auch bislang für den deutschen Rechtskreis noch nicht anerkannt gewesen. Vergleichbar argumentiert auch der Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg 16. April 2019, wonach für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil nach der (bislang nicht erfolgten) Anerkennung der Scheidung durch die Landesjustizverwaltung die Geburtsurkunden der nach der rechtskräftigen Scheidung geborenen Kinder berichtigt werden könnten. Angesichts der knappen Begründung ist dabei nicht zweifelsfrei erkennbar, ob das Amtsgericht Heidelberg § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG als nicht einschlägig erachtete oder aus anderen Gründen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht als erfüllt ansah. Allerdings argumentiert der Beschluss wohl mit der Notwendigkeit einer Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG, zumal das Gericht ausdrücklich ausgeführt, das Scheidungsurteil sei „in Deutschland noch nicht anerkannt worden“.
[14]Auch der Antragsgegner selbst hat im behördlichen Abschiebeverfahren offenbar keine Prüfung im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG vorgenommen, oder aber sich den Andeutungen des Familiengerichts angeschlossen, die indes keine Bindungswirkung entfalten. Anders wäre nicht erklärbar, dass er – jedenfalls zum Zeitpunkt der Abschiebung – von einer Vaterschaft des Herrn ... A ausging.
[15]Allerdings haben die Betroffenen gerade in so einem Fall auch die fakultative Möglichkeit, ein Verfahren nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG durchzuführen, um Unsicherheiten hinsichtlich der Wirkung der ausländischen Entscheidung klären zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.2018 –
[16]Eine Feststellung der Anerkennung des kosovarischen Scheidungsurteils vom 14. Oktober 2013, rechtskräftig seit 30. Oktober 2013, erfolgte erst durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Oktober 2021 und nach der Geburt der Antragsteller zu 2 bis 4. Dieser Anerkennungsentscheidung kommt nach § 107 Abs. 9 FamFG erga omnes Bindungswirkung zu, sodass jedenfalls nunmehr eine eigenständige Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen ausscheidet.
[17]Wie oben bereits ausgeführt ist die am 30. Oktober 2013 rechtskräftig gewordene Scheidung der Ehe der Antragstellerin mit Herrn ... A nunmehr als seit diesem Zeitpunkt beachtlich anzusehen. Bei der Geburt der Antragsteller zu 2 bis 4 war die Antragstellerin zu 1 mit ihm auch für Deutschland beachtlich nicht mehr verheiratet. Herr ... A war damit nicht nach § 1592 Nr. 1 BGB Vater der Antragsteller zu 2 bis 4. Aufgrund der Anerkennung der Vaterschaft des Herrn ... bezüglich der Antragsteller zu 2 bis 4, die nun von Anfang an als wirksam anzusehen ist (vgl. zur schwebenden Unwirksamkeit einer Anerkennung, solange eine anderweitige Vaterschaft besteht, sowie zur Rückwirkung der Anerkennung: § 1594 Abs. 2 BGB und Wellenhofer in MüKO BGB, 9. Aufl. 2024, § 1594 Rn. 28; Balzer in Gsell u.a., BeckOGK BGB, § 1594 Rn. 62 ff. <Stand: 15.7.2024>), ist dieser seit der Geburt der Antragsteller zu 2 bis 4 als deren Vater anzusehen.
[18](ββ) Gleichwohl steht damit nicht ohne Weiteres fest, ob die Wirkungserstreckung zwingend dazu führt, dass bereits die Erwerbsvoraussetzungen der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG nicht gegeben waren.
[19]Die Verlustgründe sind in § 17 StAG in der maßgeblichen Fassung vom 4. August 2019 abschließend geregelt. Vorliegend ist zunächst keiner der ausdrücklich in § 17 Abs. 1 StAG a.F. genannten Verlustgründe einschlägig. § 17 Abs. 3 StAG a.F. nimmt jedoch auf Entscheidungen nach anderen Gesetzen Bezug, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, insbesondere bei der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft nach § 1599 BGB. Trotz gewisser verfassungsrechtlicher Zweifel an der Bestimmtheit und Erweiterungsfähigkeit dieser Vorschrift, kommt eine Anwendung auf vergleichbar gelagerte Fälle wohl in Betracht, weil die Aufzählung nicht enumerativ gefasst war.
[20]Allerdings stünde diesem Ergebnis wiederum die konsequenter Weise erweiternd auszulegende Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 StAG a.F. entgegen. Danach berührt der Verlust in bestimmten Fällen nicht die kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit Dritter, sofern diese das fünfte Lebensjahr vollendet haben. Dies war jedenfalls für die am ... November 2014 geborene Antragstellerin zu 2 und den am ... März 2016 geborenen Antragsteller zu 4 der Fall, weil diese im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. Oktober 2021 das fünfte Lebensjahr vollendet hatten. Jedenfalls insoweit müsste daher von einer fortbestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ausgegangen werden.
[21]Jedoch sprechen auch beachtliche Gründe dafür, dass kein Fall des § 17 StAG vorliegt. Ausgehend von der oben dargestellten zivilrechtlichen Rechtslage war Herr ... wegen der seit 30. Oktober 2013 rechtskräftigen Scheidung nicht Vater der Antragsteller zu 2 bis 4. Anders als in den Fällen der nachträglichen Anfechtung einer Ehe – etwa wie nach dem vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig befundenen § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde (Beschluss des Ersten Senats vom 17.12.2013 –
[22]Ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG kann in der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2021, mit der die Scheidung anerkannt wurde, nicht gesehen werden. Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist „jede Verlustzufügung, die die – für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame – Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17.12.2013 –
[23]Dass diese Voraussetzungen – vor allem angesichts der Bestrebungen der Antragsteller, die Vaterschaft des leiblichen Vaters auch rechtsverbindlich eindeutig zu klären – vorlagen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr war den Antragstellern schon seit der Scheidung der Ehe der Antragstellerin zu 1 mit Herrn ... bekannt, dass die Ehe nicht mehr bestand. Dieses Ergebnis war damals auch von den Antragstellern gewollt. Schließlich lebten sie mit dem leiblichen Vater der Antragsteller zu 2 bis 4 zusammen und er hatte seine Vaterschaft anerkannt.
[24]Ob ein damit allein in Betracht kommender Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG vorlag, der dem Gesetzesvorbehalt unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17.12.2013 –
[25](d) ...
Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.