Eine in einem Investitionsschutzvertrag (hier: Energiechartavertrag) enthaltene Schiedsklausel ist mit dem Unionsrecht unvereinbar und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für eine auf diese Norm gestützte Schiedsbindung soweit sie Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat (Intra-EU-Investitionsschiedsverfahren) regelt.
Schiedsverfahren nach der ICSID-Konvention unterliegen grundsätzlich nicht der Kontrolle nationaler Gerichte, weil die Vertragsstaaten der ICSID-Konvention im Rahmen des verbindlichen völkerrechtlichen Vertrags vereinbart haben, die Anwendung von nationalem (Schiedsverfahrens)-Recht auszuschließen. [LS der Redaktion]
[Siehe auch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Parallelentscheidung des OLG Köln gleichen Datums –
Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Feststellung der Unzulässigkeit von Schiedsverfahren. Unter dem 22.04.2021 hat die Antragsgegnerin, eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in Deutschland, gegen die Antragstellerin, ein souveräner EU-Mitgliedsstaat, ein Schiedsverfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes) eingeleitet. Das Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen ICSID ARB/21/22 geführt. Mit dem schiedsrichterlichen Verfahren verlangt u.a. die hiesige Antragsgegnerin die Feststellung der Verletzung von Verpflichtungen gemäß Teil III des Vertrages über die Energiecharta sowie Schadenersatz für getätigte Investitionen in das im Staatsgebiet der Antragstellerin in A gelegenen Kohlekraftwerk A Power Plant 3 von der Antragstellerin aufgrund deren regulatorischer Entscheidung, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Die ICSID-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, beruhend auf dem Übereinkommen vom 18.03.1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, dem in Deutschland durch das Gesetz zum Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (InvStreitBeilG) innerstaatliche Wirksamkeit verliehen wurde. Die ICSID-Konvention ist für die Antragstellerin am 14.10.1966 und für die Bundesrepublik Deutschland am 18.05.1969 in Kraft getreten. Die Regelungen der ICSID-Konvention werden durch eine Schiedsverfahrensordnung ergänzt, die gemäß Art. 6 lit. B der ICSID-Konvention durch den Verwaltungsrat des ICSID (Administrative Counsel) erlassen wird. Bei dem Energiecharta-Vertrag (im Folgenden: ECV), der am 16.04.1998 in Kraft getreten ist, handelt es sich um ein multilaterales Abkommen zur Kooperation im Energiesektor, das von 48 Staaten sowie der EU und Euratom ratifiziert wurde. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem 1991 in Den Haag und 1994 in Lissabon unterzeichneten Energiecharta-Vertrag mit Gesetz vom 20.12.1996 zugestimmt.
Mit ihren am 10.05.2021 beim Oberlandesgericht Köln eingegangenen und am 21.01.2022 klargestellten Anträgen begehrt die Antragstellerin in der Hauptsache, festzustellen,1. dass das von der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes) eingeleitete schiedsrichterliche Verfahren, das unter dem Aktenzeichen ICSID ARB/21/22 geführt wird, sowie 2. dass jegliches schiedsrichterliche Verfahren zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 3 und 4 Energiecharta-Vertrag vom 17.12.1994 unzulässig ist. Im Rahmen eines vor dem Schiedsgericht geführten einstweiligen Anordnungsverfahrens hat die Antragsgegnerin festgehalten, mit Erlass des F-Urteils habe "der EuGH festgestellt, dass gemäß Gemeinschaftsrecht Artikel 26 [ECV] dahingehend auszulegen ist, dass er auf intra-EU Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung findet". Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.06.2022 den Erlass eines Anerkenntnisurteils beantragt.
[1]II.
[2]Die Anträge sind zulässig und begründet.
[3]1. a) Der Antrag zu 1) auf Feststellung der Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO ist zulässig, insbesondere statthaft.
[4]Für den geltend gemachten Antrag ist das Verfahren nach dem 10. Buch der Zivilprozessordnung eröffnet. Die Verfahrenszuständigkeit ergibt sich schon aus der gesetzlichen Anordnung für die diesbezügliche Antragsart.
[5]Weiter ist auch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG gegeben. Zwar findet § 1032 Abs. 2 ZPO auch über die Verweisung in § 173 VwGO Anwendung, so dass ein entsprechendes Verfahren auch im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit möglich ist. Hier fußen zwar die im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche, u.a. auf Schadenersatz bzw. Entschädigung, auf einem völkerrechtlichen Vertrag. Dieser ist aber nicht als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die gemäß § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben wäre, anzusehen (vgl. Karpenstein/Sangi, Investitionsschutz vor nationalen Gerichten - Zur Zukunft der Energiecharta, NJW 2021, 3228 Rn. 17; vgl. auch Kammergericht, Beschluss vom 28.04.2022 -
[6]Das Oberlandesgericht ist zur Entscheidung über die Anträge gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO sachlich und örtlich sowie international zuständig. Da kein inländischer Schiedsort bestimmt ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit und aufgrund deren Doppelfunktionalität auch die internationale Zuständigkeit nach dem Ort, in dem der Antragsgegner seinen Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat, nur hilfsweise ist die Zuständigkeit des Kammergerichts gegeben. Da die Antragsgegnerin ihren Sitz in M hat und aufgrund der in Anwendung von § 1026 Abs. 5 ZPO ergangenen Verordnung über die Konzentration der gerichtlichen Entscheidungen in schiedsrichterlichen Angelegenheiten des Landes NRW vom 20.03.2019, in Kraft getreten am 01.07.2019, - NRWKoGeEntsVO - (GV. NRW 2019 Nr. 8 vom 09.04.2019, S. 196) gemäß deren § 1 sämtliche gerichtlichen Entscheidungen in schiedsrichterlichen Angelegenheiten nach § 1062 Abs. 1 bis Abs. 3 der ZPO für die Bezirke aller Oberlandesgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen dem Oberlandesgericht Köln übertragen sind, ist dieses ausschließlich zuständig. Nichts anderes folgt aus § 1025 Abs. 2 ZPO, nach dem § 1032 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist. Zwar besteht bei Schiedsverfahren nach der ICSID-Konvention kein Sitz, sondern nur ein Tagungsort. Vorliegend kann aber dahin stehen, ob ICSID-Verfahren § 1025 ZPO unterfallen können, denn staatliche Gerichte haben nationale Gesetze nicht nur im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands auszulegen, sondern sie müssen aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts dieses Unionsrecht effektiv zur Geltung bringen. Bei einem Konflikt zwischen einem inländischen Rechtsakt, unabhängig davon, ob dieser eine völkerrechtliche Verpflichtung widerspiegelt oder nicht, und dem Unionsrecht sind die deutschen Richter daher verpflichtet, dem Unionsrecht den Vorrang zu geben, es sei denn, es handele sich um einen Ultra-Vires-Akt (s. auch Steinbrück/Krahé, Declaratory relief against post-D ICSID arbitration? German arbitral law’s international reach, EuZW 2022, 357 (364)). Entsprechend den nachfolgend - unter II 1 b), 2 - dargestellten Ausführungen zur Begründetheit der vorliegenden Anträge folgt der Senat, der keine Anhaltspunkte für einen Akt Ultra Vires sieht, der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unwirksamkeit von Schiedsklauseln in bi- und multilateralen Verträgen in Intra-EU-Investor-Staat-Verfahren und der sich daraus nach Auffassung des erkennenden Senats ergebenden Verpflichtung zur Anwendbarkeit von § 1032 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall.
[7]Der Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingereicht. Nach den hier anwendbaren Bestimmungen der ICSID-Konvention und den ICSID-Schiedsregeln war das Schiedsgericht im Zeitpunkt der Einreichung des hiesigen Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit noch nicht im Sinne der Art. 37 ff. ICSID-Konvention und den Regeln 2 ff. der ICSID-Schiedsregeln konstituiert.
[8]Das für den Antrag erforderliche Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ergibt sich bereits aus ihrer Parteistellung im von der Antragsgegnerin eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2018 -
[9]Der Antrag ist statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass die Verfahrensregeln der ICSID-Konvention in Verbindung mit dem InvStreitÜbkG eine Überprüfung durch § 1032 ZPO nicht vorsehen (a.A. Kammergericht, Beschluss vom 28.04.2022 -
[10]Dies berührt die Statthaftigkeit des vorliegenden Antrags nach § 1032 Abs.2 ZPO jedoch nicht, schon weil der Senat nicht über die Zulässigkeit und Begründetheit der Schiedsklage nach der ICSID-Konvention, die als solches kein Bestandteil des Unionsrechts ist, entscheidet, sondern über die Frage, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.09.1999 - 4Z SchH 3/99, BayObLGZ, 1999, 255 (269); Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Auflage 2022, § 1032, Rn. 5) - hier durch die auch unionsrechtliche Vorschrift des Art. 26 ECV - als Grundlage des Schiedsverfahrens vorliegt.
[11]Dass es bislang an vergleichbarer Judikatur zu ICSID-Schiedsverfahren durch staatliche Gericht fehlt, stellt nach Ansicht des Senats vor dem Hintergrund der am 06.03.2018 ergangenen D-Entscheidung und der weiteren Fortentwicklung dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsabreden in den Folgejahren, u.a. durch F und H, kein Indiz für die fehlende Statthaftigkeit dar. Neben der - zumal angesichts des Spannungsfeldes zwischen völkerrechtlicher und unionsrechtlicher Verpflichtung - komplexen Fragestellung der staatlichen Befugnis zur Überprüfbarkeit der Grundlage eines ICSID-Schiedsverfahren besteht zudem nur ein relativ enges Zeitfenster zur Geltendmachung eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Soweit etwa das Verwaltungsgericht Berlin (mit Beschluss vom 03.11.2016 -
[12]Dass Grundlage des hiesigen Verfahrens die Regelung des Internationalen Wirtschaftsrechts im Bereich des Investitionsschutzes auf Basis eines völkerrechtlichen Vertrages ist, der seinerseits dem Wiener Abkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 unterliegt, steht der Befassung mit dem Anliegen der Antragstellerin - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts nicht entgegen.
[13]Bezüglich dieses Einwands hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre völkerrechtliche Dispositionsbefugnis beschränkt und untereinander auf die Ausübung mit dem Unionsrecht kollidierender völkervertraglicher Rechte verzichtet haben, weshalb in Folge des Vorrangs der unionsrechtlichen Bestimmungen eine mit ihnen unvereinbare Regelung in einem unionsinternen Abkommen der Mitgliedstaaten auch als völkervertragliche Regelung unanwendbar ist; mithin die Angehörigen der beteiligten Mitgliedstaaten sich nicht auf die im Widerspruch zum Unionsrecht stehenden älteren völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten berufen können (BGH, Beschluss vom 31.10.2018 -
[14]Zutreffend ist, dass der Gerichtshof keine Ausführungen zu den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts, hier also § 1032 Abs. 2 ZPO und dessen Anwendbarkeit im Falle eines ICSID-Schiedsverfahrens getroffen hat. Dies steht einer Entscheidung nach § 1032 Abs. 2 ZPO jedoch nicht entgegen. Zum einen betrafen die vom Gerichtshof entschiedenen Rechtssachen kein solches Verfahren auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nach § 1032 Abs. 2 ZPO, zum anderen ist es wie oben dargelegt Sache des nationalen Gerichts, dem Unionsrecht ggf. durch entsprechende Auslegung seiner Rechtsnormen zur vollen Wirksamkeit zu verhelfen. Die entsprechende Auslegung der nationalen Vorschriften obliegt dabei dem nationalen Gericht. Gerade da § 1032 Abs. 2 ZPO eine der Verfahrensökonomie dienende Vorschrift darstellt (so auch Kammergericht, Beschluss vom 28.04.2022 -
[15]Dafür spricht auch das sog. Raiffeisen-Verfahren (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2021 -
[16]b) Der Antrag zu 1) ist auch begründet, denn das auf Basis von Art. 26 Abs. 4 ECV am 22.04.2021 eingeleitete Schiedsverfahren gegen die Antragstellerin ist mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzulässig.
[17]Bei der Prüfung der Frage, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung nach Art. 26 ECV vorliegt, hat der Senat als erkennendes Gericht eines EU-Mitgliedsstaates nicht nur nationales, hier also deutsches Recht anzuwenden, sondern ist gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 19 Abs. 1 Unterabsatz 2 EUV auch gehalten, der Wirksamkeit von vorrangigem Unionsrecht durch dessen Anwendung zur Durchsetzung zu verhelfen. Danach ist die Schiedsklausel in Art. 26 Abs. 2 c) i.V.m. Abs. 3 und Abs. 4 ECV für Intra-EU-Streitigkeiten, also einer Streitigkeit zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor aus einem anderen Mitgliedstaat - wie vorliegend -, im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C 284/16 C gegen D vom 06.03.2018, in der Rechtssache C-741/19 E gegen F vom 02.09.2021, in der Rechtssache C-109/20 G gegen H vom 26.10.2021 sowie in der Rechtssache C-638/19 P I gegen J und andere vom 25.01.2022 mit dem Unionsrecht unvereinbar und damit keine wirksame Rechtsgrundlage für eine auf diese Norm gestützte Schiedsbindung der Antragstellerin.
[18]Der Gerichtshof hat in den vorgenannten Entscheidungen maßgeblich die Kohärenz und die Einheitlichkeit bei der Auslegung des Unionsrechts durch eines sein Rechtssprechungsmonopol wahrendes ausgestaltetes Gerichtssystem, bestehend aus dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren, das durch die Einführung eines Dialogs zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung des Unionsrechts und dessen voller Geltung gewährleisten soll, zur Sicherung der Autonomie des Unionsrechts hervorgehoben.
[19]Diese Grundsätze sind verletzt, wenn ein Gericht oder ein Schiedsgericht in der Lage ist, Unionsrecht anzuwenden und auszulegen und es sich nicht um einen dem Gerichtssystem der Union zugehörenden Spruchkörper handelt und damit im Rahmen von Art. 267 AEUV nicht vorlageberechtigt ist. Denn ist ein Gericht nicht vorlageberechtigt und hat es über Streitigkeiten zu entscheiden, die sich auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen können, wird dadurch das umfassende Interpretationsmonopol des Gerichtshofs und mithin die Autonomie der Unionsrechtsordnung beeinträchtigt. Konsequenz dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs, die in der Literatur als wichtiger Baustein in der Verfassungsentwicklung der Europäischen Union im Sinne einer Rechtsgemeinschaft bewertet wird (vgl. Wunderle in Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, 6. Auflage 2022, Stichwort: D), ist die Einschränkung der völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander. Mithin dürfen die Mitgliedstaaten den innerstaatlichen Gerichten keine Streitigkeiten (mehr) entziehen, die das Unionsrecht berühren könnten. Dies ist vorliegend bei dem auf der Grundlage des Art. 26 Abs. 2 c) iVm Abs. 3, Abs. 4 a) i) ECV eingeleiteten Schiedsverfahren, mit dem die mehrfache Verletzung der sich aus dem ECV ergebenden Pflichten gerügt wird, der Fall, zumal nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (D, Rn. 39 f.) das Unionsrecht angesichts seines Wesens und seiner Merkmale sowohl als Teil des in jedem Mitgliedstaat geltenden Rechts als auch als einem internationalen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten entsprungen anzusehen ist. Das Unionsrecht beruht auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt - und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen - und auf die sich die Union gründet (Art. 2 EUV). In der Folge hat das ICSID-Schiedsgericht gegebenenfalls das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Grundfreiheiten, darunter die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit, auszulegen oder sogar anzuwenden.
[20]Der Wirksamkeit des Unionsrechts wird auch nicht dadurch Genüge getan, dass die Kompetenz zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung unter unionsrechtlichen Grundsätzen dem Schiedsgericht überantwortet wird. Denn aufgrund des Umstands, dass das Schiedsgericht nicht vorlageberechtigt im Sinne des Art. 267 AEUV ist, würde es abschließend über die (Nicht-)Anwendung von Unionsrecht entscheiden, was einen Verstoß gegen das Rechtsprechungsmonopol des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 344 AEUV zur Folge hätte. Der Schiedsspruch des Investitionsschiedsgericht unterliegt hier auch nicht einer im Sinne des Art. 19 EUV effektiven Kontrolle des nationalen Gerichts, so dass auch über ein durch das staatliche Gericht eingeleitetes Vorabentscheidungsersuchen die Vorlage von unionsrechtlichen Fragen an den Gerichtshof nicht gewährleistet ist (siehe noch im Folgenden).
[21]Im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich hier - anders als bei auf der Parteiautonomie beruhenden Handelsschiedsverfahren - um ein Schiedsverfahren, welches aus einem Vertrag hergeleitet wird, in dem Mitgliedstaaten übereingekommen sind, der Zuständigkeit ihrer eigenen Gerichte und damit dem System von gerichtlichen Rechtsbehelfen, dessen Schaffung ihnen Art. 19 Abs. 1 EUV in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen vorschreibt, Rechtsstreitigkeiten zu entziehen, die die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts betreffen können (D, Rn. 55). Denn eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts liegt nicht nur dann vor, wenn Unionsrecht den Prüfungsmaßstab des Schiedsgerichts bilden kann, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass Unionsrecht lediglich für die Bestimmung des Prüfungsgegenstandes relevant wird (so auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.02.2021 -
[22]Die Schiedsverfahren nach der ICSID-Konvention unterliegen - wie bereits dargelegt - grundsätzlich nicht der Kontrolle nationaler Gerichte, weil die Vertragsstaaten der ICSID-Konvention im Rahmen des verbindlichen völkerrechtlichen Vertrags vereinbart haben, die Anwendung von nationalem (Schiedsverfahrens)-Recht auszuschließen:
[23]Gemäß Art. 52 ICSID-Konvention kann ein Schiedsspruch nur wegen grober prozessualer Fehler durch ein ICSID-Ad-hoc-Ausschuss, aber nicht durch ein nationales Gericht aufgehoben werden. Der Schiedsspruch ist gemäß Art. 54 ICSID- Konvention wie ein letztinstanzliches Urteil zu behandeln. Den abschließenden Charakter der ICSID-Konvention hat die Bundesrepublik Deutschland eindeutig zum Ausdruck gebracht, indem gemäß Art. 2 Abs. 4 InvStreitBeilG eine nationale Zuständigkeit nur dann gegeben ist, wenn der Schiedsspruch in einem Verfahren nach Art. 51 (Wiederaufnahme) oder Art. 52 (Aufhebungsgründe) des Übereinkommens aufgehoben worden ist.
[24]Weiter ordnet Art. 26 der ICSID-Konvention ausdrücklich ihren abschließenden Charakter an, indem die Vorschrift die Zustimmung der Parteien zum Schiedsverfahren im Rahmen dieses Übereinkommens zugleich als Verzicht auf jeden anderen Rechtsbehelf bewertet, sofern nicht etwas anderes erklärt wird.
[25]Vorliegend haben beide Verfahrensbeteiligte einer Streitbeilegung durch ein ICSID-Verfahren zugestimmt. Die Antragstellerin hat ein Angebot zur Streitbeilegung im ICSID-Verfahren durch das sogenannte "stehende" Angebot in Art. 26 Abs. 3 des Energiecharta-Vertrages (ECV) abgegeben. Dieses Angebot hat die Antragsgegnerin durch Einleitung des ICSID-Schiedsklage-Verfahrens angenommen.
[26]Insoweit zutreffend hebt die Antragsgegnerin hervor, dass nach der ICSID-Konvention über eine etwaige fehlende Zustimmung der Antragstellerin aufgrund der von ihr gerügten Unvereinbarkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens mit Unionsrecht gemäß Art. 26 und 41 ICSID-Konvention ausschließlich das Schiedsgericht zu befinden hätte (sogenannte Kompetenz-Kompetenz).
[27]Gerade dadurch kommt zum Ausdruck, dass es bei Annahme der Wirksamkeit der Schiedsabrede ausschließlich Sache des Schiedsgerichts wäre, zu beurteilen, was die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für seine Zuständigkeit bedeutet. Aufgrund des Rechtsmittelverzichts besteht danach auch die Letztentscheidungskompetenz über die Anwendung von Unionsrecht bei dem Investitionsschiedsgericht, was - wie oben dargelegt - dem Rechtssprechungsmonopol des Gerichtshofs entgegensteht. Eine dieses Rechtsprechungsmonopol wahrende Klausel (vgl. dazu EuGH, EuGRZ 2019, 191, Rn. 131 - CETA-Abkommen EU-Kanada, Art. 8.31 Abs. 2 CETA) enthält die ICSID-Konvention nicht. Über die von der Antragstellerin als Schiedsbeklagten eingewendete Unionsrechtswidrigkeit des Schiedsverfahrens hinaus stellen sich weitere Gesichtspunkte, die sich auf die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts beziehen können. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei Art. 26 ECV selbst um einen Unionsakt handelt.
[28]Nicht zuletzt stellt auch die wissenschaftliche Fachliteratur (Julian Scheu/Petyo Nikolov: "The setting aside and enforcement of intra-EU investment arbitration awards after D" in Arbitration International, Volume 36, Issue 2, June 2020, P. 253-274) die Anwendbarkeit der Argumentation des Gerichtshofs in D zu Klauseln zur Streitbeilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in allen Investitionsverträgen innerhalb der EU, einschließlich der ECV, wenn sie in einem Intra-EU-Kontext stattfinden, nicht in Frage.
[29]Dementsprechend hat auch das Schiedsgericht Stockholm chamber of Commerce mit Schiedsspruch vom 16.06.2022 - SCC Case No. V. (2016/135) im Verfahren Q v. R (Anlage AS 31, Bl. 640 GA) die bedingungslose Zustimmung zum Schiedsverfahren auf Basis von Art. 26 ECV als unwirksam angesehen.
[30]Soweit in diesem Zusammenhang - auch von der Antragsgegnerin - angeführt wird, für Schiedsverfahren mit Sitz außerhalb der EU und für ICSID-Schiedsverfahren trage die Begründung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, denn dieser stelle in der F-Entscheidung maßgeblich darauf ab, dass das Schiedsgericht seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat habe und nur deshalb über die Anwendung des nationalen Rechts auch das Unionsrecht mittelbar Anwendung finde, und daraus der Schluss gezogen wird, Gerichte außerhalb der EU und Ad-hoc-Ausschusses nach der ICSID-Konvention seien an die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht gebunden (N und O, EuGH: ECT-Schiedsklausel in Intra-EU Verfahren nicht anwendbar, P Deutschland bloggt vom 10.09.2021), ändert diese Sichtweise - wäre sie zutreffend - zum einen nichts an der Verpflichtung der nationalen Gerichte, den Anwendungsvorrang des Unionsrechts bereits im jetzigen Verfahrensstadium und nicht erst im Rahmen der Vollstreckung zu beachten, zumal im Falle von ICSID-Verfahren grundsätzlich ein Verstoß gegen den ordre public wegen Verletzung von Unionsrecht nicht gerügt werden kann. Zum anderen geht dieser Ansatz am Kerngehalt der Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache F vorbei. Der Gerichtshof hat seine Zuständigkeit nicht allein maßgeblich auf den innereuropäischen Sitz des Schiedsgerichts und damit die Anwendung des Rechts eines EU-Mitgliedstaates abgestellt, sondern deutlich gemacht, dass die ECV selbst ein Rechtsakt der Union ist und das Schiedsgericht damit das Unionsrecht auszulegen oder sogar anzuwenden habe, und, sofern das Schiedsgericht - sei es nach der ICSID-Konvention oder auf Basis anderer Verfahrensregeln geführt - nicht zum Gerichtssystem der EU gehöre oder sonst nach Art. 267 AEUV vorlageberechtigt sei, dies geeignet ist, den Rechtsstreit dem Gerichtssystem der Union zu entziehen, womit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts nicht mehr gewährleistet wäre (EuGH, F, Rn. 24 ff., 49 ff., 60). Gerade im Sinne der Effektivität des Unionsrechts muss es Verfahrensbeteiligten auch möglich sein, bereits die Vorfrage der Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens eben wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht vorab geltend zu machen.
[31]Dass es sich bei dem Energiecharta-Vertrag um ein multilaterales Abkommen handelt und nicht, wie der D-Entscheidung zugrunde liegend, um ein BIT-Verfahren handelt, führt mithin zu keiner anderen Beurteilung. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgrund Sachverhaltsgleichheit Bindungswirkung für die hiesige Konstellation entfaltet. Denn eine solche Rechtsauffassung würde der Verpflichtung der nationalen Gerichte zur Durchsetzung von Unionsrecht nicht gerecht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die zugrundeliegende und vom Gerichtshof entschiedene Rechtsfrage - sei sie auch, wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht, in der Rechtssache F als obiter dictum ergangen - auch für weitere ähnliche Sachverhalte Geltung beansprucht, was hier der Fall ist.
[32]Auch aus dem in Folge der Rechtsprechung des Gerichtshofs getroffenen Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29.05.2020 (Amtsblatt der Europäischen Union L 169/1), nach welchem "die Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Verpflichtung, ihre Rechtsordnung mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen, die notwendigen Konsequenzen aus dem Unionsrecht in der Auslegung des EuGH in der Rechtssache C-284/16 D (D-Urteil) ziehen müssen", ergibt sich, dass diese Rechtsprechung nicht nur Investor-Staat-Schiedsklauseln in bilateralen Investitionsschutzverträgen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrifft, mit der im Übereinkommen enthaltenen Klarstellung, dass das Übereinkommen "für sämtliche Investor-Staat-Schiedsverfahren gelten sollte, die auf EU-internen bilateralen Investitionsschutzverträgen beruhen und nach einem Schiedsgerichtsübereinkommen oder Schiedsgerichtsbestimmungen wie dem Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (ICSID-Übereinkommen) und der ICSID-Schiedsordnung, der Schiedsordnung des Ständigen Schiedshofs (PCA), der Schiedsordnung der Stockholmer Handelskammer (SCC), der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC), der Schiedsordnung der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) im Wege eines Ad-hoc-Schiedsverfahren durchgeführt werden," sondern auch für EU-interne Verfahren auf der Grundlage von Artikel 26 des Vertrags über die Energiecharta, indem im weiteren Text des Übereinkommens klargestellt wird, dass dieses Übereinkommen nur die "EU-internen bilateralen Investitionsschutzverträge betrifft und sich nicht auf EU-interne Verfahren auf der Grundlage von Artikel 26 des Vertrags über die Energiecharta erstreckt. Mit dieser Thematik werden sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu einem späteren Zeitpunkt befassen.". Demgemäß sieht auch der reformierte ECV gemäß der Decision of the Energy Charter Conference vom 24.06.2022 (Energy Charter Secretariat,
[33]Um den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu sichern, muss jedoch nicht nur der zukünftige Intra-EU-Investitionsschutz mit dem Unionsrecht einschließlich der alleinigen Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung der Verträge vereinbar sein (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten S, T, U, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der V zum Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union, Bundestagsdrucksache 19/22988 vom 30.09.2020), sondern dies gilt auch - sowie in Anbetracht der in Art. 47 Abs. 3 ECT enthaltenen "sunset-clause" im Falle eines Rücktritts vom ECT - für die gegenwärtige Rechtslage auf Basis der ergangenen völkerrechtlichen Vereinbarung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der - wie oben dargestellt - die materiellen Gewährleistungen des ECT "Bestandteil der Rechtsordnung der Union" (F, Rn. 23) sind, mithin ihnen Vorrang und unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten zukommt (so auch Karpenstein/Sangi: Investitionsschutz vor nationalen Gerichten - Zur Zukunft der Energiecharta, NJW 2021, 3228 (3230f.), mwN).
[34]Weiter ist ein Vorlageverfahren an den Gerichtshof auch nicht durch die grundsätzliche Möglichkeit eines Aufhebungsverfahrens nach § 1059 ZPO gesichert. Denn zum einen findet diese Überprüfung nur in einem sehr begrenzten Umfang statt, der sich unter anderem auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nach dem anwendbaren Recht und auf die Frage bezieht, ob die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs die öffentliche Ordnung wahrt. Schon deshalb ist nicht gewährleistet, dass die von einem Schiedsgericht behandelten unionsrechtlichen Fragen durch das nationale Gericht umfassend überprüft und im Wege der Vorabentscheidung zum Gerichtshof gelangen. Zum anderen aber ist der Schiedsort vorliegend nicht gemäß §§ 1025 Abs. 1 in Verbindung mit 1043 Abs. 1 ZPO in Deutschland belegen, so dass eine Überprüfung nach dieser Vorschrift, die nur für inländische Schiedssprüche gilt, von vornherein ausscheidet. Im Falle ausländischer Schiedssprüche, für die gemäß § 1025 Abs. 3 ZPO die Vorschriften der §§ 1061 bis 1065 ZPO Anwendung finden, kommt nur eine Verweigerung der Anerkennung bzw. der Vollstreckbarerklärung im Inland nach § 1061 Abs. 2 ZPO in Betracht. Damit bliebe der ggf. unionsrechtswidrige Schiedsspruch existent und bildete eine wirksame Grundlage für eine im Ausland in das dortige Vermögen des am Schiedsverfahren Beteiligten mögliche Vollstreckung.
[35]Die Aufhebungsgründe des deutschen Schiedsrechts finden auf Schiedssprüche, die nach der ICSID-Konvention erlassen werden, keine Anwendung. ICSID Schiedssprüche unterliegen einem eigenen, besonderen Vollstreckungsregime, das den nationalen Gerichten keine Überprüfung der Schiedsvereinbarung mehr erlaubt (O und W, Der D Beschluss des BGH - Beitritt zur EU lässt Angebot für Intra-EU Schiedsverfahren entfallen, P Deutschland bloggt, Blog vom 21.11.2018, Internetadresse 1).
[36]Schließlich ist die Antragstellerin - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - auch nicht auf ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 259 AEUV gegen die Bundesrepublik Deutschland zu verweisen, denn dieses bietet ihr keinen Rechtsschutz betreffend des hier auf Basis des Art. 26 ECV eingeleiteten gegenständlichen Schiedsverfahrens.
[37]2. Auch der Antrag zu 2) auf Feststellung der Unzulässigkeit jeglichen auf Grundlage von Art. 26 Abs. 3 und 4 Energiecharta-Vertrag vom 17.12.1994 gestützten schiedsrichterlichen Verfahrens zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere statthaft und entsprechend den obigen Ausführungen zum Antrag zu 1) begründet.
[38]Ergänzend ist zur Zulässigkeit anzumerken:
[39]Im Interesse der frühzeitigen Klärung der Gültigkeit und Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung reicht für die Zulässigkeit des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO grundsätzlich die potentielle Schiedsverfahrenbetroffenheit aus, mithin muss ein konkreter Streitfall noch nicht vorliegen (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2022, § 1032, Rn. 32, 39; Steinbrück/Krahé, Declaratory relief against post-D ICSID arbitration? German arbitral law’s international reach, EuZW 2022, 357 (361)), ebenso wenig bedarf es eines besonderen Feststellungsinteresses - gar im Sinne des § 256 ZPO -, sondern als allgemeine Voraussetzung einer jeden prozessualen Rechtsverfolgung bedarf es lediglich eines rechtlich schützenswertes Interesses, die mit dem Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO verbundene Rechtsfrage klären zu lassen. An diesem Rechtsschutzinteresse kann es etwa fehlen, wenn und soweit die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens zwischen den Parteien gänzlich unbestritten ist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 10.06.2014 -
[40]In diesem Sinne zutreffend hebt die Antragstellerin hervor, dass Gegenstand des Antrags die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens ist, und eine Unzulässigkeit dieses Verfahrens darin begründet sein kann, dass die Parteien keine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben oder trotz wirksamer Schiedsvereinbarung der Gegenstand der Streitigkeit nicht erfasst ist und daher auch die Klärung einer abstrakten Schiedsbindung dem Anwendungsbereich der Norm unterfällt (vgl. Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 44. Edition Stand: 01.03.2022, § 1032, Rn. 26 f.).
[41]Daher kommt es nicht darauf an, das bislang nur das Schiedsverfahren ICSID ARB/21/22, welches durch Annahme des Angebots gemäß Art. 26 Abs. 3 ECV eingeleitet wurde, vorliegt und eine Schiedsvereinbarung auf Basis des Art. 26 ECV erst dann zustande kommt, wenn die Antragsgegnerin das "stehende" Angebot der Antragstellerin annehmen würde. Gerade aufgrund der derzeit noch geltenden Regelung des "stehenden" Schiedsverfahrensangebots der Antragstellerin im ECV besteht für die Antragsgegnerin jederzeit die Möglichkeit, die Annahme zu erklären und dadurch ein Schiedsverfahren auf unionsrechtlich unwirksamer Basis in Gang zu setzen. Eine rechtsverbindliche Erklärung der Antragsgegnerin, die Unwirksamkeit der Schiedsabrede anzuerkennen oder keine weiteren Schiedsverfahren auf Basis der derzeitig geltenden ECV einzuleiten, liegt nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin im Verlauf des vor dem Schiedsgerichts geführten einstweiligen Anordnungsverfahrens "festgehalten [hat], mit Erlass des F-Urteils habe "der EuGH festgestellt, dass gemäß Gemeinschaftsrecht Artikel 26 [ECV] dahingehend auszulegen ist, dass er auf intra-EU Rechtsstreitigkeiten keine Anwendung findet (Entscheidung des Schiedsgerichts vom 17.02.2022, Anlage AS 25, Bl. 458 (460) GA), denn durch die Inbezugnahme dieser Feststellung im hiesigen Verfahren hat die Antragsgegnerin weder ihre verneinende Auffassung zur Frage der Anwendbarkeit von EU-Recht auf die vorliegende Schiedsvereinbarung noch diejenige zum ihrer Ansicht nach nicht bestehenden Anwendungsvorrang des Unionsrechts im Hinblick auf die vorliegenden Anträge aufgegeben. Deshalb war über die vorliegenden Anträge - entgegen der mit Schriftsatz vom 10.06.2022, Bl. 536 ff. GA dargestellten Rechtsansicht der Antragstellerin - auch nicht im Wege eines Anerkenntnisurteils gemäß § 307 ZPO zu entscheiden.
[42]3. Eines Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV bedurfte es auch angesichts des von der hiesigen Entscheidung abweichenden Beschlusses des Kammergerichts vom 28.04.2022 -
[43]4. ...