Als Folge des Territorialitätsprinzips besteht für Werke und für eine durch ein Leistungsschutzrecht geschützte Leistung in jedem Staat ein räumlich begrenztes Schutzrecht nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Urheberrechts. Ein inländisches Urheberrecht kann daher grundsätzlich nur durch eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung verletzt werden. Folglich ist im Wege der Auslegung in den Tenor auch dann eine entsprechende räumliche Begrenzung hineinzulesen, wenn sich eine solche daraus nicht ausdrücklich ergibt
Das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG wird nach allgemeiner Auffassung an dem Ort verletzt, an dem das Vervielfältigungsexemplar entsteht. Für eine Anwendbarkeit der inländischen Rechtsordnung genügt dabei, dass Teilakte der grenzüberschreitenden Verwertungshandlung im Inland stattfinden. Auch bei im Ausland begangenen Handlungen eines mittelbaren Täters, Teilnehmers oder Störers, die als adäquate Veranlassung einer im Inland durch Dritte begangenen Rechtsverletzung zu werten sind, ist ein hinreichender Inlandsbezug zu bejahen. Bloße Vorbereitungshandlungen genügen hingegen nicht [LS der Redaktion]
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auslegung eines auf Urheberrecht beruhenden zivilgerichtlichen Verbotstitels durch einen Ordnungsgeldbeschluss. Die Vollstreckungsgläubigerin, die Klägerin des zugrunde liegenden Erkenntnisverfahrens, ist eine indirekte Tochtergesellschaft eines amerikanischen Unternehmens, das Computerspiele entwickelt und vertreibt. Dazu gehören auch die beiden verfahrensgegenständlichen Online-Rollenspiele. Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer einer Gesellschaft, die Software als Zubehör für solche Online-Spiele entwickelte und vertrieb. Diese Software führt bestimmte Handlungen innerhalb eines Spiels automatisiert durch (sogenannte "Bot"-Software).
In dem rechtskräftig abgeschlossenen Erkenntnisverfahren, das dem beschwerdegegenständlichen Vollstreckungsverfahren zugrunde liegt, nahm die Klägerin den Beschwerdeführer erfolgreich auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. Nach weitgehender Zurückweisung der Revision des Beschwerdeführers durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 6. Oktober 2016 -
IV.
[14] Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.
[15] 1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig ...
[16] Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer jedenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
[17] a) Gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher - ohne dass es auf schuldhaftes Handeln ankäme - der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung allerdings noch nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (vgl. BVerfGE 89, 1 <13 f.>; 96, 189 <203>; stRspr).
[18] b) Nach diesem Maßstab verletzt die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in der Bedeutung als Willkürverbot.
[19] aa) Zutreffend ist das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt insoweit einfachrechtlich davon ausgegangen, dass es durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln hatte, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 -
[20] bb) Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist indes rechtlich nicht begründbar und verlässt den durch den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gezogenen Bereich zulässiger Auslegung des Verbotstitels (1) und gelangt so zu einer dem Beschwerdeführer als Schuldner nicht vorhersehbaren und daher insoweit von ihm nicht befolgbaren Auslegung des Unterlassungstitels, auf der die angegriffene Sanktionierung gemäß § 890 ZPO beruht (2).
[21] (1) Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist rechtlich nicht tragfähig und in sich widersprüchlich.
[22] (a) ... [25] (b) ... [29] (c) Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels ist hiernach rechtlich nicht begründbar und verlässt den durch den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gezogenen Bereich zulässiger Auslegung des Verbotstitels.
[30] Im Ergebnis untersagt das Oberlandesgericht die weltweite Herstellung der Bot-Software selbst sowie bereits das Unterlassen des Einwirkens im Inland darauf, dass diese nicht durch mit dem Beschwerdeführer verbundene Dritte im Ausland unter Nutzung der Computerspiele der Gläubigerin hergestellt werde. Ein solches Gebot ist von dem Unterlassungstitel indes offensichtlich nicht erfasst, weil es bereits nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war, das allein auf die Untersagung von Vervielfältigungshandlungen an der verfahrensgegenständlichen Spielesoftware der Gläubigerin selbst im Inland - durch den Beschwerdeführer oder ihm zurechenbare Dritte - und nicht darauf gerichtet war, die Herstellung der Bot-Software selbst als solches zu unterlassen.
[31] (aa) Der Wortlaut des Tenors verlangt vom Beschwerdeführer, es zu unterlassen, die Client-Software der Gläubigerin zu gewerblichen Zwecken zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen. Der Verweis im Tenor auf die Herstellung und Bearbeitung der Bot-Software ist dabei lediglich eine Beschreibung des gewerblichen Zwecks der Vervielfältigung. Der Gläubigerin steht daher nach dem Titel gegen den Beschwerdeführer nur ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch in Bezug auf die gewerbliche Vervielfältigung der Client-Software zu.
[32] Der Unterlassungstenor umfasst demgegenüber nicht die Herstellung und Verbreitung der Bot-Software. Die Verwendung der für die Herstellung der Bot-Software notwendigen Informationen, die durch die Vervielfältigung und anschließende Analyse der Client-Software erlangt wurden, ist ebenfalls nicht vom Wortlaut des Titels umfasst. Auch aus den Entscheidungsgründen und den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt sich nicht, dass die Herstellung der Bot-Software selbst Gegenstand des beim Landgericht verbliebenen Erkenntnisverfahrens war. Soweit die Klage ursprünglich diese Klageanträge umfasst hatte, hatte das Landgericht Leipzig das Verfahren an das Landgericht (…) verwiesen.
[33] (bb) Aus den im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden dazugehörigen Entscheidungsgründen aus dem Erkenntnisverfahren ergibt sich ferner, dass sich das titulierte Verbot allein auf in Deutschland vorgenommene Vervielfältigungshandlungen bezog, da es sich um einen auf § 97 UrhG gestützten Unterlassungsanspruch handelt.
[34] Als Folge des Territorialitätsprinzips besteht für Werke und für eine durch ein Leistungsschutzrecht geschützte Leistung in jedem Staat ein räumlich begrenztes Schutzrecht nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Urheberrechts. Ein inländisches Urheberrecht kann daher grundsätzlich nur durch eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung verletzt werden (vgl. BVerfGE 81, 208 <222> (IPRspr. 1990 Nr. 149); BGH, Urteil vom 27. Februar 1981 -
[35] Das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG wird nach allgemeiner Auffassung an dem Ort verletzt, an dem das Vervielfältigungsexemplar entsteht (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2004 -
[36] Eine Vervielfältigung der Client-Software im Inland hat das Oberlandesgericht allerdings nicht festgestellt. Bei einer solchen Ausgangslage sind dann aber weder Teilnahmehandlungen an Vervielfältigungen im Ausland noch die bloße Verwertung der dabei erlangten Informationen vom beschwerdegegenständlichen Unterlassungstenor umfasst. Auch auf der materiellen Ebene liegt eine Urheberrechtsverletzung nur bei einer zumindest teilweise im Inland begangenen Handlung vor und nicht bei einer inländischen Teilnahme an einer ausländischen Verletzungshandlung (vgl. Raue, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, Vorbem. vor § 120 Rn. 32). Ein hinreichender Inlandsbezug ist ebenfalls anzunehmen, wenn eine im Ausland begangene Handlung eines mittelbaren Täters, Teilnehmers oder Störers eine Rechtsverletzung eines Dritten im Inland adäquat veranlasst hat (vgl. Fezer/Koos, in: Staudinger, BGB, Internationales Wirtschaftsrecht, 2019, D. Internationales Immaterialgüterprivatrecht Rn. 1098). Eine solche Rechtsverletzung im Inland hat aber das Oberlandesgericht ebenfalls nicht festgestellt.
[37] Die Erweiterung des Umfangs des Unterlassungstitels durch die Auslegung des Unterlassungstitels im Streitfall etabliert damit im Ergebnis eine von einer konkreten Verletzungshandlung im Sinne des deutschen Urheberrechtsgesetzes losgelöste allgemeine Handlungspflicht.
[38] Zwar ist - wie dargestellt - fachgerichtlich anerkannt und verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass sich eine Unterlassungsverpflichtung dann nicht im bloßen Nichtstun erschöpft, wenn allein durch Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands einem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann. Hier fehlt es jedoch bereits an einem vergleichbaren fortdauernden Störungszustand. Soweit das Oberlandesgericht diesen darin sieht, dass der Beschwerdeführer das Geschäftsmodell der GmbH entworfen und das rechtsverletzende Verhalten der Mitarbeiter veranlasst habe, verkennt es, dass das Geschäftsmodell als solches gerade keinen urheberrechtlichen Störungszustand darstellt. Die vom Verbotstenor erfasste Rechtsverletzung bestand vielmehr ausschließlich in der Vervielfältigung der Client-Software als Erfolgsdelikt. Mit der Argumentation des Oberlandesgerichts lässt sich zwar mit dem Bundesgerichtshof im Erkenntnisverfahren die persönliche Haftung des Beschwerdeführers begründen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 -
[39] Da eine dauerhafte Beeinträchtigung des Urheberrechts durch eine Vervielfältigung im Inland nicht vorliegt, kann auch ein Unterlassen des Einwirkens auf Dritte im Ausland nicht als inländischer Anknüpfungspunkt für einen Verstoß gegen den Unterlassungstitel genommen werden. Was die Verletzung ausländischer Schutzrechte anbelangt, wäre es indes gegebenenfalls Sache der Gläubigerin gewesen, ihren Anspruch im Erkenntnisverfahren - vorbehaltlich der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts - auch auf im Ausland bestehende Schutzrechte zu stützen.
[40] (cc) Das Oberlandesgericht legt auch selbst zunächst dar, dass nach dem Territorialitätsprinzip eine Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Auslandshandlung nicht in Betracht kommt. Dann widerspricht es sich aber insoweit, dass der Unterlassungstenor auch die inländische Pflicht umfassen soll, alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Vervielfältigungen durch Dritte im Ausland zu verhindern. Ein Verstoß gegen diese Handlungspflicht soll dann eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung im Inland darstellen. Diese rechtliche Konstruktion einer täterschaftlichen Verletzung ist aufgrund der inkonsequenten Anwendung des Territorialitätsprinzips in sich widersprüchlich, weil selbst eine urheberrechtlich relevante Teilnahmehandlung eine rechtswidrige und damit zumindest teilweise inländische Haupttat voraussetzt. Dem Unterlassungstenor wird hierdurch eine Reichweite verliehen, die mit der rechtskräftigen Entscheidung nicht mehr vereinbar ist.
[41] (2) Das Oberlandesgericht gelangt so zu einer dem Beschwerdeführer als Schuldner auch bei gebotener Auslegung des Titels nicht vorhersehbaren und daher nicht befolgbaren Auslegung des Unterlassungsgebots, auf der die angegriffene Sanktionierung gemäß § 890 ZPO beruht.
[42] cc) Die Auslegung des Unterlassungstitels durch das Oberlandesgericht ist auch willkürlich im aufgezeigten Sinne.
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