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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 24.05.2007 – I ZR 42/04, IPRspr 2007-106

Rechtsgebiete

Immaterialgüterrecht und Unlauterer Wettbewerb (bis 2019)
Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Die Frage, ob Ansprüche im Falle der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte bestehen, ist grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlands zu beurteilen. Ein ausländischer (hier: iranischer) Staatsangehöriger kann gemäß § 121 I und II UrhG urheberrechtlichen Schutz für ein Werk der bildenden Kunst (hier: ein auf Segmenten der Berliner Mauer angebrachtes Gemälde) im Geltungsbereich dieses Gesetzes in Anspruch nehmen.

Ein Eingriff in das urheberrechtliche Verbreitungsrecht aus § 17 I UrhG ist nicht gegeben, wenn bei einer öffentlichen Veranstaltung das Original oder ein Vervielfältigungsstück des geschützten Werks nur symbolisch übergeben wird.

Wird bei einer öffentlichen Veranstaltung, bei der keine urheberrechtliche Nutzungshandlung stattfindet, auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk der bildenden Kunst in besonderer Weise hingewiesen, hat der Urheber jedenfalls dann keinen Anspruch auf Benennung nach § 13 UrhG, wenn er sich selbst zuvor nicht zu seinem Werk bekannt hat (etwa durch Anbringung einer Urheberbezeichnung).

Rechtsnormen

EGBGB Art. 42
EUGVVO 44/2001 Art. 2; EUGVVO 44/2001 Art. 60
UrhG § 2; UrhG § 13; UrhG § 17; UrhG § 97; UrhG § 121
ZPO § 18; ZPO § 545

Sachverhalt

Der Kl., ein bildender Künstler, nimmt die beklagte Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz wegen Verletzung seines urheberrechtlichen Verbreitungsrechts und seines Rechts auf Urheberbenennung in Anspruch.

Der Kl. bemalte im Jahre 1995 drei zusammenhängende Elemente der Berliner Mauer am Leipziger Platz in Berlin-Mitte. Sein Werk betitelte er mit „Ost-West-Dialog“. Eine Signierung nahm er nicht vor. Das Grundstück, mit dem die Mauerstücke fest verbunden waren, stand im Eigentum des Landes Berlin; dieses hatte der Bemalung nicht zugestimmt.

Am 12.7.2001 fand auf dem Leipziger Platz ein Festakt statt, in dessen Verlauf das Land Berlin die vom Kl. bemalten Mauersegmente dem Deutschen Bundestag schenkte. Dessen Präsident schenkte die Mauerelemente der UNO, deren Generalsekretär Annan bei dem Festakt anwesend war. Der jeweilige Übergabeakt erfolgte an diesem Tag nur symbolisch. Die Mauerelemente blieben zunächst an Ort und Stelle. Übergeben wurden sie der UNO am 4.4.2002 in New York im Park der Vereinten Nationen. An den Mauersegmenten ist eine 55 x 55 cm große Tafel montiert, die über die Geschichte der Berliner Mauer unterrichtet und mit der Angabe schließt: „This graffito was created after the fall of the Wall. Artist: K.“.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch die Revision des Kl. bleibt ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch verneint ...

[2]II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

[3]1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Streitfall eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist. Die unter Geltung des § 545 II ZPO auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt entweder aus Art. 2 I, 60 I EuGVO oder aus § 18 ZPO. Die Bekl., die im vorliegenden Rechtsstreit durch den Deutschen Bundestag vertreten wird, hat ihren Sitz im Sinne von Art. 60 I EuGVO in Berlin. Dort ist auch der Sitz der Behörde, die die Bekl. im Sinne von § 18 ZPO vertritt.

[4]2. Das Berufungsgericht hat Schadensersatzansprüche des Kl. nach § 97 I 1 UrhG wegen Verletzung seines Rechts auf Urheberbenennung (§ 13 UrhG) und seines Verbreitungsrechts (§ 17 UrhG) im Ergebnis zu Recht verneint.

[5]a) Gegenstand des Rechtsstreits sind nur behauptete Verletzungen urheberrechtlicher Nutzungsrechte, die dem Kl. im Inland zustehen.

[6]aa) Nach st. Rspr. des BGH wird der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kl. in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kl. die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGHZ 166, 253, 259 [Markenparfümverkäufe] m.w.N.). Geht der Kl. aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (BGH, Urt. vom 7.12.2000 – I ZR 146/98, GRUR 2001, 755, 756 f. = WRP 2001, 804 [Telefonkarte]).

[7]Dem Urheber steht an seinem Werk – auch aus der Sicht der zu seinem Schutz geschlossenen internationalen Abkommen – kein einheitliches Schutzrecht zu, sondern ein Bündel nationaler Schutzrechte (BGHZ 152, 317, 322 [Sender Felsberg] (IPRspr. 2002 Nr. 125)). Deshalb wäre es Sache des Kl. gewesen, in den Tatsacheninstanzen klarzustellen, dass er das Schadensersatzbegehren auch auf im Ausland bestehende urheberrechtliche Nutzungsrechte stützt (BGH, Urt. vom 8.7.2004 – I ZR 25/02, GRUR 2004, 855, 856 = WRP 2004, 1293 [Hundefigur] (IPRspr 2004-87)). Das ist nicht geschehen.

[8]bb) Der Kl. hat in der Klage zwar auch Vorgänge vorgetragen, die sich nicht in Deutschland, sondern in New York ereignet haben. Daraus folgt aber nicht, dass er auch im Ausland bestehende Schutzrechte zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht hat. Sein Schadensersatzbegehren hat der Kl. vielmehr ausschließlich aus der Verletzung des im Inland bestehenden Urheberrechts hergeleitet. Auch die Vorinstanzen haben nur über die Frage der Verletzung von Rechten aus deutschem Urheberrecht entschieden, ohne dass der Kl. dies beanstandet hätte.

[9]b) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass sich die Ansprüche des Kl. nach deutschem Urheberrecht richten.

[10]aa) Die Frage, welches nationale Urheberrecht anzuwenden ist, beurteilt sich nach dem deutschen IPR. Dessen richtige Anwendung ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BGHZ 136, 380, 386 [Spielbankaffaire] (IPRspr. 1997 Nr. 125)). Eine Rechtswahl des Verletzten oder eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht ist, anders als es das Berufungsgericht angenommen hat, nicht zulässig. Die Rechtsordnung, welche die Schutzwirkung des Immaterialgüterrechts bestimmt, ist der Disposition der Parteien entzogen (BGHZ 118, 394, 397 f. [ALF] (IPRspr. 1992 Nr. 168); 136, 380, 386 [Spielbankaffaire] (IPRspr. 1997 Nr. 125)). Daran hat sich durch die Neufassung der Kollisionsnorm des Art. 42 EGBGB durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.1999 (BGBl. I 1026) nichts geändert (Schricker-Katzenberger, Urheberrecht, 3. Aufl., Vor §§ 120 ff. UrhG Rz. 134; Dreier-Schulze, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rz. 28; HK-UrhR-Kotthoff, 2004, § 120 ff. Rz. 7; Möhring-Nicolini-Hartmann, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rz. 19; Sack, WRP 2000, 269, 284; Staudinger-Fezer-Koos, IntWirtschR (2006) Rz. 875; zu Art. 40 EGBGB vgl. auch: BGHZ 152, 317, 322 [Sender Felsberg] (IPRspr. 2002 Nr. 125); a.A. Loewenheim-Walter, Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 58 Rz. 25; Wandtke-Bullinger-v. Welser, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. UrhG Rz. 14). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz lässt die allgemeine Geltung des Schutzlandprinzips, die eine ausdrückliche Regelung entbehrlich machte, keinen Raum für eine vorrangige Anknüpfung etwa an das von den Beteiligten gewählte Recht (BT-Drucks. 14/343 S. 10). Die Senatsrechtsprechung steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II) vom 21.2.2006 (vgl. dort Art. 9).

[11]bb) Nach der Senatsrechtsprechung zum deutschen IPR ist die Frage, ob Ansprüche im Falle der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte bestehen, grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlands, d.h. nach dem Recht desjenigen Staats zu beurteilen, für dessen Gebiet der Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (BGHZ 152, 317, 321 [Sender Felsberg] (IPRspr. 2002 Nr. 125); 155, 257, 261 [Sendeformat] (IPRspr. 2003 Nr. 105); Schricker-Katzenberger aaO Rz. 124 ff.; Dreier-Schulze aaO Rz. 28; Obergfell, IPRax 2005, 9, 10 ff.; Buchner, GRUR Int. 2005, 1004, 1005). Danach ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anwendbar, weil Gegenstand der Klage nur die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte ist, die dem Kl. im Inland zustehen.

[12]c) Der Kl., der ausländischer (iranischer) Staatsangehöriger ist, kann urheberrechtlichen Schutz gemäß § 121 I und II UrhG in Anspruch nehmen. Nach diesen Vorschriften genießen ausländische Staatsangehörige den urheberrechtlichen Schutz für Werke der bildenden Kunst, die mit einem Grundstück im Geltungsbereich dieses Gesetzes fest verbunden sind. Diese Voraussetzungen erfüllte das vom Kl. auf den Mauerelementen am Leipziger Platz in Berlin-Mitte geschaffene Bild.

[13]d) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis jedoch zu Recht angenommen, dass dem Kl. der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 97 I 1 i.V.m. § 17 UrhG wegen Verletzung des Verbreitungsrechts nicht zusteht.

[14]aa) Bei dem vom Kl. auf den Mauerelementen angebrachten Bild handelt es sich, wovon auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist, um ein urheberrechtsschutzfähiges Werk der bildenden Kunst im Sinne von § 2 I Nr. 4 UrhG.

[15]bb) Die Bekl. hat das Verbreitungsrecht des Kl. jedoch nicht verletzt. Sie hat die Mauersegmente nicht im Inland der Öffentlichkeit angeboten oder in den Verkehr gebracht ...

[16]cc) Ob die Bekl. mit der Übergabe der Mauersegmente am 4.4.2002 an die UNO in New York im Park der Vereinten Nationen in ein urheberrechtliches Nutzungsrecht des Kl. eingegriffen hat, kann offen bleiben. Dadurch ist das deutsche Urheberrecht nicht verletzt worden. Nach dem auch im Urheberrecht geltenden Territorialitätsprinzip kann ein inländisches Urheberrecht grundsätzlich nur durch eine zumindest teilweise im Inland begangene Handlung verletzt werden (BGHZ 126, 252, 256, 258 [Folgerecht bei Auslandsbezug] (IPRspr. 1994 Nr. 128); 152, 317, 326 f. [Sender Felsberg] (IPRspr. 2002 Nr. 125); Schricker-Katzenberger aaO Rz. 123; Möhring-Nicolini-Lütje aaO § 97 Rz. 275).

[17]e) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch nach § 97 I 1 i.V.m. § 13 UrhG verneint hat. Die Bekl. hat das Recht des Kl. auf Urheberbenennung nach § 13 UrhG nicht verletzt.

[18]aa) Nach § 13 Satz 1 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk; weiterhin steht ihm das Bestimmungsrecht zu, ob das Werk mit seiner Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13 Satz 2 UrhG).

[19]Bei einem Werk der bildenden Kunst erfolgt die Urheberbezeichnung in erster Linie mit der Signierung des Werkes (Loewenheim-Dietz aaO § 16 Rz. 72). Von dieser Möglichkeit hat der Kl. entsprechend den Gepflogenheiten bei Graffiti keinen Gebrauch gemacht. Damit hat er zwar nicht auf sein Urhebernennungsrecht verzichtet (Schricker-Dietz aaO § 13 UrhG Rz. 14); dem Kl. stand weiterhin das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung an seinem Werk zu. Dieses Recht des Kl. hat die Bekl. aber nicht verletzt. Sie hat eine Signierung des Werks oder die Anbringung eines Hinweises auf den Kl. als Urheber des Bilds während des Zeitraums, in dem sich die Mauersegmente im Inland und damit im Geltungsbereich des deutschen Urheberrechts befanden, nicht verhindert ...

[20]cc) Ob die Bekl. bei der Aufstellung der Mauerelemente im Park der Vereinten Nationen am 4.4.2002 das Recht des Kl. auf Urheberbenennung verletzt hat und ob sie mit der an den Mauersegmenten angebrachten Tafel der erforderlichen Bezeichnung des Kl. als Urheber im notwendigen Umfang nachgekommen ist, kann dahinstehen. Diese nicht im Inland begangenen Handlungen können das deutsche Urheberrecht des Kl. nicht verletzen [dazu II. 2. d) cc)].

Fundstellen

LS und Gründe

AfP, 2007, 358
GRUR, 2007, 691
WRP, 2007, 996
ZUM, 2007, 644
IPRax, 2008, 271

Bericht

Jayme/Kohler, IPRax, 2007, 493
von Ungern-Sternberg, GRUR, 2008, 193

Aufsatz

Sattler, IPRax, 2008, 247 A

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-106

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