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Verfahrensgang

LG Saarbrücken, Urt. vom 20.12.2019 – 8 O 104/16
OLG Saarland, Urt. vom 14.01.2021 – 4 U 14/20, IPRspr 2021-261

Rechtsgebiete

Vertragliche Schuldverhältnisse → Versicherungsrecht
Außervertragliche Schuldverhältnisse → Unerlaubte Handlungen, Gefährdungshaftung
Zuständigkeit → Besonderer Deliktsgerichtsstand

Leitsatz

Die Frage, ob dem im Außenverhältnis gegenüber dem Geschädigten regulierenden inländischen Kfz-Haftpflichtversicherer der Zugmaschine Regressansprüche gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer des Anhängers zustehen, bestimmt sich nach den in Art. 19 der Rom II-Verordnung statuierten Anforderungen und dem sich aus dieser Vorschrift zu bestimmenden Recht.

Dem Innenregress steht nicht entgegen, dass ein dänischer Versicherer mit seinem Versicherungsnehmer hinsichtlich des Anhängers eine nach dänischem Recht wirksame Subsidiaritätsklausel vereinbart hat. Denn der Versicherungspflicht nach deutschem Recht kommt bei einem Unfall in Deutschland nach Art. 7 Abs. 4 lit. a Rom I-Verordnung Vorrang zu (Anschluss EuGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - C-359/14, verbunden mit C-375/14; BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 - IV ZR 121/17; OLG Schleswig, Urteil vom 14. Mai 2020 - 7 U 181/19 (IPRspr 2020-252); OLG Bamberg, Urteil vom 22. Oktober 2019 - 5 U 40/19 (IPRspr 2019-78) und OLG München, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 U 6240/19).

Rechtsnormen

BGB § 426
EGBGB Art. 46c; EGBGB Art. 46d
EuGVVO 1215/2012 Art. 5; EuGVVO 1215/2012 Art. 7; EuGVVO 1215/2012 Art. 26 
Kfz-Haftpflicht-RL 2009/103/EG Art. 1; Kfz-Haftpflicht-RL 2009/103/EG Art. 3 
PflVAuslG § 1; PflVAuslG § 6
PflVG § 1
Rom I-VO 593/2008 Art. 7; Rom I-VO 593/2008 Art. 7 ff.
Rom II-VO 864/2007 Art. 1; Rom II-VO 864/2007 Art. 3; Rom II-VO 864/2007 Art. 4; Rom II-VO 864/2007 Art. 4 ff.; Rom II-VO 864/2007 Art. 19; Rom II-VO 864/2007 Art. 20
StVG § 7
VVG § 78; VVG § 115
ZPO § 513; ZPO § 529; ZPO § 546

Sachverhalt

Die Klägerin verlangt – nach zwischenzeitlicher Rücknahme der Klage gegen den Beklagten zu 1 - von der Beklagten zu 2 Innenausgleich im Rahmen eines Gespannregresses wegen eines Unfallereignisses vom 31.1.2013. Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Haftpflichtversicherer der in Deutschland zugelassenen Zugmaschine. Mit dieser Zugmaschine war ein in Dänemark zugelassener Anhänger verbunden. Der Fahrer des Gespanns befuhr auf der BAB 1 Richtung T. in Höhe E. die rechte Fahrspur. Beim Spurwechsel auf die mittlere Fahrspur übersah er das dort fahrende Spezialabschleppfahrzeug der G. M. GmbH. Die Fahrzeuge kollidierten, wobei das Fahrzeug der Firma M. einen Totalschaden erlitt und dessen Fahrer verletzt wurde. Die Klägerin wurde wegen des Unfalls vom Eigentümer des beschädigten Abschleppfahrzeugs, von dessen Fahrer und von dessen Berufsgenossenschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen; die Schadensregulierung ist noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 26.3.2015 und 16.6.2015 auf, sich an den Aufwendungen der Klägerin im Umfang von 50 v.H. zu beteiligen. Der frühere Beklagte zu 1 zahlte am 21.10.2015 an die Klägerin zur Schadensregulierung einen Betrag. Weitere Zahlungen lehnte er ab.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 2 sei Haftpflichtversicherer des Anhängers gewesen. Diese habe auch - über den früheren Beklagten zu 1 als Schadensregulierungsbeauftragten - die Zahlung vom 21.10.2015 geleistet. Die Beklagte zu 2 habe dem Beklagten zu 1 den Betrag erstattet. Die Klägerin hat die Klage ursprünglich auch gegen den früheren Beklagten zu 1 gerichtet, insoweit jedoch am 1.2.2017 die Klage zurückgenommen. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, alle Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall im Umfang von 50 v.H. an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte zu 2 hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die fehlende Zuständigkeit des Gerichts gerügt. Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 2 im schriftlichen Verfahren mit dem am 20.12.2019 verkündeten Urteil stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts Saarbrücken abzuändern (wörtlich: aufzuheben) und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]III.

[2]Das Rechtsmittel der Beklagten zu 2 ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Beklagten zu 2 günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO). Lediglich die mit der Berufung nicht angegriffene Kostenentscheidung des Landgerichts war von Rechts wegen zu korrigieren. Im Einzelnen:

[3]1. Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Landgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2008 - III ZR 253/07 (IPRspr 2008-137), juris Rn. 8), bejaht. Hiernach ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Dies gilt auch im Verhältnis zu Dänemark, welches die Verordnung durch völkerrechtliches Übereinkommen mit der EU in Kraft gesetzt hat (Abkommen v. 19.10.2005, ABl. 2005 L 299, 62). Hiernach kann eine Person in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden, wenn eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer solchen gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung“ den Gegenstand des Verfahrens bilden. Nach der autonomen und sehr weiten Auslegung des Art. 7 Abs. 2 durch den EuGH gilt dieser für alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO anknüpfen (vgl. Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2015, Art. 7 EuGVVO Rn. 13 f.; Antomo in: Vorwerk/Wolf beckOK ZPO 39. Edition (Stand 1.12.2020), Brüssel Ia-VO Art. 1, Rn. 12; EuGH, Urteil vom 13.3.2014 – C-548/12, juris Rn. 20, zu Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001). Dies setzt insbesondere nicht voraus, dass gerade der Geschädigte die Klage erhebt; vielmehr gilt die Zuständigkeit auch für Klagen aus übergegangenem Recht und deshalb auch für Regressklagen, mit denen der Ausgleich unter mehreren Schädigern verfolgt wird (Paulus in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Werkstand: 60. EL August 2020), Art. 7 EuGVVO, Rn. 154). Für die hiesige Konstellation, in der die Klägerin die Beklagte zu 2 mit Sitz in Dänemark im Wege des Gespannregresses wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch nimmt, der sich im Saarland ereignet hat, gilt damit nichts anderes. Die entsprechende Annahme des Landgerichts wird im Berufungsverfahren auch nicht infrage gestellt. Jedenfalls aber ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte gem. Art. 26 EuGVVO dadurch begründet, dass sich die Beklagte zu 2 inzwischen rügelos auf das Verfahren eingelassen hat. Während sie im erstinstanzlichen Verfahren die Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken noch als „zumindest zweifelhaft“ erachtet hat (Bl. 104 d.A.), hat sie diesen Einwand im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten.

[4]2. ... 3. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten zu 2 auf der Grundlage der §§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, 78 Abs. 1 und 2 VVG die Hälfte ihrer Aufwendungen zur Regulierung der Unfallschäden ersetzt verlangen kann. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben im Ergebnis ohne Erfolg:

[5]a) ... b) Als weitere Prämisse ist das Landgericht – entsprechend dem Sachvortrag der Beklagten - davon ausgegangen, dass das dänische Recht eine Haftung von Halter und Fahrer eines Anhängers für durch den Anhänger verursachte Schäden nicht kennt, sondern die Versicherung des ziehenden Fahrzeugs allein leistungspflichtig ist, und dass es infolgedessen im dänischen Recht auch keine Versicherungspflicht für eine derartige Haftung gibt. Dies schließe es jedoch keineswegs aus, dass die Beklagte Haftpflichtversicherer des Anhängers sei, denn für den Gebrauch in Deutschland unterliege der Anhänger der Versicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 AuslPflVG. Deshalb müsse das dänische Recht gem. Art. 3 und 1 Nr. 1 der Richtlinie Nr. 2009/103Art. 1 über die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht an sich vorsehen, dass der Anhänger versichert werde und die Versicherung die Verursachung von Schäden zumindest in Deutschland erfasse. Dass eine entsprechende Versicherung für den Anhänger tatsächlich bestanden habe, dränge sich auch deshalb auf, weil der Anhänger in Deutschland in Gebrauch genommen worden sei und davon ausgegangen werden könne, dass seinem Halter die Versicherungspflicht bekannt sei und er sich dementsprechend darauf eingestellt habe. Diese Erwägungen sind in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und werden im Berufungsverfahren auch nicht angegriffen.

[6]c) Im Berufungsverfahren ebenfalls zugrunde zu legen ist der zwischen den Parteien außer Streit befindliche Umstand, dass der Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten zu 2 und dem Halter des Anhängers nur eine subsidiäre Haftung vorsieht, mithin im Umfang des Versicherungsschutzes hinter dem Versicherungsvertrag zurückbleibt, welcher zwischen der Klägerin und ihrem Versicherungsnehmer betreffend die Zugmaschine besteht.

[7]d) Damit wird die Haftung der Versicherer nach dem Recht beider betroffenen Staaten unterschiedlich beurteilt: Während das dänische Recht eine alleinige Leistungspflicht des Versicherers der Zugmaschine vorsieht, gilt nach dem im Unfallzeitpunkt maßgeblichen deutschen Recht eine Versicherungspflicht von Anhängern, die an einem Zugfahrzeug bewegt werden (§ 1 PflVG), wobei Anhänger und Zugmaschine einen Haftungsverbund bilden und die jeweiligen Versicherungen Mitversicherer im Sinne des § 78 VVG sind.

[8]e) Für die Frage einer Ausgleichspflicht der Beklagten zu 2 gegenüber der Klägerin gilt gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II-Verordnung deutsches Recht:

[9]aa) Das maßgebliche Kollisionsrecht für Verträge ist in der Verordnung Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-Verordnung) geregelt, während für außervertragliche Fragen die Verordnung Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-Verordnung) gilt. Zwar hat Dänemark die Wirkungen der Rom-II-Verordnung ausgeschlossen (Art. 1 Abs. 4); gleichwohl ist sie gemäß Art. 3 auch gegenüber Nicht-Mitgliedstaaten anzuwenden, von deutschen Gerichten auch im Verhältnis zu Dänemark (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 14.5.2020 – 7 U 181/19 (IPRspr 2020-252), juris Rn. 33; Spickhoff in: Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 56. Edition (Stand: 1.11.2020), Rom-II-VO Art. 1 Rn. 20; Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, 2. Aufl. 2017, § 4 IV Rn. 213).

[10]bb) zu der Frage des auf den Regress anwendbaren Rechts hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass in dem Fall, dass nach dem gem. Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung anzuwendenden Recht der Geschädigte eines durch eine Zugmaschine mit Anhänger verursachten Unfalls über Ansprüche sowohl gegen den Halter als auch gegen den Versicherer des Anhängers verfügt, der Versicherer der Zugmaschine – nach Schadensersatzleistung an den Geschädigten – einen Regressanspruch gegen den Versicherer des Anhängers geltend machen kann, soweit das nach Art. 7 der Rom-I-Verordnung auf den Versicherungsvertrag anzuwendende Recht einen Eintritt des Versicherers in die Rechte des Geschädigten vorsieht (EuGH, Urteil vom 21.1.2016 – Rs. C-359/14, verbunden mit C-375/14, juris Rn. 60 m. Anm. Martiny, IPRax 2017, 360; vgl. auch Staudinger/Friesen, VersR 2016, 768).

[11]cc) Die Grundlage zur Beantwortung der Frage, ob der Klägerin Regressansprüche gegen die Beklagte zu 2 zustehen, liegt – anders als vom Landgericht angenommen, welches diese in Art. 20 der Rom-II-Verordnung gesehen hat - in Art. 19 der Rom-II-Verordnung (so auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 14.5.2020 – 7 U 181/19 (IPRspr 2020-252), juris Rn. 35; OLG Bamberg, Urteil vom 22.10.2019 – 5 U 40/19 (IPRspr 2019-78), juris Rn. 18; LG Göttingen, Urteil vom 23.5.2019 – 8 O 286/17 (IPRspr 2019-60), juris Rn. 22; vgl. auch OLG München, Urteil vom 17.6.2020 – 10 U 6240/19, juris Rn. 5).

[12](1) Hat eine Person („der Gläubiger“) aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person („den Schuldner“) und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.

[13](2) Die Eingangsvoraussetzung des Art. 19 Halbsatz 1 der Rom-II-Verordnung ist im Streitfall gegeben: Der Geschädigte, die G. M. GmbH („der Gläubiger“), hat gegen den Halter des Zugfahrzeugs des unfallbeteiligten Gespanns („den Schuldner“) Schadensersatzansprüche. Diese Verpflichtung beruht unzweifelhaft auf einem „außervertraglichen Schuldverhältnis“ und ergab sich aus dem gemäß Art. 4 Rom-II-Verordnung anwendbaren § 7 Abs. 1 StVG. Weiterhin war die Klägerin („Dritte“) als Haftpflichtversicherer der Zugmaschine des unfallbeteiligten Gespanns zum SchadenserSatz verpflichtet. Diese Haftung ergab sich aus den nach Art. 4 der Rom-II-Verordnung anwendbaren §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG.

[14](3) Nach Art. 19 Halbsatz 2 der Rom-II-Verordnung und der vorzitierten hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welcher sich der Senat anschließt, ist unter der Voraussetzung, dass die Beklagte zu 2 als dänischer Versicherer des in Dänemark zugelassenen Anhängers der geschädigten GmbH zum SchadenserSatz verpflichtet war, dem für die Klägerin („des Dritten“) gegenüber der G. M. GmbH („dem Gläubiger“) maßgebenden Recht zu entnehmen, ob und in welchem Umfang Regressansprüche zwischen den Versicherern des Gespanns bestehen.

[15]Die Frage, ob die Beklagte zu 2 als Versicherer gegenüber der geschädigten GmbH zum Schadensersatz verpflichtet war, bestimmt sich in erster Linie nach dem mit ihrem Versicherten geschlossenen Vertrag, so dass maßgeblich zunächst die Rom-I-Verordnung ist. Nach deren Art. 7 Abs. 2 könnte somit dänisches Recht auch für die Frage einer (direkten) Haftung des Versicherers zur Anwendung kommen, wonach – nach dem Vorbringen der Beklagten – möglicherweise kein Anspruch bestünde. Dies erweist sich jedoch deshalb als unschädlich, weil gemäß Art. 7 Abs. 4 der Rom-I-Verordnung ein Mitgliedstaat abweichend von den Absätzen 2 und 3 vorschreiben kann, dass auf den Versicherungsvertrag das Recht des Mitgliedstaates anzuwenden ist, der die Versicherungspflicht vorschreibt. Von dieser Öffnungsklausel hat Deutschland in Art. 46d Abs. 2 EGBGB (bzw. Art. 46c EGBGB a.F.) Gebrauch gemacht, wonach ein über eine Pflichtversicherung abgeschlossener Vertrag deutschem Recht unterliegt, wenn die gesetzliche Verpflichtung zu seinem Abschluss auf deutschem Recht beruht. Diese Voraussetzungen sind hier aufgrund der anwendbaren §§ 7 Abs. 1 StVG, 6 Abs. 3 AuslPflVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG erfüllt. Mithin ist ein Anspruch der geschädigten GmbH gegen den beklagten Versicherer des Anhängers als Direktanspruch zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Berufung steht einer Haftung der Beklagten zu 2 damit nicht entgegen, dass bzw. falls nach dänischem Recht möglicherweise kein Anspruch bestünde (so auch ausdrücklich Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 14.5.2020 – 7 U 181/19 (IPRspr 2020-252), juris Rn. 35-37).

[16](4) Dies bedeutet wiederum, dass sich der Ausgleichsanspruch des leistenden Versicherers, mithin der Klägerin als „Dritter“, gemäß Art. 19 der Rom-II-Verordnung nach dem Recht richtet, das für den Anspruch zwischen der geschädigten GmbH und der Klägerin anwendbar ist. Sowohl nach Art. 4 ff. der Rom-II-Verordnung als auch nach Art. 7 ff. der Rom-I-Verordnung ist dies das Recht der Bundesrepublik Deutschland, denn sowohl der Schadensort als auch der Sitz der Klägerin sind dort belegen. Damit verfängt der Einwand der Berufung nicht, dass § 78 VVG deshalb nicht anwendbar sei, weil die Beklagte zu 2 nur eine subsidiäre Haftung für Drittschäden versprochen habe, wenn also der Anhänger nicht angekoppelt sei bzw. abgestellt sei und dort Schäden verursache. Denn der ausländische Versicherungsvertrag wird auf diesem Wege gewissermaßen auf den Versicherungsumfang erweitert, den der EU-Staat, in dem das Fahrzeug genutzt wird, zwingend vorschreibt. Die Argumentation, der deutsche Gesetzgeber habe keine Befugnis, in ausländische Versicherungsverträge gestaltend einzugreifen, greift nach den obigen Ausführungen nicht. Vielmehr ermöglicht Art. 7 Abs. 4 lit. b der Rom-I-Verordnung gerade den Vorrang für weitergehende Versicherungspflichten nach deutschem Recht (so ausdrücklich Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 14.5.2020 – 7 U 181/19 (IPRspr 2020-252), juris Rn. 38 f.).

[17](5) Hieraus folgt, dass sich – wie auch das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - Ob und Umfang des Regresses der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 nach deutschem Sachrecht bestimmen, mithin nach § 78 Abs. 2 VVG.

[18](5.1) ...

Fundstellen

LS und Gründe

VRS, 2021, 140/1, 22

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https://iprspr.mpipriv.de/2021-261

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