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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 16.10.2008 – III ZR 253/07, IPRspr 2008-137

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Eine Wider-Widerklage kann in einem Rechtsstreit, in dem über eine Widerklage bereits rechtskräftig entschieden worden ist, nicht mehr erhoben werden. Die Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO kann nicht mehr erreicht werden.

Die Erhebung einer Eventual-Wider-Widerklage unter der Bedingung, dass die (Haupt-)Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte unzulässig sei, ist nicht möglich. Eine solche hilfsweise und (auflösend) bedingt erhobene Wider-Widerklage führt lediglich zur nochmaligen Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstands, dem das Verbot doppelter Rechtshängigkeit entgegensteht.

Bestreitet eine Beklagte die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte und lässt sich hilfsweise (auch) mittels Widerklage zur Sache ein, so stellt dies nicht eine rügelose Einlassung nach Art. 18 EuGVÜ (jetzt Art. 24 EuGVO) dar. Die Beklagte hat das Recht, sich unabhängig von der Erhebung einer Widerklage mit allen prozessualen Möglichkeiten gegen die Klage zu verteidigen.

Rechtsnormen

BGB §§ 269 f.
EGBGB Art. 28
EUGVVO 44/2001 Art. 5; EUGVVO 44/2001 Art. 6; EUGVVO 44/2001 Art. 24; EUGVVO 44/2001 Art. 66
EuGVÜ Art. 2; EuGVÜ Art. 3; EuGVÜ Art. 5; EuGVÜ Art. 18
GG Art. 103
ZPO § 261; ZPO § 538

Sachverhalt

Die in der Touristikbranche tätigen Parteien schlossen im März 1997 eine Vereinbarung, wonach die Kl. mit der offiziellen Vertretung der in Großbritannien ansässigen Bekl. auf dem deutschen, österreichischen und schweizerischen Markt beauftragt wurde. Als Vergütung war zunächst ein Betrag von 5 500 US-Dollar monatlich vereinbart, der nach kurzer Zeit auf 3 750 US-Dollar herabgesetzt wurde; der Kl. sollten daneben laufende Kosten für Telefon, Fax, Parkgebühren und Reisekosten auf entsprechenden Nachweis hin erstattet werden. Seit November 1997 leistete die Bekl. keine Zahlungen mehr.

Die Kl. verlangt von der Bekl. die Begleichung rückständiger Vergütung von November 1997 bis Juni 1998. Nach vorausgegangenem Mahnbescheid und Widerspruch der Bekl. hiergegen ist der Rechtsstreit an das LG Mainz abgegeben worden, bei dem die Kl. ihre Klageforderung begründet und noch einen Betrag in Höhe von 40 119,15 DM (= 20 512,60 Euro) gefordert hat. Die Bekl. hat die Unzuständigkeit des LG gerügt und zugleich Widerklage auf Rückzahlung von aus ihrer Sicht zu viel an die Kl. gezahlten 27 178,20 DM (= 13 895,99 Euro) nebst Zinsen erhoben.

Das LG hat die Klage mit Urteil als unzulässig, die Widerklage als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat lediglich die Kl. Berufung eingelegt, während die Bekl. die Abweisung ihrer Widerklage hingenommen hat.

Das Berufungsgericht hat im Wege eines Versäumnisurteils die erstinstanzliche Entscheidung, soweit darin über die Klage entschieden worden war, einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und den Rechtsstreit in diesem Umfang zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Nach fristgerechtem Einspruch der Bekl. hat das Berufungsgericht dieses Versäumnisurteil aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung unter Aufhebung des Versäumnisurteils.

[2]I. Das Berufungsgericht hat die vorgenommene Aufhebung des landgerichtlichen Urteils einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens und die Zurückverweisung in die erste Instanz damit begründet, dass die Klageabweisung als unzulässig auf einem Verfahrensfehler beruhe. Die Zuständigkeit des angerufenen LG für die erhobene Klage sei zwar mit zutreffender Begründung verneint worden. Denn die Kl. könne sich nicht auf Art. 5 Nr. 1 EuGVO berufen, weil ihre Klage noch vor Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden sei und ihre Bestimmungen deshalb nach Art. 66 I EuGVO nicht anwendbar seien. Eine Zuständigkeit des LG ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften des EuGVÜ, wobei mit Recht von zwei unterschiedlichen Erfüllungsorten für die wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen der Parteien ausgegangen worden sei.

[3]Allerdings liege eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung vor, weil das erstinstanzliche Gericht noch mit Hinweisbeschluss vom 16.11.2005 ausdrücklich ausgeführt habe, es gehe von einem einheitlichen Gerichtsstand für Klage und Widerklage aus, dann aber dennoch ohne weiteren Hinweis ein Prozessurteil bezüglich der Klage erlassen habe. Wäre der Kl. die letztlich angenommene Unzulässigkeit deutlich gemacht worden, hätte sie eine Zuständigkeit für die Klageforderung nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO durch Erhebung einer Wider-Widerklage begründen können und nach ihrem nicht zu widerlegenden Vortrag auch begründet. Bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise hätte für sie die Möglichkeit bestanden, ihre Klage zuvor zurücknehmen. Dabei könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Bekl. die erforderliche Einwilligung dazu verweigert hätte. Dies v.a. dann nicht, wenn die Kl. ihre Absicht, eine Wider-Widerklage zu erheben, zunächst nicht offenbart hätte. Der Verfahrensfehler führe zur Zurückverweisung unter Aufhebung des zugrunde liegenden Verfahrens, der Kl. sei Gelegenheit zu geben, entsprechend zu verfahren. Doppelte Rechtshängigkeit stehe dem nicht von vornherein entgegen. Durch die Verfahrensaufhebung werde der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor der ersten mündlichen Verhandlung in erster Instanz befunden habe. Somit bestehe für die Kl. die Möglichkeit, die Klage auch ohne Einwilligung der Bekl. zurückzunehmen, um anschließend ihre Klageforderung im Wege der Wider-Widerklage geltend zu machen. Da auf die Verfahrenssituation im Zeitpunkt eines rechtzeitigen Hinweises des LG abzustellen sei, stehe dem die bereits rechtskräftige Entscheidung über die Widerklage nicht entgegen, weil nach dem nicht widerlegbaren Vortrag der Kl. dann über die Widerklage noch nicht rechtskräftig entschieden wäre.

[4]II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der nach Zurückverweisung und Aufhebung auch des zugrunde liegenden Verfahrens für die Kl. noch bestehenden Möglichkeit der Klagerücknahme und der Erhebung einer Wider-Widerklage, um damit die Zuständigkeit des angerufenen LG nach Art. 6 Nr. 3 EuGVO zu begründen, halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dieser mit der Erhebung einer Wider-Widerklage angestrebte Erfolg kann in dem Verfahrensstadium, in dem sich der Rechtsstreit nach rechtskräftiger Entscheidung über die Widerklage befindet, nicht mehr erreicht werden. Einer reformierenden Entscheidung nach Erteilung eines Hinweises auf die fehlende internationale Zuständigkeit und der dem Berufungsgericht im Anschluss an die Zurückverweisung der Sache vorschwebenden prozessualen Vorgehensweise ist bei dieser Sachlage der Boden entzogen.

[5]1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurt., BGHZ 153, 82, 84 ff. (IPRspr. 2002 Nr. 157); vgl. auch BGHZ 132, 105, 107 (IPRspr. 1996 Nr. 142); 134, 127, 129 f. (IPRspr. 1996 Nr. 160); 157, 224, 227 (IPRspr. 2003 Nr. 149); BGH, Urt. vom 7.12.2004 – XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 (IPRspr 2004-130)), verneint. Denn die Kl. kann sich nicht auf Vorschriften der EuGVO berufen, weil diese nach Art. 66 I nur auf solche Klagen Anwendung findet, die erst nach ihrem Inkrafttreten erhoben worden sind. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall, sodass noch die Bestimmungen des zuvor geltenden EuGVÜ heranzuziehen sind. Auch wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LG die EuGVO bereits in Kraft getreten war, konnte die fehlende internationale Zuständigkeit nicht rückwirkend dadurch entstehen, dass diese nunmehr, hier nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO, begründet wäre (vgl. BGHZ 132 aaO; BGH, Urt. vom 14.11.1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, 1070, 1071 (IPRspr. 1991 Nr. 181); HK-ZPO-Saenger-Dörner, 2. Aufl., Art. 66 EuGVO Rz. 2 m.w.N.).

[6]Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist vorliegend nicht gegeben, weil im EuGVÜ für eine auf vertragliche Ansprüche gestützte Klage, wie sie hier geltend gemacht wird, keine Ausnahmevorschrift im Sinne des Art. 3 I EuGVÜ enthalten war, die es ermöglicht hätte, die Bekl., die ihren Geschäftssitz in Großbritannien hat, abweichend von der Regelvorschrift des Art. 2 I EuGVÜ in einem anderen Vertragsstaat zu verklagen (vgl. BGH, Urt. vom 7.12.2004 aaO). Eine solche Möglichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, wegen vertraglicher Ansprüche zwar auch vor dem Gericht des Orts verklagt werden, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre. Rechtsfehlerfrei haben beide Vorinstanzen jedoch angenommen, dass der Erfüllungsort für die vertraglichen Verpflichtungen der Bekl. im Sinne der genannten Vorschrift nicht in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Der nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ maßgebliche Erfüllungsort richtet sich nach dem IPR des Gerichtsstaats und dem danach berufenen Sachrecht, nicht dagegen autonom nach der vertragscharakteristischen Leistung (EuGH, NJW 1977, 491 f. m. Anm. Geimer, NJW 2000, 721, 722 f. Rz. 33; BGHZ 157 aaO 231; BGH, Urt. vom 25.2.1999 – VII ZR 408/97, NJW 1999, 2442 f. (IPRspr. 1999 Nr. 110), und vom 7.12.2004 aaO 582 m.w.N.; vgl. auch Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 1a f.). Die nunmehr in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO enthaltene Ausnahme für Dienstverträge (vgl. BGH, Urt. vom 2.3.2006 – IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806, 1807 (IPRspr 2006-109)) bestand seinerzeit noch nicht. Danach gilt aber gemäß Art. 28 EGBGB für den zwischen den Parteien geschlossenen Dienstvertrag deutsches Recht, weil die Kl., die als Dienstverpflichtete die charakteristische Leistung zu erbringen hatte (vgl. Senatsurt., BGHZ 128, 41, 48; Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., EGBGB Art. 28 Rz. 14), ihren Geschäftssitz in Deutschland hat. Der Erfüllungsort für die hier eingeklagte Zahlungsverpflichtung bestimmt sich daher nach §§ 269 f. BGB. Bei Dienstverträgen besteht aber nach h.M. grundsätzlich kein einheitlicher Erfüllungsort etwa am Ort der charakteristischen Leistung, sondern Zahlungsansprüche sind in der Regel am Wohn-(Geschäfts-)Sitz des Zahlungspflichtigen zu erfüllen (so für Rechtsanwaltshonorare BGHZ 157, 20, 23 ff.; BGH, Urt. vom 4.3.2004 – IX ZR 101/03, NJW-RR 2004, 932; Palandt-Heinrichs aaO § 269 Rz. 13 f). Gesichtspunkte, die im Streitfall eine davon abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich; v.a. ist die internationale Zuständigkeit des LG nicht durch rügelose Einlassung der Bekl. nach Art. 18 EuGVÜ (jetzt Art. 24 EuGVO) begründet worden. Sie hat bereits mit ihrer Klageerwiderung die Zuständigkeitsrüge erhoben und ist davon im Laufe des weiteren Verfahrens nicht abgerückt. Dass sie sich hilfsweise (auch) zur Sache eingelassen hat, ließ nicht ihre Befugnis entfallen, sich auf die Unzuständigkeit zu berufen (vgl. EuGH, Slg. 1981, 1671, 1686 Rz. 17 = IPRax 1982, 234, 238; NJW 1984, 2760 f.; BGH, Urt. vom 25.2.1999 aaO; Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 18 EuGVÜ Rz. 46 f.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Art. 18 EuGVÜ Rz. 10 ff. und 8. Aufl., Art. 24 EuGVO Rz. 10 f. m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Kl. widerspricht ein derartiges Verhalten auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, denn die Bekl. hat das Recht, sich unabhängig von der Erhebung ihrer Widerklage mit allen prozessualen Möglichkeiten gegen die Klage zu verteidigen.

[7]2. Das Berufungsgericht geht zwar weiter mit Recht davon aus, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Urteil aus Sicht der Kl. um eine Überraschungsentscheidung gehandelt hat. Denn nach dem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 16.11.2005, wonach ein einheitlicher Gerichtsstand für Klage und Widerklage angenommen wurde, hätte die Klage nicht ohne einen weiteren Hinweis und Gelegenheit zur Stellungnahme als unzulässig abgewiesen werden dürfen. Darin liegt jedoch nicht zugleich auch eine Verletzung des Art. 103 I GG. Abgesehen davon, dass nicht jede Verletzung einer prozessualen Hinweispflicht gleichbedeutend ist mit einer Versagung rechtlichen Gehörs (vgl. BVerfGE 66, 116, 146 f.; 67, 90, 95 f.; BayVerfGH, NJW 1992, 1094; BGH, Beschl. vom 24.4.2008 – I ZB 72/07, juris, Rz. 12), kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Gehörsverstoß beruht. Ist eine Hinweispflicht unbeachtet geblieben, hat die darauf gerichtete Rüge auszuführen, wie die Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere, was sie im Einzelnen vorgetragen hätte und wie sie weiter vorgegangen wäre (vgl. BGH, Beschl. vom 11.2.2003 – XI ZR 153/02, NJW-RR 2003, 1003, 1004; Beschl. vom 24.4.2008 aaO; Musielak-Ball, ZPO, 6. Aufl., § 543 Rz. 9 f.).

[8]Diesen Anforderungen ist die Kl. jedoch nicht gerecht geworden. Im Berufungsverfahren hat sie keinen prozessual zulässigen Weg aufgezeigt, den sie bei Erteilung des erforderlichen Hinweises auf die Unzulässigkeit ihrer Klage beschritten hätte. Die von ihr für diesen Fall beabsichtigte Erhebung einer Eventual-Wider-Widerklage stellte kein taugliches prozessuales Mittel dar, um die Zuständigkeit des angerufenen LG zu begründen. Die Erhebung einer Wider-Widerklage unter der vorgesehenen Bedingung, dass die (Haupt-)Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte unzulässig sei, wäre nicht möglich gewesen. Denn eine solche hilfsweise und (auflösend) bedingt erhobene Wider-Widerklage hätte lediglich zur nochmaligen Rechtshängigkeit desselben Streitgegenstands geführt. Dem hätte jedoch, wie die Bekl. zu Recht geltend macht, das Verbot doppelter Rechtshängigkeit (§ 261 III Nr. 1 ZPO) entgegengestanden. Erhebt eine Prozesspartei hilfsweise eine Wider-Widerklage für den Fall, dass die von ihr erhobene Klage unzulässig ist, hat dies zur Folge, dass über denselben Streitgegenstand einerseits die Klage, andererseits aber auch die Wider-Widerklage anhängig ist. Die Bedingung der Unzulässigkeit der Klage kann daran nichts ändern, weil diese Klage bis zu ihrer rechtskräftigen Abweisung oder wirksamen Rücknahme rechtshängig bleibt. In der Rechtsprechung wird deshalb nur eine solche hilfsweise erhobene Wider-Widerklage als zulässig angesehen, die von einer mit der Verteidigung gegen die Widerklage zusammenhängenden Bedingung abhängig gemacht wird (vgl. BGH, Urt. vom 10.3.1959 – VIII ZR 44/58, LM § 164 BGB Nr. 15; Stein-Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 33 Rz. 35, 37, 39; Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 33 Rz. 14). So liegt der Streitfall aber ersichtlich nicht. Die hier vom Berufungsgericht zunächst als möglich angesehene Bedingung betraf nicht den möglichen Erfolg der Widerklage, sondern die Abweisung ihrer eigenen Klage und damit einen identischen Streitgegenstand, sodass es sich letztlich um eine Eventualklage gehandelt hätte. Die Zulassung einer derartigen Vorgehensweise widerspräche Sinn und Zweck einer Wider-Widerklage. Eine Widerklage ist eine Reaktion auf die Klage (vgl. BGHZ 43, 28, 30; 132, 390, 397 f.), die Wider-Widerklage somit eine solche auf eine Widerklage (vgl. BGH, Beschl. vom 13.9.1995 – XII ARZ 14/95, NJW-RR 1996, 65). Eine nur die eigene Klage betreffende Bedingung ist danach nicht möglich, zumal damit darüber hinaus eine unzulässige Umgehung der Regelung in Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ einhergehen würde.

[9]Abgesehen davon lässt sich dieser Verfahrensfehler jedoch wegen der weiteren Entwicklung des Rechtsstreits, nämlich dessen endgültiger Beendigung bezüglich der Widerklage durch Eintritt der Rechtskraft des Urteils des LG insoweit, ohnehin nicht mehr korrigieren; insbesondere geht die Ansicht des Berufungsgerichts fehl, durch eine Verfahrensweise nach § 538 II 3 ZPO könne die Verfahrenssituation (wieder) hergestellt werden, die bestanden hat, solange über die Widerklage noch nicht rechtskräftig entschieden worden war ...

[10]4. Danach konnten das Berufungsurteil und das zuvor ergangene Versäumnisurteil keinen Bestand haben. Das Versäumnisurteil ist dabei nicht in gesetzlicher Weise ergangen, denn die Rechtskraft der Entscheidung über die Widerklage war bereits zum Zeitpunkt der (Versäumnis-)Entscheidung des Berufungsgerichts am 15.6.2007 eingetreten, sodass diese auf den fristgerechten Einspruch der Bekl. hin hätte aufgehoben und die Berufung hätte zurückgewiesen werden müssen.

Fundstellen

LS und Gründe

BGHReport, 2009, 250
Europ. Leg. Forum, 2009, II-17
MDR, 2009, 100
NJW, 2009, 148

nur Leitsatz

LMK, 2009, 273638, mit Anm. Roth
MittdtschPatAnw, 2009, 91
JurBüro, 2010, 219

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