PDF-Version

Verfahrensgang

AG Rosenheim, Beschl. vom 18.09.2017 – unbekannt
OLG München, Beschl. vom 10.02.2020 – 34 Wx 357/17, IPRspr 2020-7

Rechtsgebiete

Erbrecht → Nachlassabwicklung

Leitsatz

Der Miteigentumsanteil an in Deutschland gelegenem Grundbesitz eines deutschen Staatsangehörigen, der seinen gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich hatte und dort verstorbenen ist, wird, auch bei ausdrücklicher Zuweisung des Grundbesitzes im Europäischen Nachlasszeugnis an einen Miterben, nicht zu Alleineigentum erworben, da nach dem maßgeblichen österreichischen materiellen Erbrecht Universalsukzession eintritt, das österreichische Recht keine dingliche Teilungsanordnung kennt und daher die Richtigkeitsvermutung des Europäischen Nachlasszeugnisses keine Wirkung entfaltet.

Rechtsnormen

ABGB (Österr.) §§ 531 ff.; ABGB (Österr.) § 546; ABGB (Österr.) § 550; ABGB (Österr.) § 797; ABGB (Österr.) § 819
AußStrG (Österr.) § 178
BGB § 891
EuErbVO 650/2012 Art. 1; EuErbVO 650/2012 Art. 21; EuErbVO 650/2012 Art. 22; EuErbVO 650/2012 Art. 23; EuErbVO 650/2012 Art. 63; EuErbVO 650/2012 Art. 67; EuErbVO 650/2012 Art. 68; EuErbVO 650/2012 Art. 69; EuErbVO 650/2012 Art. 70; EuErbVO 650/2012 Art. 81; EuErbVO 650/2012 Art. 83
EuErbVO-Formblätter DVO 1329/2014 Art. 1
GBG 1955 (Österr.) § 32; GBG 1955 (Österr.) § 33
GKG 1970 (Österr.) §§ 1 f.

Sachverhalt

Der Beteiligte ist gemeinsam mit K. in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Viertelanteils an einem Grundstück im Grundbuch eingetragen. Dem lag Folgendes zu Grunde: Ursprünglich war der Bruder des Beteiligten Eigentümer des Viertelanteils. Dieser verstarb 2016 in Österreich. 2017 beantragte der Beteiligte persönlich bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Grundbuchamts unter Vorlage eines Protokolls der Verlassenschaftssache nach seinem Bruder vom 8.3.2017 (Az: 25 A 120/16 y -21 Bezirksgericht Josefstadt) die Eintragung der Erbfolge. In dem Protokoll ist vermerkt: Gemäß der letztwilligen Anordnung vom 05.09.2016 wird der Nachlass übernommen wie folgt: a) der erbl. Bruder ... übernimmt den erbl. Liegenschaftsanteil sowie das Guthaben auf dem Konto Nr. ... bei der ... in sein Alleineigentum. b) das weitere Nachlassvermögen wird von Frau K. übernommen. Nach Vorlage des Einantwortungsbeschlusses beim Grundbuchamt erfolgte die Eintragung des Beteiligten und K. in Erbengemeinschaft im Grundbuch.

Daraufhin beantragte der Beteiligte, die Eintragungsbekanntmachung vom 4.7.2017 zu ändern und ihn allein als Erbnachfolger einzutragen. Mit Beschluss vom 18.9.2017 hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt. Er beantragt, den Beschluss des AG - Grundbuchamt - aufzuheben und die Eintragungsbekanntmachung auf Grundlage des Ergänzungsbeschlusses zum Einantwortungsbeschluss und gemäß dem ENZ zu ändern und ihn allein als Erbnachfolger einzutragen. Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Das als beschränkte Beschwerde auszulegende Rechtsmittel ist zulässig, [...]

[3]1. ... 2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet …

[4]Das Grundbuch wäre nur dann unrichtig, wenn der Beteiligte durch den Erbfall unmittelbar Alleineigentum an dem Miteigentumsanteil erworben hätte. Vorliegend entspricht die Eintragung der Erbengemeinschaft, bestehend aus dem Beteiligten und der K., als Miteigentümer jedoch der materiellen Rechtslage.

[5]Sowohl die Erbfolge als auch die Art und Weise des Erwerbs dinglicher Rechte richten sich nach österreichischem Recht, das Universalsukzession vorsieht und keine dinglichen Teilungsanordnungen kennt.

[6]a) Die Frage, welches Recht anzuwenden ist, ist nach der VO (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO) zu bestimmen.

[7]aa) Der räumliche, sachliche und zeitliche Anwendungsbereich dieser Verordnung ist eröffnet. Gemäß deren Art. 83 Abs. 1 kommt die EuErbVO auf den vorliegenden Erbfall zur Anwendung, da der Erblasser nach dem 16.8.2015 in Österreich verstorben ist und u.a. ein in Deutschland gelegenes Grundstück vererbt hat. Vorrangige Staatsverträge im Verhältnis zu Österreich im Bereich des anwendbaren materiellen Erbrechts sind nicht vorhanden (Wilsch in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Erbrecht 3. Aufl. Teil 5 Rn. 1 u. 2). Da eine Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO nicht getroffen wurde, ist für die Feststellung der Erbfolge gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO maßgebend der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Diesen hatte der Erblasser in der Republik Österreich, einem Mitgliedsstaat der EuErbVO (Döbereiner in Firsching/Graf Nachlassrecht 11. Aufl. § 48 Rn. 59). Nach Art. 23 Abs. 1 EuErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichischem Recht, denn, wie Erwägungsgrund 37 Satz 4 zu entnehmen ist, verfolgt die EuErbVO das Prinzip der Nachlasseinheit und will Nachlassspaltungen möglichst vermeiden. Dazu unterstellt Art. 21 EuErbVO die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Osterholzer JA 2019, 382).

[8]bb) Nach der Aufzählung in Art. 23 Abs. 2 lit. e) EuErbVO fallen darunter auch die Rechtsvorschriften betreffend den Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte auf die Erben (Döbereiner in Firsching/Graf § 47 Rn. 22; Sonnentag in jurisPK-BGB Band 6 (8. Aufl. Art. 23 Rn. 12). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 1 Abs. 2 lit. k) und l) EuErbVO. Wegen des numerus clausus der Sachenrechte fallen danach nicht unter die EuErbVO die Bestimmungen über die Art der dinglichen Rechte, Art. 1 Abs. 2 lit. k) EuErbVO, und die Eintragung von Rechten an beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenständen in einem Register, Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO. Diese sind weiter autonom anzuknüpfen. Allerdings ist die Reichweite dieser Ausschlusstatbestände umstritten. Teilweise wird Art. 1 Abs. 2 lit. k) EuErbVO, insbesondere auch in der Gesamtschau mit Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO, weit verstanden, so dass nicht nur die Art sondern auch der Erwerb von dinglichen Rechten dem Sachenrechtsstatut zufalle (Pawlytta/Pfeiffer in Scherer Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht 5. Aufl. Art. 1 Rn. 105 m.w.N.). Relevant wird dies vor allem im Zusammenhang mit dinglich wirkenden Vermächtnissen (Vindikationslegate), die in verschiedenen Ländern vorgesehen sind. Durch die Entscheidung des EuGH (NJW 2017, 3767 - Kubicka; vgl. auch Weber DNotZ 2018, 16; Dorth ZEV 2018, 11; Wilsch ZfIR 2018, 253; Leitzen ZEV 2018, 311) steht nunmehr fest, dass die EuErbVO so zu verstehen ist, dass das Vindikationslegat volle Wirksamkeit nach dem Erbstatut auch in denjenigen Rechtsordnungen entfaltet, die nur das schuldrechtlich wirkende Vermächtnis kennen. Der EuGH begründet dies mit Art. 23 Abs. 1 EuErbVO, mit der Einheitlichkeit des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts sowie mit dem Erwägungsgrund 37 der EuErbVO. Verhindert werden soll eine Nachlassspaltung, womit dem Erbstatut Vorrang vor dem Sachenrechtsstatut eingeräumt wird. Demzufolge ist davon auszugehen, dass der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 2 lit. k) EuErbVO sich auf die Existenz und die Anzahl der dinglichen Rechte beschränkt. Übergangsmodalitäten werden aber von Art. 1 Abs. 2 lit. k) EuErbVO nicht erfasst (OLG Saarbrücken FGPrax 2019, 169 (IPRspr 2019-203); Pawlytta/Pfeiffer Art. 1 EuErbVO Rn. 108). Dafür spricht auch, dass Art. 1 Abs. 2 lit. k) EuErbVO nur die „Art der dinglichen Rechte“, also ihren Typus und gerade nicht die Art und Weise ihres Erwerbs nennt (Schmidt in Dutta/Weber Internationales Erbrecht Art. 1 EuErbVO Rn. 127). Auch in Zusammenschau mit der in Art. 1 Abs. 2 lit. l) EuErbVO vorgesehene Bereichsausnahme zugunsten des Registerstatuts ergibt sich nichts anderes. Dies hat der EuGH in der bereits zitierten Entscheidung in der Rechtssache Kubicka (NJW 2017, 3767) dahingehend konkretisiert, dass die Voraussetzungen, unter denen Rechte erworben werden, nicht zu den nach dieser Bestimmung vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossenen Bereichen gehören (Burandt/Schmuck in Burandt/Rojahn Erbrecht 3. Aufl. Art. 1 EuErbVO Rn. 15).

[9]b) Damit findet grundsätzlich österreichisches Recht sowohl für die Frage, wer mit welchem Anteil zum Erben berufen ist, als auch für die Frage, wie die Erbschaft auf die Erben übergeht, Anwendung.

[10]aa) Allerdings ist schon durch das vom Beteiligten vorgelegte ENZ vom 13.3.2017 nachgewiesen, dass er Miterbe zu 1/2 geworden ist. Dies gilt unabhängig davon, dass das Grundbuchamt das zum Zeitpunkt der Eintragung des Beteiligten am 3.7.2017 gültige ENZ nicht als Grundlage für die Eintragung verwendet hat.

[11]Gemäß Art. 63 Abs. 1 EuErbVO ist ein ENZ zur Verwendung durch Erben bestimmt, die sich - wie vorliegend - in einem anderen Mitgliedsstaat auf ihre Rechtsstellung berufen.

[12](1) Nach Art. 69 Abs. 2 EuErbVO wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist. Mit „Sachverhalte“ sind grundsätzlich alle im ENZ festgestellten Tatsachen und Rechtsverhältnisse gemeint (Schmidt in BeckOGK Stand 2019 Art. 69 EuErbVO Rn. 9, Rn. 17). Inhaltlich begründet das ENZ die positive Vermutung, dass der Betreffende die dort ausgeführte Rechtsstellung als Erbe tatsächlich innehat, und die negative Vermutung, dass seine Rechte keinen anderen als den aufgeführten Bedingungen unterliegen (Kleinschmidt in jurisPK-BGB Band 6 Art. 69 EuErbVO Rn. 7). Möglich ist auch die Ausstellung eines Teilnachlasszeugnisses für einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft, in dem dann auch der jeweilige Anteil am Nachlass (Art. 63 Abs. 2 lit. a) EuErbVO), also die Erbquote ausgewiesen werden kann (Kleinschmidt Art. 3 EuErbVO Rn. 29, 30). Aus Anlage IV, Ziff. 1 zum Formblatt V des ENZ ergibt sich, dass der Beteiligte Erbe ist und aus Ziff. 8., dass er Anspruch auf den „Hälfteanteil des Nachlasses“ hat.

[13](2) Von der Richtigkeit des ENZ ist auszugehen, weshalb grundsätzlich eine Überprüfung durch das Grundbuchamt bzw. das im Beschwerdeverfahren an dessen Stelle tretende Beschwerdegericht ausgeschlossen ist. Deshalb sind auch die Ausstellungsvoraussetzungen nicht zu überprüfen, insbesondere, ob überhaupt ein grenzüberschneidender Bezug gegeben ist (Wilsch in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Internationales Erbrecht 3. Aufl. Teil 4 § 27 Rn. 17; Lange, DNotZ 2016, 103/113). Ob dies auch für die Frage gilt, ob das ENZ von der zuständigen Behörde des betreffenden Landes ausgestellt wurde, wird - soweit ersichtlich - nicht diskutiert. Aufgrund des Umstandes, dass ein amtliches Formular für das ENZ eingeführt ist (Art. 67 Abs. 1 Satz 2, Art. 81 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 5 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014), dürfte, soweit dieses verwendet wird, auch insoweit die Richtigkeitsvermutung gelten. Für den vorliegenden Fall kann dies jedoch dahinstehen, da das hier maßgebliche Zeugnis von der in Österreich gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1d) und § 2 österreichisches Gerichtskommissärsgesetz zuständigen Gerichtskommissionärin stammt (vgl. Süß in Kroiß/Ann/Mayer BGB/Erbrecht 5. Aufl. Österreich I. Rn. 4).

[14](3) Zum Zeitpunkt der Eintragung des Beteiligten und der K. als Miterben am 3.7.2017 war das am 13.3.2017 ausgestellte ENZ gültig. Die in Art. 70 Abs. 3 EuErbVO statuierte Gültigkeitsdauer von 6 Monaten bewirkt zwar, dass nach Fristablauf die in Art. 69 EuErbVO beschriebenen Wirkungen des ENZ entfallen, weshalb ein abgelaufenes ENZ die Fähigkeit verliert, als Unrichtigkeitsnachweis zu fungieren (Wilsch in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Teil 4 § 2 Rn. 24). Nach der Eintragung streitet jedoch die gesetzliche Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB für den Eingetragenen, dessen Legitimation durch den zeitlichen Ablauf des ENZ nicht erschüttert wird (Wilsch in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Teil 4 § 2 Rn. 27).

[15]bb) Der Beteiligte hat jedoch den Miteigentumsanteil nicht zu Alleineigentum erworben, da nach dem maßgeblichen österreichischen materiellen Erbrecht Universalsukzession eintritt [siehe unten (1)], eine ausnahmsweise eine Einzelrechtsnachfolge bewirkende Erbteilungserklärung nicht vorliegt [siehe unten (2)], das österreichische Erbrecht eine dingliche Teilungsanordnung durch den Erben nicht kennt und deshalb trotz ausdrücklicher Zuweisung des Grundbesitzes im ENZ die Richtigkeitsvermutung insoweit keine Wirkung entfaltet [siehe unten (3)].

[16]Maßgebliche Rechtsquellen für das materielle österreichische Erbrecht sind die §§ 531 bis 825 des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB). Das in Österreich für Nachlassverfahren geregelte Verlassenschaftverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt und mit einem rechtskräftigen Einantwortungsbeschluss beendet.

[17](1) Gegenstand der Erbfolge ist nach österreichischem Recht die Verlassenschaft als Gesamtheit der vermögenswerten Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers (Solomon in Burandt/Rojahn Erbrecht 3. Aufl. Länderbericht Österreich Rn. 129). Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort (§ 546 ABGB). Mit der Einantwortung folgt der Erbe der Rechtsposition der Verlassenschaft nach. Voraussetzung für die Einantwortung ist die Abgabe einer Erbantrittserklärung, in der die betroffenen Personen ihr Erbrecht nachweisen, und der Abschluss des gerichtlichen Verlassenschaftsverfahrens. Der Erwerb der Erbschaft erfolgt durch die Einantwortung der Verlassenschaft, das ist die Übergabe in den rechtlichen Besitz der Erben (§ 797 ABGB). Bei Liegenschaften erfolgt der Eigentumsübergang gemäß § 819 ABGB bereits mit der Rechtskraft der Einantwortung unabhängig von einer Eintragung im Grundbuch (Quelle: Europäisches Justizielles Netz - Österreich). Dabei bilden nach § 550 ABGB mehrere Erben in Ansehung ihres gemeinschaftlichen Erbrechts eine Erbengemeinschaft, die hinsichtlich der einzelnen Nachlassgegenstände bis zur Erbteilung aufrecht bleibt (Solomon in Burandt/Rojahn Länderbericht Österreich Rn. 143). Die Rechtskraft der Einantwortung führt dann zur Universalsukzession (Solomon in Burandt/Rojahn Länderbericht Österreich Rn. 127, 181), das Eigentum an Liegenschaften geht grundsätzlich entsprechend den in der Einantwortungsurkunde genannten Erbquoten auf die Erben über (Österreichischer Oberster Gerichtshof vom 8.11.1994, Az. 5 Ob 127/94). Es wird das Vermögen des Erblassers als Ganzes vererbt und keine einzelnen Gegenstände. Eine originäre Sondererbfolge in Einzelgegenstände kennt das österreichische Recht nicht.

[18]Die Verlassenschaftsverhandlung wurde durchgeführt. Der Beteiligte und K. haben, was sich aus dem vorgelegten Einantwortungsbeschluss vom 13.3.2017 ergibt, bedingte Erbantrittserklärung abgegeben; der Einantwortungsbeschluss trägt den Vermerk, „diese Ausfertigung ist rechtskräftig und vollstreckbar“.

[19](2) Ein unmittelbarer Einzelrechtserwerb durch einen Erben nach österreichischem Recht ist dann möglich, wenn die Erben vor der Einantwortung bereits die Erbteilung vorgenommen haben und sich dies aus dem Einantwortungsbeschluss ergibt. Dies scheidet jedoch vorliegend aus.

[20]Die Aufhebung der Erbengemeinschaft erfolgt durch Erbteilung, die sowohl vor als auch nach der Einantwortung erfolgen kann (Cejka in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Teil 6 A Rn. 96; Solomon in Burandt/Rojahn Länderbericht Österreich Rn. 144). Die Erbteilung kann auf einer Teilungsanordnung des Erblassers oder dem Willen der Miterben beruhen. Vorliegend ist aus dem Protokoll der Verlassenschaftsverhandlung, wonach gemäß der letztwilligen Verfügung vom Beteiligten der erbliche Liegenschaftsanteil sowie das Guthaben bei einer deutschen Bank übernommen wird und von der Miterbin das weitere Nachlassvermögen, zu schließen, dass der Erblasser im Testament eine Teilungsanordnung getroffen hat. Erfolgt die Erbteilung vor der Einantwortung bewirkt letztere, dass jeder Miterbe die ihm so zukommende Sache als unmittelbare Folge des Erbschaftserwerbes und daher als unmittelbarer Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers so erwirbt, wie es die Erbteilung vorsieht (Österreichischer Oberster Gerichtshof vom 8.11.1994, Az. 5 Ob 127/94; Solomon in Burandt/Rojahn Länderbericht Österreich Rn. 144; Süß in Kroiß/Ann/Mayer Österreich Rn. 5). Mit Einantwortung entfaltet die Erbteilung dingliche Wirkung (Cejka in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Teil 6 A Rn. 96). Für eine vor Einantwortung vorgenommene Erbteilung spricht hier nichts. Denn gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 des hier anzuwendenden österreichischen Außerstreitgesetzes wäre auf eine Erbteilung im Einantwortungsbeschluss hinzuweisen, der jedoch ein derartiges Übereinkommen nicht enthält. Gegen eine Erbteilungsvereinbarung spricht auch die Formulierung in dem Ergänzungsbeschluss zum Einantwortungsbeschluss, wonach aufgrund der Verlassenschaftsabhandlung die Einverleibung vorzunehmen sein „wird“.

[21](3) Der Umstand, dass in Ziff. 9. Anlage IV, Ziff. 1 zum Formblatt V des ENZ als dem Erben zugewiesener Vermögenswert vermerkt ist „Viertelanteil an Flurstück ... im Grundbuchbezirk ...“, führt, auch unter Berücksichtigung der Richtigkeits- und Vermutungswirkung des ENZ, zu keinem anderen Ergebnis.

[22](a) Die Aufnahme des Liegenschaftsanteils beruht auf Art. 63 Abs. 2 lit. b), Art. 68 lit. l) Alt. 2 EuErbVO, wonach „gegebenenfalls“ ein Verzeichnis von Rechten und Vermögenswerten in das ENZ aufzunehmen ist und das Zeugnis für die Zuweisung dieser Vermögenswerte verwendet werden kann. Damit kann der Nachweis erbracht werden, dass ein Nachlassgegenstand der genannten Person zugewiesen ist (Kleinschmidt jurisPK-BGB Band 6 Art. 63 EuErbVO Rn. 32). Eine Angabe einzelner Nachlassgegenstände, die einem bestimmten Erben zustehen, kommt nur in Betracht, wenn die Gegenstände diesem Erben mit dinglicher Wirkung („unmittelbar“) zugewiesen sind, wie dies etwa bei in manchen Rechtsordnungen bekannten dinglich wirkenden Teilungsanordnungen oder Vindikationslegaten denkbar ist (OLG München ZEV 2017, 580 (IPRspr 2017-193); OLG Nürnberg ZEV 2017, 579 (IPRspr 2017-189) mit Anmerkung Weinbeck; Nordmeier in Hüßtege/Mansel BGB, Rom-Verordnungen - EuErbVO - HUP 3. Aufl. Art. 68 EuErbVO Rn. 21; Kleinschmidt jurisPK-BGB Band 6 Art. 63 EuErbVO Rn. 33, Art. 28 EuErbVO Rn. 25). Dies hat der EuGH in der obengenannten Entscheidung bestätigt. Soweit das anzuwendende Recht Vindikationslegate kennt, sind konkrete Nachlassgegenstände in das Verzeichnis aufzunehmen und entfalten innerhalb des Geltungsbereichs der EuErbVO volle Wirksamkeit nach dem Erbstatut (Wilsch in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch Teil 4 § 2 Rn. 30).

[23](b) Das österreichische Erbrecht kennt jedoch weder Vindikationslegate noch dinglich wirkende Teilungsanordnungen (Leitzen ZEV 2018, 311). Der Grund für die genaue Angabe der Liegenschaft in dem österreichischen ENZ dürfte darin liegen, dass gemäß § 33 Abs. 1 lit. d) i.V.m. § 32 Abs. 1 lit a) österreichisches Allgemeines Grundbuchgesetz für die Umschreibung von Grundstücken in Österreich verlangt wird, dass in einem ENZ nicht nur der Erbteil eingetragen ist, sondern auch die genaue Bezeichnung der Grundstücke. Insoweit kommt der Aufnahme des Liegenschaftsanteils in dem ENZ lediglich unverbindliche informatorische Wirkung und nicht die Richtigkeits- und Vermutungswirkung der EuErbVO zu (vgl. OLG München ZEV 2017, 580, 581 (IPRspr 2017-193); OLG Nürnberg ZEV 2017, 579 (IPRspr 2017-189) mit Anmerkung Weinbeck; Schmid in jurisPR-FamR 8/2018 m.w.N. - jeweils zum deutschen Recht).

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2020, 1043
FGPrax, 2020, 90
NJW-RR, 2020, 468
NZG, 2020, 1229
Rpfleger, 2020, 318
ZErb, 2020, 215
ZEV, 2020, 233, mit. Anm. Süß
IPRax, 2021, 278

Bericht

Burandt, FuR, 2020, 386

Aufsatz

Makowsky, IPRax, 2021, 257 A

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2020-7

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>