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Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf, Urt. vom 15.03.2019 – 14 Ca 1541/14
LAG Düsseldorf, Urt. vom 17.11.2020 – 3 Sa 285/19, IPRspr 2020-287
LAG Düsseldorf, Urt. vom 29.03.2021 – 3 Sa 285/19
BAG, Urt. vom 31.03.2022 – 8 AZR 207/21, IPRspr 2022-174

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Gerichtsstandsvereinbarung, rügelose Einlassung
Arbeitsrecht → Individualarbeitsrecht
Verfahren → Zustellung

Leitsatz

Im Anwendungsbereich der Art. 21, 23 EuGVVO a.F. bzw. Art. 23, 25 EuGVVO n.F. werden die nationalstaatlichen Regelungen der §§ 38, 40 ZPO verdrängt.

Eine Gerichtsstandvereinbarung in einem Arbeitsvertrag, die dem Arbeitnehmer über die nach dem 5. Abschnitt der EuGVVO gegebenen Gerichtsstände hinaus einen zusätzlichen Gerichtsstand im Bereich der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eröffnet, ist wirksam.

Liegen zwischen (rechtzeitigem) Klageeingang und Zustellung und damit Rechtshängigkeit vier Jahre und vier Monate, ist die Zustellung gleichwohl noch "demnächst" erfolgt im Sinne von § 167 ZPO, wenn die zeitliche Verzögerung dem Kläger nicht anzulasten ist, sondern allein auf die erheblichen Schwierigkeiten der Bewirkung einer Zustellung im Ausland (hier: Vereinigte Arabische Emirate) zurückzuführen ist. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

ArbGG § 46; ArbGG § 69
BGB § 195; BGB § 199; BGB § 204; BGB § 241; BGB § 249; BGB § 251; BGB § 276; BGB § 280; BGB § 307
EuGVVO 1215/2012 Art. 1; EuGVVO 1215/2012 Art. 6; EuGVVO 1215/2012 Art. 18; EuGVVO 1215/2012 Art. 20 ff.; EuGVVO 1215/2012 Art. 21; EuGVVO 1215/2012 Art. 23; EuGVVO 1215/2012 Art. 24; EuGVVO 1215/2012 Art. 25; EuGVVO 1215/2012 Art. 26; EuGVVO 1215/2012 Art. 32; EuGVVO 1215/2012 Art. 66; EuGVVO 1215/2012 Art. 80; EuGVVO 1215/2012 Art. 81
EUGVVO 44/2001 Art. 1; EUGVVO 44/2001 Art. 4; EUGVVO 44/2001 Art. 13; EUGVVO 44/2001 Art. 17; EUGVVO 44/2001 Art. 18; EUGVVO 44/2001 Art. 19; EUGVVO 44/2001 Art. 21; EUGVVO 44/2001 Art. 22; EUGVVO 44/2001 Art. 23; EUGVVO 44/2001 Art. 24; EUGVVO 44/2001 Art. 76
Rom I-VO 593/2008 Art. 1; Rom I-VO 593/2008 Art. 4; Rom I-VO 593/2008 Art. 8; Rom I-VO 593/2008 Art. 9; Rom I-VO 593/2008 Art. 28
ZPO § 38; ZPO § 39; ZPO § 40; ZPO § 167; ZPO § 253; ZPO § 261; ZPO § 504
ZRHO § 6

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Ersatz eines Steuerschadens im Zusammenhang mit seiner im Jahr 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr am ausländischen Einsatzort in Turkmenistan erfolgten Beschäftigung und der dann in Deutschland erfolgten Heranziehung seines von der Beklagten erhaltenen Entgelts zur Einkommenssteuer. Die Beklagte mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Dubai bietet Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Gas- und Öllagerstätten an. Der Kläger mit Wohnsitz in C. wurde mit "Auslandsarbeitsvertrag" von Mai 2010 ab September 2010 von der Beklagten als Niederlassungsleiter für das Fördergebiet Turkmenistan eingestellt. Der Vertrag enthält eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts und eine Gerichtsstandsklausel zugunsten deutscher Gerichte. Der Kläger war im Jahr 2011 bis Mitte Februar in Turkmenistan beschäftigt und trat dann seinen Urlaub an, für den er nach Deutschland zurückreiste. Die Beklagte kündigte das mit ihm bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.2.2011 sowie vom 29.3.2011 außerordentlich fristlos. Die Schreiben erreichten den Kläger in Deutschland. Auf seine vor dem ArbG Düsseldorf erhobene Kündigungsschutzklage wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 16.9.2011 durch das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Niederlassungsleiter in Turkmenistan bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens verurteilt. Der Kläger, der zur Wiedereinreise nach Turkmenistan eine förmliche "Einladung" der Beklagten benötigte, bat die Beklagte mit mehreren E-Mails von Ende Februar bis Mitte März 2011 um eine solche Einladung, die ihm aber nicht erteilt wurde. Die Beklagte setzte den Kläger auch in Turkmenistan nicht mehr ein. Sie zahlte ihm jedoch nach Rechtskrafteintritt des arbeitsgerichtlichen Urteils Annahmeverzugslohn bis einschließlich Oktober 2011. Im November und Dezember 2011 kam es erneut zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen der Parteien, die in eine erneute, dem Kläger am 30.12.2011 zugegangene fristlose Kündigung der Beklagten mündeten. Die hiergegen von dem Kläger vor dem ArbG Düsseldorf erhobene Kündigungsschutzklage wurde mit Urteil vom 4.11.2013 abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30.4.2014 zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis endete mithin zum 30.12.2011. Mit Bescheid vom 17.12.2013 setzte das Finanzamt Berlin-Mitte/Tiergarten die Einkommenssteuer nebst Solidaritätszuschlag für den Kläger und seine mit ihm gemeinsam veranlagte Ehefrau für das Jahr 2011 fest. Dies führte zu einer Steuernachzahlung zu Lasten des Klägers. Das Finanzamt ging dabei davon aus, dass das in 2011 von der Beklagten an den Kläger gezahlte Arbeitsentgelt in Deutschland zu versteuern sei, weil sich der Kläger lediglich im Januar und Februar 2011 in Turkmenistan aufgehalten habe und damit die 183-Tage-Grenze aus Art. 12 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der UdSSR vom 24.11.1981 nicht überschritten worden sei. Den Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau vom 22.12.2013 wies das Finanzamt mit Bescheid vom 08.01.2014 zurück. Auch einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und Stundung gab es nicht statt. Daher leistete der Kläger zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung im Januar 2014 die geforderte Steuernachzahlung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.2.2014 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf. Gegen den Steuerbescheid für 2011 haben der Kläger und seine Ehefrau vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg Klage erhoben. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21.5.2019 hat das Finanzgericht die Klage abgewiesen.

Mit seiner am 17.03.2014 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch wegen der in Deutschland erfolgten Besteuerung seiner von der Beklagten in 2011 bezogenen Vergütung gerichtlich weiterverfolgt. Die Zustellung der Klage ist erst am 26.7.2018 erfolgt, da mehrfache zwischenzeitliche Versuche der Auslandszustellung an der im Arbeitsvertrag angegebenen Adresse der Beklagten in Dubai wegen Umzugs nicht erfolgreich waren. Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das ArbG Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 15.3.2019 überwiegend abgewiesen. Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die Berufung des Klägers ist weitestgehend, … begründet ... [...]. Die auf vollständige Klageabweisung gerichtete Berufung der Beklagten ist spiegelbildlich hierzu nicht begründet.

[3]Im Einzelnen:

[4]1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Düsseldorf (in erster Instanz) und damit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit gegeben. Offen bleiben kann letztlich, ob dies bereits aus einer erstinstanzlich rügelosen Einlassung der Beklagten gemäß § 39 ZPO folgt, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat. Die internationale Zuständigkeit begründet sich jedenfalls aus der Gerichtsstandsvereinbarung unter Ziffer 11.2 des Arbeitsvertrages vom 10./11.05.2010, die entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch wirksam ist.

[5]a. Die internationale Zuständigkeit ist eine von Amts wegen auch im Rechtsmittelverfahren zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung (BAG vom 07.05.2020 - 2 AZR 692/19 (IPRspr 2020-142), juris, Rz. 14; BAG vom 20.10.2015 - 9 AZR 525/14 (IPRspr 2015-213), juris, Rz. 13; BAG vom 19.03.2014 - 5 AZR 252/12 (B) (IPRspr 2014-74), juris, Rz. 11).

[6]b. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich die Feststellung der internationalen Zuständigkeit im vorliegenden Fall nach den Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO a.F.) richtet oder nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO n.F.). Die EuGVVO a.F. ist gemäß Art. 76 EuGVVO a.F. am 01.03.2002 in Kraft getreten und wurde durch Art. 80 der EuGVVO n.F. aufgehoben. Diese wiederum gilt jedoch nach Art. 81 Satz 2 EuGVVO n.F. erst ab dem 10.01.2015 und ist dementsprechend nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO n.F. nur auf Verfahren anzuwenden, die am 10.01.2015 oder danach eingeleitet worden sind; für Verfahren, die davor eingeleitet worden sind, gilt weiterhin die EuGVVO a.F..

[7]Das vorliegende Verfahren wurde mit Klageeingang bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf am 17.03.2014 und damit noch im Geltungszeitraum der EuGVVO a.F. anhängig gemacht. Die Zustellung der Klage erfolgte erst am 26.07.2018 und damit im Geltungszeitraum der EuGVVO n.F.; erst in diesem Zeitpunkt trat Rechtshängigkeit im Sinne der insoweit maßgeblichen (vgl. BGH vom 28.02.1996 - XII ZR 181/93 (IPRspr. 1996 Nr. 142), juris, Rz. 11; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, Art. 66 EuGVVO Rn. 2) nationalen Regeln des angerufenen Gerichts, hier also der §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO ein. Es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob man unter der "Einleitung" eines gerichtlichen Verfahrens nun den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit verstehen muss oder in Anlehnung an Art. 32 EuGVVO n.F. den der Anhängigkeit bei Gericht (vgl. zum Streitstand BGH vom 24.06.2014 - VI ZR 315/13 (IPRspr 2014-211), juris, Rz. 14; ferner Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, Art. 66 EuGVVO Rn. 2; Schlosser/Hess, EuZPR, 4. Auflage, Art. 66 EuGVVO Rn. 2, jeweils m.w.N.). Denn in Anwendung sowohl der EuGVVO a.F. als auch der EuGVVO n.F. gelangt man hier zur internationalen Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte.

[8]aa. Der Geltungsbereich der EuGVVO a.F. wie n.F. ist gemäß der insoweit gleichlautenden Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO a.F./n.F. eröffnet. Die mit der Klage verfolgten Schadensersatzansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis begründen eine zivilrechtliche Streitigkeit. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind als zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinne der EuGVVO a.F./n.F. anerkannt (BAG vom 24.06.2020 - 5 AZR 55/19 (A) (IPRspr 2020-257), juris, Rz. 25; BAG vom 07.05.2020 - 2 AZR 692/19 (IPRspr 2020-142), juris, Rz. 16; BAG vom 22.10.2015 - 2 AZR 720/14 (IPRspr 2015-68), juris, Rz. 12). Ein Ausnahmefall gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EuGVVO a.F. oder n.F. liegt nicht vor.

[9]bb. Der für die Anwendung der EuGVVO a.F./n.F. erforderliche Auslandsbezug (vgl. EuGH vom 17.11.2011 - C-327/10, juris, Rz. 29; BAG vom 24.06.2020 - 5 AZR 55/19 (A) (IPRspr 2020-257), juris, Rz. 26; BAG vom 07.05.2020 - 2 AZR 692/19 (IPRspr 2020-142), juris, Rz. 17; BAG vom 20.10.2015 - 9 AZR 525/14 (IPRspr 2015-213), juris, Rz. 13) liegt vor. Denn die Beklagte hat keinen Sitz in Deutschland, sondern in den Vereinigten Arabischen Emiraten, und das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht in Deutschland abgewickelt, sondern der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers lag in Turkmenistan. Dass damit der erforderliche Auslandsbezug nicht zu einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, sondern zu einem bzw. hier sogar mehreren Drittstaaten außerhalb der Union (Vereinigte Arabische Emirate bzw. Turkmenistan) vorliegt, hindert die Anwendbarkeit der EuGVVO a.F. wie n.F. nicht, denn diese enthält ein Regelwerk, das ein umfassendes System bildet und dessen Vorschriften nicht nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten gelten, sondern auch für die Beziehungen zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Drittstaat (EuGH vom 19.07.2012 - C-154/11, juris, Rz. 40; vgl. auch BAG vom 24.06.2020 - 5 AZR 55/19 (A) (IPRspr 2020-257), juris, Rz. 27 f.). Das folgt nicht zuletzt aus der Regelung des Art. 4 EuGVVO a.F. bzw. Art. 6 EuGVVO n.F., die gerade den Fall regeln, dass eine beklagte Partei keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat.

[10]cc. Nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO a.F. bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedsstaates nach dessen eigenen Gesetzen, wenn die Beklagte wie hier keinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat; dies allerdings nur vorbehaltlich der Art. 22 und 23 EuGVVO a.F. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO n.F. enthält eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung und erweitert den Vorbehalt lediglich auf die Art. 18 Abs. 1, 21 Abs. 2, 24 und 25 EuGVVO n.F..

[11](1) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob damit eine Zuständigkeitsbegründung nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO a.F. / Art. 6 Abs. 1 EuGVVO n.F. i.V.m. §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 504, 39 ZPO durch rügelose Einlassung der Beklagten vor dem Arbeitsgericht möglich war, wie das Arbeitsgericht meint, oder ob diese nach § 39 Satz 2 ZPO an dem unstreitig erstinstanzlich insoweit unterbliebenen gerichtlichen Hinweis auf die rechtlichen Folgen einer rügelosen Einlassung nach § 504 ZPO sowie daran scheitert, dass dieser Hinweis in der Berufungsinstanz nachgeholt worden ist und die Beklagte seitdem ausdrücklich die internationale Zuständigkeit gerügt hat (zum Streitstand insoweit BAG vom 13.11.2007 - 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50), juris, Rz. 17 m.w.N.). Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob ohnehin nicht die nationalen Regelungen zur rügelosen Einlassung anzuwenden sind, sondern über den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 EuGVVO a.F. / Art. 6 Abs. 1 EuGVVO n.F. hinaus die Regelungen der Art. 24 EuGVVO a.F. bzw. Art. 26 EuGVVO n.F. zur Zuständigkeit infolge rügeloser Einlassung in die Vorbehaltsregelungen hineinzulesen sind (vgl. insoweit BAG vom 24.06.2020 - 5 AZR 55/19 (A) (IPRspr 2020-257), juris, Rz. 29 m.w.N.). Insoweit wäre eine gerichtliche Belehrungspflicht in Art. 24 EuGVVO a.F. überhaupt nicht und in Art. 26 Abs. 2 EuGVVO n.F. nur zugunsten u.a. von Verbrauchern und Arbeitnehmern zu beachten gewesen, nicht aber zugunsten der Beklagten als Arbeitgeberin und Unternehmerin.

[12](2) Dahingestellt bleiben kann die Frage der Zuständigkeitsbegründung infolge rügeloser Einlassung, weil die internationale Zuständigkeit hier aus der wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung unter Ziffer 11.2 des Arbeitsvertrages folgt.

[13]Denn nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO a.F. gilt selbst bei einer beklagten Partei mit Sitz in einem Drittstaat für Gerichtsstandsvereinbarungen weiterhin das Verordnungsrecht, konkret Art. 23 EuGVVO a.F., wenn wenigstens der Kläger wie hier in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union wohnt (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4.. Auflage, A.1 Art. 4 Rn. 4.). Über Art. 23 Abs. 5 EuGVVO a.F. finden in diesen Fällen dann auch die Vorschriften der Art. 13, 17 und - speziell die arbeitsvertraglichen Gerichtsstandsvereinbarungen betreffend - 21 EuGVVO a.F. Anwendung (vgl. MüKo-ZPO/Gottwald, 4. Auflage, Art. 4 EuGVO Rn. 2). Im Anwendungsbereich der EuGVVO n.F. ist darüber noch hinausgehend für die Zuständigkeitsbegründung über eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 EuGVVO n.F. nicht einmal mehr erforderlich, dass wenigstens der Kläger seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat (Zöller/Geimer, ZPO, 33. Auflage, Art. 4 EuGVVO Rn. 19; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, Art. 25 EuGVVO Rn. 2 m.w.N.). Denn Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n.F. lässt Gerichtsstandsvereinbarungen unabhängig vom Wohnsitz der Parteien zu. Auch hier wird über Art. 25 Abs. 4 EuGVVO n.F. aber ein Vorbehalt zugunsten der speziellen, arbeitsvertragliche Gerichtsstandsvereinbarungen betreffenden Regelung des Art. 23 EuGVVO n.F. normiert.

[14]Innerhalb ihres Anwendungsbereichs wiederum sind Art. 23, 21 EuGVVO a.F. ebenso wie Art. 25, 23 EuGVVO n.F. lex specialis zu §§ 38, 40 ZPO und verdrängen diese nationalstaatlichen Zuständigkeitsregelungen vollständig (BAG vom 08.12.2010 - 10 AZR 562/08 (IPRspr 2010-206), juris, Rz. 15; Zöller/Geimer, ZPO, 33. Auflage, Art. 4 EuGVVO Rn. 19, Art. 25 EuGVVO Rn. 4; MüKo-ZPO/Gottwald, 4. Auflage, Art. 23 EuGVO Rn. 77/78; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4.. Auflage, A.1 Art. 23 Rn. 69/70, jeweils m.w.N.). Dementsprechend geht die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts fehl, die Gerichtsstandsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 Satz 4. ZPO unwirksam.

[15](4.) Im Anwendungsbereich der EuGVVO a.F. sind der Gerichtsstand Düsseldorf und die Zuständigkeit deutscher Gerichte im Arbeitsvertrag der Parteien vom 10./11.05.2010 unter Ziffer 11.2 wirksam gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1, 5, Art. 21 EuGVVO a.F. vereinbart und ist damit die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte begründet worden.

[16]Zwar hat die Beklagte ihren Sitz nicht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, wohl aber hatte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses und hat der Kläger auch aktuell noch seinen Wohnsitz in Deutschland (C.). Damit findet auf die Gerichtsstandsvereinbarung in Ziffer 11.2 des Arbeitsvertrages, wonach Düsseldorf als Gerichtsstand vereinbart ist, Art. 23 i.V.m. Art. 21 EuGVVO a.F. Anwendung.

[17]Die Wirksamkeitsvoraussetzungen nach Art. 23 Abs. 1 EuGVVO a.F. sind erfüllt. Eine der Parteien, hier der Kläger, hatte und hat seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, nämlich in Deutschland. In Ziffer 11.2 des Arbeitsvertrages haben die Parteien ausdrücklich bestimmt, dass für gerichtliche Entscheidungen aller Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit dem Vertrag - und damit auch vertragsrechtliche Schadensersatzansprüche betreffend - deutsche Gerichte und örtlich dasjenige in Düsseldorf zuständig sein soll. Damit bezieht sich die Vereinbarung auf aus einem bestimmten Rechtsverhältnis - eben dem Arbeitsverhältnis der Parteien - entspringende Rechtsstreitigkeiten, was den Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO a.F. an die Bestimmtheit einer vor dem Entstehen der Streitigkeit abgeschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung genügt (vgl. hierzu MüKo-ZPO/Gottwald, 4. Auflage, Art. 23 EuGVO Rn. 64 m.w.N.). Schließlich genügt die Gerichtsstandsvereinbarung in dem von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertrag vom 10./11.05.2010 auch der nach Art. 23 Abs. 1 lit. a) EuGVVO a.F. geforderten Schriftform.

[18]Der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung steht nicht Art. 23 Abs. 5 EuGVVO a.F. entgegen. Zwar sind danach Gerichtsstandsvereinbarungen unwirksam, wenn sie den Vorschriften unter anderem des Art. 21 EuGVVO a.F. zuwiderlaufen. In Art. 21 Ziffer 1 EuGVVO a.F. wiederum ist geregelt, dass von den Vorschriften des 5. Abschnitts, der Zuständigkeitsregeln für individuelle Arbeitsverträge enthält, im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden kann, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird. Das ist hier nicht der Fall, da die Gerichtsstandsvereinbarung vom 10./11.05.2010 deutlich vor der Entstehung der Streitigkeit des vorliegenden Verfahrens abgeschlossen worden ist. Art. 21 Ziffer 2 EuGVVO a.F. betrifft die vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung und lässt die Abweichung von den Vorschriften des 5. Abschnitts durch diese zu, "wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen."

[19]In der Literatur wird vertreten, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitsverträgen seien per se nach Art. 23 Abs. 5 i.V.m. Art. 21 Ziffer 2 EuGVVO a.F. unwirksam, da sie dem Arbeitnehmer kein Wahlrecht einräumten (so Mankowski, AR-Blattei SD Arbeitsgerichtsbarkeit V E 160.5.5 Rn. 313, 336, 338). Die erkennende Berufungskammer hat hierzu bereits in einem früheren Verfahren die Ansicht vertreten, dass dem nicht zu folgen sei und vielmehr das Wort "wenn" in Art. 21 Ziffer 2 EuGVVO a.F. im Sinne von "soweit" oder "sofern" zu verstehen sei, so dass selbst ausschließliche Gerichtsstandsklauseln zugunsten des klagenden Arbeitnehmers zumindest teilweise wirksam seien, "soweit" bzw. "sofern" sie ihm zusätzliche Gerichtsstandsoptionen eröffneten und damit lediglich eine arbeitnehmerbegünstigende Wirkung entfalteten (LAG Düsseldorf vom 10.01.2017 - [3 Sa 736/15] (IPRspr 2017-101), juris, Rz. 58; ebenso Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4.. Auflage, A.1 Art. 21 Rn. 4; Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Art. 23 EuGVVO (n.F.) Rn. 4.). Hieran hält die Kammer fest. In diesem Sinne dürfte auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Mahamdia" (EuGH vom 19.07.2012 - C-154/11, juris, Leitsatz 4. = Tenor Ziffer 2 sowie Rz. 60, 61, 62, 66) zu verstehen sein. Wie der EuGH dort ausführt, ist aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung 44/2001 (EG) die Zielsetzung zu entnehmen, in Arbeitssachen den Arbeitnehmer als schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften (des 5. Abschnitts) zu schützen, die für ihn günstiger sind als die allgemeine Regelung. Diese Zielsetzung ist bei der Auslegung der Bestimmungen der Verordnung zu berücksichtigen (EuGH vom 19.07.2012 - C-154/11, juris, Rz. 46 und 60). Demnach soll dem klagenden Arbeitnehmer kein Gerichtsstand, der durch die Art. 18 und 19 EuGVVO a.F. begründet wäre, durch eine Gerichtsstandsvereinbarung entzogen werden können. Sofern diese jedoch einen zusätzlichen Gerichtsstand begründet, würde es der Zielsetzung der Verordnung widersprechen, dem klagenden Arbeitnehmer die Option der Wahl dieses vereinbarten Gerichtsstandes wegen der Ausschließlichkeit der vertraglichen Regelung zu nehmen. Hielte man hier die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung in Gänze für unwirksam, wäre der am vereinbarten Gerichtsstand klagende Arbeitnehmer nicht mehr günstiger, sondern schlechter als bei Anwendung der allgemeinen Regeln der Verordnung gestellt. Denn nach Art. 23 Abs. 1 - 4 EuGVVO a.F. wäre die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung wirksam und der in Anwendung der Vereinbarung gewählte Gerichtsstand zulässig.

[20]Im vorliegenden Fall regelt die Gerichtsstandsklausel im Arbeitsvertrag den Gerichtsstand Düsseldorf vorbehaltlich entgegenstehender zwingender gesetzlicher Bestimmungen. Damit haben die Vertragsparteien gerade unabdingbare Gerichtsstände des 5. Abschnitts der EuGVVO a.F. unberührt gelassen und schon nach der vertraglichen Formulierung lediglich soweit zulässig, also zusätzlich den deutschen Gerichtsstand in Düsseldorf vereinbart. Das ist in jedem Falle rechtlich zulässig. Denn dem Kläger wird dadurch lediglich der Gerichtsstand Düsseldorf als zusätzliche Option vertraglich eingeräumt, was gerade der Vorgabe aus Art. 21 Ziffer 2 EuGVVO a.F. entspricht.

[21]Hinzu kommt, dass hier ohnehin keine Abweichung von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO a.F vorliegt, da diese im vorliegenden Fall keinen abweichenden Gerichtsstand begründet. Da die Beklagte sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages als auch der Klageerhebung und auch noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ihren Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat(te), lag ihr Sitz zu allen denkbaren rechtlich relevanten Zeitpunkten für die Prüfung der Wirksamkeit einer vertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. dazu MüKo-ZPO/Gottwald, 4. Auflage, Art. 23 EuGVO Rn. 20; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4.. Auflage, A.1 Art. 23 Rn.25 ff, jeweils m.w.N; Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Art. 25 EuGVVO (n.F.) Rn. 8 ff) außerhalb der Europäischen Union. Damit allerdings hat für die vorliegende Klage von vornherein kein Gerichtsstand nach Art. 19 EuGVVO a.F. bestanden, der nur Arbeitgeber mit Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union betrifft. Auch über Art. 18 Abs. 2 EuGVVO a.F. kann kein Gerichtsstand in der Europäischen Union begründet werden. Eine vertragliche Vereinbarung des Gerichtsstandes Düsseldorf führt dann aber zu keinem der denkbaren rechtlich relevanten Zeitpunkte zu einer Abweichung von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO a.F. Denn die Vorschriften sind allesamt nicht einschlägig, so dass von ihnen auch nicht vertraglich abgewichen werden kann. Zu keinem relevanten Zeitpunkt ist dem Kläger also durch die Gerichtsstandsvereinbarung ein nach den Vorschriften der Art. 18, 19 EuGVVO a.F. begründeter Gerichtsstand entzogen worden. Allein das könnte aber eine Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 21 Ziffer 2 EuGVVO a.F. begründen (so schon LAG Düsseldorf vom 10.01.2017 - [3 Sa 736/15] (IPRspr 2017-101), juris, Rz. 59).

[22](4) Im Anwendungsbereich der EuGVVO n.F. gilt nichts anderes. Auch in Anwendung der Neufassung der EuGVVO sind der Gerichtsstand Düsseldorf und die Zuständigkeit deutscher Gerichte im Arbeitsvertrag der Parteien vom 10./11.05.2010 unter Ziffer 11.2 wirksam gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 Abs. 1, 4, Art. 23 EuGVVO n.F. vereinbart und ist damit die internationale Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte begründet worden.

[23]Die Wirksamkeitsvoraussetzungen nach Art. 25 Abs. 1 EuGVVO n.F. sind erfüllt. Auf den Wohnsitz oder Sitz einer Partei in einem Mitgliedsstaat kommt es hier nicht an. Hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots gelten keine zur alten Rechtslage abweichenden Vorgaben und auch das Schriftformgebot nach Art. 25 Abs. 1 Satz 4. lit. a) EuGVVO n.F. ist eingehalten. Soweit Art. 25 Abs. 1 Satz 2 EuGVVO n.F. als weiteres Prüfkriterium das der materiellen Gültigkeit der vertraglichen Vereinbarung nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit vereinbart ist, hier also Deutschlands, regelt, bestehen insoweit keine rechtlichen Bedenken. Die vertragliche Einigung der Parteien unter Ziffer 11.2 des Arbeitsvertrages ist unstreitig zustande gekommen, Wirksamkeitsmängel der Vereinbarung sind weder behauptet noch ersichtlich. Die Regelung des § 38 ZPO ist nicht zu prüfen, da diese im Anwendungsbereich des Art. 25 EuGVVO wie bereits zuvor ausgeführt ja gerade verdrängt wird.

[24]Der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung steht nicht Art. 25 Abs. 4 EuGVVO n.F. entgegen. Zwar sind danach Gerichtsstandsvereinbarungen unwirksam, wenn sie den Vorschriften unter anderem des Art. 23 EuGVVO n.F. zuwiderlaufen. In Art. 23 Ziffer 1 EuGVVO n.F. wiederum ist geregelt, dass von den Vorschriften des 5. Abschnitts, der Zuständigkeitsregeln für individuelle Arbeitsverträge enthält, im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden kann, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird. Das ist hier nicht der Fall, da die Gerichtsstandsvereinbarung vom 10./11.05.2010 deutlich vor der Entstehung der Streitigkeit des vorliegenden Verfahrens abgeschlossen worden ist. Art. 23 Ziffer 2 EuGVVO n.F. betrifft die vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung und lässt die Abweichung von den Vorschriften des 5. Abschnitts durch diese zu, "wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen."

[25]Zu der Auslegung dieser Norm gilt das gleiche wie bereits oben zu Art. 21 EuGVVO a.F. ausgeführt. Das Wort "wenn" in Art. 23 Ziffer 2 EuGVVO n.F. ist hier ebenso wie bei der insoweit identisch formulierten Vorgängerregelung im Sinne von "soweit" oder "sofern" zu verstehen, so dass selbst ausschließliche Gerichtsstandsklauseln zugunsten des klagenden Arbeitnehmers zumindest teilweise wirksam sind, "soweit" bzw. "sofern" sie ihm zusätzliche Gerichtsstandsoptionen eröffnen und damit lediglich eine arbeitnehmerbegünstigende Wirkung entfalten. Auf die vorstehenden Ausführungen unter II.1.b.cc.(4.) wird Bezug genommen. Danach erweist sich die vertragliche Gerichtsstandsklausel auch nach der EuGVVO n.F. als wirksam.

[26]Hinzu kommt hier ebenso wie bereits zur EuGVVO a.F. ausgeführt, dass keine Abweichung von Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO n.F vorliegt, da die Beklagte zu keinem relevanten Zeitpunkt ihren Sitz oder eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat der Verordnung hatte und auch der gewöhnliche Arbeitsort mit Turkmenistan außerhalb der Europäischen Union lag. Die vertragliche Vereinbarung des Gerichtsstandes Düsseldorf führt dann aber zu keinem rechtlich relevanten Zeitpunkt zu einer Abweichung von den Vorschriften des 5. Abschnitts der EuGVVO n.F. Denn die Vorschriften sind allesamt nicht einschlägig, so dass von ihnen auch nicht vertraglich abgewichen werden kann. Zu keinem relevanten Zeitpunkt ist dem Kläger durch die Gerichtsstandsvereinbarung ein nach den Vorschriften der Art. 20 ff. EuGVVO n.F. begründeter Gerichtsstand entzogen worden. Allein das könnte aber eine Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Ziffer 2 EuGVVO n.F. begründen. Insoweit gilt zur Neuregelung nichts anderes wie bereits zur Vorgängerregelung.

[27]2. Die Klage ist mit dem als Hauptantrag mit der Berufung des Klägers weiterverfolgten Leistungsantrag im Wesentlichen, nämlich in Höhe von ... EUR nebst Zinsen begründet. Wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist der Schadensersatzanspruch allerdings auch bereits entstanden und fällig und aufgrund des zwischenzeitlich rechtskräftig entschiedenen Steuerrechtsstreits ist der Schaden auch der Höhe nach unproblematisch berechenbar.

[28]a. Das im vorliegenden Fall anzuwendende Recht bestimmt sich nach Art. 4., 8 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Deren zeitlicher Geltungsbereich nach Art. 28 Rom I-VO ist eröffnet. Danach erfasst sie alle vertraglichen Vereinbarungen ab 17.12.2009. Darunter fällt auch der Arbeitsvertrag der Parteien vom 10./11.05.2010.

[29]Nach Art. 1 Abs. 1 Rom I-VO gilt die Verordnung für alle vertraglichen Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Der Arbeitsvertrag der Parteien weist Verbindungen sowohl zur Bundesrepublik Deutschland auf, deren Recht in Ziffer 11.1 des Vertrags als anwendbares Recht vereinbart worden ist und wo der Vertrag auch erarbeitet und mit dem in Deutschland wohnhaften Kläger abgeschlossen wurde, als auch zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo die Beklagte ihren Sitz hat und von wo die Entgeltzahlungen erfolgt sind, und schließlich zu Turkmenistan, wo der gewöhnliche Arbeitsort des Klägers lag.

[30]Die Rom I-VO ist unabhängig davon anwendbar, ob das berufene Recht das eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Satz 1 Rom I-VO oder eines Drittstaats ist. Sie enthält allseitige Kollisionsnormen (BAG vom 15.12.2016 - 6 AZR 430/15 (IPRspr 2016-103), juris, Rz. 39; BAG vom 23.03.2016 - 5 AZR 767/14 (IPRspr 2016-95b), juris, Rz. 21).

[31]Nach Art. 4. Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO gilt der Grundsatz der freien Rechtswahl. Die Wahl kann ausdrücklich oder konkludent getroffen werden (Art. 4. Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO). Im vorliegenden Fall haben die Parteien unter Ziffer 11.1 des Arbeitsvertrages ausdrücklich deutsches Recht als anwendbares Recht vereinbart.

[32]Diese Rechtswahl der Parteien ist wirksam. Zwar darf dem Kläger durch die Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO nicht der Schutz entzogen werden, der ihm nach dem gemäß Art. 8 Abs. 2 - 4 Rom I-VO unabdingbar anwendbaren Recht zustünde. Das wäre aufgrund des gewöhnlichen Arbeitsortes in Turkmenistan nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO das Recht Turkmenistans. Eine engere Anbindung an das Recht eines anderen Staates gemäß Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO ist nicht ersichtlich und wird auch von keiner Partei behauptet. Wie nun aber bereits das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt keine Abweichung von zwingenden, arbeitnehmerschützenden Vorschriften Turkmenistans vor, die zur Unwirksamkeit der zugunsten der Anwendbarkeit deutschen Rechts getroffenen Rechtswahl führen könnte. Das turkmenische Arbeitsrecht geht vielmehr insbesondere zum Haftungsrecht nicht erkennbar mit unabdingbaren Regelungen arbeitnehmerschützend über das deutsche Recht hinaus (vgl. insoweit nur Tiede/Baron, Einführung in das Arbeitsrecht Turkmenistans, OER (Osteuroparecht) 2011, 199, 205, 207). Solches ist auch von keiner der beiden Parteien wenigstens ansatzweise behauptet worden. Vor diesem Hintergrund waren weitergehende als die hier erfolgten Ermittlungen des turkmenischen Rechts nicht mehr erforderlich (vgl. hierzu auch BGH vom 30.04.1992 - IX ZR 233/90 (IPRspr. 1992 Nr. 265), juris, Rz. 29).

[33]b. Die Beklagte schuldet dem Kläger aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 276, 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB den Ersatz des ihm aufgrund der pflichtwidrig ab März 2011 nicht mehr in Turkmenistan erfolgten Beschäftigung entstandenen Steuerschadens in Höhe von ... EUR nebst Zinsen …

[34]c. Der Anspruch des Klägers ist entgegen der Ansicht der Beklagten weder nach Ziffer 10.2 des Arbeitsvertrages verfallen noch steht der Forderung die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

[35]aa. Ein Verfall der Ansprüche des Klägers scheidet schon deshalb aus, weil die qualifizierte einstufige Ausschlussfrist der Ziffer 10.2 des Auslandsarbeitsvertrages, die direkt die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen binnen drei Monaten zum Anspruchserhalt verlangt, wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist …

[36]bb. Unabhängig davon ist hier aber auch weder ein Verfall noch Verjährung eingetreten, da die Klageeinreichung am 17.03.2014 selbst unter Zugrundelegung des frühestmöglich denkbaren Zeitpunktes der Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs mit Zugang des Steuerbescheides vom 17.12.2013 noch innerhalb von drei Monaten im Sinne der Ausschlussfrist und noch weit vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB erfolgt ist. Sowohl für die Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch für die gerichtliche Geltendmachung im Sinne der Ausschlussfrist kommt es zwar nicht auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage an, sondern auf den der Rechtshängigkeit, die gemäß §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO erst mit Zustellung der Klage gegeben ist. Bei beiden Fristen gelangt jedoch § 167 ZPO zur Anwendung (für die Ausschlussfrist siehe hierzu BAG vom 16.03.2016 - 4 AZR 421/15, juris, Rz. 32; ErfK/Preis, 21. Auflage, §§ 194-218 BGB Rn. 65), der bestimmt, dass in den Fällen, in denen mit der Zustellung der Klage eine Frist gewahrt oder die Verjährung gehemmt werden soll, diese Wirkung bereits mit Klageeinreichung (Anhängigkeit) eintritt, wenn die Zustellung "demnächst" erfolgt.

[37]Trotz des langen Zeitraums von mehr als vier Jahren zwischen Klageeingang (17.03.2014) und Zustellung (26.07.2018) ist im vorliegenden Fall aufgrund dessen besonderer Umstände noch immer von einer "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgten Zustellung auszugehen. Das hat bereits das Arbeitsgericht unter II.4.b) dd) (2) auf Seite 14 -  16 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils überzeugend festgestellt und auch diesen Teil der Gründe des Arbeitsgerichts macht sich die Berufungskammer gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich zu eigen.

[38]Ob eine Klagezustellung "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, kann nicht aufgrund einer rein zeitlichen Betrachtungsweise entschieden werden. Vielmehr ist der Begriff ohne eine absolute zeitliche Grenze im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen (BAG vom 23.08.2012 - 8 AZR 394/11 (IPRspr 2012-66), juris, Rz. 31). Da die Zustellung von Amts wegen geschieht und Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs nicht von der die Zustellung veranlassenden Partei beeinflusst werden können, muss diese vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des Geschäftsbetriebs der Gerichte geschützt werden. Verzögerungen der Zustellung, die durch die Sachbearbeitung des Gerichts verursacht sind, muss sich der Kläger grundsätzlich nicht zurechnen lassen; dies gilt auch bei mehrmonatigen Verzögerungen (BAG vom 23.08.2012 - 8 AZR 394/11 (IPRspr 2012-66), juris, Rz. 31; BGH vom 11.02.2011 - V ZR 136/10, juris, Rz. 6; BGH vom 12.07.2006 - IV ZR 23/05, juris, Rz. 17), soweit jedenfalls der Kläger alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat. Daran fehlt es in der Regel bei Mängeln der Klageschrift, etwa wenn dem Kläger zurechenbar unzutreffende oder unzureichende Angaben zur Anschrift gemacht worden sind (BAG vom 23.08.2012 - 8 AZR 394/11 (IPRspr 2012-66), juris, Rz. 32).

[39]In Anwendung dieser Grundsätze ist hier festzustellen, dass die deutliche Verzögerung der Zustellung der Klage nicht dem Kläger anzulasten ist, sondern - wie das Arbeitsgericht ebenfalls bereits überzeugend herausgearbeitet hat - auf der Problematik der Auslandszustellung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die auf dem sehr zeitraubenden und aufwändigen diplomatischen Weg nach § 6 Abs. 2 ZRHO erfolgen musste (vgl. insoweit auch BAG vom 23.08.2012 - 8 AZR 394/11 (IPRspr 2012-66), juris, Rz. 42), beruht und darauf, dass die dortigen Behörden bis zuletzt nicht in der Lage waren, eine Zustellung vorzunehmen. Dabei hat die Beklagte zu keiner Zeit behauptet und näher begründet, dass dies und warum dies an dem Kläger und unzureichenden Mitteilungen durch ihn gelegen hätte, obwohl sie ja am besten wissen müsste und sollte, wo sie jeweils in Dubai wann im Zeitraum 2014 bis 2018 ansässig und aufzufinden war. Immerhin ist sie unter der zuletzt von dem Kläger angegeben, im Rubrum dieses Urteils verwendeten und auch von der Beklagten selbst mit ihrer Berufungsschrift vom 29.04.2019 mitgeteilten Anschrift laut Mitteilung des Außenministeriums der Vereinigten Arabischen Emirate vom 26.07.2018 (Blatt 229 der Akte) nicht angetroffen worden, da "keine Firma unter diesem Namen" vorgefunden worden sei. Im von ihr selbst gegen den Kläger eingeleiteten Gerichtsverfahren 6 Ca 2772/18, in dem dann am 26.07.2018 die Zustellung der hiesigen Klage erfolgreich bewirkt werden konnte, hat die Beklagte lediglich unter einer PO Box - Anschrift geklagt, unter der aber nach Mitteilung der Deutschen Botschaft vom 27.11.2012 (Blatt 138 der Akte) keine Zustellungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten vorgenommen werden können. Die Hinweise, die danach für eine mangels Postleitzahlensystem und nur eingeschränkt vorhandenen Straßennamen und Hausnummern schwierige Zustellung in Dubai erforderlich sind, hat der Kläger sich zu jeder Zeit bemüht, zu ermitteln und mit anzugeben. Weiter erschwert wurde die Zustellung durch die laut Mitteilung der Deutschen Botschaft vom 17.02.2016 (Blatt 112 der Akte) nicht mögliche Anschriftenermittlung in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Festzustellen bleibt, wie auch vom Arbeitsgericht schon zutreffend ausgeführt und zudem der im Tatbestand angegebenen Prozessgeschichte zu entnehmen, dass der Kläger sich zu jeder Zeit bemüht hat, durch genaue und zusätzliche (Telefonnummern etc umfassende) Angaben eine Zustellung der Klage in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu ermöglichen. Keine gerichtliche Anfrage blieb unbeantwortet, oft wurde umgehend geantwortet, wo neue Anschriftenermittlungen notwendig wurden, ist dem Kläger die Verzögerung nicht zurechenbar. Hinzu kommt, dass die Beklagte ihrerseits über die gescheiterten Zustellversuche über ihren damaligen Prozessbevollmächtigten im März 2014 und erneut im Verfahren 7 Sa 1480/13, in dem das persönliche Erscheinen ihres Geschäftsführers angeordnet war, er aber gleichwohl nicht erschienen ist, durchaus Kenntnis gehabt haben dürfte von den Zustellversuchen des Klägers. Wäre ihr Geschäftsführer im Verfahren 7 Sa 1480/13 seinerzeit der gerichtlichen Anordnung gefolgt und nicht, wie sich dem Protokoll vom 30.04.2014 entnehmen lässt (Blatt 66 f. der Akte), "berufsbedingt unabkömmlich" gewesen, oder hätte sie zumindest ihre Prozessbevollmächtigten zum Empfang der Klage ermächtigt, hätte die Zustellung bereits sehr zeitnah nach Klageeinreichung bewirkt werden können. All dies hat die Beklagte unterlassen und es damit dem Kläger überlassen, den - aus einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren bereits bekanntermaßen langwierigen und schwierigen - Weg der Auslandszustellung in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu gehen. Wegen der dabei von Beginn an und auch fortlaufend nicht aus der Sphäre des Klägers stammenden [Zustellhindernisse] ist selbst die über vier Jahre nach Klageeingang erfolgte Zustellung noch "demnächst" im Sinne des Gesetzes erfolgt. Schutzwürdige Interessen der Beklagten werden insoweit vor dem Hintergrund der Prozessgeschichte nicht tangiert.

[40]III. ...

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