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Verfahrensgang

AG Schleswig, Beschl. vom 23.07.2020 – 920 F 1/20
OLG Schleswig, Beschl. vom 25.08.2020 – 15 UF 124/20, IPRspr 2020-223

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Kindesentführung

Leitsatz

Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG ist die Beschwerde in Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Wird die Beschwerde entgegen § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG nicht fristgerecht begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen.

Rechtsnormen

FamFG §§ 58 ff.; FamFG § 63; FamFG § 64; FamFG § 65; FamFG § 68
IntFamRVG § 38; IntFamRVG § 40

Sachverhalt

Der angefochtene Beschluss des AG - Familiengericht - Schleswig vom 23.7.2020 im Verfahren nach dem HKÜ ist der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 27.7.2020 zugestellt worden. Mit einem an das Schleswig-Holsteinische OLG gerichteten Schriftsatz vom 5.8. 2020, der um 18:32 Uhr des gleichen Tages per Fax beim Schleswig-Holsteinischen OLG eingegangen ist, hat die Kindesmutter durch ihre Verfahrensbevollmächtigte „sofortige Beschwerde“ gegen den angefochtenen Beschluss erhoben. Unter der Überschrift „Begründung“ ist in der Beschwerdeschrift ausgeführt: „Die Begründung erfolgt in einem gesonderten Schriftsatz. Eine Kopie des angefochtenen Beschlusses wird anbei gefügt.“ Nachfolgend hat die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter am 6.8.2020 um 11:22 Uhr den angefochtenen Beschluss per Fax an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht übersandt. Anschließend ist die Akte dem Senat vorgelegt worden. Nachdem eine Beschwerdebegründung beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht nicht eingegangen war und eine Anfrage beim Amtsgericht Schleswig ergeben hatte, dass dort ebenfalls keine Begründung der Beschwerde eingegangen war, ist die Kindesmutter mit Beschluss des Senats vom 20.8.2020 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, ihre Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da diese nicht fristgerecht begründet worden ist. Daraufhin hat die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter mit Schriftsatz vom 23.8.2020, eingereicht beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht sowie per Fax vom 23.8.2020 beim Amtsgericht Schleswig, die Beschwerde begründet und zugleich hinsichtlich der Versäumung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die von der Kindesmutter eingelegte „sofortige Beschwerde“ ist als Beschwerde auszulegen, da dies gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG i.V.m. §§ 58 ff. FamFG der statthafte Rechtsbehelf gegen die vom Amtsgericht - Familiengericht - Schleswig getroffene Endentscheidung vom 23. Juli 2020 ist.

[3]1.) Die Beschwerde der Kindesmutter vom 5. / 7. August 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 23. Juli 2020 ist gem. § 68 Abs. 2 Satz 1 FamFG als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht fristgerecht begründet worden ist.

[4]Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG ist die Beschwerde in Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Frist beginnt nach § 63 Abs. 2 Satz 1 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Einzulegen ist die Beschwerde gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG bei dem Familiengericht als dem Gericht, dessen Beschluss angefochten ist. Das ergibt sich aus der Verweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG auf Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des ersten Buches des FamFG, mithin auf die Vorschriften der §§ 58 ff. FamFG.

[5]Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 23. Juli 2020 ist der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 27. Juli 2020 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde lief daher am 10. August 2020 ab.

[6]Die am 5. August 2020 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht eingereichte Beschwerde der Kindesmutter vom 5. August 2020 ist zwar auf Veranlassung des Senats gem. §§ 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG noch fristgerecht am 7. August 2020 beim Amtsgericht Schleswig eingegangen. Die Beschwerdeschrift enthält allerdings keine Begründung und bis zum Fristablauf am 10. August 2020 ist auch keine gesonderte Beschwerdebegründung erfolgt. Zwar hat die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter in der Beschwerdeschrift vom 5. August 2020 angekündigt, dass eine Begründung in einem gesonderten Schriftsatz erfolgen werde. Eine solche ist jedoch bis zum 10. August 2020 weder beim Amtsgericht Schleswig noch beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht eingegangen.

[7]Wird die Beschwerde entgegen § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG nicht fristgerecht begründet, so ist sie als unzulässig zu verwerfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Juni 2018, Az. 2 UF 100/18; OLG Koblenz, FamRZ 2017, 135 (IPRspr 2016-158); OLG Bamberg, FamRZ 2016, 835 (IPRspr 2015-109); MünchKommFamFG/ Gottwald, 3. Auflage, 2019, § 40 IntFamRVG, Rn. 3; Heiderhoff in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Auflage, 2018, § 40 IntFamRVG, Rn. 2; Wagner in: Internationales Familienverfahrensgesetz, 1. Auflage, 2012, § 40 IntFamRVG, Rn. 2).

[8]Der abweichenden Auffassung des OLG Stuttgart (FamRB 2015, 459 (IPRspr 2015-108)) ist nicht zu folgen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des gegenüber den Regelungen des FamFG spezielleren § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG ist die Beschwerde in HKÜ-Verfahren nicht nur binnen zweier Wochen einzulegen, sondern binnen dieser Frist auch zu begründen. Soweit das OLG Stuttgart darauf verweist, dass in § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG die Regelung § 65 Abs. 1 FamFG nicht von der Anwendung ausgenommen ist, ist dies unschädlich. So ist in § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG auch die Regelung des § 63 Abs. 1 FamFG betreffend die Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht von der Anwendung ausgenommen. In beiden Fällen geht gleichwohl § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG als lex specialis vor. Auch aus dem Umstand, dass in § 40 Abs. 2 Satz 1 IntFamRVG die Anwendung von § 65 Abs. 2 FamFG ausgeschlossen ist, wonach dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung der Beschwerde eingeräumt werden kann, ergibt sich, dass es sich bei der in § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG genannten Begründungsfrist um eine zwingende Frist handelt. Eine andere Auslegung würde im Übrigen dem Beschleunigungsgrundsatz des § 38 IntFamRVG für Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen widersprechen.

[9]2.) ...

Fundstellen

LS und Gründe

BeckRS, 2020, 55265

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2020-223

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