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Verfahrensgang

LG Braunschweig, Urt. vom 30.04.2020 – 11 O 3092/19, IPRspr 2020-205
OLG Braunschweig, Urt. vom 07.10.2021 – 8 U 40/21, IPRspr 2021-264
BGH, Urt. vom 13.06.2022 – VIa ZR 418/21, IPRspr 2022-317

Rechtsgebiete

Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht
Außervertragliche Schuldverhältnisse → Unerlaubte Handlungen, Gefährdungshaftung

Leitsatz

Die fiduziarische Abtretung von Schadensersatzansprüchen nach ausländischem (hier: Schweizer) Recht ist gemäß § 134 BGB nichtig, weil das Inkassodienstleistungsunternehmen damit seine Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen überschreitet. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 134; BGB § 398
GG Art. 12; GG Art. 14
OR (Schweiz) Art. 41; OR (Schweiz) Art. 55
RBStV § 9; RBStV § 10
RDG § 1; RDG § 2; RDG § 3; RDG § 6; RDG § 7; RDG § 8; RDG § 10; RDG § 11; RDG § 12; RDG § 20
Rom II-VO 864/2007 Art. 1; Rom II-VO 864/2007 Art. 3; Rom II-VO 864/2007 Art. 4; Rom II-VO 864/2007 Art. 5
ZPO § 79; ZPO § 688

Sachverhalt

Die Klägerin macht im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ gegen die Beklagte als Herstellerin/Lieferantin des Motors aus fiduziarisch abgetretenem Recht Schadenersatzansprüche von insgesamt 2004 - behauptet in der Schweiz wohnhaften/ansässigen - Personen geltend. Sie hat diese gebündelt und im Wege der objektiven Klagehäufung gem. § 260 ZPO als „Sammelklage“ vor dem Landgericht Braunschweig Klage erhoben. Nach Abtrennung ist vorliegend streitgegenständlich allein der ursprüngliche Teilanspruch Nr. 1945, nämlich ein behaupteter Schadensersatzanspruch des xxx (im Folgenden: Zedent). Die Klägerin verfügt über eine deutsche Inkassoerlaubnis und ist entsprechend seit 2014 in Deutschland im Rechtsdienstleistungsregister mit der Auflage eingetragen, fremde Gelder unverzüglich an eine empfangsberechtigte Person weiterzuleiten oder auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. Kenntnisse im Schweizer Recht wurden im Rahmen des Registrierungsvorganges nicht abverlangt, geprüft und für genügend befunden. Die Klägerin ließ sich Schadenersatzansprüche zur Einziehung - also fiduziarisch - von Schweizer Kunden abtreten. Dies geschah unter Zugrundelegung der AGB der Klägerin, die u.a. eine Rechtswahlklausel enthalten, nach der auf den Abtretungsvertrag Schweizer Recht anzuwenden ist.

Die Klägerin behauptet, der Zedent habe ihr die streitgegenständlichen Ansprüche am 18.12.2017 unter Zugrundelegung der o.g. AGB fiduziarisch abgetreten. Weiter behauptet die Klägerin, der Zedent habe das streitgegenständliche Fahrzeug im Februar 2015 als Verbraucher von einem Schweizer Vertragshändler der Beklagten zum Preis von CHF ... käuflich erworben und den Kaufpreis von einem Schweizer Bankkonto vollständig beglichen. Zu dieser Zeit sei der Zedent in der Schweiz wohnhaft gewesen. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht zu. Die Klägerin ist nämlich - ihre Darlegungen zum Kauf des Fahrzeugs und zur Abtretung unterstellt - nicht aktivlegitimiert, weil die streitgegenständliche Abtretung gem. § 134 BGB nichtig ist:

[2]1. ... 2. Die streitgegenständliche Abtretung ist jedoch gem. § 134 BGB nichtig, weil die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleistungen überschreitet und dies zur Nichtigkeit der Abtretung führt:

[3]a) Zunächst ist das RDG auf die streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin anwendbar.

[4]Für die Frage der internationalen Anwendbarkeit des RDG ist - vereinfacht dargestellt, weil die Anwendbarkeit des RDG zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist - darauf abzustellen, ob unter Beachtung des Schutzzweckes des RDG, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 S. 2 RDG), ein hinreichender Inlandsbezug besteht. Derartige Bezugspunkte gibt es vorliegend mehrere:

[5]Die Klägerin sitzt im Inland (Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung des - schwer verständlichen - § 1 Abs. 2 RDG auch den Sitz des Rechtsdienstleisters zum Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des RDG gemacht. Entgegenstehende Entscheidungen sind vor dessen Einfügung ergangen).

[6]Die Beklagte als Schuldnerin sitzt im Inland.

[7]Das Geschäftsmodell der Klägerin zielt schließlich auf die Klage vor einem inländischen Gericht - dem Landgericht Braunschweig - ab.

[8]b) Weiter überschreitet die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell die Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen:

[9]aa) Maßgebend für die Beurteilung, ob die Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistung überschritten wird, ist insbesondere die durch den Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgte Zielsetzung einer grundlegenden, an den Gesichtspunkten der Deregulierung und Liberalisierung ausgerichteten Neugestaltung des Rechts der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen, mit der der Gesetzgeber an die zuvor bereits in diese Richtung weisende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anknüpfen, diese umsetzen, fortführen und hierbei zugleich den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs Rechnung tragen wollte (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 1, 26 ff.).

[10]Erforderlich ist zudem stets eine am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG), orientierte (BT-Drs. 16/3655, S. 37 f.) Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen. Dabei sind auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen. Folglich sind die Grundrechte der Beteiligten namentlich zum einen die Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG) und zum anderen die zugunsten des Kunden zu berücksichtigende Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), die bereits entstandene schuldrechtliche Forderungen umfasst sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes in den Blick zu nehmen und ist hierbei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung zu tragen (vgl. zu alledem LexFox, Rn. 110 m.w.N.).

[11]Es ist dabei zu prüfen, ob die einzelnen Aspekte für sich oder aber in einer Gesamtschau einen Wertungswiderspruch ergeben, der zur Annahme der Überschreitung der erteilten Rechtdienstleistungserlaubnis führt (LexFox, Rn. 100, 132).

[12]Im Ausgangspunkt ist bei der Beurteilung der Frage, wie weit die erteilte Rechtsdienstleistungserlaubnis geht - innerhalb des Rahmens des mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgten Schutzzwecks (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG) - eine eher großzügige Betrachtung geboten (LexFox, Rn. 141 m.w.N.).

[13]Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 20.02.2002, 1 BvR 423/99, 1 BvR 821/00, 1 BvR 1412/01, verfügbar bei juris, im Folgenden: Inkasso I) hat bereits zur Zeit der Geltung des RBerG darauf verwiesen, dass die damalige Inkassoerlaubnis - wie heute - nur dann erteilt werden kann, wenn neben der persönlichen Zuverlässigkeit auch Eignung und genügend Sachkunde vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund beschränke sich die Aufgabe der Inkassounternehmer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf eine schlichte Mahn- und Beitreibungstätigkeit, also eine kaufmännische Hilfstätigkeit. Inkassounternehmer übernähmen vielmehr umfassend die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung fremder Rechte oder Vermögensinteressen. Der Forderungseinzug könne dabei in unterschiedlichen Formen erfolgen; typisierend unterstellt werden kann, dass dabei stets auch Rechtsberatung zu leisten sei.

[14]Das Bundesverfassungsgericht betonte: Setzt das Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderung ein, so ist nicht erkennbar, dass damit eine Gefahr für den Rechtssuchenden oder den Rechtsverkehr vor unqualifizierten Rechtsrat (Inkasso I, Rn. 31), um welchen es auch unter dem RDG geht (BR-Drs. 623/06, S. 58), verbunden sein könnte.

[15]Der Gesetzgeber des RDG wollte sich bewusst an die vorgenannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten, diese umsetzen, fortführen und hierbei zugleich den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs Rechnung tragen (LexFox-Urteil, Rn. 99).

[16]bb) ... ll) Zuletzt führt aber die Erbringung von Rechtsdienstleistungen im ausländischen - Schweizer - Recht durch die Klägerin zu einem Wertungswiderspruch, der in der Annahme der Überschreitung der Dienstleistungsbefugnis mündet:

[17](1) Im Rahmen des Registrierungsvorganges sind Kenntnisse im Schweizer Recht nicht abverlangt, geprüft und für genügend befunden worden.

[18](2) Dennoch erbringt die Klägerin im Rahmen ihres streitgegenständlichen Geschäftsmodells Rechtsdienstleistungen im Schweizer Recht.

[19]Jedenfalls auf die seitens der Klägerin primär (wenn nicht gar ernsthaft ausschließlich) verfolgten deliktischen Ansprüche ist schweizerisches Recht anzuwenden:

[20](aa) Die Klägerin trägt vor, dass der Zedent das streitgegenständliche Fahrzeug erworben, den Kaufpreis von seinem in der Schweiz belegenen Bankkonto überwiesen und zum damaligen Zeitpunkt in der Schweiz gewohnt habe. Hinsichtlich dieses Vortrages hat sie das Anlagenkonvolut K 75 vorgelegt. Das vorgenannte Anlagenkonvolut enthält einen Kaufvertrag, aus welchem sich ergibt, dass als Verkäufer ein Autohaus mit Sitz in der Schweiz fungierte. Dieses Autohaus verwendete das Firmenlogo der Beklagten. Zudem enthält das Anlagenkonvolut eine Ablichtung der Vorderseite der Identitätskarte des Zedenten. Daraus ist die Schweizer Staatsbürgerschaft des Zedenten ersichtlich. Diese Angaben zugrunde gelegt ergeben sich die folgenden Erwägungen:

[21](bb) Es findet die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom II-VO) auf die seitens der Klägerin geltend gemachten deliktischen Ansprüche Anwendung. Zwar ist die Schweiz nicht Mitgliedsstaat im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO. Art. 3 Rom II-VO normiert aber den Grundsatz der universellen Anwendung, das heißt, dass nach der Rom II-VO bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist (BeckOGK/J. Schmidt, 1.10.2019, Rom II-VO Art. 3 Rn. 1). Die Rom II-VO ist somit als loi uniforme ausgestaltet, sie beansprucht universelle Geltung (BeckOGK/J. Schmidt, 1.10.2019, Rom II-VO Art. 3 Rn. 5 und Rn. 7 mit einem Beispiel für den Staat Dänemark, der ebenfalls nicht Mitgliedsstaat ist, Art. 1 Abs. 4 Rom II-VO).

[22]Ein außervertragliches Schuldverhältnis im Sinne der Rom II-VO liegt bei den seitens der Klägerin geltend gemachten deliktischen Ansprüche (widerrechtliche Schadenszufügung nach Art. 41 Abs. 1 OR; sittenwidrige Schädigung nach Art. 41 Abs. 2 OR und Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 Abs. 1 OR) in Form einer unerlaubten Handlung jeweils vor.

[23](cc) Nach Rom II-VO unterliegen die geltend gemachten deliktischen Ansprüche schweizerischem Recht. Dabei kann es kann dahinstehen, ob auf die geltend gemachten Ansprüche Art. 4 oder aber Art. 5 der Rom II-VO anzuwenden ist:

[24](aaa) Art. 5 Rom II-VO beschränkt sich entgegen seines Wortlautes nicht auf die spezialgesetzliche Produkthaftung (vgl. MüKoBGB/Junker, 7. Aufl. 2018, Rom II-VO Art. 5 Rn. 12).

[25]Jedenfalls nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 lit. b) der Rom II-VO wäre schweizerisches Recht anzuwenden. Der Zedent hat das streitgegenständliche Fahrzeug in der Schweiz bei einem Schweizer Autohaus erworben. Das Fahrzeug wurde auch in der Schweiz in Verkehr gebracht. Die xxx hat das Fahrzeug in die Schweiz importiert, wo es dann von einem Autohaus an den Zedenten verkauft worden ist.

[26]Auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Rom II-VO führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die Beklagte war das Inverkehrbringen des Produktes, hier des streitgegenständlichen Motors, vernünftigerweise voraussehbar. Dies ergibt sich schon aus der Vielzahl an Fahrzeugen mit einem EA 189-Motor - wie den hier verfahrensrelevantem - die in der Schweiz in Verkehr gebracht worden sind und die Gegenstand des Ausgangsverfahrens vor der Abtrennung des hier gegenständlichen, vermeintlichen Anspruchs waren. Mit der xxx hat die Beklagte auch eine offizielle Importeurin in der Schweiz. Zudem wurde das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Autohaus erworben, welches das Firmenlogo der Beklagten verwendet.

[27]Art. 5 Abs. 2 Rom II-VO ist ebenfalls nicht einschlägig. Es besteht keine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat, als der Schweiz. Der Zedent hat das Fahrzeug in der Schweiz von einem Schweizer Autohaus erworben (s. o.); der Zedent ist Schweizer Staatsbürger und hat den Kaufpreis von einem Schweizer Bankkonto überwiesen. Das Fahrzeug wurde zuvor von der xxx in die Schweiz importiert. Dem stehen der Sitz der Beklagten und die Herstellung des Motors an diesem Sitz nicht entgegen.

[28](bbb) Auch nach der allgemeinen Kollisionsnorm Art. 4 der Rom II-VO wäre schweizerisches Recht anzuwenden.

[29]Nicht einschlägig sind Art. 4 Abs. 2 und 3 der Rom II-VO. Eine offensichtlich engere Verbindung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO liegt nicht vor (vgl. o.); Zedent und Beklagte haben und hatten im Zeitpunkt - des hier geltend gemachten - Schadenseintritts auch nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO.

[30]Bei Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO wäre der gegenständliche Sachverhalt nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Der hier geltend gemachte Schaden ist in der Schweiz eingetreten. Die Zahlung erfolgte von einem Schweizer Bankkonto durch einen Schweizer Staatsbürger. Schadensort im Sinne des Art. 4 Rom II-VO (zum Begriff des Schadensortes vgl. auch BeckOGK/Rühl, 1.12.2017, Rom II-VO Art. 4 Rn. 57 bis 68.1) ist damit die Schweiz (vgl. zur Belegenheit eines Bankkontos: Thorn in Palandt, 79. Aufl. 2020, Rom II 4 (IPR) Rn. 9).

[31](dd) Die Klägerin macht somit Ansprüche geltend, die nach schweizerischem Recht zu beurteilen sind, wovon sie - ebenso wie die Beklagte - auch selbst ausgeht. Das Geschäftsmodell der Klägerin war daher, auch aus ihrer eigenen Sicht, von Anfang an auf eine Inkassodienstleistung gerichtet, die hinsichtlich der mit ihr geltend gemachten Ansprüche nach schweizerischem Recht zu beurteilen ist.

[32](3) Mit der Erbringung von Rechtdienstleistungen im Schweizer Recht überschreitet die Klägerin aber die Befugnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen. Dies folgt aus einer Auslegung der einschlägigen Vorschriften des RDG:

[33]Dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG ist eine Beschränkung der Erlaubnis auf bestimmte Rechtsgebiete zwar jedenfalls ausdrücklich nicht zu entnehmen. Das heißt aber nicht, dass man im Wege der Auslegung nicht doch zu einer Beschränkung kommen kann. Problematisch wäre es nur, wenn dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG positiv zu entnehmen wäre, dass die Erlaubnis unbeschränkt gilt. Denn nach den klassischen Auslegungsregeln ist der Wortlaut die Grenze jeglicher Auslegung. Das ist vorliegend aber nicht der Fall.

[34]Bei der systematischen Auslegung ist zunächst zu berücksichtigen, dass betreffend Berater im ausländischen Recht in § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RDG ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Erlaubnis in „einem“ ausländischen Recht erteilt wird. Eine solche Begrenzung fehlt in § 10 Abs. 1 S.1 Nr. 1 RDG, was dafür sprechen könnte, dass es für registrierte Inkassodienstleister eine Beschränkung auf ein - das deutsche - Recht nicht geben sollte.

[35]Im Rahmen einer historischen Auslegung ist dann aber weiter zu berücksichtigen: Bei der Schaffung des RDG hatte der Gesetzgeber - BT-Drs. 16/2655, S. 41, 80 („vom BVerfG anerkanntes Berufsbild“) - das Berufsbild des Inkassodienstleisters als eines im Blick, dass sich bereits verfestigt hatte und aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken ist. Dafür, dass der Gesetzgeber dabei einen Inkassodienstleister vor Augen hatte, der nach ausländischem Recht zu beurteilende Forderungen einzieht, gibt es keine Anhaltspunkte: Er hat schlicht nicht daran gedacht.

[36]Letztere Annahme verfestigt sich bei einem Blick auf die Anforderungen an theoretischen Rechtskenntnissen, die gem. § 11 Abs. 1 RDG von einem Inkassodienstleister erwartet werden. § 11 Abs. 1 RDG verlangt vom Inkassodienstleister besondere Sachkunde in einer Vielzahl von Rechtsgebieten, ausländisches Recht wird dort nicht genannt, die Begrifflichkeiten deuten darauf hin, dass ausschließlich deutsches Recht gemeint ist, was gut zu dem bereits zitierten Bild des „klassischen“ Inkassodienstleisters „passt“, den der Gesetzgeber im Blick hatte. Besonders deutlich wird es, zieht man noch die Gesetzgebungsmaterien hinzu: Dann stellt man fest, dass die Anforderungen in § 11 Abs. 1 RDG gezielt an die schon bis dato geforderten anknüpfen sollten (BR-Drs. 623/06, S. 141, BT-Drs. 16/3655, S. 66; so auch LexFox Rn. 224). Dort wird nämlich Bezug genommen auf die bereits mehrfach zitierte Inkasso I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die dort aufgeführten Rechtsgebiete, deren Kenntnis von einem Inkassodienstleister verlangt werden, sind eindeutig nur solche des deutschen Rechts.

[37]Schließlich und vor allem ist - wieder zurück zur systematischen Auslegung - noch zu berücksichtigen:

[38]§ 11 Abs. 3 RDG erfordert vom Rechtsdienstleister im ausländischen Recht besondere Sachkunde in genau dem ausländischen Recht, für welches eine Registrierung beantragt ist. Eine Person, die Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht erbringen möchte, muss besondere Kenntnisse der gesamten ausländischen Rechtsordnung vorweisen können, wobei diese denen einer in diesem Land zur Ausübung umfassender Rechtsdienstleistungen berechtigten Person entsprechen müssen (BT-Drs. 16/3655, 66). Selbst soweit die Registrierung aufgrund der Verordnung nach § 10 Abs. 1 S. 2 RDG auf einen Teilbereich beschränkt werden kann, erwartet der Gesetzgeber neben vertieften Kenntnissen des jeweiligen Teilbereichs „in jedem Fall“ Grundkenntnisse der gesamten ausländischen Rechtsordnung (BT-Drs. 16/3655, 66).

[39]§ 12 Abs. 4 S. 4 RDG erfordert von Inkassodienstleistern, die im europäischen Ausland registriert sind und künftig dauerhaft in Deutschland tätig werden wollen, dass diese an einem mindestens 6-monatigen Anpassungslehrgang teilnehmen, wobei sich aus dem Begriff „Anpassung“ von selbst ergibt, dass es um die Aneignung von Kenntnissen deutschen Rechts geht.

[40]Für Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit (§ 5 RDG) ist anerkannt, dass die Rechtsdienstleistungskompetenzen desto weiterreichen, je höher die Rechtskenntnisse sind, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (vgl. Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl., § 5, Rn. 42). Entsprechend soll das Tatbestandsmerkmal „unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen“ bei Berufen, die keine oder nur geringe rechtliche Kenntnisse erfordern, in erheblicher Weise einschränkend wirken (BT-Drs. 16/3655, S. 54).

[41]Auch im Übrigen stellt das RDG auf besondere Qualifikationen ab (§ 6 Abs. 2 RDG „durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person"; § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG „im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs"; § 7 Abs. 2 RDG „durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person"). Auch die in § 8 RDG genannten Stellen dürften nur im Rahmen „ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs" tätig werden, § 8 Abs. 1 letzter Halbsatz RDG. Insgesamt nimmt das das Erfordernis von Qualifikationen „zentrale Bedeutung" im zweiten Teil des RDG ein (BT Drs. 16/3655 S. 58).

[42]In all den vorgenannten Fällen wird der Umfang der Rechtsdienstleistungskompetenzen vom Umfang der rechtlichen Kompetenzen abhängig gemacht. Dass ihm dies gerade auch für den Bereich des ausländischen Rechts wichtig ist, hat der Gesetzgeber in der oben zitierten Gesetzesbegründung zu § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RDG zum Ausdruck gebracht. Dieses „Grundprinzip“ des RDG kommt letztlich auch im Wortlaut des § 10 RDG zum Ausdruck: Rechtsdienstleistungen dürfen „aufgrund besonderer (Betonung durch die Kammer) Sachkunde“ erbracht werden.

[43]Auch das Bundesverfassungsgericht (Inkasso I, Rn. 31) und zuletzt der Bundesgerichtshof (LexFox Rn. 121, 124, 145) haben betont, dass eine Gefahr für den Rechtssuchenden und den Rechtsverkehr dann nicht besteht, wenn das Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde einsetzt.

[44]Dass das „Grundprinzip“ des RDG - „Befugnis besteht nur, soweit Kenntnisse verlangt, überprüft und für genügend befunden wurden“ - ausgerechnet für den Inkassodienstleister nicht gelten soll, ist nach Ansicht der Kammer ausgeschlossen.

[45]Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Argumente verfangen nicht:

[46]Es trifft zwar zu, dass dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG eine Einschränkung der Erlaubnis auf inländisches Recht nicht zu entnehmen ist. Der Wortlaut des Gesetzes steht einer entgegenstehenden Auslegung jedoch nicht entgegen.

[47]Weiter verweist die Klägerin auf § 688 ZPO. Dieser bestimmt, dass bestimmte Forderungen vom Mahnverfahren ausgeschlossen sind. Dies zeige - so die Klägerin -, dass der Gesetzgeber durchaus in der Lage sei, Beschränkungen ausdrücklich anzuordnen. Dass er dies bei § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG unterlassen hat, deute - so die Klägerin weiter - darauf hin, dass eine Beschränkung auf inländische Forderungen nicht gewollt gewesen sei. Dieses Argument der Klägerin würde jedoch allenfalls gelten, wenn davon auszugehen wäre, dass der Gesetzgeber das Inkasso ausländischer Forderungen im Blick gehabt hat. Dafür ergeben sich jedoch aus den Gesetzesmaterien keinerlei Anhaltspunkte.

[48]Es bestehe - so die Klägerin weiter - nach dem RDG keine Pflicht zur Rechtsprüfung der Forderung. Deswegen könnte vom Inkassodienstleister nicht verlangt werden, Kenntnisse im ausländischen Recht nachzuweisen. Indes: Unterstellt, dass eine Verpflichtung des Inkassodienstleisters zur Rechtsprüfung nicht besteht, folgt aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Nachweis von Kenntnissen im deutschen Recht verlangt, dass er Rechtskenntnisse unabhängig von deren tatsächlichen Anwendung im Einzelfall voraussetzen wollte.

[49]Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass im Gerichtsprozess ohnehin der Rechtsanwalt die Beratung, soweit erforderlich auch zum ausländischen Recht, übernehme. Die Vertretung des Inkassodienstleisters durch einen Rechtsanwalt ist für das gerichtliche Verfahren zwingend vorgeschrieben (beachte insbesondere § 79 Abs. 1 S. 2 ZPO). Gleichwohl setzt RDG Rechtskenntnisse des Inkassodienstleisters voraus (§ 11 Abs. 1 RDG). Mithin soll nach der Konzeption des RDG die Beratung durch einen Rechtsanwalt im gerichtlichen Verfahren fehlende Kenntnisse des Inkassodienstleisters nicht „ersetzen“.

[50]Der Gesetzgeber wollte nicht - so die Klägerin weiter -, dass der Umfang der Tätigkeit auf die Gebiete beschränkt werden sollte, in denen Kenntnisse nachgewiesen wurden. Die nachgewiesenen Gebiete sollten nur exemplarisch gelernt und danach Zugang zu allen Rechtsgebieten bestehen. Indes spricht gegen dieses Argument systematisch, dass ausländische Anbieter, die nicht nur vorübergehend im Inland tätig werden wollen, einen Anpassungslehrgang durchführen müssen.

[51]Soweit die Klägerin weiter darauf verweist, dass Inkassounternehmen auch die Einziehung von Forderungen öffentlich-rechtlicher Natur übernähmen, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen:

[52]Betreffend die von der Beklagten zitierten Rundfunkgebühren besteht eine Erlaubnis - §§ 10 Abs. 7 S. 2, 9 Abs. 2 Rundfunkbeitragsstaatvertrag - aufgrund „anderer Gesetze" im Sinne des § 3 RDG.

[53]Im Übrigen ist es nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG - „durch dieses Gesetz" im Sinne von § 3 RDG - Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Unternehmen und Zusammenschlüsse gestattet Rechtsdienstleistungen zu erbringen (BT-Drs. 16/3655, S. 61), was auch Inkassotätigkeiten umfassen kann (BGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - I ZR 62/89 -, juris; Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, RDG § 8 Rn. 43, beck-online; BeckOK RDG/Müller, 12. Ed. 1.1.2020, RDG § 8 Rn. 16). Dabei dürfen sie sich auch privater Unternehmen in der Funktion eines sogenannten Verwaltungshelfers (vgl. Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, Verschiedene Fragen zur Privatisierung des staatlichen Forderungsmanagements, Az. WD 4 - 3000 - 039/14) bedienen (Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, RDG § 8 Rn. 27, beck-online; BeckOK RDG/Müller, 12. Ed. 1.1.2020, RDG § 8 Rn. 10), die dann - „durch dieses Gesetz“ im Sinne von § 3 RDG - für die Behörde aufgrund von § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG tätig werden.

[54]Das Inkasso ausländischer Forderungen stelle - so die Klägerin weiter - zudem keine Rechtsdienstleistung in einem ausländischen Recht im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RDG dar. Die Annahme, dass die Inkassodienstleistungserlaubnis gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG nicht das Inkasso ausländischer Forderungen erlaubt, würde dann dazu führen, dass das Inkasso von solchen Forderungen einem deutschen Inkassodienstleister nicht ermöglicht werden kann. Indes: Abgesehen davon, dass dieses Ergebnis - worauf noch einzugehen sein wird - nicht zwingend sein muss, wäre dies der Konzeption des § 3 RDG - einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt - geschuldet und - an der Verfassungsmäßigkeit von § 3 RDG bestehen keine Zweifel (hierzu jeweils zum Rechtsberatungsgesetz: Inkasso I Rn. 30 zur Rechtfertigung des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt; Inkasso II Leitsatz lit. 3d), Rn. 9 zur grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit des Rechtsberatungsgesetzes sowie Rn. 11 und 15 zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; Zu § 3 RDG: BVerfG Beschl. v. 22.3.2011 - 2 BvR 983/09, BeckRS 2011, 49813, beck-online: „Das in § 3 RDG statuierte, nach § 20 RDG bußgeldbewehrte Verbot, jenseits gesetzlicher oder gesetzlich fundierter Erlaubnisnormen außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen, richtet sich nicht an denjenigen, dem die Leistung erbracht wird; dieser soll durch die Norm gerade geschützt werden. Eine Veränderung gegenüber den Vorgängernormen des Rechtsberatungsgesetzes ist in diesem Punkt offensichtlich nicht eingetreten“; Krenzler, Rechtsdienstleistungsgesetz, RDG § 3 Rn. 14, beck-online: § 3 RDG formuliert im Grundsatz das, was sich früher aus Art. 1 § § 1 ff. RBerG ergab) - hinzunehmen.

[55]c) Der vorgenannte Verstoß gegen § 3 RDG führt schließlich gem. § 134 BGB auch zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Abtretung.

[56]Bei der Frage, ob und wann ein Verstoß gegen das RDG durch einen Inkassodienstleister zur Nichtigkeit der fiduziarischen Forderungsabtretung führen kann, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu differenzieren:

[57]Auch Personen, die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen registriert sind, unterfallen dem Anwendungsbereich des § 3 RDG und eine Überschreitung der diesen Personen mit der Registrierung im Rechtsdienstleistungsregister verliehenen Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen in Gestalt von Inkassodienstleistungen hat aufgrund des darin liegenden Verstoßes gegen das Verbotsgesetz des § 3 RDG grundsätzlich nach § 134 BGB die Nichtigkeit der mit der Inkassodienstleistung verbundenen Rechtsgeschäfte, namentlich auch einer in diesem Zusammenhang erfolgten Forderungsabtretung (§ 398 BGB), zur Folge (LexFox, Rn. 89).

[58]Dies bedeutet indes nicht, dass ohne weiteres bereits jede auch geringfügige Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG) stets auch die Nichtigkeit der auf die Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB zur Folge hat (LexFox, Rn. 90):

[59]So kann es Fälle geben, bei denen die Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis so geringfügig ist, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG vorliegt.

[60]Daneben kann es Fälle geben, bei denen ein solcher Verstoß zwar vorliegt, aber aufgrund einer verfassungsgemäßen Auslegung und Anwendung des § 134 BGB jedenfalls eine Nichtigkeit der diesem Verstoß zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu Inkasso I) nicht angenommen werden kann.

[61]Aber selbst wenn eine eindeutige, nicht nur geringfügige Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis vorliegt, ist eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB - bei objektiver Betrachtung - nur in der Regel auch für den Auftraggeber zumutbar. Gleiches gilt für den von dem Inkassodienstleister außergerichtlich in Anspruch genommenen Schuldner der Forderung (LexFox, Rn. 92).

[62]Schließlich zählte der Bundesgerichtshof - ersichtlich nicht abschließend - zwei Beispiele für einen eindeutigen Verstoß im vorgenannten Sinne auf, die - aber wiederum nur in der Regel - zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung führen sollen:

[63]Von einer Nichtigkeit der Forderungsabtretung nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz werde zum einen regelmäßig dann auszugehen sein, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die nicht auf eine Forderungseinziehung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG gerichtet sind, sondern die Abwehr von Ansprüchen zum Gegenstand haben (LexFox, Rn. 96).

[64]Gleiches gelte für die Durchführung einer dem registrierten Inkassodienstleister ebenfalls nicht gestatteten, über den Bereich der Forderungseinziehung hinausgehenden Rechtsberatung, wie etwa eine von dem Ziel einer Forderungseinziehung losgelöste allgemeine rechtliche Prüfung des Inhalts von Wohnraummietverträgen und der sich aus diesen Verträgen für den jeweiligen Mieter ergebenden vertraglichen Verpflichtungen oder auch eine persönliche oder automatisierte Beantwortung sonstiger Rechtsfragen durch den registrierten Inkassodienstleister (LexFox, Rn. 96).

[65]Den vom Bundesgerichtshof zitierten Beispielsfällen ist dabei gemein, dass sich ein Verstoß gegen das RDG schon aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG ergibt: Danach muss die Tätigkeit des Inkassodienstleisters auf einen Forderungseinzug gerichtet sein. In beiden o.g. Fällen aber geht die rechtliche Tätigkeit über einen Forderungseinzug hinaus.

[66]Die Kammer geht davon aus, dass der vorliegende Verstoß - ein Verstoß gegen das „Grundprinzip“ des RDG - einen schwerwiegenden Verstoß im Sinne der Rechtsprechung darstellt, der gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit der Abtretung führt.

[67]Die hiergegen vorgetragenen Argumente der Klägerin verfangen nicht. Sie meint, die Annahme der Nichtigkeitsfolge sei unverhältnismäßig, weil sie für den Zedenten einen vollständigen Rechtsverlust bedeuten könnte, weil sein Anspruch gegen die Beklagte dann möglicherweise verjährt wäre, und es ihm auch bei Ausnutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen nicht möglich gewesen wäre, die fehlende Befugnis der Klägerin zur Einziehung seiner Forderung zu erkennen.

[68]Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen der Annahme der Nichtigkeit der Abtretung bei einem festgestellten Verstoß gegen § 3 RDG nicht entgegen (ausführlich LexFxo, Rn. 77 ff.). Dem Vertrauensschutz hat der Gesetzgeber im Rahmen des RDG zwar tatsächlich - durch Einführung des Rechtsdienstleistungsregisters - eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Allerdings kann der Vertrauensschutz nur soweit gehen als der Inhalt des Registers dies rechtfertigt: Angaben zum Geschäftsmodell des registrierten Rechtsdienstleisters oder zu sonstigen Einzelheiten seiner Tätigkeit enthält das Register nicht. Auch findet seitens der Aufsichtsbehörde vor der Eintragung in das Register eine rechtliche Prüfung des jeweiligen Geschäftsmodells des Rechtsdienstleisters und der von ihm in diesem Rahmen entfalteten Tätigkeiten nicht statt; nach der Eintragung erfolgt eine solche Prüfung lediglich anlassbezogen.

[69]Für den Zedenten ist die Nichtigkeitsfolge zudem auch deshalb nicht unzumutbar, weil für ihn im Falle eines damit verbundenen Rechtsverlustes die Möglichkeit besteht, bei der Klägerin, die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 RDG über eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 € für jeden Versicherungsfall verfügen muss, Regress zu nehmen (LexFox, Rn. 93).

[70]Hinzu kommt: Die Klägerin hätte es sonst - bei entgegenstehender Ansicht - selbst in der Hand, eine solche Unzumutbarkeit zu schaffen, indem sie z. B. erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist die Klage bei einem Gericht einreicht.

[71]Das gefundene Ergebnis führt schließlich auch nicht zu einer verfassungswidrigen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Klägerin:

[72]Es beruht auf der Grundkonzeption des RDG, welches ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darstellt. An der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit schon des identisch angelegten RBerG bestanden keine Zweifel.

[73]Auch die Inkasso I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Diese besagt - vereinfacht ausgedrückt -, dass es verfassungswidrig ist, einem Inkassodienstleister Kenntnisse abzuverlangen und die Anwendung dieser Kenntnisse dann zu untersagen („Der Umfang der Befugnis ist Spiegelbild der aufgrund nachgewiesener und geprüfter Kenntnisse erteilten Erlaubnis.“). Diese Situation stellt sich vorliegend betreffend das Schweizer Recht nicht.

[74]Ohnehin dürfte - abschließend - das gefundene Ergebnis nicht dazu führen, dass einem im Inland registrierten Inkassodienstleister das Inkasso von ausländischen Forderung grundsätzlich untersagt ist. Verfügt er zusätzlich für das betreffende ausländische Recht über eine Registrierung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RDG dürfte die weiterhin gegebene Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis im Sinne der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei einer am Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 S. 2 RDG), orientierten Anwendung des § 134 BGB aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht zur Annahme der Nichtigkeit der mit der Inkassodienstleistung verbundenen Rechtsgeschäfte führen, wenn nicht gar von einer dann nur so geringfügigen Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis auszugehen sein könnte, dass noch nicht einmal ein Verstoß gegen § 3 RDG angenommen werden würde.

[75]II. ...

Fundstellen

Bericht

BB, 2020, 1153
Sesing/Wagenpfeil, EWiR, 2020, 461
GRURPrax, 2020, 298

LS und Gründe

WM, 2020, 1743

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2020-205

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