Ist das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner nicht so zugestellt worden, dass er sich verteidigen konnte, führt diese Einschränkung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 34 Nr. 2. Halbs. 2 EuGVO a.F. nicht zu einer Versagung der Vollstreckbarkeit der späteren Entscheidung, wenn der Antragsgegner keinen Rechtsbehelf gegen diese eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Erforderlich ist die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte.
Zwar kann die Verletzung von Verfahrensrechten durch fehlerhafte öffentliche Zustellung einen gemäß Art. 34 Nr. 1 EuGVO a.F. die Anerkennung hindernden Verstoß gegen den ordre public begründen, da dadurch das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz beeinträchtigt werden kann, dies setzt aber voraus, dass es der unterlegenen Partei nicht möglich war, in zweckdienlicher und wirksamer Weise im Erststaat ein Rechtmittel einzulegen.
Grundsätzlich hat der einzelne Rechtsbürger sich aller Rechtsbehelfe zu bedienen, die ihm nach dem Recht des Ursprungsmitgliedsstaates eröffnet sind und so seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen. Diese Verpflichtung besteht grundsätzlich auch noch während des Vollstreckbarkeitsverfahrens, wenn eine Entscheidung erst in diesem Stadium zugestellt wird, und schließt auch Anträge auf Wiedereinsetzung, z.B. gemäß Art. 19 EuZVO, ein. [LS der Redaktion]
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zu einem in Spanien ergangenen auto. Zwischen den Parteien bestand ein Honorarvertrag. Mit Schreiben vom Dezember 2009 kündigte der Antragsgegner fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Durch Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts
Der Antragsteller hat bei dem Landgericht Münster unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des auto nebst Übersetzung, der mit einem Rechtskraftvermerk versehen ist, die Erteilung einer Vollstreckungsklausel beantragt. Das Landgericht wies darauf hin, dass die Parteibezeichnungen in dem auto hinsichtlich des Namens des Antragstellers abwichen (U statt U2) und die Bezeichnung des Antragsgegners hinsichtlich Adresse und Rechtsform unzureichend seien. Der Antragsgegner hat sodann eine Kopie seines Personalausweises, des Arbeitsvertrages, der Kündigung und des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichts
[1]II.
[2]Auf das Verfahren findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (EuGVVO a.F.) Anwendung, die am 01.03.2002 gemäß ihres Art. 76 in Kraft getreten und auf alle Klagen anzuwenden ist, die - wie vorliegend - danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO a.F.). Die Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12.12.2012 (EuGVVO n.F.) kommt nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO n.F. nicht zur Anwendung, weil das Verfahren nicht am 10.01.2015 oder danach eingeleitet worden ist (Art. 81 Abs. 2 EuGVVO n.F.). Für die vor dem 10.01.2015 eingeleiteten Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 EuGVVO n.F. die EuGVVO a.F. weiter Anwendung (vgl. BGH, Beschluss vom 26.03.2015 - IX ZB 38/14 (IPRspr 2015-254) -, zitiert nach juris Rn. 4).
[3]III.
[4]Die nach Art. 43 Abs. 1 EuGVVO a.F., § 11 Abs. 1 AVAG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
[5]1.
[6]Die Vollstreckbarkeit des auto des Arbeits- und Sozialgerichts Nr. 2 vom 13.02.2013 ist gegen den Antragsgegner anzuordnen.
[7]a) Der Antragsteller hat eine nach Art. 53 Abs. 1 EuGVVO a.F. erforderliche Ausfertigung der Entscheidung vorgelegt, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, indem er eine beglaubigte Abschrift des auto nebst beglaubigter Übersetzung vorgelegt hat. Der Antragsgegner, der während des Beschwerdeverfahrens auch in die spanischen Akten hat Einsicht nehmen lassen, bestreitet auch nicht die Authentizität der Entscheidung.
[8]Es bedurfte auch keiner Ergänzung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigung nach Art. 54 i.V.m. Anhang V EuGVVO a.F. Zwar fehlt in dieser Bescheinigung unter Ziff. 4.4 die Angabe, wann das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Aber eine weitere Klärung ist nicht erforderlich ([Art.] 55 Abs. 1 EuGVVO a.F.). Nach dem überzeugenden Rechtsgutachten des Prof. Dr. S2 ist als verfahrenseinleitendes Schriftstück die Antragsschrift vom 22.07.2011 nebst der Ladung zum Termin am 13.02.2013 anzusehen. Diese Ladung ist durch Veröffentlichung im Gesetzblatt (Bl. 152 d.A.) öffentlich zugestellt worden wie auch der auto (Bl. 117= 153 d.A.). Zwar hätten diese öffentlichen Zustellungen nicht angeordnet werden dürfen (dazu unten) und waren zunächst nichtig. Aber gem. Art. 61 S. 2 LRJS erlangte die Bekanntgabe des auto Wirkung, als dieser dem Antragsgegner im Vollstreckbarkeitsverfahren am 10.07.2015 zugestellt wurde. Damit wurde die Rechtsbehelfsfrist des recurso de reposición (Art. 186 LRJS) in Gang gesetzt, die nunmehr abgelaufen ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der auto vollstreckbar geworden.
[9]b) Es handelt sich bei dem auto auch um eine Entscheidung i.S. von Art. 32 EuGVVO [a.F.], die für vollstreckbar erklärt werden kann. Denn es wird nicht ein bereits titulierter Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt, sondern es handelt sich nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. S2 (S. 21f. des Gutachten) nach spanischem Recht um einen eigenständigen Titel.
[10]c) Der auto ist auch in einem Verfahren zwischen den hiesigen Parteien ergangen. Zwar spricht dieser im Text unter Primero von dem im vorangegangen Kündigungsschutzverfahren ergangenen Urteil
[11]Der hiesige Antragsteller war auch Kläger/Antragsteller der spanischen Verfahren. In dem Urteil
[12]d) Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung darf gem. Art. 45 Abs. 1 EuGVVO a.F. nur aus einem der in den Art. 34 und 35 EuGVVO a.F. aufgeführten Gründen versagt oder aufgehoben werden. Die ausländische Entscheidung selbst darf nicht in der Sache nachgeprüft werden (Art. 45 Abs. 2 EuGVVO a.F.).
[13]aa) Einer Vollstreckbarerklärung steht nicht Art. 34 Nr. 2 Halbs. 2 EuGVVO a.F. entgegen.
[14](1) Zwar ist das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner nicht so zugestellt worden, dass er sich verteidigen konnte.
[15]Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. S2 (S. 21 des Gutachtens) handelt es sich bei dem Verfahren der ejecución de titolos judiciales nicht lediglich um ein Verfahren, in dem ein bereits zuvor dem Grunde nach titulierter Anspruch nachträglich liquide festgesetzt wird, sondern um ein weiteres Verfahren, in dem ein eigenständiger Titel geschaffen wird.
[16]Dieses wird durch einen eigenen Antrag eingeleitet; dieser stellt in Verbindung mit der Ladung das verfahrenseinleitende Schriftstück dar (S. 31 f. des Gutachtens). Die zunächst versuchte Übersendung durch eingeschriebenen Brief unter der Anschrift der im vorangegangenen Verfahren tätigen Rechtsanwälte ist gescheitert. Stattdessen sind diese Schriftstücke dem Antragsgegner durch Veröffentlichung im Gesetzblatt öffentlich zugestellt worden und ihm daher bis zum Erlass des auto nicht bekannt geworden.
[17]Die Voraussetzungen, unter denen eine öffentliche Zustellung hätte angeordnet werden können, lagen aber nicht vor. Eine öffentliche Zustellung ist nach Art. 59 Abs. 1 LRJS nach den überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. S2 nur möglich, wenn zuvor alle möglichen Zustellarten sowie alle geeigneten Mittel zur Ermittlung des Domizils gescheitert sind. Ermittlungsbemühungen hat das Gericht aber nicht entwickelt, sondern allein darauf abgestellt, dass eine Übersendung per eingeschriebene[m] Brief gescheitert war. Bei einer Hinzuziehung der Akten des Kündigungsschutzprozesses hätte sich bereits aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 18.03.2010 wie auch aus dem Honorarvertrag dessen Anschrift in Deutschland ergeben.
[18](2) Aber diese Einschränkung des rechtlichen Gehörs führt gem. Art. 34 Nr. 2 Halbs. 2 EuGVVO a.F. dann nicht zu einer Versagung der Vollstreckbarkeit der späteren Entscheidung, wenn der Antragsgegner keinen Rechtsbehelf gegen diese eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Erforderlich ist die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte. Dies setzt voraus, dass dem Antragsgegner im Erststaat ein effektiver Weg zur Verfügung stehen muss, um seine Rechte geltend zu machen. Dies bedingt, dass der Rechtsbehelf eine vollständige Überprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglichen muss.
[19]Diese Frage ist nach spanischem Recht zu entscheiden, zu dessen Ermittlung der Senat gem. § 293 ZPO das schriftliche Rechtsgutachten eingeholt hat. Prof. Dr. S2 hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass die Nichtigkeit einer Zustellung grundsätzlich mit den ordentlichen Rechtsmitteln geltend zu machen ist, die gegen die Entscheidung gegeben sind (S. 52 des Gutachtens). Gegen den auto ist gem. Art. 186 LRJS der Rechtsbehelf der recurso de reposición gegeben, mit dem alle Arten von Mängeln angegriffen werden können, insbesondere auch die Nichtigkeit der Zustellung (vgl. S. 54f. des Gutachtens).
[20]Dabei wird eine Nichtigkeit der Zustellung nur dann angenommen, wenn der Mangel der Zustellung zur Behinderung der Rechtsverteidigung (indefensión) führt. Ein solcher Verstoß gegen wesentliche Elemente der Zustellungsvorschriften lag hier vor, da die zu Unrecht erfolgte öffentliche Zustellung sowohl des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in Verbindung mit der Ladung sowie des auto dazu geführt haben, dass der Antragsgegner an einer Verteidigung gehindert war, bis er den Inhalt des auto infolge der Zustellung im Vollstreckbarkeitsverfahren einschließlich Rechtsbehelfsbelehrung - auch in übersetzter Form - tatsächlich zur Kenntnis genommen hat.
[21]Aber Art. 61 S. 2 LRJS sieht eine Heilung des Zustellungsmangels in der Weise vor, dass die Bekanntgabe ab dem Zeitpunkt wirkt, in dem die Partei Kenntnis der wesentlichen Bestandteile des Bescheides erlangt. Der Antragsgegner hat eine solche Kenntnis erlangt, als er den auto infolge der Zustellung im Vollstreckbarkeitsverfahren gelesen hat. Mit dieser Kenntnisnahme begann die Frist zur Einlegung der recurso de reposición zu laufen.
[22]Auch wenn die Einlegungsfrist von 3 Tagen sehr kurz ist, war es dem Antragsgegner zumutbar, den Rechtsbehelf einzulegen. Er hatte sich im Kündigungsschutzverfahren bereits durch einen spanischen Rechtsanwalt vertreten lassen, so dass dieser bereits mit dem Sachverhalt befasst gewesen war und mit Übermittlung des auto per Telefax oder [E-]Mail die Rechte des Antragsgegners hätte wahrnehmen können.
[23]Der Antragsgegner hat nicht mitgeteilt, wann er den Brief tatsächlich geöffnet hat. Dies war spätestens am 15.07.2015 der Fall, da an diesem Tag dessen Verfahrensbevollmächtigter die Beschwerdeschrift abgefasst hat. Ob das in der Beschwerdeschrift genannte Zustellungsdatum 12.07.2015 (Sonntag), das von dem auf der Zustellungsurkunde als Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten der Geschäftsräume (10.07.2015 - Freitag) abweicht, den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme angeben soll, kann dahinstehen, da in beiden Fällen noch zwei Werktage verblieben wären.
[24]An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass der Bevollmächtigte des hiesigen Antragstellers in der Antragsschrift vom 22.07.2011 im Hinblick auf Art. 284 LPL ausgeführt hatte, dass der Antragsgegner seine Geschäftstätigkeit eingestellt hatte. Denn diese Mitteilung bezog sich allein auf eine Tätigkeit auf Mallorca oder in Spanien, aber brachte schon nicht zum Ausdruck, dass das in Deutschland ansässige Unternehmen seine gesamte Tätigkeit eingestellt hatte. Es kann nach dem Inhalt der Anordnung (Bl. 149f. d.A.) auch nicht festgestellt werden, dass sich diese Mitteilung im Rahmen der Prüfung der öffentlichen Zustellung ausgewirkt hätte. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. S2 (S. 22 - 26 des Gutachtens) wirkt sich die Beendigung/Schließung des Unternehmens des Arbeitgebers nach Art. 284 LPL nur im Hinblick auf die vom Gericht zu prüfenden materiellrechtlichen Fragen aus.
[25]bb) Auch Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a.F. steht einer Vollstreckbarkeitserklärung nicht entgegen, da der Antragsgegner - wie zuvor ausgeführt - die Verletzung weiterer Verfahrensrechte noch nach Zustellung im Vollstreckbarerklärungsverfahren in Spanien im Rahmen der recurso de reposición hätte geltend machen können.
[26]Zwar kann die Verletzung von Verfahrensrechten im weiteren Verfahren durch die fehlerhafte öffentliche Zustellung des auto einen Verstoß gegen Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a.F. begründen, da dadurch das Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz beeinträchtigt werden kann. Aber auch im Rahmen der Anwendung von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO a.F. ist ein Verstoß gegen den ordre public nur anzunehmen, wenn es der unterlegenen Partei nicht möglich war, in zweckdienlicher und wirksamer Weise im Erststaat ein Rechtmittel einzulegen. Die EuGVVO ist auf das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union gestützt. Dieses Vertrauen erlaubt es nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen, dass im Falle der falschen Anwendung des nationalen Rechts oder des Unionsrechts das in jedem Mitgliedsstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem eine ausreichende Garantie bietet. Grundsätzlich hat der einzelne Rechtsbürger sich aller Rechtsbehelfe zu bedienen, die ihm nach dem Recht des Ursprungsmitgliedsstaates eröffnet sind und so seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 25.06.2016, C-559/14, Meroni, juris Rn. 47f.; Urteil vom 16.07.2015, C-681/13, Disageo Brands, juris Rn. 62 ff.; Urteil vom 06.09.2012, C-619/10, Trade Agency ./. Seramico, juris Rn. 61f.). Diese Verpflichtung besteht grundsätzlich auch noch während des Vollstreckbarkeitsverfahrens, wenn wie hier eine Entscheidung erst in diesem Stadium zugestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2009, IX ZB 124/08 (IPRspr 2009-244), juris; Beschluss vom 21.01.2010, IX ZB 193/07 (IPRspr 2010-260), juris), und schließt auch Anträge auf Wiedereinsetzung, z.B. gemäß Art. 19 EuZustellungsVO (vgl. EuGH, Urteil vom 07.07.2016, C-70/15, Lebek ./. Domino, juris) ein.
[27]Diese Verpflichtung entfällt nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Einlegen der Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat zu sehr erschweren oder unmöglich machen (EuGH C-559/14, C- 681/13, C-619/10 jew. a.a.O.).
[28]Hier hätte der Antragsgegner den Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften im spanischen Gerichtsverfahren noch geltend machen können, ohne dass ihm dies unzumutbar war. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1 d) aa) verwiesen.
[29]2. ...