Die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen (hier: ungarischen) Entscheidung darf gemäß Art. 45 EuGVO alter Fassung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden.
Einer ausländischen öffentlichen Urkunde kommt grundsätzlich derselbe Beweiswert zu wie einer deutschen öffentlichen Urkunde. Die Grundsätze zu deren Beweiswirkung werden jedoch nicht in Frage gestellt, wenn der Bescheinigung keine Beweiswirkung beizumessen ist, weil das ausländische Gericht in früheren Bescheinigungen kein Zustellungsdatum ausgewiesen hat. [LS der Redaktion]
Die ASt. erwirkte am 4.5.2009 eine Entscheidung des Stadtgerichts von K./Ungarn, nach welcher der zwischenzeitlich verstorbene Vater der AGg. (Erblasser) einen Betrag von 2.500.000 HUF nebst Zinsen und Kosten an sie zu zahlen hatte. Mit Beschluss vom 9.1.2012 ordnete das LG Mönchengladbach an, dass die Entscheidung mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Auf die sofortige Beschwerde des Erblassers hob das OLG Düsseldorf den Beschluss auf und wies den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ab, weil die im Verfahren vorgelegte Bescheinigung des Stadtgerichts K. das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht auswies; dass der Erblasser sich, wie die ASt. behauptete, auf das Verfahren eingelassen hatte, vermochte das BeschwG nicht festzustellen.
Nunmehr beantragt die ASt. erneut, die Entscheidung des Stadtgerichts K. für vollstreckbar zu erklären. Das LG hat antragsgemäß entschieden. Auf die sofortige Beschwerde der AGg. hat das BeschwG die Entscheidung des LG aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die ASt. die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der AGg. erreichen.
II. [3] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 I 1 Nr. 1 ZPO, 15 AVAG, Art. 44 EuGVO (n.F.) statthaft (§§ 15 I AVAG, 574 I Nr. 1 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§§ 15 I AVAG, § 574 II ZPO).
[4] 1. Auf das Verfahren ist die EuGVO a.F. anzuwenden. Diese Verordnung ist in Deutschland am 1.3.2002 und in Ungarn mit dessen Beitritt zur EU am 1.5.2004 in Kraft getreten. Das Verfahren, welches dem für vollstreckbar zu erklärenden Titel zugrunde liegt, ist nach dem Inkrafttreten der Verordnung eingeleitet worden (Art. 66 I, 76 EuGVO a.F.). Die EuGVO n.F. ist hier nicht anwendbar. Sie gilt erst ab dem 10.1.2015 (vgl. Art. 81) für Verfahren, die am 10.1.2015 oder danach eingeleitet worden sind (Art. 66).
[5] 2. Gemäß Art. 45 EuGVO a.F. durfte die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVO a.F. wurde eine Entscheidung dann nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hatte, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden war, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hatte gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung hat das BeschwG bejaht, ohne dass insoweit ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 II ZPO) ersichtlich wäre.
[6] a) Ob die notwendigen Förmlichkeiten des Verfahrens eingehalten worden sind, insbes. ob das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig zugestellt worden ist, war gemäß Art. 54 EuGVO a.F. anhand einer Bescheinigung zu prüfen, welche das Gericht des Urteilsstaats unter Verwendung des Formblatts gemäß Anhang V der EuGVO a.F. ausstellte und welche die ASt. gemäß Art. 53 II EuGVO a.F. vorzulegen hatte. Eine entsprechende Bescheinigung des Stadtgerichts K. vom 21.9.2012 hat die ASt. vorgelegt. Nach dieser Bescheinigung ist dem Erblasser das verfahrenseinleitende Schriftstück am 22.5.2009 zugestellt worden.
[7] b) Welche Beweiskraft einer Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. zukam, ist im Urteil des EuGH vom 6.9.2012 (Trade Agency Ltd. ./. Seramico Investments Ltd., Rs C-619/10, IPRax 2013, 427) hinreichend geklärt worden. Die zuständigen Stellen des Vollstreckungsmitgliedstaats durften im ersten Verfahrensabschnitt nur prüfen, ob die Förmlichkeiten für die Vollstreckbarkeit erfüllt waren (Art. 41 EuGVO a.F.). Im Rechtsbehelfsverfahren hatte dagegen gemäß Art. 45 EuGVO a.F. eine Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Art. 34 und 35 EuGVO a.F. zu erfolgen. Insbesondere war die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eines gleichwertigen Schriftstücks gemäß Art. 34 Nr. 2 EuGVO a.F. zu prüfen. Die Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. schränkte den Umfang der Kontrollbefugnisse des zuständigen Gerichts nicht ein. Dies folgte zum einen daraus, dass für die Ausstellung der Bescheinigung nicht notwendig das Gericht oder die Behörde zuständig war, welches oder welche die zu vollstreckende Entscheidung erlassen hatte; der Bescheinigung kam daher nur die Aussagekraft einer bloßen Auskunft zu (EuGH aaO Rz. 36). Zum anderen enthielt die Bescheinigung nur das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, nicht jedoch Angaben über die Modalitäten der Zustellung oder über die Anschrift des Bekl., die zweckdienlich gewesen wären, um nachzuprüfen, ob sich der Bekl. verteidigen konnte (EuGH aaO Rz. 37). Das Verbot einer Nachprüfung in der Sache galt nach den Art. 36 und 45 II EuGVO a.F. nur hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaats (EuGH aaO Rz. 34 f.), stand also einer umfassenden Nachprüfung der ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht entgegen.
[8] c) In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das BeschwG geprüft, ob die Bescheinigung vom 21.9.2012 die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks beweise. Es hat diese Frage verneint, weil das Stadtgericht K. in dieser Sache insgesamt drei unterschiedliche Bescheinigungen ausgestellt habe; zudem habe der Erblasser bereits im ersten Verfahren detailliert vorgetragen und urkundlich belegt, dass er seinen Wohnsitz in Ungarn bereits Anfang Februar 2009 aufgegeben habe. Verfahrensgrundrechte der ASt. wurden insoweit nicht verletzt. Insbesondere hat das BeschwG die Urkunde des Stadtgerichts K. vom 12.12.2015 zur Kenntnis genommen, in der es heißt, der Punkt 4.4 sei in der früheren Bescheinigung nicht ausgefüllt worden. Eine Divergenz zum Beschluss des OLG Stuttgart vom 5.11.2013 (5 W 13/13 (IPRspr 2013-267), juris) liegt nicht vor. Das OLG Stuttgart misst in dieser Entscheidung der Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. zwar die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zu. Das BeschwG hat eine Anwendung des § 415 ZPO (richtig: § 418 I ZPO) jedoch nicht generell, sondern wegen der drei voneinander abweichenden Bescheinigungen abgelehnt.
[9] d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist das BeschwG auch nicht von der Rechtsprechung des BGH zum Beweiswert ausländischer Urkunden abgewichen. Grundsätzlich kommt einer ausländischen öffentlichen Urkunde derselbe Beweiswert zu wie einer deutschen öffentlichen Urkunde (BGH, Beschl. vom 16.1.2007 – VIII ZR 82/06 (IPRspr 2007-167), NJW-RR 2007, 1006 Rz. 13; BVerwG, NVwZ 2010, 1162 (IPRspr 2010-33) Rz. 5; Stein-Jonas-Berger, ZPO, 23. Aufl., § 415 Rz. 17; MünchKommZPO-Schreiber, 5. Aufl., § 415 Rz. 15; Prütting-Gehrlein-Preuß, ZPO, 9. Aufl., § 415 Rz. 9; Zöller-Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 415 Rz. 3). Darauf kommt es nicht an. Das BeschwG misst der Bescheinigung keine Beweiswirkung bei, weil das Stadtgericht K. in zuvor ausgestellten früheren Bescheinigungen kein Zustellungsdatum ausgewiesen hat. Damit stellt das BeschwG die Grundsätze zur Beweiswirkung einer ausländischen öffentlichen Urkunde nicht in Frage. Da die Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. keine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung betrifft, kommt allein eine Anwendung von § 418 ZPO in Betracht. Danach begründet eine von einer Behörde ausgestellte Bescheinigung vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, sofern das Zeugnis auf der eigenen Wahrnehmung der Behörde oder der Urkundsperson beruht (§ 418 I, III ZPO). Damit könnte einer Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. hinsichtlich der Zustellungsart und -zeit nur dann eine Beweiswirkung gemäß § 418 ZPO zukommen, wenn das ausstellende Gericht die Zustellung selbst vorgenommen hat. Hierzu [hat] die ASt. keinen Vortrag gehalten.
[10] Eine weitergehende Beweiskraft der Urkunde erfordert eine entsprechende gesetzliche Anordnung (§ 418 III ZPO). Hinsichtlich der Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. fehlt eine solche gesetzliche Anordnung. Diese folgte insbesondere nicht aus den Vorschriften der EuGVO a.F. über das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen. Nach dem oben zitierten Urteil des EuGH vom 6.9.2012 (aaO Rz. 36) hatte die Bescheinigung nach Art. 54 EuGVO a.F. nur im ersten Abschnitt des Verfahrens Bindungswirkung, in welchem die vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu kontrollieren waren (aaO Rz. 28 f.). Im zweiten Verfahrensabschnitt vor dem BeschwG kam der Bescheinigung dagegen lediglich der Beweiswert einer Auskunft zu (aaO Rz. 36).
[11] 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß §§ 17 II AVAG, 577 VI 3 ZPO abgesehen.