Es steht der Kindeswohldienlichkeit der Annahme eines auf Veranlassung der Wunscheltern geborenen Kindes des Ehegatten oder Lebenspartners durch den anderen Wunschelternteil gemäß § 1741 I 1 BGB nicht entgegen, dass das Kind von einer Leihmutter geboren wurde. Vielmehr gehört es regelmäßig zum Kindeswohl, dass das Kind auch dem zweiten Wunschelternteil verlässlich rechtlich zugeordnet wird. [LS von der Redaktion neu gefasst]
Der Annehmende und der Vater der Anzunehmenden stellten über eine US-amerikanische Agentur den Kontakt zur Mutter der Anzunehmenden her, die im Wege der künstlichen Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen des Vaters und von Eizellen einer anonymen Spenderin für den Annehmenden und den Vater ein Kind austragen sollte. Unter dem 29.7.2013 erklärte der Vater vor dem Notar Dr. O in Düsseldorf die Anerkennung der Vaterschaft und die Übernahme der elterlichen Sorge, die Mutter unter dem 13.9.2013vor dem Generalkonsul der Bundesrepublik in Miami die Zustimmung. Die anzunehmenden Zwillinge wurden am 2.1.2014 in L./Florida zur Welt gebracht und leben seit dem 15.1.2014 bei dem Vater und dem Annehmenden in Düsseldorf. Die Kinder besitzen sowohl die deutsche als auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Am 17.4.2014 haben der Annehmende und der Vater vor dem Standesamt Düsseldorf die Lebenspartnerschaft begründet. Mit notarieller Urkunde des Notars B in Bergisch Gladbach vom 6.6.2014 hat der Annehmende beantragt, die Annahme der Kinder durch ihn, den Annehmenden, auszusprechen. Das JugA der Stadt Düsseldorf hat die Adoption befürwortet. Das LJA hat auf die Anwendbarkeit des § 1741 I 2 BGB verwiesen und es der familiengerichtlichen Beurteilung überlassen, ob die Adoption aus Kindeswohlgesichtspunkten erforderlich sei. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgen der Annehmende, die Kinder und der Vater das Adoptionsbegehren weiter.
[1]II. Die Rechtsmittel haben Erfolg. Die Voraussetzungen für die beantragte Annahme sind erfüllt.
[2]1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 101 Nrn. 1 und 2 FamFG. [...] Für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Kinder ist unerheblich, dass sie auch US-amerikanische Staatsbürger sind, weil insoweit bei Mehrstaatern der Besitz auch der deutschen Staatsangehörigkeit genügt (vgl. BGH, NJW 1997, 3024 (IPRspr. 1997 Nr. 99), juris Rz. 13; Prütting-Helms-Hau, FamFG, 3. Aufl., Vor §§ 98-106 Rz. 28).
[3]2. Die Annahme gründet sich auf die Vorschriften der §§ 9 VII LPartG, 1754 I und III, 1755 II BGB ...
[4]b) Die Annahme ist gemäß § 1741 I BGB gerechtfertigt.
[5]aa) Zwischen dem Annehmenden und den Kindern besteht bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis i.S.d. § 1741 I 1 BGB ...
[6]bb) Ebenso ist die Annahme aus dem Gesichtspunkt des Kindeswohls gerechtfertigt.
[7](1) Entscheidend ist, dass die Adoption i.S.d. § 1741 I 1 BGB dem Kindeswohl dient.
[8](a) ... Der Kindeswohldienlichkeit steht nicht entgegen, dass die Kinder von einer Leihmutter geboren wurden (vgl. Staudinger-Frank aaO Rz. 35). In einem solchen Fall gehört es vielmehr zum Kindeswohl, dass die Kinder auch dem zweiten Wunschelternteil verlässlich rechtlich zugeordnet werden (vgl. BGH, FamRZ 2015, 240 (IPRspr 2014-254b), Rz. 54 ff.).
[9](b) Nach diesem Maßstab erweist sich die begehrte Annahme als kindeswohldienlich. Aufgrund der Annahme ist eine merklich bessere Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder zu erwarten. Denn auf diesem Weg wird ihre Aufnahme in den Familienverbund mit dem Vater und dem Annehmenden verankert und unter den Schutz des Familienrechts gestellt, was die beste Gewähr für eine auf stabile Lebensverhältnisse gründende seelische Entwicklung der Kinder bietet ...
[10](2) Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Annahme i.S.d. § 1741 I 2 BGB zum Wohl der Kinder erforderlich ist. Der Umstand, dass die Kinder mit Hilfe einer Leihmutter unter Verwendung einer anonymen Eizellspende im Ausland geboren worden sind, rechtfertigt es nicht, die Adoption den erhöhten Kindeswohlanforderungen gemäß § 1741 I 2 BGB zu unterstellen. Einer solchen Konstellation liegt nämlich regelmäßig keine Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zweck der Annahme zugrunde (so auch LG Frankfurt, StAZ 2013, 222; MünchKomm-Maurer, 6. Aufl., § 1741 Rz. 157; jurisPK-BGB-Heiderhoff, 8. Aufl., § 1741 Rz. 26; in der Tendenz ebenso Palandt-Götz, BGB, 76. Aufl., § 1741 Rz. 6; a.A. LG Düsseldorf, IPRspr. 2012 Nr. 107; AG Hamm, FamFR 2011, 551 (IPRspr 2011-124); Staudinger-Frank aaO Rz. 34; Erman-Saar, BGB, 14. Aufl., § 1741 Rz. 13).
[11](a) Schon der Wortlaut der Norm spricht dagegen, § 1741 I 2 BGB auf solche Fallgestaltungen anzuwenden. Hier geht es nicht um die Vermittlung eines Kindes. Gesetzliche Bestimmungen, deren Regelungsgegenstand mit dem Begriff des ‚Kindes’ bezeichnet ist, erfassen nämlich grunds. lediglich Sachverhalte ab Vollendung der Geburt (vgl. BGH, FamRZ 2016, 1849 (IPRspr 2016-143), Rz. 12). Handlungen im Zuge der Anbahnung einer Geburt wie die Beschaffung einer Eizellspende und die Beauftragung einer Leihmutter beziehen sich nicht auf diesen Zeitraum, weil sie im Vorfeld der Geburt stattfinden und im Zeitpunkt der Geburt bereits abgeschlossen sind. Auch lässt sich die nachfolgende Rückkehr mit dem geborenen Kind nach Deutschland nicht ohne weiteres dem Begriff der gesetzes- oder sittenwidrigen Verbringung zuordnen. Dieser Ortswechsel führt nämlich regelmäßig zu keiner Herauslösung des Kindes aus einem natürlichen Familienverbund ...
[12](b) ... Nach dem gesetzgeberischen Konzept, das der Einbeziehung der Ersatzmutterschaft in das AdVermiG zugrunde liegt, handelt es sich bei der Adoptionsvermittlung und der Ersatzmutterschaft um klar trennbare Sachkomplexe (vgl. BT-Drucks. 11/4154 S. 8). Diese Trennung hat im AdVermiG deutlichen Niederschlag gefunden ... Vor diesem Hintergrund erscheint es als Systembruch, die Begründung von Elternschaft im Wege der Inanspruchnahme einer Leihmutter als Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zweck der Annahme zu werten. Die in den gesetzlichen Bestimmungen zur Adoptionsvermittlung vorgenommene klare Differenzierung würde auf diesem Weg übergangen, ohne dass die Begrifflichkeit des § 1741 I 2 BGB hierfür eine tragfähige Grundlage böte.
[13](c) Hinzu kommt, dass systematische Erwägungen unter maßgeblicher Berücksichtigung des Kindeswohlprinzips als Grundpfeiler des Kindschaftsrechts eine enge Auslegung des § 1741 I 2 BGB gebieten. [...] Damit verbietet es sich, sie über ihren Wortlaut hinaus und im Widerspruch zur Systematik der gesetzlichen Regelungen der Adoptionsvermittlung und der Ersatzmutterschaft auf die in Rede stehende Konstellation anzuwenden.
[14](d) Teleologische Gesichtspunkte geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar diente die Erstreckung des § 1741 I 2 BGB auf die Adoption eines unter Inanspruchnahme einer Leihmutter geborenen Kindes ohne Zweifel dem Ziel des Gesetzgebers, Leihmutterschaften zu verhindern, das insbes. in den Materialien zur Änderung des AdVermiG (BT-Drucks. 11/4154 S. 6 ff.) und zum ESchG (BT-Drucks. 11/5460 S. 9) Ausdruck gefunden hat. Der Anreiz, ein Kind unter Beanspruchung einer Leihmutter im Ausland zur Welt bringen zu lassen, würde gewiss gemindert, wenn die (Stiefkind-)Adoption des so geborenen Kindes in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen zulässig wäre. Derartige auf die Vermeidung von Leihmutterschaften gerichteten generalpräventiven Erwägungen rechtfertigen jedoch keine Maßnahmen, die dem von einer Leihmutter geborenen, nunmehr als Rechtsträger in die Betrachtung einzubeziehenden Kind zum Nachteil gereichen, indem sie seine verlässliche rechtliche Zuordnung zu den Eltern als den Personen, die für sein Wohl und Wehe kontinuierlich Verantwortung übernehmen, erschweren (vgl. BGH, FamRZ 2015 aaO Rz. 45 ff.). Die Prävention von Leihmutterschaften darf nicht auf dem Rücken der betroffenen Kinder ausgetragen werden.
[15](e) Im Hinblick auf die Rechtsposition der Kinder ist es jedenfalls geboten, § 1741 I 2 BGB verfassungs- und konventionskonform dahin auszulegen, dass die Norm die Adoption eines mit Hilfe einer Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes nicht erfasst. Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II GG und Art. 8 I EMRK gewährleisten nämlich das angesprochene Recht des Kindes auf verlässliche rechtliche Zuordnung zu den Eltern als den Personen, die für sein Wohl und Wehe kontinuierlich Verantwortung übernehmen (vgl. BGH, FamRZ 2015 aaO Rz. 54 ff.; Senat, FamRZ 2015, 1638, 1639 (IPRspr 2015-98)). Wird diese Zuordnung eingeschränkt, so liegt hierin ein Eingriff in die besagten Rechte des Kindes, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Dieser grund- und menschenrechtlich verbürgten Rechtsstellung des Kindes würde die Anwendung des § 1741 I 2 BGB auf die Adoption eines von einer Leihmutter geborenen Kindes nicht gerecht, weil hierdurch die rechtliche Zuordnung des Kindes jedenfalls zum nicht leiblichen Wunschelternteil grunds. ausgeschlossen wäre und nur ausnahmsweise im Einzelfall erfolgen könnte, wenn sich die Adoption als zum Wohl des Kindes erforderlich erweist. Auch vor diesem Hintergrund ist die Adoption eines im Wege vereinbarter Leihmutterschaft geborenen Kindes materiell allein an § 1741 I 1 BGB zu messen und ist die Annahme unter dem Kindeswohlaspekt schon dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie – wie hier – dem Wohl des Kindes dient.