PDF-Version

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf, Beschl. vom 07.04.2015 – II-1 UF 258/13, IPRspr 2015-98

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Kindschaftsrecht gesamt bis 2019

Leitsatz

Eine ausländische Entscheidung, die dem genetischen Vater eines von einer (hier: in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen) Leihmutter ausgetragenen Kindes und seinem eingetragenen Lebenspartner die Elternschaft an dem Kind rechtlich zuweist, verstößt nicht gegen den ordre public in Deutschland und ist daher anzuerkennen. Dies gilt auch in Ansehung der Rechte der Leihmutter.

Rechtsnormen

BGB §§ 1594 ff.; BGB § 1600d
EMRK Art. 8
FamFG § 100; FamFG § 108; FamFG §§ 108 f.; FamFG § 109
GG Art. 2; GG Art. 6

Sachverhalt

Die ASt. sind eingetragene Lebenspartner. Sie vereinbarten mit Frau K. G., dass diese ein Kind für sie austragen solle. Nach einer künstlichen Befruchtung hat die Leihmutter das betroffene Kind 2012 im Grandview Hospital in Sellersville (Pennsylvania/USA) geboren. Am 9.1.2013 gab die Leihmutter die notariell beurkundete Erklärung ab, dass sie die ASt. als Eltern des Kindes anerkenne und auf das Sorgerecht für das Kind verzichte. Auf Antrag der ASt. sprach das angerufene Gericht, der Court of Common Pleas of Bucks County, Pennsylvania/USA, mit Erlass (decree) aus, dass die ASt. die Eltern des betroffenen Kindes sind. Das Kind befindet sich seither in der Obhut der ASt. Ein von ihnen vorgelegtes Abstammungsgutachten des Instituts für Blutgruppenforschung LGC GmbH, Köln, gelangt zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaft des ASt. zu 1) hinsichtlich des betroffenen Kindes praktisch erwiesen sei. Am 7.4.2014 hat das Standesamt Düsseldorf eine Geburtsurkunde für das betroffene Kind erstellt und den ASt. zu 1) als Vater sowie Frau K. G. als Mutter eingetragen; nach dem Vortrag der ASt. verweigert das Standesamt die Eintragung des ASt. zu 2) als Elternteil. Den Antrag der ASt. auf Anerkennung der Entscheidung des Court of Common Pleas of Bucks County vom 22.1.2013 hat das AG zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgen die ASt. ihren Antrag auf Anerkennung der Entscheidung des amerik. Gerichts weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Beschwerde hat dahingehend Erfolg, dass die Entscheidung des Court of Common Pleas of Bucks County vom 22.1.2013, nach der die ASt. die Eltern des betroffenen Kindes sind, anerkannt wird.

[2]1. Der Antrag ist zulässig, und zwar auch hinsichtlich des ASt. zu 1). Insbesondere hat auch der ASt. zu 1) ein rechtliches Interesse an der Anerkennung der Entscheidung gemäß § 108 II 1 FamFG.

[3]Hierfür ist ein unmittelbares eigenes rechtliches Interesse erforderlich, das insbes. für Beteiligte zu bejahen ist, deren Status von der Entscheidung betroffen ist (vgl. MünchKommFamFG-Rauscher, 2. Aufl., § 108 Rz. 26). Dies ist auch hinsichtlich des ASt. zu 1) der Fall, weil es um seine Vaterschaft geht. Allein die Möglichkeit, anderweitig nach innerstaatlichem Recht, etwa im Wege einer Anerkennung mit Zustimmung der Kindesmutter gemäß §§ 1594 ff. BGB oder im Wege der gerichtlichen Feststellung gemäß § 1600d BGB, die Stellung des Vaters zu erlangen, lässt das Interesse an der Anerkennung einer bereits ergangenen ausländischen Entscheidung nicht entfallen. Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht mit Blick auf die inzwischen vom Standesamt vorgenommene Eintragung des ASt. zu 1) als Vater in die Geburtsurkunde, weil diese keine konstitutive Wirkung hat, wie sich insbes. aus der in § 1600d IV BGB normierten Rechtsausübungssperre ergibt, nach der die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können.

[4]2. Die Entscheidung des Court of Common Pleas of Bucks County vom 22.1.2013 ist gemäß §§ 108 f. FamFG anzuerkennen. Es besteht kein Anerkennungshindernis nach § 109 FamFG.

[5]a) Die Anerkennung scheitert nicht an einer fehlenden Anerkennungszuständigkeit des ausländischen Gerichts gemäß § 109 I Nr. 1 FamFG. Nach dieser Norm ist eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn das ausländische Gericht aus deutscher Sicht aufgrund fehlender internationaler Zuständigkeit nicht zur Entscheidung berufen war (vgl. Prütting-Helms-Hau, FamFG, 3. Aufl., Vor §§ 98–106 FamFG Rz. 2). Auf der Grundlage des insoweit heranzuziehenden deutschen Rechts war der Court of Common Pleas of Bucks County jedenfalls wegen des ersichtlich gewöhnlichen Aufenthalts der Leihmutter in den USA international zuständig (vgl. § 100 Nr. 2 FamFG).

[6]b) Die Entscheidung vom 22.1.2013 verstößt auch nicht im Sinne des § 109 I Nr. 4 FamFG gegen den ordre public.

[7]aa) Gemäß dem insoweit maßgeblichen anerkennungsrechtlichen ordre public ist eine ausländische Entscheidung ausnahmsweise nur dann nicht anzuerkennen, wenn das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint (BGH, NJW 1998, 2358 ff. (IPRspr. 1998 Nr. 185), juris Tz. 16; Prütting-Helms-Hau aaO § 109 Rz. 45). Weist eine ausländische Entscheidung im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternstellung den Wunsch- oder Bestelleltern zu, ist ein Verstoß gegen den ordre public gemäß der nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des AG ergangenen Entscheidung des BGH vom 10.12.2014 jedenfalls dann nicht festzustellen, wenn ein Wunschelternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist (BGH, Beschl. vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13 (IPRspr 2014-254b), juris Tz. 34 ff.).

[8]Den Ausschlag geben das Kindeswohl und die Rechte des Kindes aus Art. 2 I i.V.m. Art. 6 II GG und aus Art. 8 I EMRK, die ein Recht des Kindes auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern gewährleisten. Zum Kindeswohl gehört die verlässliche rechtliche Zuordnung zu den Eltern als den Personen, die für sein Wohl und Wehe kontinuierlich Verantwortung übernehmen, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Kind auch ohne die Anerkennung in der Obhut der Wunscheltern verbleiben kann (BGH,aaO Tz. 54 ff.).

[9]Für eine Differenzierung zw. gleich- und verschiedengeschlechtlichen Wunscheltern besteht mit Blick auf die Rspr. des BVerfG zur Sukzessivadoption (BVerfG, FamRZ 2013, 521 ff., juris Tz. 80) keine Grundlage (BGH aaO Tz. 43).

[10]Die Rechte der Leihmutter rechtfertigen keine abweichende Beurteilung, wenn die Vereinbarung und die Durchführung einer Leihmutterschaft nach dem vom ausländischen Gericht angewendeten Recht unter Anforderungen stehen, die die Freiwilligkeit der von der Leihmutter getroffenen Entscheidung, das Kind auszutragen und nach der Geburt den Wunscheltern zu überlassen, sicherstellen, wobei eine ausländische Entscheidung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Gewähr für eine solchermaßen freie Entscheidung der Leihmutter bietet, wenn die Wirksamkeit der Leihmutterschaftsvereinbarung und die rechtliche Elternschaft der Wunscheltern vom zuständigen ausländischen Gericht in einem rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Verfahren festgestellt werden (BGH aaO Tz. 48 f.).

[11]bb) Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen den ordre public nicht festzustellen. Ausweislich des Abstammungsgutachtens des Instituts für Blutgruppenforschung LGC GmbH vom 23.4.2013 ist der ASt. zu 1) genetischer Vater des Kindes. Das Verfahren vor dem Court of Common Pleas of Bucks County bietet auch die Gewähr für eine freie Entscheidung der Leihmutter hinsichtlich des Verzichts auf ihre Elternstellung und der Überlassung des Kindes an die ASt. Die Leihmutter hat nach dem Vortrag der ASt. vor der Geburt des Kindes gegenüber dem ausländischen Gericht erklärt, auf das Sorgerecht für das Kind zu verzichten. Nachdem sie das Kind ausgetragen hatte, hat sie am 9.1.2013 die notariell beurkundete und dem ausländischen Gericht vorgelegte Erklärung abgegeben, dass sie die ASt. als Eltern des Kindes anerkenne und auf das Sorgerecht für das Kind verzichte. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Entscheidung des Court of Common Pleas of Bucks County die Freiwilligkeit der Entscheidung der Leihmutter, auf ihre Rechte an dem Kind zu verzichten und das Kind den ASt. zu überlassen, nicht in rechtsstaatlichen Anforderungen genügender Weise festgestellt hätte.

[12]3. Dagegen ist es nicht gerechtfertigt, die Anerkennung darauf zu erstrecken, dass die ASt. für das betroffene Kind das Sorgerecht ausüben, wie die ASt. dies beantragen. Denn die Entscheidung des Court of Common Pleas of Bucks County vom 22.1.2013 enthält keine Regelung des Sorgerechts, worauf bereits das AG zutreffend hingewiesen hat.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamRB, 2015, 426, mit Anm. Wiegelmann
RNotZ, 2015, 460

LS und Gründe

FamRZ, 2015, 1638
NJW, 2015, 3382
NZFam, 2015, 865, mit Anm. Frie

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2015-98

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>