Die Vorschrift des § 99 I FamFG regelt die internationale Zuständigkeit auch für die Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht, wenn sich nicht aus Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, oder Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft anderes ergibt.
Daher sind die deutschen Gerichte für die Vollstreckung eines Umgangstitels auch dann international zuständig, wenn das Kind Deutscher ist, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und vorgehende Bestimmungen im Sinne des § 97 I FamFG fehlen.
[Der vorgehende Beschluss des OLG Bremen – 5 WF 67/14 – wurde bereits im Band IPRspr. 2014 unter der Nr. 223 abgedruckt.]
Die ASt. und der AGg. streiten um die Vollstreckung einer Umgangsentscheidung. Sie sind geschiedene Eheleute und die Eltern ihrer beiden 2002 und 2004 geborenen Söhne. Diese sind – wie ihre Eltern – deutsche Staatsangehörige und leben seit 2009 zusammen mit dem AGg., dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden ist, in Peking/China. 2013 räumte das AG der ASt. auf ihren Antrag im Wege der einstweiligen Anordnung ein Recht auf Umgang mit den beiden Kindern in Deutschland für einen Zeitraum von einer Woche ein. Dem AGg. wurde aufgegeben, die Kinder so rechtzeitig zum Flughafen in Peking zu bringen, dass diese einen genau bezeichneten Flug nach Deutschland erreichen könnten. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde dem AGg. ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 € und ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Der AGg. ließ die Kinder gleichwohl nicht nach Deutschland fliegen. Daraufhin hat die ASt. die Festsetzung eines Ordnungsgelds beantragt. Das AG hat gegen den AGg. ein Ordnungsgeld in Höhe von 1 000 € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des AGg. hat das OLG den amtsgerichtlichen Beschluss wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit aufgehoben und den Antrag der ASt. auf Festsetzung eines Ordnungsgelds zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die ASt. ihren Vollstreckungsantrag weiter.
[7] III. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
[8] 1. Das OLG hat seine in FamRZ 2015, 776 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet (Siehe IPRspr. 2014 Nr. 223) ...
[12] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
[13] a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des BeschwG. Obwohl nach dem gemäß § 87 IV FamFG entsprechend anwendbaren § 571 II 2 ZPO die sofortige Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, ist das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen (Senatsbeschluss BGHZ 184, 269 (IPRspr 2010-240) = FamRZ 2010, 720 Rz. 7 f.; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 194, 245 (IPRspr 2012-92) = FamRZ 2012, 1785 Rz. 7 zu § 72 II FamFG und BGHZ 157, 224 (IPRspr. 2003 Nr. 149) = NJW 2004, 1456 f. zu § 513 II ZPO).
[14] b) Entgegen der Annahme des BeschwG ist jedoch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Vollstreckung des Umgangstitels gegeben.
[15] aa) Gemäß § 99 I 1 FamFG sind die deutschen Gerichte in den in § 151 FamFG aufgezählten Kindschaftssachen – mit Ausnahme der in § 151 Nr. 7 FamFG genannten Anordnung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker – zuständig, wenn das Kind Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Diese Vorschrift steht unter dem Vorbehalt des § 97 I 1 FamFG, wonach Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, vorgehen und Rechtsakte der EG unberührt bleiben.
[16] Wie das BeschwG noch zutreffend erkannt hat, fehlt es im vorliegenden Fall an derartigen vorrangigen Bestimmungen, die die Vollstreckung der gerichtlichen Anordnung zum Umgang mit den in Peking/China lebenden Kindern regeln. Die EuEheVO verweist in ihrem Art. 14 in das nationale Recht, wenn sich aus ihren Art. 8 bis 13 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt (vgl. auch Senatsurteil BGHZ 176, 365 (IPRspr 2008-57) = FamRZ 2008, 1409 Rz. 14). Eine solche Zuständigkeit liegt hier nicht vor. Insbesondere haben die betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in einem Drittstaat. China ist auch nicht Vertragsstaat des KSÜ oder des MSA, das nicht für ganz China, sondern nur für die Sonderverwaltungsregion Macau gilt (Keidel-Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 99 Rz. 7, 23).
[17] bb) Die Vorschrift des § 99 I FamFG regelt die internationale Zuständigkeit auch für die Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht.
[18] (1) Verfahren betreffend das Umgangsrecht gehören gemäß § 151 Nr. 2 FamFG zu den Kindschaftssachen. Dabei ist der Begriff der Kindschaftssache nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt. Vielmehr erfasst er auch die Angelegenheiten, die in einem engen sachlichen und verfahrensrechtlichen Zusammenhang mit diesem Verfahrensgegenstand stehen. Das ist beim Vollstreckungsverfahren der Fall (Keidel-Engelhardt aaO § 151 Rz. 3a; MünchKommFamFG-Heilmann, 2. Aufl., § 151 Rz. 8; Rauscher, NZFam 2015, 95; Schulte-Bunert/Weinreich/Ziegler, FamFG, 4. Aufl., § 151 Rz. 2; ebenso wohl auch Johannsen-Henrich-Büte, Familienrecht, 6. Aufl., § 151 FamFG Rz. 3).
[19] (2) Es steht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, auch das eine Umgangssache betreffende Vollstreckungsverfahren als Kindschaftssache im Sinne des § 151 Nr. 2 FamFG anzusehen. Denn die Norm entspricht dem früheren § 621 I Nr. 2 ZPO (BT-Drucks. 16/6308 S. 234), der die Regelung des Umgangs mit einem Kind zur Familiensache erklärte. Für diese Bestimmung war aber anerkannt, dass unter Familiensachen in ihrem Sinne nicht nur Verfahren zu verstehen waren, durch die der Umgang mit dem Kind geregelt wurde, sondern auch Verfahren, in denen Maßnahmen nach § 33 FGG zur Durchsetzung einer Entscheidung über das Umgangsrecht getroffen werden sollten (BGH, Beschl. vom 15.2.1978 – IV ZB 72/77, NJW 1978, 1112; BayObLG, Beschl. vom 10.7.2000 – 1Z BR 195/99, juris Rz. 11).
[20] (3) Die vom BeschwG vertretene Auffassung liefe zudem dem Grundsatz zuwider, dass ein nach § 86 II FamFG mit seiner Wirksamkeit vollstreckbarer Umgangstitel einer effektiven Durchsetzungsmöglichkeit bedarf (Senatsbeschlüsse vom 19.2.2014 – XII ZB 165/13, FamRZ 2014, 732 Rz. 16 und vom 1.2.2012 – XII ZB 188/11, FamRZ 2012, 533 Rz. 22; BT-Drucks. 16/6308 S. 218 und 16/9733 S. 292). Denn ein deutsches Gericht könnte danach, gestützt auf § 99 FamFG, in Fällen wie dem vorliegenden zwar den Umgang mit einem deutschen Kind ungeachtet dessen Aufenthalts regeln, jedoch keine Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Regelung treffen; dies würde selbst dann gelten, wenn sich das Kind vorübergehend in Deutschland aufhielte oder der aus dem Umgangstitel Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätte (Rauscher aaO).
[21] cc) Der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Vollstreckung des Umgangstitels steht nicht entgegen, dass die den Umgang ermöglichende Handlung oder Duldung vorliegend im Ausland zu erfolgen hat. Die staatliche Zwangsgewalt ist zwar auf das Inland beschränkt, weil durch von deutschen Gerichten angeordnete Vollstreckungsmaßnahmen nicht in die Hoheitsgewalt eines anderen Staats eingegriffen werden darf (vgl. BGH, Beschl. vom 13.8.2009 – I ZB 43/08 (IPRspr 2009-258), NJW-RR 2010, 279 Rz. 11 m.w.N.). Die Anordnung eines Ordnungsgelds gemäß § 89 I 1 FamFG gegen einen aus einem Umgangstitel Verpflichteten, der im Ausland wohnhaft ist, betrifft jedoch, soweit die Entscheidung nicht in dem ausländischen Staat für vollstreckbar erklärt worden ist, nur den inländischen Geltungsbereich und ist auf Deutschland beschränkt (BGH, Beschl. vom 13.8.2009 aaO Rz. 18 f. m.w.N. zu § 890 ZPO). Völkerrechtliche Grenzen schließen mithin insoweit nicht die Vollstreckung durch deutsche Gerichte aus (vgl. auch Rauscher aaO).